Humor & Satire
Urlaub

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"Eine humorvolle Beobachtung"
Veröffentlicht am 25. Juni 2016, 38 Seiten
Kategorie Humor & Satire
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Über den Autor:

Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten. Hoffentlich glückt es. Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren. Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert. Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.
Eine humorvolle Beobachtung

Urlaub

Vorbemerkung

Ein Ehepaar sitzt am Frühstückstisch in Italien. Man genießt den Urlaub. Ich erwähne noch den Hinweis: Typisch Deutsch.

So war es eben, als Italien noch ursprünglich war, aber bereits von den "sauberen" Deutschen überrannt wurde.

Mir war es ein Vergnügen und die Lust eine gewisse Atmosphäre einzufangen.



Copyright: G.v.Tetzeli

Das Frühstück

Er saß am Frühstückstisch. Dieser war für zwei Personen gedeckt. Der Tisch war rund, eingeschlossen durch eine übergroße, weiße Tischdecke, die noch völlig sinnlos mit Hilfe einer gelben Überdecke erschlagen wurde. Da und dort zierte sie ein paar gesprenkelte Kaffeeflecke. Auch einige Krümel lungerten herum.

Es sah so aus, als ob es ein friedlicher, sonniger Tag inmitten Italiens werden sollte, denn die Sonne hatte sich schon über den Horizont geschoben und ihre Strahlen nestelten sich in den Speisesaal.

Die Zwei hatten sich schon lange auf diese Reise gefreut  und sich ausgemalt, wie schön

es werden würde. Endlich, endlich dem Alltagstrott entkommen! Man würde entspannen, gut essen, baden und die Sonne genießen.

Die Vögel zwitscherten geschäftig, die Luft roch nach Kräutern und etwas nach Meer. Eine gewisse salzige Brise lag in der Luft, Mediterran eben.

Er saß an einem der Tische am Rande des Raumes. Möglichst weit von dem Radio weg, das entweder stakkatoförmiges Gebabbel von sich gab, oder irgendwelche nervtötende, enervierende Musik. Er fragte sich, ob das Gerät überhaupt je ausgeschaltet wurde. Zudem hatte dieser Platz den Vorteil, dass er nah am Fenster lag und man, so denn man wollte, hinaus

schauen konnte. Das saftige Grün, die Pinienhaine interessierten ihn nicht, sondern er widmete sich gewohnheitsmäßig seiner Zeitung, mit der er gerade kämpfte.

Die deutsche Zeitung mit den vielen Bildern ärgerte ihn. Sie wollte sich partout nicht umblättern lassen. Unter einigen schmissigen Armbewegungen gab die zerknitterte Zeitung auf und die nächste Seite kam zum Vorschein.

Mehrere Tische in scheinbar ungeordneter Aufstellung erschienen über dem Horizont des Zeitungsknickes. Sie waren alle mit denselben Tischdecken belegt und sie waren zudem alle unbesetzt. Bis auf ihn selbst war der Speisesaal leer. Auf den Tischtüchern war jeweils in der Mitte ein fades Pflänzchen

drapiert und mit unzufriedenem Stirnrunzeln stellte er fest, dass auf seinem Tisch so ein armseliges Blümchen fehlte.

Er musterte durch seine schweren Brillengläser mit vergrößerten Eulenaugen.

Flotten Schrittes, ein silberfarbenes ovales, silbriges Tablett mit der rechten Hand in Kopfhöhe kokett balancierend, eilte der Kellner hurtig herbei. Er umfuhr die Tische, die sich ihm entgegenstellten in salopper Manier. Gleich einem Skiläufer im Slalom zwischen den Kippstangen, leitete er die Richtungsänderung durch eine leichte Gewichtsverlagerung des Oberkörpers ein. Sein silbernes Tableau wippte neckisch dazu.

Er war nun angekommen, neigte sich nach vorne.

Wie ein Fahrstuhl glitt das Tablett auf Tischhöhe hinunter.

„Bon giorno, Signore!“

Sein silbriges Kleinod, das Tablett aus Metall selgelte hinüber auf die linke Handfläche. Über dem linken Arm des Kellners ruhte erschöpft ein weißes Tuch. Es wurde herunter geschnippt und mit einer lassoartigen Handbewegung ausgeschlagen.

„Zwei Kaffee mit Sahne bitte und zwei mal Orangensaft, aber frisch gepresst, wenn ich bitten darf!“

In nervösem, schlagendem Wellenrhythmus machte sich das weiße Tuch auf die Jagd nach Krümeln.

„Dann hätte ich noch gerne zwei fünf Minuten Eier. Ansonsten das Übliche“, schnarrte es

hinter dem Zeitungsvorhang.

„Si, Signore!“

Ein gewichtiger Zeigefinger lugte am Zeitungsrand hervor und stieß unvermittelt nach vorne.

„Aber die Eier nicht so hart wie beim letzten Mal!!“

Der Kellner nickte und peitschte plötzlich und überraschend mit dem weißen Tuch auf die Tischplatte. Mehrmals drosch er wie ein Fuhrknecht darauf ein, so dass die Zeitung von der Zugluft erzitterte, während die übriggebliebenen Krümel plus eine Fliege atomisiert wurden.

„Si, Signore!“

Eine schwungvolle Kehrtwendung, der Fahrstuhl mit Tablett fuhr wieder nach oben,

der Slalomparkur wurde wieder in Angriff genommen und der Kellner war verschwunden.

Mit einem zufriedenen Schmatzer wandte sich der Gast wieder dem Inhalt seiner Zeitung zu, die zu rechter Hand von der Morgensonne vom Fenster her beschienen wurde. Die Strahlen fingerten sich langsam tiefer in den Speiseraum hinein und erhellten ihn mit positiver Aura, die einen förmlich einlud, Bäume auszureißen, aber nur wenn man Kraft genug und für Bäume nicht allzu viel übrig hatte.


„Wann kommt sie denn endlich, die Olle“, dachte er, während er sich zurücklehnte. Er setzte in verärgerter Übersprungshandlung

seine dicke Brille ab, putzte sie an dem Tischtuchzipfel, prüfte sie dann mit verkniffenem Auge und platzierte sie wieder in die geröteten Einbuchtungen seines fetten Nasenrückens. Er lehnte sich zurück und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch.

Nun erschien ein jüngeres schwarzhaariges Mädchen. Im Gegensatz zu ihrem Kollegen, dem eiligen Slalomläufer, schleppte sie sich förmlich vorwärts.

Als sie nach unendlich langer Zeit am Tisch des Gastes angekommen war, drapierte sie ein irdenes Gefäß, aus dem ein müdes, halb verwelktes Pflänzchen heraushing, auf der Tischmitte. Zärtlich langsam strich sie das Tuch glatt, wirschte den Fliegenkadaver

herunter, wobei sie ihm zulächelte. Ein wohlgefälliger Blick verfolgte sie, als sie sich lautlos in Zeitlupe tippelnd auf den beschwerlichen Rückweg machte. Er nahm sogar seine Lesebrille ab, um sie zu beäugen. Wirklich ein nettes Pflänzchen, dachte er und er meinte nicht die auf dem Tisch.

Plötzlich wurde die Schwingtür im dunkleren hinteren Teil des Raumes von einem unsichtbaren Orkan erfasst und einer Matrone wiegte herein. Im Vorbeiwuchten schmetterte sie noch einen verachtenden Blick auf das schleichende Mädchen.

Sie wälzte heran. Hätte sie einen anderen Weg gewählt, der Slalomtechnik erfordert hätte, so hätte sie sicherlich eine breite

Schneise durch die Tische geschlagen. Das Tische hätten dann allenfalls als Pizzaböden noch Verwendung gefunden.

Ja, in den Jahren hatte seine Frau ordentlich aufgespeckt, genauso wie ihr Temperament.

Sie schnaufte sich auf den gegenüberliegenden Stuhl. Hautwülste ließen die Stuhlfassung verschwinden. Nun prüfte sie den Raum, blinzelte den einfallenden Sonnenstrahlen entgegen, erdrosselte den Handtaschenriemen um ihre Stuhllehne und fragte:

„Frühstück noch nicht da?“

„Doch, wie im Schlaraffenland“, sagte er kalt und wischte mit leichter Hand über den leeren Tisch. Sie ging nicht auf seinen Sarkasmus ein und bohrte weiter:

„Hast du denn überhaupt schon bestellt?“

Er setzte mit gleichgültiger Geste seine Brille wieder zurecht und lugte hinter der frisch in Betrieb genommener Zeitung hervor.

„Schon vor einiger Zeit“.

Sie putzte noch etwas fahrig an sich herum, strich ein unsichtbares Faserpartikelchen von der wogenden Brust, sog die Luft tief ein und sah zum Fenster heraus.

„Schau mal! Was für ein herrlicher Tag!“

Er blickte missbilligend zur Schwingtür hinüber.

„Der Service ist wieder mies. Langsame Schlawiner“, murmelte es hinter der Zeitung.

„Und außerdem“, so nahm sie den Faden auf und schlug in dieselbe Kerbe, “steht an der Rezeption, dass es um 8.00 Uhr Frühstück

geben soll. Und nun ist es fast schon 8.30 Uhr. Aber du wolltest ja unbedingt nach Italien. Dabei hat uns Tante Klara doch nach Buxtehude eingeladen. Das wäre nebenbei auch wesentlich billiger gewesen.“

„Ach lass mich doch mit diesem Drachen von Tante Klara in Ruhe“, brach er hervor.

„Schließlich konnte ich ja nicht ahnen, dass die hier noch ihr halbes Dorf voller Spagettikinder baden müssen, bevor sich überhaupt was tut“.

Seine Frau kam nun in Fahrt.

„Ja, ja, ´kenne ich schon. Du konntest einiges nicht ahnen. Zum Beispiel beim Brenner. Fünf Stunden Stau!“

„Nur weil die Klimaanlage in Auto ausgefallen war, hast du dich geärgert.“

„Geschwitzt haben wir, das war das Letzte! Das passiert eben nur mit dir!“

„Es ist allen passiert, sonst hätte es ja keinen Stau gegeben“, erklärte er akribisch.

Sie atmete durch und beschloss das unliebsame Thema zu wechseln.

„Ich freue mich schon auf das Frühstück, Molchi“, neckte sie einlenkend. Sie war zu guter Laune, als dass sie sich jetzt auf einen Disput mit ihrem steifen Oberlehrer einlassen wollte.

Verärgert preschte der Molch die Zeitung auf den Tisch und wollte gerade erwähnen, dass er sich den blöden Spitznamen Molchi verbeten gehabt haben wolle, und dass sie nur ununterbrochen ans Essen denken würde und weitere Dinge wollte er ihr

vorwerfen, da tat sich im Raum etwas und lenkte von der Zwistigkeit ab.

Eine alte Frau mit wettergegerbtem, zerfurchtem Gesicht und schwarzem, labbrigen Kleid drückte sich durch die Schwingtür. Sie hatte ihr ergrautes Haar streng zu einem Dutt verknotet. Ihre ganze Konzentration galt dem Tablett vor ihr, das sie fest mit den von Arbeit rissigen, arbeitsgegerbten Händen hielt und auf dem sich das Frühstück türmte.

Auch sie war kein Freund von Schnelligkeit. Das Ehepaar verfolgte genau das gemächliche, gebeugte Heranschlurfen.

Dann wurden die Utensilien auf dem Tisch unter der Fixierung der beiden Augenpaare abgesetzt. Die Alte wollte sich schon zum

Gehen abwenden, da trafen sie strafende Blicke, Messerstichen gleich. Sie musste noch das Gedeck den deutschen Gewohnheiten entsprechend ordnen. Das tat sie dann auch, wenn auch langsam, weil sie nur einen Arm benutzen konnte. Den anderen hatte sie mit dem Tablett in die Hüfte gestemmt. Mit zunehmender Ungeduld wurden ihre Handgriffe schulmeisterlich gewertet. Als letztes wurde der Brotkorb, die Kaffee-, sowie die Milchkanne gerückt, dann fühlte sich das Mütterchen entlassen und schlich von dannen.

Er schüttelte den Kopf, der zum Ausdruck bringen sollte, dass hier Hopfen und Malz verloren war. Und dieses verrunzelte Gesicht erst! Alt, faltig! Da half auch kein

Maskenbildner mehr, allenfalls ein Präparator.

„Sie hätte den Kaffee schließlich noch einschenken können“, fing er an zu nörgeln und spießte mit seinen Augen eine erneute Fliege auf der Marmeladenschale auf.

„Ach lass doch, Egon, sie kann es doch sowieso nicht mehr hören“, sagte sie nur, während sie sich ein dickes Butterstück abteilte. Der Tod der Brötchen war nur noch eine Frage der Zeit. Sie goss  Beiden Kaffe ein.

„Aber schön reichlich“, mampfte sie zufrieden.

Er kostete von der schwarzen Kaffeebrühe. Zu seicht, zu malzig, zu lax.

„Schwach, natürlich“, maulte er. „In Deutschland sollten die hier was lernen. Echter Kaffee.

Das kann doch nicht so schwer sein.

„Dann hättest du dir halt einen Espresso bestellt, wenn er dir zu dünn ist.“

„Der ist auch nicht trinkbar. Da kriegt man ja ein Herzkasperle!“

Er ließ es dabei bewenden, schnappte sich ein Brötchen und betrachtete sie. Er sah mit hämischer Erwartung den kommenden Ereignissen entgegen und lachte sich schon vorab ins Fäustchen. Irgendwann war das weiche Ei fällig. Wann würde sie wieder zur Henkerin werden?

Jetzt!

Sie entnahm das Frühstücksei es aus dem Becher, legte es behutsam in ihre gut gepolsterte Hand, wie einen Delinquenten auf einem weichen Richtblock, ergriff mit der

anderen unter satanischer Ruhe das Schlachtermesser.

Es bahnte sich der Tod des Frühstückes an. Er sah mit ungeteilter Aufmerksamkeit zu und starrte auf das Ei. Moriturus te salutat. Der Todgeweihte grüßt dich.

Es kam wie es kommen musste.

Sie holte aus. Das Messer sauste wie ein Fallbeil mit Schwung herab, durch das Ei hindurch, federte zurück und wurde durch die beiden Hälften gezogen. Langsam breitete sich flüssiger, gelber Dotter wie die Blutlache unter der Guillotine in der schwülstigen Hand aus und tropfte über den Ballenrand.

„Egon“, rief sie entrüstet. „Schon wieder zu weich!!!“

Arrogant lächelte er, der in aller Ruhe diesem

blutigen, brutalen Desaster beigewohnt hatte. Minutiös hatte er der Exekution zugesehen und sich innerlich ergötzt, sich an der Sauerei geweidet, schließlich hatte er die Eier nicht umsonst weich gekocht bestellt!

„Ich sage es dir doch schon seit zwanzig Jahren, aber du willst ja nicht hören!“

Der Schulmeister hatte gesprochen. Sie versuchte mit der großen Serviette das Blutbad von ihren Händen abzuwischen. Einige Kleckse auf der Tischdecke konnten aber beredtes Zeugnis dieser Hinrichtung nicht verhehlen.

Er fixierte sie, bis er sicher sein konnte ihre volle Aufmerksamkeit zu haben.

„Schau her!“

Er setzte sich affektiert in Positur.

„Oh je“, dachte sie, „jetzt kommt seine Aristokratennummer!“

Es kam wie es kommen musste.

Er zückte sein Taschentuch und tupfte den Konzentrationsschweiß von der Stirn. Mit einem lässigen Schmierer wurde auch noch seine Halbglatze bedacht, dann faltete er den nassen Lappen sorgfältig zusammen und stopfte ihn in seine Hosentasche.

Es folgte nun die „Eier - Öffne - Dich“ Vorstellung.

Das Ei blieb im Eierbecher und drei spitze Finger hielten von oben den Eierkopf, rasteten förmlich ein. Mit sägenden Bewegungen, gleich einem Fuchsschwanz, fraßen sich die Messerzacken durch die Rinde. Langsam hob er den Eierkopf ab,

stülpte ihn um, bedachte ihn mit ein paar Schüttler aus dem Salzstreuer, und grinste vom Erfolg überwältigt, selbstbewusst in die Gegend.

„So macht man das!“

Sie dagegen dachte an das feuchte, glitschige Taschentuch, das in den dunklen Tiefen seiner Hosentasche reichen Nährboden zu Verbreitung von Keimen fand.

„Ja, ja, toll“, nickte sie müde und gelangweilt.

Er sah inzwischen mit gewundenen Schmerzen, wie ein weiteres dick bestrichenes Marmeladebrot im Schlund ihres nimmersatten Rachens inhaliert wurde. Schon wieder hieb ihr Raubtiergebiss krachend auf eine neue Brotscheibe mit Honig ein, wie wenn sich eine hydraulische

Baggerschaufel gnadenlos durch das Erdreich wühlt. Er blickte ihr angeekelt in das Gesicht, das ihr farbenfroh entgegen strahlte. Heute hatte sie also, eitel wie sie war, eine Tauchfahrt in einer Malerpalette hinter sich. Deswegen war sie auch so verspätet herunter gekommen.

„Meinst du nicht, dass Du ein bisschen zuviel aufgetragen hast?“

„Ach, bis Mittag gönne ich mir dafür kein Eis“, meinte sie aufgeräumt, ohne  seine bissige Bemerkung richtig verstanden zu haben. „Und außerdem machen wir doch heute die Ausflugsfahrt nach Perugia. Du hast sie gestern extra bestellt.“

„Ich meine deine Farbauflage im Gesicht!“

Was!?“

Nun war sie wirklich gekränkt und zugleich erbost.

„Ich will ja nur chic sein. Was sollen denn sonst die anderen denken?“

Er dachte sich im Stillen, dass die Anderen sich schon Ihren eigenen Reim machen würden, wenn sie im Bus wahrscheinlich zwei Sitzplätze benötigen würde.

„Kümmere dich erst einmal um deine Bartstoppel unter der Nase. Wie ein Penner“, geiferte sie nun. Dazu hatte sie es immer schon gestört, wie aus seinen Nüstern Rasierpinsel hervor sprießten, in denen sich der Morgentau verfangen zu haben schien.

Er strich sich unbewusst über das Kinn und holte die Pestschleuder, das Taschentuch, heraus, um sich die Nase zu rubbeln.

„Es tut mir leid, Erika. Ich meinte es nicht so“, schniefte er. „Was soll’s. Ist ja nicht tragisch. Wir haben schließlich Urlaub.“

Sie quittierte dies mit wohlwollendem Nicken, während sie den nächsten Happen mit einem Stück Käse zermalmte.

Es folgte ein einvernehmliches Schweigen, das nur von ihren Kaugeräuschen untermalt wurde. Eine gewisse mampfende Idylle kam auf.

Einem Außenstehenden wäre inzwischen die Verwüstung auf dem Tisch aufgefallen. Die Teller waren verschmiert. Eidotterkleckse waren auf dem Tischtuch mit Marmeladenspritzer vermengt. Auch konnte man die Bestandteile des Frühstücks an der Serviette detektivisch eruieren, wenn man die

Schlieren untersuchte, welche die Mundfahrer mit Lippenstift hinterlassen hatten. Wenn unseren beiden Helden ähnliches im trauten Heim vorgekommen wäre, dann hätte es ein Donnerwetter gegeben. Wohlgemerkt von beiden Seiten!

„Was sollen wir denn heute sonst noch machen“, fragte sie zufrieden verdauend.

Auch er legte gesättigt, nun offensichtlich besserer Laune, das Besteck beiseite.

„Wir machen was du willst. Bei diesem Wetter haben wir alle Möglichkeiten. Baden gehen zum Beispiel.

„Sind wir denn rechtzeitig zurück?“

„Mal sehen“, meinte er und zückte seine Brieftasche und nestelte einen Zettel hervor.

Ich habe mir alles genau aufgeschrieben und

zwar für jeden Tag. Ich habe nämlich die Planung im Griff“, betonte er triumphierend. Sie verdrehte dazu die Augen nach der Decke. Manchmal konnte seine arrogante Besserwisserei schon nerven.

„Doch! Wir dürften um 14.30 Uhr wieder zurück sein.“

„Hm“, sie nickte nur und plötzlich erhellte sich ihr Gesicht, als ihr ein neuer Gedanke kam.

„Kannst du dir vorstellen wie es jetzt bei Tante Klara regnet?“

„Das geschieht der ollen Schabracke recht“, lachte sie auf.

„Die olle Klara, die Wetterhexe!“, kollerte er und musste lauthals auflachen.

Die Stimmung der Beiden hatte sich sprunghaft gewandelt. Sie amüsierten sich

prächtig. Leidtragende war Tante Klara, die mal durch die Lockenwickler im Haar, mal bei der Vorstellung Ziel von Lachsalven geworden war, dass sie den unter Wasser geratenen Keller mit Gummistiefeln bewaffnet abschöpfen musste. Es geschah ihr nur recht im regnerischen Deutschland. Ein Glück, dass das mitgeführte Taschenradio den deutschen Touristensender zu empfangen erlaubte. Auch die Bild Zeitung war an jedem Zeitungsstand zu haben. Man musste sich doch auf dem Laufenden halten, was in der Heimat so geschah. So waren sie darüber informiert, dass es im Augenblick so gut wie überall in Deutschland aus Kübeln regnete.

„Wollen wir gehen?“ Sie schaute ihn fragend an.

„Ja, es wird Zeit“, bestätigte er mit einem Blick auf das Heftchen, das die genaue Abfahrtszeit des Busses notiert hatte. Die vorher so wichtige Zeitung lümmelte inzwischen am Boden.

„Ober, bitte zahlen“, rief er lauthals und gewichtig, wobei er noch mit den Fingern schnippte.

Der jugendliche Slalomläufer hatte verblüffend schnell seinen nächsten Auftritt. Was aber das rotierende Tablett über seinem Haupt für eine Bewandtnis hatte, blieb im unklaren. Immerhin sah es artistisch aus.

Egon bedachte den Künstler mit einem Trinkgeld.

„Grazie, Signore!“

Das Paar verließ einvernehmlich, wie Pat und

Patterchon wohlgenährt den Saal.

Beide sahen hinaus auf eine staubige Straße, auf Olivenhaine und Staub am Straßenrand. Die Sonne entwickelte bereits angenehme Wärme.

„Hast du auch alles dabei“, fragte Erika mit der Handtasche wippend..

„Selbstverständlich!“

Er hatte alles aus dem Zimmer zusammengesucht und in den Rucksack verpackt. Genauso, wie es auf der Liste stand, die er am Abend zuvor akribisch aufgestellt hatte.

„Wir können.“

Sie gingen in den gleißenden Sonnenschein hinaus und die warme Luft schlug ihnen wie eine Mauer entgegen. Gegenüber der

Pension befand sich ein Parkplatz. Dort sollte der Bus sie für die Tour abholen

Inzwischen fanden sich weitere deutsche Urlauber an dem Haltepunkt ein, um ebenfalls die kulturelle Busfahrt anzutreten. Reges Gequassel entwickelte sich. Man kannte sich bereits. Tipps und Erlebnisse wurden ausgetauscht. Man war schließlich unter sich. Immerhin lauter Landsleute. Es ist einfach erfrischend sich normal unterhalten zu können.

Unter Gekicher und Gegacker wurde eifrig fotografiert. Es entstanden hinreißende Fotos von einem echt italienischen Parkplatz, auf dem entweder Ehefrau, Mann, Kind, oder Beide wie die Schafe lächelten.

Der Kellner der Pension hatte inzwischen die

Fenster geöffnet um zu lüften und er lauschte, wie Gesprächsfetzen herüber wehten.

Ein Aufkreischen!

„Erika! Wie schön! Machst du auch mit?“

Die Frage war an sich schon blöde, sonst wäre man sich wohl kaum hier an dem Reisetreffpunkt begegnet.

Und siehe da! Die Oberhausers!

Man hatte sich am Strand kennen gelernt. Und welch ein Zufall, man wohnte in Deutschland gar nicht so weit voneinander entfernt. Es folgte eine eifrig die oben erwähnte herzliche Begrüßung.

„Na, schön italienisch gelernt?“ Herr Oberhausen winkte mit einem Büchlein. „Italienisch für Touristen!“

„Ja, ja“, wurde entgegen gebrummt.

„Ich bin ja so gespannt auf Perugia.“

„Ich auch, meine Liebe.“

„Da soll es ja ein fürchterliches Erdbeben gegeben haben.“

„Ich habe auch davon gehört.“

„Wir sind aber doch sicher, was Molchi?“

Der Oberlehrer grinste diabolisch.

„Erdbeben kommen ganz plötzlich. Man kann eigentlich immer damit rechnen.“

„Ach was! Sonst würden die Italiener uns doch nicht dahin fahren.“

Und während die Herren der Schöpfung über die neuesten Bundesliga-Ergebnisse fachsimpelten, merkten sie gar nicht, dass der Reisebus erst mit Verspätung eintraf.

Der Bus rumpelte heran.

Er konnte nicht umhin sich zu der Bemerkung herab zu lassen, dass diese veraltete Karre, diese Rostlaube, nie den TÜV in Deutschland bestehen würde.

Trotzdem  wurde das Gefährt lachend und mit wichtigtuerischem Geschupse erklommen.  Die Kameras und Camcorder und die unentbehrlichen Reiseführer wurden geprüft. Geschnatter, Gedränge.

Sie würden in schönster mittäglichen Bruthitze in Perugia ankommen, um dort Souveniers zu reichlich überhöhten Preisen erstehen zu können.

Sie konnten nicht sehen, wie der flinke Kellner beim Abziehen der ruinierten Tischdecke kopfschüttelnd  nach draußen schaute und vor sich hin murmelte, wobei er

den Kopf schüttelte:


„Alemannes“

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welpenweste
Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten.
Hoffentlich glückt es.
Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren.
Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert.

Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.

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CHM3663 Ich liebe Deinen wunderbaren Humor und die so herrlich köstliche Beschreibung der "typischen Deutschen" auf Reisen! ;-)
Ja, so sind sie leider... Zum Glück nicht alle, aber...;-)
Und ich freue mich ganz riesig darüber, daß Du wieder schreibst! ;-)
Vielen herzlichen Dank für die super-schöne Lesepause und die gute Laune, die ich jetzt mit durch den ganzen Tag nehme!
GLG, Chrissie
Vor langer Zeit - Antworten
GertraudW 
Gott sei Dank sind nicht alle so ...
Ich hab`s mit Interesse gelesen - obwohl`s
für mich dann doch ein bissl lang war ...
Liebe Sonntagsgrüße
Gertraud
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
"Urlaub..."
Andy Möller (Ex-Fussball-Nationalspieler) meinte einmal dazu :
„Egal, Mailand oder Madrid - Hauptsache Italien!“ ...grinst*
LG
Louis :-)


Vor langer Zeit - Antworten
gela556 Nicht alle müssen so sein, wie beschrieben,
Schönen Abend noch
GlG,Gela
Vor langer Zeit - Antworten
Newcomer Ja, ja, die lieben Deutschen im Urlaub, darüber könnten bestimmt ganz viele Leute eine Geschichte erzählen! Treffend beschrieben Günter, Du hast genau beobachtet was sich in so einem Urlaub abspielt!
Herzliche Grüße, Marko
Vor langer Zeit - Antworten
mohan1948 Ganz interessant zu lesen!
Liebe Grüße
Hannelore
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Herbsttag So sind sie, wenigsten einige, die allseits so (un)beliebten tedesci! Gut karikiert! Ira
Vor langer Zeit - Antworten
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