Romane & Erzählungen
Vorhersehung - Herbst

Vorhersehung

Tagebucheintrag:

Es ist morgens um Elf, der 30ste August 2013...
Ich sitze  auf meinem Balkon, die Beine hoch gestreckt auf die Brüstung  und lasse mich bescheinen
vom früh herbstlichen Licht am Ende diesen Sommers. 

Es ist kühl, aber die Sonne scheint und meine weißen Astern im Balkonkasten blühen schon seit Wochen so dick und kräftig als ob es kein Morgen für sie gäbe.
Und das gibt es auch nicht. Trotzdem liebe ich sie, diese Blüten, die sich so dicht und buschig aneinander pressen als ob jede einzelne von
Ihnen unbedingt noch ein bisschen mehr an Leben gewinnen möchte.

Das gleichmäßige Sägen der Baustelle des mittleren Rings von München, keine hundert Meter von mir entfernt,
erinnert mich an die Kreissägengeräusche aus meiner Kindheit und beruhigt mich.
Ich bin nicht allein. Da ist jemand der auf mich aufpasst und der in tiefstem Vertrauen mit mir verbunden ist bis ich sterbe.
Sich derart geborgen zu fühlen ist so schön und ich liebe es mich darin einzuhüllen.
Aber wer kann dieses Gefühl denn am Schluss hervorrufen, außer ich höchst und ganz persönlich?
Ich wurde schon oft  auf mich alleine zurückgeworfen und denke, wenn ich es nicht schaffe, das Vertrauen und dieses Gefühl der Heimat wenigstens ein Stück weit in mir Selbst zu finden,
wird es immer wieder sehr einsam sein, in meinem Leben.
Schon echt oft hatte ich deswegen  in der letzten Zeit darüber nachgedacht, wenigstens Teile meiner Lebensgeschichte irgendwie aufzuschreiben, nach außen zu transportieren und traumhaft wandelnd noch einmal darin herum zu laufen.
Mich darin zu sehen, zu finden und zu spüren.
Aber wo anfangen? 
An welchem Punkt soll ich ansetzten, um meine Persönlichkeit in ihrem ständigen Wandel zu unterbrechen, festzuhalten, anzuhalten und “ab zu fotografieren”?
Und lohnt es sich, am Schluss etwas in den Händen zu halten, das dann schon nicht mehr wahr ist..?

Vielleicht schreibe ich auch gar nie über Biographisches.
Vielleicht werde ich mich nur ergehen, in diesem schönen warmen Licht, das mir der heutige Tag schenkt.
Diese Verheißung einer tief herbstlichen Romantik und eines weiteren Abschlusses einer Geschichte die mein Leben ist.

Irgendwie  kommt mir durch meine Erkrankung, auch diese eine tiefe Vorahnung:
Mein Leben, meine Zukunft wird ein verdammtes Abenteuer werden.
Nie wird es an Dramatik und Katastrophe einbüßen und es wird  spannend sein bis zum Schluss.
Bis ich die Augen schließe und es das letzte mal schwarz um mich herum wird.