Unser Haus in Hamburg beherbergt 25 Parteien, hat auch ein Foyer mit doppelter Eingangstür und einer schöner Designer-Deckenlampe. Die 25 Mitbewohner im Hause, alles sehr nette Leute, müssen,wenn sie nicht über die Tiefgarage das Haus verlassen wollen, durch dieses Foyer schreiten, ums ins Freie zu gelangen.
Gott sei Dank ist das die Minderheit all der geschäftigen Autofahrer aus unseres Hauses, sonst wäre die ganze Geschichte, zu deren
Veröffentlichung ich mich insbesondere gegenüber meinen Angehörigen,
verpflichtet fühle , noch peinlicher ausgegangen, als die Vorkommnisse ohnehin schon war.
Wenn es bei einem zumindest am Wochenende alleinstehenden67-jährigen Rentner um 9.00 Uhr morgensan der Tür klingelt, darf es nicht als ungewöhnlich oder unangebracht gelten, dass dieser sich noch mit nichts als Puschen und Morgenmantel bekleidet durch die Wohnung bewegt und sein Frühstückvorbereitet, wobei der besagte Hund, von dem jetzt im Wesentlichen berichtet werden soll, jaulend und wimmernd den Rentner traktiert, weil er auch sein Frühstück einnehmen möchte.
Leute mit mehr Gelassenheit
ignorieren einfach die Klingele, aber ich der Rentner nicht, denn es könnte ja der Bote sein, der das Päckchen bringt, auf das ich schon zwei Tage warte und das Päckchen, das gestern Nachmittag kam, war auch noch nicht für
mich sondern für die Nachbarin, für die ich das Päckchen entgegen nehmen durfte. Über diese Geschichte, ein Teil der ganzen Geschichte, gilt es besonders zu berichten.
Unüblich ist es, zu Hause seinen Hund anzuleinen, was sich jedoch bei einem 11-wöchigen Welpen vom Schlage eines Parson-
Jack-Russells als sehr unvorteilhaf erweisen kann.
Denn unser Hund, bzw. Hündin namens Ada vonder Ise, befindet sich zwar noch im Anfangsstadium ihrer Erziehung, die von einer
privaten Hundelehrerin namens Vera geleitet wird, aber dass man beim Klingeln zur Haustür stürzt, in der Hoffnung, dass da jemand ein Leckerli bringt, das hat unser Hund sehr schnell gelernt, aber weder von mir noch von der professionellen Hundelehrerin Vera. Und so nahm das Unglück seinen Lauf.
Der Klingelmann war der Postbote, der, um uns einen Gefallen zu tun, wahrscheinlich in der Hoffnung auf ein ordentliches Weihnachtstrinkgeld, einen nicht durch den Briefkastenschlitz
passenden Brief persönlich aushändigen wollte.
Durch den von mir geöffneten Türschlitz schlüpfte nun unser über alles geliebter Hund und raste mit einer unvorstellbaren Geschwindigkeit vorbei an dem Postboten auf die noch geöffnete Haustür zu, um sich auf der viel befahrenden Straße vor unserem Haus in den sicheren Tot zu stürzen.
Dieses zuzulassen wäre meiner Familie, insbesondere meiner Tochter gegenüber, die sich als die wahre Besitzerin dieses Hundes fühlt, unvorstellbar. So stürzte ich mich nun auch, bekleidet nur mit dem Bademantel mit wehenden Rockschößen, ohne jedes Schamgefühl
vorbei an dem verdutzten Postboten durchs Foyer zur Haustür, um in letzter Sekunde den Hund mit einem verzweifeltenGriff in den Nacken vor dem sicheren Tot zu retten.
Dass hinter mir die schwere Wohnungstürvornehm geräuschlos mit allen Konsequenzen ins Schloss fiel, wurde mir blitzartig bewusst, weil am Tage vorher peinlicherweise gleiches in etwas anderer Variante auch schon passiert war.
Da stand ich nun also, mit einem zitternden Hund auf dem Arm, ohne Schlüssel, ohne Handy, aber immerhin mit Morgenmantel vor meiner verschlossenen Haustür, neben mir mit
unserer völlig unwichtigen Post unser Postbote , der nun langsam auch mal weiter wollte und sich stattdessen meine Schimpfkanonade anhören musste, warum er wegen dieser dämlichen unwichtigen Post bei uns klingeln musste
Ich bitte den geneigten Leser darum, meine Verzweiflung wegen der vermeintlichen ausweglosen Situation zu verstehen. Sollte ich vielleicht bei meiner Nachbarin klingeln, bei der ich schon gestern allerdings ohne Hund und Handy, aber immerhin bekleidet, in gleicher Angelegenheit 30 Minuten auf dem Sofa gesessen habe , und schon wieder um Asyl bitten, damitihr der Hund diesmal vor lauter Aufregung in
ihre Wohnung pisst oder kackt?
Gestern wimmerte, jaulte , bellte und kratzte unser Hund hinter unserer verschlossenen Türso herzzerreißend, dass es bis in den 5.
Stock zu hören war, bis uns endlich der Mann von Molitor mit einem Ersatzschlüssel nach 30 Minuten aus dieser peinlichen
Situation erlöste. Wo ich doch nur so freundlich gewesen war, das Paket für die nicht anwesende Nachbarin entgegen zu nehmen und bei der Übergabe des Paketes an die Nachbarin, die nach Hause zurückgekehrt war, auchhier der Hund unkontrolliert in Foyer
flitzte und sich unsere Haustür sanft
aber nachdrücklich ins Schloss fiel.
Diese doppelte Blamage mit der Nachbarin ist mir jedenfalls erspart geblieben,weilder beschimpfte Postbote doch noch ein
Herz für mich hatte und sein privates Handy für einen erneuten Anruf bei Molitor zur Verfügung stellte.
Die Mitarbeiter dieser Bewachungsfirma, die einen Schlüssel für unsere Wohnung haben, müssen sich bei Kenntnisnahme dieser
skurilen Geschichte vor Lachen auf die Schenkel geklopft haben. Mir warallerdings nicht zum Lachen zu Mute,stand ich doch halbnackt 30 Minuten mit zitterndem Hund auf dem
Arm vor meiner Haustür, den erstaunten Blicken meiner durch Foyer eilenden
Mitbewohner ausgesetzt und um Erklärung ringend.
Mir kam es vor, als ob Stunden vergangen wären, bis endlich der Molitor-Mann mich aus dieser schrecklichen Situation
erlöste. Ich bin dem Herrgott dankbar, dass in diesen 30 Minuten sich nicht die Tür meiner Nachbarin öffnete. Ich wäre vor Scham in den Boden versunken.
Parson – Jack – Russells – Hunde werden bei ausreichender Pflege, liebevoller Zuneigung durch Herrchen und Frauchen und vor Allem bei einer gesunden Ernährung im Schnitt 15 Jahre alt, es sei denn es gelingt ihnen, nicht angeleint durch die Beine des Herrchens zu schlüpfen und in ihrem völlig unkontrollierten Bewegungsdrang z. B. auf die Rothenbaumchaussee zu stürzen, weil auf der gegenüber liegenden Seite der Rothenbaumchaussee ein Hund egal welcher Größenordnung neben seinen Frauchen bei Fuß trottet,
wie es sich eigentlich für einen ordentlichen Hund gehört. Diese Gesetze gelten leider nicht für die Rasse der Parsons. Diese Rasse ist nach meiner dreiwöchigen Erfahrung nicht zähmbar. Entweder liegt unser Familienzuwachs als warmes Knäule unerbittlich auf unserem Schoß oder er rast wie ein Derwisch durch unsere geräumige Wohnung immer auf der Suche nach Gegenständen, die sich zum Zerfleischen eignen: Schuhe, Teppiche, besonders die antiken, Strümpfe, Hosenbeine, Zeitungen, Tisch- und Stuhlbeine. Wenn es um Futter geht, rastet meine kleine Freundin mit der kalten Nase
völlig aus. Die Gesetze der Schwerkraft, die ja wohl auch für Hunde gelten, scheinen aufgehoben zu sein. So ist es für mich ein nicht erklärbarer Widerspruch, dass dieser wildgewordene Hund nach Ansicht der Hundeexperten die Treppen in unserer Wohnung hochgetragen werden muss, damit sich keine Arthrose in den Gelenken entwickelt. Dass ein Hochsprung eines elf Wochen alten Welpen von mittlerweile fast ein Meter Höhe wiederum nicht zur Arthrose führen soll, bleibt selbst mir als nicht hundeorthopädischem Arzt ein Rätsel. Da wir aber nicht als Hundeschänder gelten wollen, nutzen wir jede
Gelegenheit, den Hund die Treppen hoch oder runter zu tragen, was selten möglich ist, weil unser Hund wie ein glibschiger Aal durch unsere Hände gleitet , um dann die besagten Treppen in unvorstellbarer Geschwindigkeit auf der Suche nach Futter oder Zuneigung rauf und runter zu rasen. Wenn es nun schon nicht immer mit den Treppen klappt, so soll es doch wenigstens mit der Zuneigung und vor allem mit der Ernährung klappen, denn mit Glück könnte mich unser Hund als jetzt 67-jährigen Rentner den Rest meines Lebens begleiten. Für Zuneigung ist ausreichend gesorgt, denn als Rentner ist man den Wünschen
unseres kleinen Hundes unerbittlich ausgesetzt, wenn sie sich entschlossen hat, die nächsten Stunden für ein kleines Nickerchen auf dem Schoß ihres Herrchens zu verbringen. Möchte man mal Pipi machen, was dieser Hund dauernd macht und das gelegentlich auch noch auf unser schönes Eichenparkett, muss man den Hund ja wohl runtersetzen dürfen. Dieser Meinung ist unser Hund aber nicht, denn jeder eigene Gang zum WC wird dann mit einem Herz zerreißendem Gewimmer quittiert. Als Hundebesitzer lernt man dann, hart zu werden, denn da geht die eigene Notdurft vor. Ganz im Vordergrund unseres Hundes steht
für sie vor Allem, auch vor der Zuneigung durch Herrchen und Frauchen und vor großem und kleinen Geschäft die gesunde Ernährung oder besser gesagt die unerschöpfliche Gier, mit der dieser Hund die kleinen stinkenden offenbar köstlichen Pellets des Trockenfutters herunterschlingt. Mir zerreißt es das Herz, dass dieser Hund über den ganzen Tag auf drei Portionen verteilt nur 80 g dieser kleinen braunen Pillen zu sich nehmen darf, wo sie doch lieber mindestens drei mal 800 g verdrücken würde. Für das Verschlingen dieser 27 g Trockenfutter braucht der Hund maximal 10 Sekunden, dann kommt der flehentliche Blick zum
Herrchen: Kann es nicht ein bisschen mehr sein. Das Herrchen muss nein sagen, weil die Züchterin es nicht erlaubt hat. Nach einer gewissen vergeblichen Wartezeit, wird dann noch ein bisschen Wasser geschlappert und dann wird es höchste Zeit, unsere kleine Freundin ins Freie zu tragen, meist in den Garten, manchmal auf die gegenüber liegende Straßenseite, wenn es nicht gerade regnet, wo sich eine kleine Grünfläche zur Erledigung von kleinen und großen Geschäften anbietet. Die Erledigung dieser Geschäfte erfolgt natürlich in voller Übereinstimmung mit der Hundeverordnung des Hamburger
Senats. Wenn man allerdings die ganzen Kolonien von unterschiedlich großen Würsten und Würstchen sieht, die dort mehr oder weniger frisch abgelegt worden sind, meine ich, der einzige Hamburger Bürger zu sein, der sich diesen Verordnungen unterwirft. Das will ich dem Frauchen zu Liebe auch tun, denn wenn der Ehemann einer im Licht der Öffentlichkeit stehenden Person bei einem Vergehen gegen Hamburger Hundeverordnung erwischt wird, ist es Dank Bildzeitung vorbei mit dem politischen Mandat. Jedenfalls erzielen die von der Züchterin verordneten Pellets ihre Wirkung. Unser Hund blüht, wächst und
gedeiht doch tatsächlich, und was er nicht benötigt kommt zwei bis dreimal pro Tag in Dreierportionen hinten wieder raus, Gott sei Dank gut geformt, denn so lassen sich die kleinen Würstchen behutsam auflesen, gelegentlich auch vom eigenen Teppich, hier am besten mit Zewa - Wischundweg, wenn der Hund sich nicht mittlerweile selbst an dieser kleinen Köstlichkeit bedient hat. Da kommt mir die Idee, dass man doch Hunde so züchten könnte, dass sie sich ausschließlich vom eigenen Gelösten ernähren könnten. Damit wäre doch nicht gerade weltweit, aber zumindest für eine Großstadt wie Hamburg oder besonders
Berlin ein riesiges Problem gelöst. Die gesamte Ausscheidung von Hunden würde rein rechnerisch gegen Null gehen, die Zahl der Hundehasser würde zurückgehen und bei der Stadtreinigung könnten Entlassungen vorgenommen werden, was wiederum zur Entlastung des Staatssäckels führen könnte. Nur bis dahin fließt noch viel Wasser die Elbe und Spree hinunter und die Lobby der Hundefutterhersteller wäre auch davor. Es gibt verschiedene Möglichkeiten das große Geschäft unseres Hundes voraus zu sehen. Das sicherste Zeichen für mich ist das langsame Vorwölben der analen Rosette, dann besteht
wirklich sofortiger Handlungsbedarf. Dass das nicht immer gut geht, zeigt der drastische Anstieg des Zewa-Wisch und Weg –Verbrauch in unserem Haushalt. Gleiches gilt für den Essigreiniger, der dann nachfolgend eingesetzt werden muss. Ich glaube nur an die Gesetze des Weltalls und weiß, dass wir, die Menschheit im Ganzen viele Gesetze des Weltalls nie verstehen werden und mag noch so viel Einstein in uns stecken. Aber es gibt auch ganz profane Dinge auf diesem Erdball, die ich auch nie verstehen werde. Dazu gehört auch die Frage, wie die Menschen noch vor 50 Jahren ohne
Zewa-Wisch und Weg leben konnten, mal ganz abgesehen von dem gigantischen zusätzlichen Verbrauch der Wischtücher für die Beseitigung von Exkrementen junger Hunde in häuslicher Umgebung. Genauso schleierhaft ist es mir, wie die Menschen noch vor Kurzen ohne Handy und Internet ausgekommen sind. Wie hätte ich denn z.B. das Spezial Trockenfutter für Welpen in Form kleiner stinkenden Pellets besorgen können, wenn es dieses speziell von der Züchterin verordnete Hundefutter in den einschlägigen Geschäften wie Fressnapf und Hundeparadies u.a. gar nicht gibt.
Geht das Futter mal aus, ist die Bestellung über Internet mehr als einfach und die Lieferung erfolgt in Blitzesschnelle, wenn man zu Hause ist. So ging es mir, als das von der Züchterin einem 10-Liter-Eimer mitgegebene Futter plötzlich alle war und dieses Spezialsuperfutter in den einschlägigen Geschäften nicht zu bekommen war. Da lag es doch auf der Hand, über das Internet bei der die Spezialpellets herstellenden Firma eine größere Portion zu günstigen Bedingungen mit automatischer Abbuchung vom Girokonto zu
bestellen. Die Lieferung erfolgte nach zwei Tagen prompt durch ein Team einer Speditionsfirma, die mir ein selbst für zwei Personen kaum tragbares Riesenpaket vor die Tür stellten und nach Unterschrift schnell wieder abzogen. Unseren kleinen frechen Hund haben sie auch noch gesehen und sich wohl auch überlegt wie lange der Hund für das 50-Kilo-Paket wohl braucht. Nach meiner Berechnung und der Vorschrift der Züchterin sind das bei einem Verbrauch von 80 g pro Tag genau ein Jahr und 262,5 Tage. In der
Hoffnung, dass es kein Verfallsdatum für die Ware gibt, habe ich das Paket erst mal kleinlaut mittels einer Sackkarre in unseren Wirtschaftsraum geschleppt, um ihn vor den schon lauernden Hund zu schützen, der schon dabei war, sich durch das Paket und die Futterverpackung vor zu arbeiten. Bei dieser ganzen Szenerie kam mir doch der Film „Papa ante portas“ in den Sinn. So weit ist es mit dir als Rentner schon gekommen, habe ich mich gefragt. Wollte ich nicht eigentlich in meiner neu gewonnenen Freiheit an der Hamburger
Uni Kulturgeschichte studieren? Endlich mal mehr in Oper, Schauspielhaus und Museen gehen und vor allem wieder Sport treiben, um das Gehirn nicht eintrocknen zu lassen? Jetzt liegt das vorübergehend unschuldige kleine Wärmepaket mal wieder auf meinem Schoss und lässt es sich gut gehen. Das Schicksal nimmt seinen
Lauf.
FLEURdelaCOEUR Oh je, da bist du ja richtig auf den Hund gekommen! Mit sehr viel Spaß habe ich diese herrliche Geschichte gelesen :-) Lieben Gruß von der Saale an die Alster fleur |
KatharinaK "Mein lieber Schwan ... - ... das sind ja Zustände! Und das soll ein ehrenwertes Haus sein?" Wahrhaft nett erzählte Alltäglichkeit. So oder anders geschieht das sicher öfter. Wäre noch köstlicher, wenn Du direkt aus der Dusche auf die Straße marschiert wärest. (grins). Liebe Grüße aus Ungarn, Ekkehard, Katharina |
Pfauenfeder Hundejahre - Spätestens beim 2. Mal würde ich dem Hund oder mir einen ewig dort verbleibenden Schlüssel um den Hals hängen ;D Eine nette Geschichte und humorvoll erzählt! Vielen Dank und liebe Grüße Pfauenfeder |