Romane & Erzählungen
Sonnenblume und Bitterschokolade - TEIL FÃœNF

0
"Sonnenblume und Bitterschokolade - TEIL FÃœNF"
Veröffentlicht am 31. August 2013, 4 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Mein Leben ist bisher von ständigem Wandel geprägt gewesen. Ich habe in der biologischen Landwirtschaft gearbeitet, in einer Schreinerei, habe die Berufsausbildungen zur Medizinisch-Technischen Laboratoriumsassistentin abgeschlossen und auch zur staatl. dipl. Erzieherin. Ich habe über dreissigmal den Wohnort gewechselt, die längste Zeit habe ich dabei in Bayern verbracht. Zweimal war ich verheiratet und habe drei erwachsene Kinder. Daneben hatte ...
Sonnenblume und Bitterschokolade - TEIL FÃœNF

Sonnenblume und Bitterschokolade - TEIL FÃœNF

Einleitung

Das erste Abenteuer der beiden Liebenden beginnt: Eine Segelfahrt über den Bodensee. Noch hängen der Himmel voller Geigen, und der Wind bläst in die richtige Richtung...

Segeln und Sterben ist schöner zu zweit - erster Teil

Das Segel knatterte laut, als Sonnenblume es aus dem Wind nahm um die rasante Fahrt ab zu bremsen mit der sie sich dem Ufer näherte - als wolle  sich das Boot schimpfend darüber beklagen, dass man ihm so plötzlich mitten im Flug die Luft abschnürte. Japsend klatschte es aufs Wasser auf und verwandelte sich von der pfeilschnellen Möve in eine lahme Watschelente.

Sie legte die Ruderpinne quer und die Jolle rutschte langsam zum Ufer, an dem Bitterschokolade immer noch zur Statue erstarrt das Schilf meditierte, statt den Anblick des romantischen Sees zu genießen. Erst als der Schatten des Segels über ihn fiel, drehte er sich ruckartig und erschrocken um.

“Ich will nicht stören, auch wenn ich nicht weiß, was an dem blöden Schilf so furchtbar interessant ist, aber hier ist ein seetüchtiges Boot, und hast Du Dir nicht immer gewünscht in einem solchen zu fahren?” witzelte Sonnenblume, die ihren Sieg als beste Indianerin beim ‘auf dem Wasser Anschleichen’ genoss.

Der Schrecken in Bitterschokolades Gesicht wandelte sich in ein freudiges Grinsen, als er merkte dass sie ihn reingelegt hatte um ihm eine schöne Überraschung zu machen.

“Aye Käptn!”, scherzte er zurück, um ihr zu zeigen dass er längst gemerkt hatte wer bei ihnen beiden die Hosen an hatte - und dass ihm das so gefiel.

Sonnenblume dachte, er werde sofort zu ihr ins Boot steigen, das mittlerweile auf der Ufersandbank aufgelaufen war, und werde sie umarmen und vielleicht küssen und ihr dann sagen, sie solle losfahren und seinen Traum vom Segeln auf dem Bodensee wahr machen.

Als er jedoch nur einen Schritt auf das Boot zu machte, dann wieder innehielt und dieses und sie selber verklärt betrachtete fiel ihr wieder ein, dass es sich ja bei ihm nicht um irgendeinen Mann handelte, sondern um Bitterschokolade, den Einzigen und Einzigartigen und zugegebener maßen auch Eigenartigen.

SIE jedenfalls hätte so gehandelt, doch was tat er?

Sonnenblume beschloss ruhig zu bleiben und abzuwarten, was geschehen würde, ihn nicht zu drängen oder weiter zu scherzen, sondern nur zu beobachten und zu versuchen ihn zu verstehen.

Sie erwiderte seinen Blick, den Blick aus diesen abgrundtiefen, sehnsuchtsvollen dunklen Augen, in die sich jetzt Tränen schlichen. Sie begriff, ohne zu begreifen, erfasste ohne zu verstehen, intuitiv wusste sie, ohne das Erkannte denken oder aussprechen zu können.

Aber sie wusste jetzt, was sie tun musste. Sonnenblume kletterte aus dem Boot und ging auf den Jungen zu. Sie umrundete ihn und stellte sich hinter den in seiner Erstarrung Gefangenen.

Sonnenblume war einiges größer und kräftiger als Bitterschokolade und sie legte nun von hinten ihre muskulösen Arme um ihn und drückte ihn an sich. Sonnenblumes wirre, dunkle Locken fielen ihm übers Gesicht, als sie sich leicht über ihn beugte. Seine Erstarrung löste sich, und er schmiegte sich vorsichtig an sie. Sonnenblumes Lippen formten tonlos das Wort “tragen”.

Er nickte, und schlang die Arme um ihren Hals, während sie ihn hoch hob, als wäre er die Braut, die vom Bräutigam über die Schwelle getragen werden sollte. Und irgendwie ging es ja auch um so etwas: Eine unsichtbare Schwelle in eine gemeinsame Zukunft, von deren besonderer Beschaffenheit sie  beide nun schon etwas ahnten.

Sonnenblume watete mit ihm bis kurz vor’s Boot und ließ ihn kurz davor sanft ins Wasser gleiten - mit Klamotten an, was Bitterschokolade einen spitzen mädchenhaften Schrei entlockte und Sonnenblume lautes Pferdegewieher, das bei ihr Gelächter bedeutete. “Wassertaufe muss sein!”, erklärte sie dem nassen Kater, der neben ihr den Fluten entstieg  und am ganzen Körper tropfte, “hätte ich Dich ins Boot gesetzt, würde ich es nie und nimmer aus dem Sand kriegen! Los hilf mir schieben!”

Auch Bitterschokolade hatte mittlerweile begriffen, dass Sonnenblume ihn mit ihren Streichen nicht verletzen oder bloßstellen sondern nur aus dem Sumpf seiner Melancholie reißen wollte, und er ließ es sich ohne zu murren  gefallen.

Gemeinsam schoben sie die Jolle am Kiel zurück ins tiefere Wasser, Sonnenblume half dem Jungen beim Hineinklettern bevor es zu tief wurde und warf sich dann selber mit einer gekonnten Drehung über die Bordwand ins Bootsinnere. Sofort ergriff sie einen an der Seite befestigten Riemen und drückte das nun durch das zusätzliche Gewicht tiefer liegende Fahrzeug wieder frei, bevor es sich fest fressen konnte. Sie deutete zum zweiten Riemen, und der pitschnasse Junge beeilte sich, diesen so wie sie in die dafür gedachte Aussparung an der Seite einzulegen und gemeinsam mit ihr los zu rudern, damit der Wellengang sie nicht sofort wieder ans Ufer zurück trieb.

Sie lachten, als sie merkten welchen Zickzack-Kurs sie dabei nahmen. Es war schwerer als gedacht, gleichzeitig und mit gleicher Kraft zu zweit zu rudern. “Einer von uns zwein ist besoffen!”, stellte Sonnenblume trocken fest, “ich kann es nicht sein, denn ich hatte heute erst zwei Whisky und eine Flasche Bier!”

Bitterschokolade hatte die ganze Zeit über nie wirklich gelacht, sondern nur schüchtern gegrinst, aber bei diesem Satz knallte irgendwo in seinem Inneren eine verborgene Sicherung durch. Er ließ seinen Riemen los, der leise davon trieb, und hielt sich mit beiden Händen den Bauch, wobei er prustete wie ein Walfisch. “Mit einem Riemen kann man sowieso nicht rudern!”, fachte Sonnenblume das Feuer noch an und ließ nun auch ihrerseits los und stimmte in den ‘never ending Lachanfal’l mit ein. Eine Viertel Stunde später lagen beide auf dem Boden des Bootes und konnten nur noch japsen und nach Atem ringen. “Bleib einfach da liegen, wenn du kein Holz vor den Kopp kriegen willst!”, wies Sonnenblume den Jungen liebevoll an und machte sich daran, den Großbaum zu schwenken um den Wind ein zu fangen,  bevor sie endgültig und unwiderruflich im Uferdickicht stecken blieben, das sich nun schon wieder  in gefährlicher Nähe befand.


“Wind, Wind, Wind!”, rief Sonnenblume, und der Wind kam. Im nu waren sie wieder draußen auf dem See, der sich der Länge nach gesehen bis zum Horizont erstreckte, und damit das Meer imitierte. Bitterschokolade war grenzenlos überwältigt von der Fülle der Eindrücke, die über ihn herein brachen:

Die Berge, die nun näher gerückt waren und mächtig und gewaltig drohten in den See zu stürzen, der heisere Schrei der Möven, die von überall her gleichzeitig zu kommen schienen, vermischt mit dem Zischen ihres eigenen Kielwassers und dem stetigen Plätschern des Wellengangs. Das hier in der Mitte so stark wie ein Wasserfall einflutende Licht, das sich im See brach und in millionen schillernder Lichtreflexe zerstäubte, nur von den geisterhaften Schatten jagender Wolken unterbrochen. Der Geruch des Wassers und die leise Sprache des immer lebendigen Bootes. Und in mitten diesem kaum zu überbietenden Sinnesrausch, eine Erscheinung, ein Wunder, das dies alles auslöschte, den Lärm zur tiefen Stille werden ließ: Die Berührung von Sonnenblumes nacktem Körper an seinem.


In sicherem Abstand vom Ufer hatte nämlich Sonnenblume ihn seine nassen Klamotten ausziehen lassen, sie ausgewrungen und vorn am Bug zum Trocknen ausgelegt. Gleich hatte sie es ihm nach getan, damit er gar nicht erst damit anfangen konnte, sich so adamsmäßig eingekleidet vor ihr zu genieren.

“Und jetzt wird gebadet!”, hatte sie ihm angekündigt,  für sie beide Schwimmwesten hervor gezogen und  Bitterschokolade gezeigt, wie er die Füße in die Bodenhalterung stecken und sich nach hinten über die Reling lehnen musste. Sie hatte eine stärkere Böe abgewartet, dann ging es los: Gemeinsam Arm in Arm hatten sie mit ihrem Gewicht den Segeldruck ausgeglichen, der das Boot schräg legte, als sie in den Wind gingen. Sonnenblume hatte nun erneut ihr Dipp-Spielchen gespielt, nur dieses Mal mit Ganzkörpereinsatz und bei voller Fahrt. Sie hatten gelacht, geschrieen, Wasser gespuckt und um die Wette gekreischt, waren untergetaucht und im nächsten Augenblick hoch in die Luft geschossen, wenn sich ihr Boot dem Kentern nahe in die Luft gereckt hatte.


Obwohl Bitterschokolade bei dem wilden Ritt Todesängste ausstand, vertraute er dem wilden Mädchen, welches er erst einen Tag zuvor kennen gelernt hatte völlig. Ein Boot, das SIE führte KONNTE nicht kentern! Was es bei der ganzen Achterbahnfahrt auch tatsächlich nicht tat, sondern erst ein paar Stunden später…


Jetzt aber, kurz danach, lagen sie beide, tropfnass, vollkommen erschöpft und splitterfasernackt nebeneinander quer im Boot, ließen die Füße über der Bordwand baumeln und spürten, wie ihre von der Anstrengung erhitzten Körper sich beim Schaukeln des Bootes aneinander rieben.

Irgendwie war es Bitterschokolade nun nicht mehr peinlich, dass nicht nur das Boot einen Großmast hatte. Er atmete nur schwerer, und sein Herz klopfte wie wild, als Sonnenblume sich über ihn beugte. Als ihre herabhängenden Brüste ihn mit den Spitzen streiften und ihre Finger anfingen die weiten Landschaften seines Körpers zu erkunden, schloss er einfach die Augen und ließ es geschehen.

Der Rhythmus ihrer Körper schien eins mit dem Rollen des Bootes, dem Knarren des Mastes, den Vogelschreien und dem Klatschen der Wellen an der Bordwand. Eins mit der Stille, eins mit ihrer beider Atem. Nichts Hektisches, nichts Beunruhigenes oder Angestrengtes, mehr ein Lauschen, als ein Gesang, mehr ein Fallen als ein Tun. Waren sie überhaupt zwei, oder ein Körper? War dieser bebende, pulsierende Körper nicht auch das Schiff? der See? die Berge?

die Sonne? trieben sie nicht als Galaxie im unendlichen Weltall dahin, in sich neue lichte Sterne gebärend? An dem Punkt, da sie in Zeitlupe ineinander explodierten, spürten sie eine nie zuvor da gewesene unendliche Stille, ein Meer des Friedens, das sie grundlos in Tränen ausbrechen liess. Die Hände ineinander gekrallt und ihre Körper ineinander verschlungen trieben sie so weinend und gedankenleer hinüber ins Reich der Träume.









Fortsetzung folgt


0

Hörbuch

Über den Autor

Iriana
Mein Leben ist bisher von ständigem Wandel geprägt gewesen. Ich habe in der biologischen Landwirtschaft gearbeitet, in einer Schreinerei, habe die Berufsausbildungen zur Medizinisch-Technischen Laboratoriumsassistentin abgeschlossen und auch zur staatl. dipl. Erzieherin. Ich habe über dreissigmal den Wohnort gewechselt, die längste Zeit habe ich dabei in Bayern verbracht. Zweimal war ich verheiratet und habe drei erwachsene Kinder. Daneben hatte ich immer auch künstlerische Ambitionen: Musik, Malen, Schreiben, Theater spielen. Ich bin ein naturverbundener Mensch und lebe gern sehr einfach mit und in der Natur.
Seit 2008 lebe ich in Leipzig, habe mich von einer langen chronischen Krankheit kuriert und bin Anfang dieses Jahres (2017) nun in Rente gegangen. Die letzten Jahre habe ich eine Schreibpause eingelegt, zumindest auf dieser Plattform hier, aber nun bin ich wieder da.
Zeit für ein neues Spiel... Mal sehen was mir so einfällt...

Leser-Statistik
25

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Iriana Re: -
Zitat: (Original von Rehkitz am 31.08.2013 - 02:30 Uhr) Liebe Maria,
ich bin erstaunt, überrascht und gefesselt zugleich. Erstaunt, das Du heute Nacht noch geschrieben hast. Überrascht wie Du Szenen beschreibst, so klar , deutlich und doch sauber und rein. Für die Gedanken anderer bist Du nicht verantwortlich, Lach Gefesselt von der ganzen Geschichte. Du gibst mir ein Gefühl, dabei zu sein.
Danke, es war wieder schön bei Dir.

Träum was schönes,
mit ganz lieben Grüßen
Theresia


Liebe Theresia,

Ich bin selber überrascht, ich habe einfach nicht aufhören können, habe den zweiten Teil dieses Kapitels auch noch geschrieben. Dass noch einmal eine Liebesszene darin vorkommen sollte hatte ich nicht erwartet, aber meine Beiden scheinen so etwas wie ein Eigenleben zu entwickeln, und ich muss dem folgen, wenn es authentisch bleiben soll. Inzwischen verstehe ich auch, warum es noch eine Bindungssituation und einen Höhepunkt des Glücks gebraucht hat, bevor ich meine Leser in die Abgründe schicken muss, durch die meine beiden sich nun auch kämpfen müssen, um ihren Weg zu finden.
Dass ich aber mitten in der Nacht noch einmal gelesen werde und einen so schönen Kommentar von Dir kriege hätte ich auch nicht gedacht...vielen Dank dafür, und für die schönen Träume,

ganz liebe Grüße

Maria
Vor langer Zeit - Antworten
Rehkitz Liebe Maria,
ich bin erstaunt, überrascht und gefesselt zugleich. Erstaunt, das Du heute Nacht noch geschrieben hast. Überrascht wie Du Szenen beschreibst, so klar , deutlich und doch sauber und rein. Für die Gedanken anderer bist Du nicht verantwortlich, Lach Gefesselt von der ganzen Geschichte. Du gibst mir ein Gefühl, dabei zu sein.
Danke, es war wieder schön bei Dir.

Träum was schönes,
mit ganz lieben Grüßen
Theresia
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
2
0
Senden

95551
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung