Eine Geschichte, die einem beim Sender Pro7 jeden Montag um 20.15 schonmal in den Sinn kommt, habt Spaß daran!
Wir schreiben das Jahr 1858, das Jahr, in dem ich noch etwas war, was man als „normal“ anerkennen könnte. Damals war ich fünfzehn und arbeitete an einem Theater in New Orleans. Heute sollte die Uraufführung des Stücks „Die stumme Lügnerin“ aufgeführt werden und ich spielte eine der Hauptrollen. Zum Glück nicht die stumme Lügnerin, sondern ihre Magd, die Böse in der gesamten Geschichte, bis sie am Ende am Galgen endete. Als das Orchester anfing zu spielen, wünschte ich, ich könnte meine Schwester sehen, die als erste Geige dort unten spielte und spielte und niemand wusste, dass sie da war. Doch dann ging der Vorhang auf und das Stück begann…
Auf der Bühne sieht man die Kulisse eines Schlafzimmers, ein Himmelbett mit rosaroten Vorhängen ziert die Mitte des Raumes und eine Frau mittleren Alters, mit blondem, wunderschönem und langem Haar sitzt vor dem Spiegel in der hintersten Ecke des Raumes, während sie im Takt der Orchestermelodie, die langsam verklingt, immer wieder die golden verzierte Bürste über ihr Haar gleiten lässt. Hinter der Bühne stehe ich, gehe stumm den Text durch, den ich gleich sagen werde und betrete den Raum. Ein schlichtes rotes Kleid ziert meinen blassen Körper. Die weißen, welligen Haare offen, sodass man mein ernstes Gesicht nicht zu sehen vermag. Bis über den Rücken reichen sie mir und die Farbe ist, so hat mir ein Arzt es erklärt, ein Fluch von längst vergangenen Zeiten. An so etwas glaube ich nicht, denn ich denke eher, dass es ganz gewöhnlich ist, weiße Haare zu haben. Ich meine, es gibt doch auch Leute mit roten Haaren, oder? Das ist doch dann nicht gleich das Werk eines Teufels! „Verzeiht Madame…“, setze ich mit betont leiser Stimme an, sodass auch das letzte Getuschel im Publikum erstirbt. Alle Aufmerksamkeit liegt bei mir, dazu musste ich nicht ins Publikum blicken. Mit langsamen Schritten bewege ich mich auf die Gestalt vor dem Spiegel zu, deren Augen mit aus ihrem Spiegelbild entgegen blicken. „Eure Kutsche steht bereit“, ende ich dann. Hastig und nervös nickt die Frau und legt mit einer schnellen Handbewegung die Bürste zurück in die Schatulle auf dem Tisch. „Lasst, ich werde abschließen“, sagte ich, als sie den Schlüssel vom Schrank nehmen wollte, um die Schatulle zu verschließen. Dankend nickte sie und verließ den Raum. Als sie verschwunden war, schwang ich den Kopf Richtung Publikum, sodass meine Haare nun endlich mein Gesicht freigaben. Meine grünen Augen und der wahnsinnige Ausdruck in meinem Gesicht waren wohl die Ursache für einige erschrockene Gesichtsausdrücke, die ich im Dunkeln nur erahnen konnte. Mit wenigen Bewegungen saß ich auf dem Stuhl, auf dem eben noch meine Herrin gesessen hatte und langte mit der linken Hand vorsichtig in die Schatulle, die so unachtsam dastand, als hätte sie jemand vergessen. Was ich suchte fand ich schnell: Einen Siegelring, in dem ein Wappen eingraviert war, was die Menschen im Publikum selbstverständlich nicht erkennen konnten, wohl aber meine Wenigkeit. Galant griff ich den Ausschnitt meines Kleides und zog einen Briefumschlag heraus, der sogleich auf dem Tisch landete und mit etwas Kerzenwachs und dem Siegelring verschlossen wurde…
So ging die Geschichte weiter, das Ende könnt ihr euch ausdenken, denn hier ist kein Platz mehr um das alles zu erzählen. Denn davon handelt diese Geschichte hier keineswegs. Vielmehr handelt sie von dem, was etwa hundertfünfzig Jahre später passierte. Zuvor jedoch, kommen wir zum Ende des Stücks…
Als der Strick meinen Hals berührt, blicken meine Augen noch einmal zum Publikum und blitzen wütend auf. „Ich komme zurück… denn ich sterbe nie!“, sagte ich höhnisch und gerade so laut, dass auch die letzte Reihe es verstehen konnte. Dann zog sich das Hanfseil an meinem Genick fest und ein entsetzliches Knacken war zu hören. Dann ging das Licht auf der Bühne aus und der Vorhang schloss sich langsam. Als nur noch der Galgen zu sehen war, an dem meine Gestalt zu erkennen war, stoppte der Vorhand und man sah deutlich, wie meine Hand an den Strick griff. Dann schloss sich der Vorhang und das Stück war vorbei…
Wenige Minuten später stand ich abgeschminkt und in gewöhnliche Sachen gekleidet auf der Straße. Sie war dreckig und der Saum meines Rockes hatte bereits einiges von diesem Dreck abbekommen, doch das kümmerte mich im Moment nicht. Hastig überquerte ich die Straße, doch dann passierte alles wie in Zeitlupe. Pferdegetrampel hörend fuhr ich herum und erkannte das schwarze Fell eines Rappen direkt vor mir. Dann spürte ich wie eine eiskalte Hand mich packte. Unfähig zu schreien versuchte ich mich zu wehren, doch das Pferd hielt nicht an und der Reiter ließ nicht los. Ich war ihm hoffnungslos ausgeliefert.
Mitten im Wald, soviel konnte ich erkennen, stoppte das Pferd. Es blähte die Nüstern und trabte davon, während ich, halb ohnmächtig, in einen dunklen Raum geschleppt wurde. Scheinbar eine Hütte oder so etwas in der Art. Nirgendwo schien es Licht zu geben und plötzlich spürte ich einen kalten Hauch an meinem Hals. Das Letzte, an was ich mich erinnern kann, war etwas warmes, das an meinem Hals hinab lief. Dann… ja, dann war ich tot.
San Francisco, 1991 - Weiße Villa am Strand, rote Vorhänge, die die Fenster verhüllen so gut es geht, strahlender Sonnenschein, doch in dem Raum, in dem wir uns befinden, ist es dunkel. Nur ein blasser Schimmer rötlichen Lichtes dringt durch die schweren Vorhänge und lässt die Tageszeit vermuten, denn nur am Mittag scheint die Sonne von dieser Seite auf die Fenster, sodass der gesamte Raum in ein mystisches Licht getaucht ist. Zu dem Raum gibt es nicht viel zu sagen. Weiße Wände, die mit dem gigantischem Kronleuchter an der Decke scheinbar nichts gemeinsam haben - dazu, auf einer Erhöhung im Boden, ein schwarzer Flügel. Die Klappe über den Tasten ist geöffnet, es ist ruhig, doch die elfenbeinfarbenen, langen Finger über den Tasten lassen erahnen, dass es nicht mehr lange so bleiben wird.
Schon bald erfüllt eine ruhige, traurige Melodie den Raum. Die Töne jedoch, werden von den schweren Vorhängen verschluckt, sodass es dumpf klingt. Irgendwie ist es eine traurige Melodie, doch nur für die Zuhörer, denn ein flüchtiges Lächeln huscht über das Gesicht der jungen Frau, deren Finger die Tasten nur zu berühren scheinen, damit sie Töne spielen. Strahlend weiße Zähne konnte man erkennen, als das bleiche Gesicht ein Lächeln gezeigt hatte. Eins von Wenigen scheinbar, denn das junge Gesicht war makellos und von so atemberaubender Schönheit, dass man es gar nicht beschreiben kann. Dagegen wirkt die schlichte, moderne Kleidung der Frau wie ein Manko, das jemand dorthin gepflanzt hat, um den schönen Anblick nicht vervollständigen zu lassen. Bluejeans und ein enges rotes Top zieren den wohlgeformten Körper, dessen weiße Hautfarbe sich perfekt davon abhebt. Ihre Augen sind geschlossen, doch soviel kann ich verraten, sie sind grün und passen so gar nicht zu dem Abbild dieser Schönheit. Das Selbe gilt für das lange, weiße Haar, das kunstvoll hochgesteckt ist und in stundenlanger Feinstarbeit zu einer atemberaubenden Frisur geworden ist.
Die Frau - oder sollte ich besser sagen, das Mädchen, denn sie wirkt älter, viel älter, als sie eigentlich ist - hört auf zu spielen, und als der letzte Ton verklingt, fahren ihre Finger über die Klappe, unter der die weiß-schwarzen Tasten des Flügels bald darauf verschwinden. Ihr wisst jetzt, wie sie aussieht. Doch wenn ihr wissen wollt, wer sie ist, müsst ihr weiter lesen. Nur euren Namen verrate ich euch noch, doch den später. Denn nun kommt der interessante Teil…
Es ist Abend geworden, die Vorhänge im Klaviersaal sind wieder geöffnet, der Raum ist leer. Jetzt fällt auf, dass es auf dem roten Samtteppich kein weiteres Möbelstück zu geben scheint. Der Kronleuchter an der Decke scheint ausversehen dorthin gehangen worden zu sein. Die Herrin des Hauses ist nicht mehr im Haus anzutreffen. Ihre Spur führt uns zum Strand, wo außer einsamen Menschen und vereinzelten Liebespärchen niemand um diese Zeit mehr umherspaziert. Das Augenmerk der Weißhaarigen, gilt einem jungen, attraktiven Mann mit kurzem braunem Haar, der barfuss, die Schuhe in der rechten Hand, am Strand entlanggeht und Gedankenversunken aufs Meer hinaus blickt. „Seinen Gedanken braucht er nicht mehr nachzuhängen…“, murmelt die junge Frau leise. Ihre Stimme ist dunkel und klar und irgendwo passt sie zu ihrem kräftigen Körperbau. Der Mann schlendert nun auf die Dünen zu, in denen der Tod bereits auf ihn wartet. Der Tod in Form von makellos weißen Zähnen, die sich in seine Halsader bohren und deren verursachter, höllischer Schmerz ihm nicht einmal die Gelegenheit gibt zu schreien. Kein Tropfen verfehlt sein Ziel in den Schlund der Frau, die eben noch so zerbrechlich gewirkt hat und jetzt als Mörderin dasteht. Mit einer Handbewegung löst auch die Leiche des Mannes sich auf. „Sei froh, um dein Leiden brauchst du dir keine Gedanken mehr zu machen!“, sagte sie sich leise, doch mit ausdruckslosem Gesicht. Wollt ihr ihren Namen nun immer noch wissen? Rose. Heißt sie. Einfach nur Rose.
„Wenn ich nicht durstig bin, dann geht es einfacher…“, erwiderte Rose dem Polizisten vor sich, der soeben eine Zeugenbefragung gestartet hatte. Ein Mann, um die sechzig, war aus seinem Fenster im dritten Stock gestürzt. Nun wurden alle Passanten befragt, die in der Nähe waren. Schwarzer Anzug und breite rote Sonnenbrille, waren die Dinge, die Rose vor den entsetzlichen Sonnenstrahlen bewarten. Mit einem Schreibblock in der Hand und dem Kugelschreiber in der anderen, blickte der blau uniformierte Polizist zu ihr auf und hob die linke Augenbrauche melancholisch langsam an. „Möchten sie ein Wasser?“, fragte er, doch Roses Antwort war ein Lachen. „Oh nein, nein, nein… nun beginnen sie endlich mit ihrer Befragung!“, erwiderte sie mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen. Sichtlich irritiert blickte der Cop zwischen der jungen Frau und seinem Block hin und her. „O-okay. Zunächst benötige ich einige Angaben von ihnen…“, sagte er mit bebender Stimme und schlug seinen Notizblock auf. „Ihr Name?“, fragte er. Rose sah nachdenklich aus, als müsse sie sich zunächst einen solchen ausdenken. Jeder erfahrene Polizist hätte gemerkt, dass sie ein Spiel mit ihm spielte, doch dieser hier scheinbar nicht. „Holly Mary Combs!“, antwortete sie nach kurzem Zögern. Während der Polizist ohne ein weiteres Wort zu verlieren den Namen der Schauspielerin notierte, die ganz gewiss nicht vor ihm stand, besah Rose sich den Schauplatz, der von der Polizei so sorgfältig abgesperrt worden war. Die Leiche wurde soeben in einen Wagen geladen, um zur Autopsie gebracht zu werden, während ein Team die Blutlache am Boden untersuchte. Tief einatmend roch Rose den rostigen Geruch des Blutes auf dem Fußgängerüberweg, während sie die nebensächlichen Gerüche von Pommesbuden und Souvenirläden, sowie Zigeunern, Zigarrenkisten und dem ganzen Müll verdrängte. „Okay… Ihr Geburtsdatum?“, fragte der Polizist und Rose blickte ihn wieder an. Hinter den Gläsern ihrer Sonnenbrille sah er ihre funkelnden Augen nicht, die ihn auszulachen schienen. „Nanana, man fragt eine Frau doch nicht nach ihrem Alter. Aber wenn sie es wissen wollen, 31. Februar 1973“. Auch das notierte der Polizist geflissentlich ruhig und ließ Rose Zeit, sich das Gebäude anzuschauen. Dass Rose eigentlich mit fünfzehn gestorben war und auch für immer so alt bleiben würde, bemerkte ohnehin nie jemand, da sie erwachsener wirkte, als sie war. „Baujahr... vermutlich 1980“, dachte sie und betrachtete angewidert den Betonklotz, der so dahin geklatscht wirkte, als hätte jemand einmal das dreckige Leben in San Francisco betonen wollen. Hier gab es absolut nichts sehenswertes, nachdem man jeden Tag mindestens einmal die Golden Gate Bridge überquert hatte und allmählich genug von der Augenkrebs erregenden Farbe hatte. Nachdem Rose dem Polizisten auch noch verklickert hatte, sie lebe in New Orleans, in der Stadt Wales, habe sechs Kinder, war nie verheiratet, ihre Kinder sind alle erwachsen und sie sei von Beruf Hotelmanagerin, nickte der Polizist. „Sehr schön. Was haben sie denn genau gesehen?“, wollte der Polizist wissen und sah sie auffordernd an. Er schien erleichtert den Papierkram hinter sich gebracht zu haben. Das ganze hatte etwa eine volle Stunde in Anspruch genommen! „Nichts“, antwortete Rose ohne jegliche Betonung. Als die Kinnlade ihres Gegenübers letztendlich nach unten klappte, zuckte sie lächeln mit den Schultern und ging mit großen, ausladenden Schritten an ihm vorbei, ohne sein erstauntes Gesicht zu beachten.
„Du hast ihm WAS erzählt?“, hakte Roses bester Freund Max (Mäx) nach und konnte sich vor Lachen kaum noch halten. Sein Wohnzimmer war gemütlich: Weiße Ledersessel, ein flauschiger roter Teppich und ein gigantischer Fernseher wirkten ziemlich einladend. Rose warf ihre Jacke grinsend an den Haken im Flur und betrat das Zimmer, in dem Max bereits auf dem Sofa saß und ein Glas mit roter Flüssigkeit in der Hand hielt. „Ich bin 18, am 31. Februar geboren, lebe in New Orleans, dort in der Stadt Wales, außerdem habe ich sechs Kinder, war aber niemals verheiratet. Außerdem sind meine Kinder selbstverständlich alle erwachsen. Mein Beruf? Hotelmanagerin!“, lachend warf sie sich auf einen der Sessel und nahm sich ein zweites Glas der roten Flüssigkeit. „Und er hat nichts bemerkt. Als ich dann sagte, dass ich nichts gesehen hätte… Du hättest seinen Gesichtsausdruck sehen müssen!“, prustete sie los. Max hatte sich vor Lachen gekrümmt und entblößte, wie Rose, strahlend weiße, blitzsaubere Zähne. Außerdem hatte er ebenfalls spitz zulaufende Eckzähne, doch das machte ihn nicht weniger sympathisch! „Ahhh, Spaß beiseite…“, sagte er dann etwas ruhiger, während Rose an dem Getränk nippte und ihn erwartungsvoll ansah. „Du sagtest es gäbe einen Notfall?“, fragte sie gefasst und Max nickte. „Allerdings. Ich befürchte, wir bekommen bald Besuch von den Flowrew (1)“. Als Rose entsetzt das Glas sinken ließ und der überraschte Gesichtsausdruck schließen ließ, dass sie wusste, von was Max sprach, zuckte dieser nur bedrückt mit den Schultern. Flowrew: Max’ Erklärung: „Die sind schon ewig mit uns im Krieg. Im Grunde genommen sind sie genauso wie wir. Allerdings ernähren sie sich von Menschenfleisch und sind in der Hinsicht des Tötens sehr unvorsichtig. Schon oft hat man Leichen gefunden und ihrer Todesursache auf Vampire zurück geführt, obwohl es untere Todesfeinde waren, die da ihr Werk verrichtet haben. So wie wir sind sie unsterblich, doch eigentlich leben sie in einer Zwischenwelt, die sich nur selten öffnet. Für die Menschen sind das Feiertage, warum auch immer. Tage wie diese sind zum Beispiel Halloween und sogar Heiligabend!