Krimis & Thriller
Tödliche Reha

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"Tödliche Reha"
Veröffentlicht am 29. März 2015, 166 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
© Umschlag Bildmaterial: timei
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Über den Autor:

Ich liebe Krimis,besonders die von Agatha Christie. Ihre Romane haben mich inspiriert. Ich weiß, dass ich meiner Meisterin nicht das Wasser reichen kann, aber ich versuche ihr gerecht zu werden.
Tödliche Reha

Tödliche Reha

prolog

Tramp Die Flasche in seiner Hand war schon wieder leer. Bernd schaute sich um. Hinten an der Hausecke in der Gasse lehnte der alte Tramp. So nannten ihn alle aus dieser Gegend, denn niemand hier kannte seinen Namen. Auch wusste niemand wie alt er war und warum er auf der Straße lebte. Der Alkohol konnte für ihn kein Grund gewesen sein, denn er trank keinen Tropfen. Auch nahm er keine Drogen, ganz im Gegenteil, er versuchte die jungen Leute, die sich hier nachts rumtrieben von den Drogen fern

zu halten. Bernd winkte Tramp zu und ging zu ihm hin. „Hallo Tramp, verdammt kalt heute Abend“. Dabei wedelte er mit seiner leeren Flasche. Er sah, wie Tramp eine alte Wolldecke um seine Beine zog. Diese Decke hatte er schon so lange Bernd ihn kannte und über deren Herkunft war genauso wenig bekannt wie über Tramp. Er war schon irgendwie ein komischer Kauz, dachte Bernd. Wer so viel in der Welt umher gekommen war und fremde Sprachen beherrschte, gehörte nicht hierhin. Bestimmt war etwas Unheimliches geschehen und vielleicht würde er es heute Abend erzählen. Bernd freute sich schon auf das Beisammensein am Feuer

und darauf, den Geschichten des alten Tramps zu lauschen. Dabei vergaß man, dass es kalt war und der Magen knurrte. Bernd fühlte sich dann in seine Kindheit zurück versetzt, wenn Großmutter eine Gutenacht Geschichte vorlas. Jeder vergaß für ein paar Stunden das Elend in dem er lebte. Als er vor Tramp stand, zeigte dieser lachend auf die leere Flasche. „Na schon wieder ausgelaufen“, spöttelte er, “eines Tages wird es Dich noch umbringen, aber ich werde es nicht mehr erleben.“ Er stand auf und nahm Bernd die leere Flasche aus der Hand und versprach ihm, für den Abend eine Füllung zu besorgen. Auf der anderen Straßenseite gab es einen kleinen

Supermarkt. Der Inhaber, Erdan, ein junger Türke, war sehr nett. Manchmal gab er Tramp und Bernd altes Brot und Obst. Woher Tramp jedes Mal das Geld hatte, um das „Wasser des Lebens“, wie er es nannte, zu besorgen, war ihm schleierhaft, aber Bernd fragte ihn nicht, denn er hatte Angst, dass dann die Quelle für immer versiegte. Bevor Tramp die Straße überquerte drehte er sich um und rief:“ So, wir treffen uns dann am Feuer.“ Bernd winkte ihm zu. Plötzlich sah er ein Auto auf Tramp zu rasen, ohne Licht, es schlingerte. Tramp wollte ausweichen, aber dann blieb er wie versteinert stehen, drehte sich um und schaute dem Fahrer direkt ins Gesicht

bevor das Auto ihn traf. Bernd sah, dass Tramp die Augen weit aufgerissen hatte. Der Aufprall war gewaltig und doch lautlos.Er schleuderte den alten Mann einige Meter durch die Luft. Bernd schrie auf und rannte zu Tramp, der nun wie ein Bündel Lumpen auf der anderen Straßenseite lag. Als Bernd zu dem Alten kam sah er, dass die Arme und Beine verrenkt, die Wolldecke zerrissen und verschmiert war. Blut kam aus seinem Mund, die Augen waren jetzt geschlossen. Bernd beugte sich über den zerschundenen Körper und redete mit ihm, aber er bekam keine Antwort. Der alte Tramp war tot, überfahren von einem offensichtlich Betrunkenen. Als Bernd

sich wieder aufrichtete sah er, dass das Fahrzeug angehalten hatte. Schemenhaft konnte er durch die Rückscheibe einen Kopf erkennen, der sich umgedreht hatte. Ein Gesicht erkannte er nicht. Es war alles zu verschwommen, das Glas der Autoscheiben war abgedunkelt. Er lief zu dem Wagen hin. Kurz bevor er die hintere Tür erreicht hatte, gab der FahrerGas und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Bernd fluchte vor sich hin und ärgerte sich über sich selbst. Warum war er nicht gleich zu dem Wagen gelaufen? Er hätte dann vielleicht das Schwein noch erwischt und warum hatte er sich nicht das Kennzeichen gemerkt? Er wusste nur, dass es eine große dunkle

Limousine war, die auf der Heckscheibe seitlich einen Aufkleber hatte. Diesen hatte er schon mal gesehen, aber er wusste im Moment nicht wo. In der Ferne waren die Sirenen der Polizei und der Feuerwehr zu hören. Der Besitzer des Supermarkts hatte sie angerufen. Erschüttert stand auch er am Straßenrand neben dem alten Tramp, für den jede Hilfe zu spät kam. Bernd sah zu, wie sie den alten Mann in einen Sack verstauten und davonfuhren. Ihm war kalt. Er konnte nicht fassen was gerade passiert war. Zwei Polizisten nahmen seine Aussage auf. Weitere Augenzeugen gab es nicht. Er fühlte sich am Tod von Tramp mit Schuld, denn dieser hatte

seinetwegen die Straße überquert. Es würde leer sein ohne Tramp in dieser Gegend. Er fehlte Bernd schon jetzt. Im Gebüsch neben dem Supermarkteingang sah er die leere Flasche liegen. Er ging hin und hob sie auf. Sie war völlig unbeschädigt. Er schwor in dieser Nacht nicht mehr zu trinken, Tramps Mörder zu finden und sein Bemühen, gegen die Drogen zu kämpfen, fortzusetzen. Die Flasche nahm er mit, sie sollte ihn ewig erinnern an Tramp und seinen Schwur.

Kapitel I

Susanna Dieser verdammte Stau, warum geht es nicht weiter? Eigentlich wollte sie schon lange angekommen sein, aber nun stand sie schon geschlagene dreißig Minuten auf der Autobahn. Nichts rührte sich. Es ging einfach nicht weiter. Susanna stellte das Radio an. Die Nachrichten verkündeten wieder sinkende Wirtschaftszahlen. Die Regierung und die Opposition gaben sich gegenseitig die Schuld an wachsender Armut und die dann folgende Wettervorhersage trug nicht dazu bei, ihre Laune zu verbessern

- weiterhin bewölkt, leichter Regen, nachts Frost – oh, dieser Winter wollte einfach nicht enden. Dann endlich die Verkehrsdurchsagen. Aber keine Info, warum es hier nicht weiterging. „Na toll, was interessieren mich Blitzer, wenn ich nicht fahren kann“, schimpfte sie vor sich hin während sie nervös auf dem Lenkrad herum trommelte. Ihre Laune sank ins bodenlose. War ja selber schuld, Christian hatte vorgeschlagen die Bahn zu nehmen, dachte sie. „Dann erholst Du dich schon bei der Fahrt“, waren seine Worte, als sie ihm mitteilte, dass die Klinik ihr eine Reha verordnet hatte. Susanna wollte aber lieber unabhängig sein und ihr Auto nehmen. Allein der

Gedanke daran, drei Wochen ohne ihren Wagen in einem kleinen Kurbad zu sein, ließ sie erschauern. Susanna hasste es, eventuell untätig an einem Ort fest zu sitzen. Im Internet hatte sie schon gesehen, dass die Reha-Klinik an der Ostsee etwas außerhalb des Seebads war. In die „Zivilisation“ hätte sie dann laufen müssen. Ein idyllisches Fleckchen Erde, mit weniger Einwohnern als Touristen und Kurgästen im Sommer. Diese ganze Reha war nur nötig, weil so ein blöder Tumor sich unbedingt in ihrer Brust breit machen musste. Keiner hatte ihn dazu aufgefordert, dachte sie wütend. Er hatte ihr ganzes Leben durcheinander gebracht. Die ganze Familie war davon

betroffen, aber ihr Mann Christian hatte Susanna sehr geholfen. „Sue, dass stehen wir zusammen durch“. Seine Worte hatten sich in ihrem Kopf festggesetzt. Oh, ich liebe ihn so sehr und er fehlt mir jetzt schon, dachte sie. Zwei Stunden später war sie endlich angekommen. Nun war sie in ihrem Zimmer; es befand sich ganz oben im Ostflügel des Hauses. Das Fenster ging nach vorne zum Eingang hinaus. Sie konnte den Parkplatz und die Einfahrtschranke sehen. Susanna beschloss, erst mal zum Abendessen hinunter zu gehen, auspacken konnte sie später. Der Speisesaal war groß, mit einem doppelseitigen Buffet in der Mitte. Alle Tische im Saal waren mit vier

Personen besetzt. Beim Empfang sagte sie ihren Namen und wurde an einen Tisch gebracht, an dem bereits zwei Männer und eine Frau saßen. Susanna stellte sich vor:“ Hi, ich bin Susanna“, und blickte freundlich in die Runde. „ Willkommen in der Anstalt, ich heiße Sebastian“, erwiderte ihr Gegenüber. Er lächelte sie kurz an und widmete sich wieder seinem Essen. Neben ihm wurde sie von Erika herzlichst begrüßt. „ Kommen Sie auch aus Berlin?". Ich nickte. „War jede Menge los auf der Autobahn und dann zur Abwechslung ein langer Stau.“ Erika und Sebastian lachten. Susanna schaute zu Ihrem Nachbar hin. Sie hatte das Gefühl, dass

es ihm unangenehm war sie anzusehen, „ ich bin Dietmar“, murmelte er ohne von seinem Teller aufzusehen. Susanna ging zum Buffet und holte sich ihr Abendbrot. Erst jetzt merkte sie, dass sie einen riesigen Hunger hatte. Das Essen verlief schweigend und Susanna sah sich im Saal um und stellte fest, dass bestimmt doppelt so viele Frauen als Männer hier waren. Ich gehöre also zur Majorität, dachte sie. Am nächsten Morgen ging Susanna zum „Nordic Walking“ Kurs. Eine Frau vom Nachbartisch war mit in der Gruppe. Susanna erkannte in ihr die bekannte Fernsehmoderatorin, Bettina Lindner. "Hallo, ich bin Betty. Sie sind gestern

Abend angekommen, nicht wahr?“ Sie erzählte ihr, dass sie hier ihren Kopf frei machen wollte, um neue Ideen zu sammeln. Sie lächelte dabei auf eine geheimnisvolle Art. Da war Susanna klar, dass sie schon Erfolg gehabt haben musste, denn sie sah, wie Betty nach dem Frühstück auf den Mann von ihrem Tisch einredete. Susanna musste lächeln, denn ihr war klar, dass er gegen Betty keine Chance hatte. Sie war die Spinne und er saß fest in ihrem Netz. „Ich bin Susanna Borchard, aber sagen Sie Susanna“. Sie griffen ihre Stöcke und folgten der Gruppe, die schon einige Meter entfernt war. „Los, los meine Damen, keine Müdigkeit

vorschützen. Stellen Sie sich vor, sie gehen shoppen und es ist kurz vor Ladenschluss. Wir haben erst die Hälfte hinter uns“Der Kursleiter schaute sich zu uns um und lachte. Susanna wusste, dass er Betty und sie meinte. Ok, sie waren so in ein Gespräch vertieft, dass sie den Anschluss an die Gruppe verloren hatten. Aber sie waren ja nicht auf der Flucht, dachte sie. Bruno war ein großer Antreiber. Er war hier der Chef-Physiotherapeut, daher kam auch sein Gehabe. „Bruno, warum gönnen Sie sich und uns keine Pause? Wir wollen uns doch alle nur erholen.“ Betty sandte ihm einen verheißungsvollen Blick zu, dem er sich nicht entziehen konnte. Er lief uns

entgegen. „ Also Ladys, mal ehrlich, Ihr habt mehr Power als Ihr zeigen wollt. Wenn Ihr wollt, gebe ich Euch heute Abend eine extra Therapiesitzung.“ Susanna lehnte dankend ab, aber Betty amüsierte sich köstlich und fragte, „was ist denn in der extra Sitzung alles enthalten? Übernimmt die Versicherung die Kosten?“ Sie gab ihm wieder diesen tiefen Blick. Susanna hielt es nun für besser, die beiden allein zu lassen. Sie wandte sich um und strebte zum Eingang der Klinik. An der Tür drehte sie sich noch einmal um und sah wie Bruno und Betty sich eingehend unterhielten. Beide waren in ihrem Element. Die Gruppe wartete auch am Eingang. Alle

beobachteten die beiden. Einer machte eine Bemerkung über Bruno, die jeden verlegen machte. Dann gingen sie hinein und Susanna wollte gleich in ihr Zimmer. Da sie ein schlechtes Gewissen hatte, nahm sie nicht den Aufzug, sondern stieg die vier Treppen zu Fuß hinauf. Oben war sie zwar völlig aus der Puste, aber zufrieden. Nun hatte sie ein „gutes Gewissen“. Sie duschte, zog sich um und ging zunächst Essen anschließend zu ihrem Vortrag. Im Saal war es dunkel, da die Vorhänge zugezogen waren. Sie war spät dran und die meisten Stühle waren bereits besetzt. Sie suchte nach bekannten Gesichtern und erspähte Sebastian, ihren Tischgenossen. Neben

ihm am Gang war noch ein Platz frei. Susanna eilte hin und setzte sich auf den unbesetzten Stuhl. Gerade rechtzeitig, denn in diesem Moment kam die Referentin Frau Martin und schloss die Tür. Bernd Sein Magen meldete sich hörbar, er hatte noch kein Mittagessen gehabt. In den Speisesaal ging er meistens erst, wenn alle weg waren. Bernd konnte die Blicke der Leute im Speisesaal nicht ertragen. Manchmal glaubte er, dass auf seinem Rücken ein Schild mit der Aufschrift,

„Leben ohne Alkohol“ war und jeder wusste, dass diese Stiftung seinen Aufenthalt bezahlte. Er merkte genau, dass sie über ihn redeten und ihn mieden. Es gab nur eine Ausnahme, am Nebentisch saß eine Frau, die ihn nicht so herablassend anschaute. Sie war sehr nett, obwohl auch sie Interesse an seinem Leben zeigte, aber auf eine andere Weise. Am schlimmsten war Bruno. Er stand zu den Mahlzeiten immer vorne am Buffet. Bernd mochte ihn nicht sonderlich. Der Therapeut rümpfte immer die Nase, wenn er in Bernds Nähe kam. Nur nicht vorbei an Bruno, dachte er. Er war heute nicht in der Stimmung sich von Bruno verspotten zu lassen.

Vielleicht hatte er später, nach dem Vortrag, die Gelegenheit in Ruhe zu essen und mit dieser Journalistin zu reden. Er ging durch die Lobby und blieb vor der „Event Wand“ stehen. Dort suchte er nach Veranstaltungen oder Vorträgen, die ihn interessierten. „Stressabbau“ sollte um 14:00Uhr anfangen, war vielleicht etwas für ihn dachte er. Wenn das mit dem Interview und der Talkshow klappte, würde er einen Batzen Geld bekommen, dann hätte er den Stress, das Geld auszugeben. Er musste grinsen. Die Uhr im Foyer zeigte 13:30. Er ging auf den Eingang des Vortragssaals zu.

Die Tür stand offen. Als er hinein blickte konnte er nur zwei Leute sehen. Er nahm an, dass es die Haustechniker waren, die die Vorbereitungen für die Veranstaltung trafen. Der Raum war abgedunkelt. Die hintere Reihe war total frei. Er setzte sich auf den äußersten Stuhl weg vom Eingang, im Rücken die Fenster. Hier konnte ihn keiner anstarren, aber er konnte sehen wer den Saal betrat. Nun saß er hier, im Dunkeln. Die Luft in diesem Raum war stickig, obwohl er noch ganz allein war. Hoffentlich wird es nicht zu voll, das Thema ist zwar nicht sehr interessant, aber laut Therapieplan musste man mindestens einen dieser Vorträge besuchen. Es war noch gut eine

halbe Stunde Zeit bis der Vortrag anfing. Zeit genug, um in Ruhe über alles nachzudenken, was bisher geschehen war. Er dachte an die Frau, die sich für sein Leben interessiert hatte. Sie sagte, sie wäre Journalistin und wollte eine Story über „Menschen auf der Straße“ im Fernsehen bringen. Sie wollte wissen, wie es sei, als Obdachloser und ehemaliger Alkoholiker klar zu kommen. Irgendjemand hatte gequatscht, aber er war nicht böse darüber. Sie hatte da so eine „Talkshow“. Bernd hatte noch nie eine Talkshow gesehen und konnte sich nichts darunter vorstellen. Sie erhoffte sich bestimmt eine spannende Story, er hauptsächlich einige Euros. Seine

Geschichte würde ein Knüller sein. Die letzten Jahre hatte er viel recherchiert. Er war besessen davon, den Verantwortlichen für den Tod des alten Tramp zu kriegen und vielleicht auch etwas über die wahre Identität seines Freundes heraus zu finden. Vielleicht bringt die Fernsehshow Licht ins Dunkel. Er wird dort alle seine bisherigen Erkenntnisse mitteilen. Die Polizei hatte damals weniger Interesse. Heute wusste er schon mehr und wenn ihm der junge Therapeut noch den Namen des Autobesitzers mit dem Aufkleber aus seiner Erinnerung nennen konnte, würde vielleicht eine Bombe platzen. Er schaute auf ein Foto, das ihn und Tramp kurz vor

seinem Tod zeigte, aufgenommen von einem jungen Reporter, der einen Artikel über Obdachlose schreiben wollte. Er machte mit einigen von ihnen Interviews, wollte alles über die Vorgeschichten und Ursachen für das Leben, das sie jetzt führten, erfahren. Es wurden wieder Erinnerungen wach. Die Zeitung, die es gebracht hatte, diente ihnen als Decke. Heute wollte er diese Geschichte erzählen, eine Geschichte, die Alles verändert hatte, wegen der er das Trinken aufgegeben hatte und sich jetzt als „Streetworker“ für besonders junge Obdachlose einsetzte. Auf der Straße zu leben, war nichts für Kinder und Jugendliche, sie brauchten eine Chance.

Dass er wegen einer kleinen Herzattacke hier in der Klinik war, weil wohltätige Leute auf eine Reha bestanden, hatte er der Journalistin schon erzählt. Heute Abend wusste er vielleicht schon mehr über diesen Autoaufkleber. Dann war seine Geschichte bestimmt mehr Wert. Der Saal war jetzt schon gut gefüllt. Seine Uhr konnte er nicht erkennen, aber der Vortrag müsste bald anfangen. Dann sah er die Frau vom Nachbartisch herein hetzen und gleich hinter ihr wurde die Tür geschlossen. Bernd lehnte sich zurück und schloss die Augen.  

Das Thema des heutigen Vortrags war Stressabbau. Susanna langweilte sich und um nicht einzuschlafen, schaute sie sich die Anwesenden genauer an. Von ihrem Platz aus hatte sie den halben Saal im Blick. Sebastian neben ihr döste vor sich hin, aber immer bedacht, den Kopf oben zu halten. Die meisten saßen wie Susanna im hinteren Teil des Raumes und vorne versuchte die junge Referentin die Leute wachzuhalten. Direkt vor Susanna saß eine ältere Frau, ihre Atemzüge ließen auf ein kleines Nickerchen

schließen. Susannas Blick ging weiter; die Männer in der vorletzten Reihe unterhielten sich leise, aber angeregt. Bestimmt hatten auch sie wenig Interesse an dem Vortrag. Sie versuchte einige Gesprächsfetzen aufzuschnappen. Es machte irgendwie Spaß heraus zu finden, über was die Anderen sprachen. In der letzten Reihe rechts außen saß der Mann vom Nachbartisch. Susanna wusste, dass er schon länger hier war. Er sprach mit niemanden und kam zum Essen erst sehr spät, um nicht mit den Anderen am Tisch sitzen zu müssen. Er machte den Eindruck, als wolle er alle Menschen meiden. Einige machten sich über ihn lustig. Er war unrasiert und seine Finger

waren gelb vom Nikotin. Er musste Qualen leiden, denn auf dem gesamten Klinikgelände war Rauchen strengstens untersagt. Im Speisesaal saß er zusammen mit drei Frauen am Tisch. Ok, man konnte verstehen, dass das nicht immer angenehm ist. Aber sie waren eigentlich ganz nett. Betty, die Journalistin und Andrea, eine Sekretärin, traf sie schon bei ihren Therapieanwendungen. Marianne war die Dritte im Bunde und innerlich schon abgereist. Sie telefonierte täglich mehrmals mit ihren Kindern und gab ihnen Anweisungen. Im Umkreis von fünf Metern wurde jeder zum unfreiwilligen Zuhörer. Sie musste ihr

Zuhause sehr vermissen. Ihre Reha war fast beendet, die der Anderen sollte noch eine Woche dauern. Von Betty hatte Susanna bereits erfahren, dass ihr Tischgenosse Bernd hieß, auf der Straße lebte und ein trockener Alkoholiker war. Sie machte Andeutungen, dass sie mit ihm ein Interview machen wolle und ihn sogar in ihre neue Talkshow eingeladen hatte. „Er will mir demnächst eine Geschichte erzählen, die, wie er meinte, sehr interessant sei, jedenfalls tat er sehr geheimnisvoll“, meinte Betty erst gestern zu ihr. Susanna fand es sehr mutig vom Bernd, sich einer Fernsehmoderatorin anzuvertrauen, am Morgen hatte sie ihn schon in deren Fängen gesehen.

Bestimmt hatte Betty ihm viel Geld versprochen. Susanna hatte das Gefühl, dass die Moderatorin unbedingt eine neue Story brauchte, da ihre alte Show nicht mehr sehr beliebt war, und das Gerücht durch die Presse ging, dass diese abgesetzt werden sollte. Susanna versuchte sich wieder auf den Vortrag zu konzentrieren. Die monotone Stimme der Referentin machte es ihr nicht leicht. Es war warm und stickig im Saal. Die Geräusche kamen immer mehr wie durch einen Nebel zu ihr. Ein feiner Luftzug streifte Susannas Nacken. Es war nicht unangenehm. Er

ließ sie aus ihrer Erstarrung erwachen, in die sie durch den Vortrag und die Dunkelheit geglitten war. Frische Luft, dachte sie, hatte jemand die Fenster geöffnet? Susanna drehte sich um, konnte aber nichts erkennen. Die schweren Vorhänge waren noch immer geschlossen, bewegten sich jedoch leise durch die leichte Brise, die von der See her kam. Susanna meinte, eine dunkle Gestalt gesehen zu haben, die hinter die Vorhänge huschte, war sich aber nicht sicher. Vielleicht hatten ihre Augen ihr einen Streich gespielt. In der Dunkelheit war das möglich, zumal sie geträumt hatte. Die meisten Zuhörer hatten nichts bemerkt, sie dösten immer noch vor sich

hin. Nur der Mann in der letzten Reihe am Ende war etwas vornüber gebeugt, er war bestimmt fest eingeschlafen. Susanna konzentrierte sich wieder auf den Vortrag. Frau Martin hatte eine PowerPoint Präsentation und einen kleinen Film vorbereitet, aber leider wusste sie anscheinend nicht, wie die Audioanlage zu steuern war. Der Ton des Filmbeitrags war ziemlich laut und schrill. Susanna betrachtete sie eingehend. Sie war sehr zierlich und bestimmt nicht älter als fünfundzwanzig Jahre. Sie saß vorne an der linken Seite nahe der Wand. Neben ihr war ein Tisch mit einem Beamer, einem Verstärker und ihrem Laptop darauf.

Der Vortrag war beendet, und die ersten Zuhörer in den vorderen Reihen verließen den Saal bevor das Licht eingeschaltet wurde. Ich muss mich noch in die Anwesenheitsliste eintragen, dachte Susanna. Als sie an dem Stehtisch neben der Tür stand, wo die Liste auslag, blickte sie in den Saal zurück. Bis auf den Mann in der letzten Reihe ganz außen, waren alle gegangen. Die Referentin sortierte ihre Unterlagen. „Es war ein guter Vortrag Frau Martin, auch wenn es anscheinend für einige ermüdend war. Sollten wir ihn nicht

wecken?“ Sie blickte in die Richtung der hinteren Reihe. Die Referentin lächelte und folgte ihrem Blick. „ Das kommt immer vor, hauptsächlich weil es dunkel ist und das Thema zu theoretisch, um nicht zu sagen langweilig. Ich hatte schon daran gedacht demnächst Kaffee zu servieren.“ Sie näherte sich dem Schläfer, berührte ihn leicht an der Schulter und kehrte zum Tisch zurück. Kaffee, tolle Idee dachte Susanna. Sie war schon fast zur Tür hinaus,als sie ein leises Geräusch hörte. Sie drehte sich um und sah, dass der Mann vom Stuhl gekippt war. Sie rannte zu ihm hin. Er regte sich nicht. Der Anblick ließ Susanna erschauern. Sie beugte sich

hinunter und versuchte einen Puls zu fühlen, vergebens. „Er ist tot. Wir müssen die Polizei holen“. Die junge Referentin war starr vor Schreck. Sie blickte fassungslos auf den Toten hinunter. Susanna schütelte sie „Ich hole einen Arzt und rufe die Polizei an, und Sie passen auf, dass niemand herein kommt. Es dürfen keine Spuren verwischt werden“.Schon war Susanna, unterwegs zur Rezeption. Sie war aufgeregt, denn Krimis lesen ist eine Sache, aber ein Mord im selben Raum, etwas Anderes. Für sie war klar, dass es sich hier einwandfrei um einen Mord handelte, denn sie hatte einen Einstich in der Halsschlagader bemerkt, als sie sich

zum ihm hinunter beugte. „ Lassen Sie mich hier nicht solange alleine, ich habe Angst“, schrie die Referentin ihr nach, kreidebleich im Gesicht. „Keine Bange, ich bin gleich wieder da, passen Sie nur auf, dass keiner rein kommt."

Kapitel II

Die Polizei hatte den ganzen Saal abgeriegelt. Nur Frau Martin, die Referentin und Susanna durften hinter die Absperrung, da sie den Toten entdeckt hatten. Der Polizeiinspektor gab zu, dass es sein erster Mordfall war. Er kam von der örtlichen Polizeistation in Begleitung von zwei Polizisten. Warum war keiner von der Kripo Wismar hier, dachte Susanna. Es ging schließlich um ein Kapitalverbrechen und dafür waren doch ihres Wissens die Sonderkommissariate zuständig. Schließlich war Susanna eine Expertin, wenn auch nur theoretisch. Sie hatte

schon viele CSI, SoKo, Tatort und ähnliche Serien gesehen. Krimis waren ihr Hobby. Sowohl als Buch, als auch im Fernsehen. Nachdem sie den Inspektor von ihrer Entdeckung informiert hatte war er sichtlich nervös. Er war völlig auf sich allein gestellt. Jetzt nur keinen Fehler machen dachte er und drehte sich zu Susanna um. Wer sie wohl war? Der Chefarzt der Klinik war bei dem Toten und untersuchte ihn. Auch er sah die Einstichstelle im Hals. „Wir brauchen dringend eine Laboruntersuchung, um zu erfahren, was ihm gespritzt wurde“ er wandte sich zum Inspektor um. „ Der Einstich ist frisch. Es sieht zwar nach einem Herzanfall aus, aber ich muss

wissen, welche Medikamente er zuletzt bekommen hat, bevor ich es bestätigen kann.“ Susanna ging zu den wehenden Vorhängen und schaute dahinter. Ein Fenster war weit offen. Da hätte jeder leicht hinein und wieder hinaus klettern können, überlegte sie. Der Inspektor stand noch immer neben dem Arzt, sie unterhielten sich leise. Susanna näherte sich den Beiden. Der Inspektor bemerkte sie und bat sie, Platz zu nehmen, er würde sich gleich um sie kümmern. Susanna machte ihn auf das offene Fenster aufmerksam. „Vielleicht ist der Mörder dort unbemerkt herein und

wieder hinaus gelangt? Ihre Leute sollten das Fenster untersuchen.“ Er machte ein abweisendes Gesicht, doch dann besann er sich eine Besseren, ging zu den beiden Polizeibeamten, die fleißig fotografierten und forderte sie auf, auch das Fenster auf eventuelle Spuren zu untersuchen, auch wenn er nicht sicher war, ob der Mann wirklich ermordet wurde. Dann kam er zu Susanna zurück. Sie hatte sich neben die Referentin gesetzt, die immer noch kreidebleich war. „Möchten die Damen einen Kaffee oder Tee“, fragte er? Die Referentin nickte. “Einen Tee bitte“. Susanna lehnte dankend ab. sie war einfach zu aufgeregt. Der Inspektor schickte einen jungen Beamten zur

Lobby, um einen Tee zu besorgen. Während die Referentin ihren Tee schlürfte, wandte der Inspektor sich Susanna zu. „Ich bin Inspektor Hans Liebreich, ich wurde vorerst mit den Ermittlungen betraut, bis die Straßen schneefrei sind und wir für die Außenwelt wieder erreichbar sind.“ „ Ich bin Susanna Borchard“, wohne in Berlin, und im Moment hier zur Reha.“ Der Inspektor hatte seinen Notizblock gezückt. „Können Sie mir sagen, was Sie bemerkt haben?“ „Eigentlich nichts Besonderes. Ich habe, wie Alle hier, dem Vortrag von Frau Martin gelauscht. Durch die Dunkelheit hielt ich die Augen geschlossen. Irgendwann verspürte ich

einen Luftzug im Nacken. Er war ganz angenehm.“ „ Können Sie mir sagen, wann das ungefähr war?“ „Genau kann ich es nicht sagen, aber es muss so kurz vor Ende des Vortrags gewesen sein. Es lief noch der kurze Film. Frau Martin kann bestimmt über diesen Zeitpunkt eine genauere Auskunft geben. Sie hatte schließlich alles vorbereitet. Ich hatte mich umgedreht, um zu sehen, wo der Luftzug her kam. Ich sah den wehenden Vorhang hinten links und den Toten etwas vorgebeugt auf seinem Stuhl sitzen. Mir war so, als wenn eine Gestalt hinter den Vorhängen verschwand. Ich bin mir aber nicht sicher, da ich ehrlich gesagt geträumt hatte und ich mich auch

getäuscht haben konnte. Nichts wies auf ein Verbrechen hin und alles war still.“ „ Danke Frau Borchard, nun zu ihnen, Frau Martin, was haben Sie gesehen oder bemerkt? Können Sie ungefähr sagen, wann der Film lief und wann Sie das Licht wieder einschalteten?“ „Der Vortrag begann um 14 Uhr. Gleich nach der Begrüßung kam zuerst eine PowerPoint Präsentation, diese dauerte fünfunddreißig Minuten also bis ungefähr 14:40. Danach kam der Film. Dessen Laufzeit ist fünfzehn Minuten. Ich hatte Probleme, den Ton auszusteuern. Ich befürchte es war ziemlich laut. Gleich als der Film zu Ende war, stand ich auf und

verabschiedete die Anwesenden. Um 15 Uhr war alles vorbei. Ich öffnete die Saaltür und die Zuhörer verließen den Raum. Einige trugen sich noch in die Anwesenheitsliste ein. Frau Borchard und ich unterhielten uns kurz über den Vortrag, dann bemerkten wir den Mann in der letzten Reihe. Ich ging zu ihm hin, berührte ihn an der Schulter dadurch kippte er nach vorne vom Stuhl. Den Rest wissen Sie ja. Frau Borchard lief hinaus und alarmierte Sie. Ich blieb am Eingang des Saales stehen. Es war alles so gruselig, der Mann lag da, reglos und bleich im Gesicht.“ Sie sprach nicht weiter. „ Danke“, Der Inspektor sahnzu dem Tisch an der Eingangstür: „sind der

Beamer und das Laptop noch angeschlossen?“ Frau Martin nickte. „ Gut, Sie können beide gehen, aber ich habe bestimmt noch Fragen, also bleiben Sie bitte in der Nähe“, mit diesen Worten verschwand er wieder in den Saal. Darauf konnte er wetten, Susanna wollte sich um keinen Preis entfernen, geschweige denn etwas verpassen. Sie sah, wie der Inspektor kurz darauf in den Speisesaal ging, wo sich fast alle Patienten, Therapeuten und Ärzte eingefunden hatten. Es hatte sich wie ein Lauffeuer herum gesprochen. Susanna nutzte derweil die Gelegenheit, sich das Fenster von außen anzusehen. Die Polizisten hatten es schon untersucht,

also konnte sie nichts verwischen. Vielleicht hatte man etwas entdeckt, dachte sie. Doch es gab keine Spuren einer gewaltsamen Öffnung an dem Fenster. Ok, das Fenster war also schon offen und nur angelehnt worden, schlussfolgerte sie. So konnte der Täter dann das Fenster aufdrücken. Jedoch fehlten Wasserspuren auf dem Fußboden innen, was bedeutete, dass der Täter von innen nach außen durch das Fenster kletterte. Er oder sie war also schon seit Beginn des Vortrags im Saal gewesen. Sie war überzeugt von ihrer Theorie. Einzelne Fußspuren waren vor dem Fenster nicht auszumachen. Es waren einfach zu viele, denn es lief ein Fußweg

direkt daran vorbei. Susanna war in ihrem Element. Sie ging in den Speisesaal zurück, um Inspektor Liebreich ihre Theorie zu unterbreiten. Er sprach gerade mit Betty. Susanna kam blitzartig ein Gedanke. Sie änderte ihre Taktik und beschloss erst mit Betty zu reden. Sie wollte wissen, ob sie schon etwas mehr über die angeblich interessante Geschichte erfahren hatte. Sie hatte bisher nur den Namen des Opfers erfahren. Er hieß Bernd Herrmann. Außerdem wollte sie wissen, was Betty dem Inspektor erzählt hatte.

Betty Bettina Lindner saß aufgeregt in der Cafeteria, der Inspektor wollte mit ihr sprechen. Sie war nervös und hatte trockene Lippen. Sie zwirbelte ein Papiertaschentuch zwischen ihren Fingern, ohne es zu bemerken. „Ich brauche jetzt einen Kaffee und eine Zigarette“, sie erschrak, da sie es offensichtlich laut gesagt hatte. Die Bedienung der Cafeteria hatte sie gehört und stellte einen Kaffee vor sie auf den Tisch. „Mit Zigaretten kann ich leider

nicht dienen“, lachte sie und ging wieder hinter ihren Tresen. Betty nahm den Zucker – ein, zwei, drei Tütchen, schüttete alles in den Kaffee und rührte gedankenverloren in ihm herum. Sie war plötzlich weit weg. Ihre Gedanken gingen zurück an den Tag bevor sie hierher kam. -- „Das war‘s für heute. Kamera aus, Licht aus. Du hast es geschafft Betty. Wenn Du in vier Wochen wieder da bist, bist Du hoffentlich wieder die Alte.“ Bettina Lindner stand auf, nahm ihr Manuskript und würdigte den Regisseur keines Blickes. Die „Alte“, sie war immer noch nicht 50, da fehlten noch volle zwei

Jahre. „ Danke meine Lieben, ihr seid wie immer zuverlässig unprofessionell gewesen. Ich hoffe, ihr nutzt die Zeit, bis ich wieder da bin, zu begreifen, was es heißt eine Live Show zu machen.“ Ohne auf die erstarrten Gesichter der Anwesenden zu achten, verließ sie das Studio und ging in ihre Garderobe. Als sie die Tür schloss, hörte sie einen leisen Beifall. Sie fuhr herum. In der linken Ecke neben ihrem Schminkspiegel saß Harald, ihr Manager und Ehemann. Genau in der Reihenfolge. „Denen hast Du es aber gegeben. Glaubst Du, dass sie Dich nun gern haben und den Tag herbeisehnen, wenn Du wieder da bist?“ bemerkte er zynisch. Er goss genüsslich

zwei Whiskys ein, stand auf und hielt ihr ein Glas hin. Sie schüttelte den Kopf und stieß das Glas angewidert weg. “Hast Du schon wieder vergessen, dass ich keinen Alkohol mehr trinke? Warum machst Du das? Macht es Dir Spaß mich zu demütigen?“, sie drehte ihm den Rücken zu und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Jetzt nur nicht zeigen, wie tief er dich getroffen hatte, dachte sie. Diesen Triumph wollte sie ihm nicht gönnen. Als sie sich wieder umdrehte, hatte sie sich wieder in der Gewalt. „Wenn ich wieder da bin, weht hier ein anderer Wind, darauf kannst Du wetten. Meine Show macht mir keiner kaputt. Ich habe zu viel dafür geopfert in den letzten zehn

Jahren. Denke daran, auch Du profitierst davon. Du könntest dir ohne dies alles hier Deine kleinen Freundinnen nicht leisten. Dein Charme würde nicht ausreichen.“ Jetzt ging es ihr wieder besser. Sie sah sein versteinertes Gesicht, verließ die Garderobe und fuhr nach Hause. Er würde heute sowieso nicht mehr nach Hause kommen. Sie packte ihre Koffer für den Aufenthalt in der Reha Klinik. Die Seeluft wird mir gut tun, dachte sie. Ich werde abschalten und die Zeit nutzen über Vergangenes und Zukünftiges nachzudenken. -- Seit dem sie hier war, beobachtete sie ihre Tischgenossen. Sie nahmen alle Mahlzeiten gemeinsam ein, bis auf

diesen Bernd. Er war sehr verschlossen und vermied es meistens, mit ihnen zusammen am Tisch zu sitzen. Als ob er sich fürchtete, dachte sie. Gut, mit drei Frauen an einem Tisch ist bestimmt nicht einfach. Sie nahmen ihre Mahlzeiten niemals still ein. Sie redeten, lachten und eine von ihnen zeigte immer die neuesten Fotos ihrer Familie, die ihr Mann auf ihr Handy schickte. Es amüsierte Betty zu sehen, wie Bernd allen Fragen der beiden anderen aus dem Wege ging. Sie fing an, sich für ihn zu interessieren. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass er irgendetwas verbarg. Einmal glaubte sie, ihn schon mal gesehen zu haben. Sie konnte sich nur

nicht erinnern wo und wann. Aber diesen Gedanken verwarf sie gleich wieder. Es schien ihr unmöglich, ihm jemals begegnet zu sein. Sie trennten schließlich Welten und seiner Kleidung und seiner gelben Finger nach zu urteilen, war er aus der untersten Gesellschaftsschicht. Es war schwer sein Alter zu schätzen. Sie tippte auf Mitte Vierzig. Mal sehen, wer ihr hier Auskünfte geben konnte. Es war schließlich ihr Beruf, Leute zum Reden zu bringen und ihnen die Informationen zu entlocken, die sie wollte. Sie fühlte sich plötzlich wieder jünger. Egal ob die Informationen über Bernd nützlich waren, oder nicht. Allein die Jagd danach

war für sie wie eine Droge. Sie hatte den Zwang über jeden Bescheid zu wissen, der sich in ihrem Umfeld aufhielt. Wie ein Jagdhund nahm sie nun die Fährte auf und witterte eine spannende Geschichte. Das hatte sie im Gefühl und das hatte sie in all den Jahren noch nie getrogen. In den nächsten Tagen fragte sie die Frauen an der Rezeption aus. Schließlich hatten sie Zugang zu allen Daten der Patienten und Bernd Hermann, so hieß er nämlich, hatte sie schon vorher stark interessiert. Die Informationen waren spärlich. Sie erfuhr lediglich seinen Namen, Alter und das die „Leben ohne Alkohol“ Stiftung seinen Aufenthalt hier bezahlte. Ironie des Schicksals, es war ihre Stiftung, die

sie vor zwei Jahren zusammen mit anderen Prominenten, die das gleiche Problem hatten, ins Leben gerufen hatte. Sie wollte allen helfen, sich vom Alkohol zu lösen. Sie hatte es schließlich auch nur mit Hilfe geschafft. Sie fühlte Bernd Hermann direkt auf den Zahn. Seine Geschichte gab erst nicht viel her – Tod eines Weggefährten durch einen Autounfall mit Fahrerflucht, geheimnisvolle Familiengeschichte des Obdachlosen. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das Auto, den Fahrer und die Familie von Tramp, so nannte er ihn, zu finden. Bisher hatte er wenig Erfolg gehabt und auch die Polizei hielt ihn für einen abhängigen Spinner. Doch

es zeichnete sich eine Wendung ab, irgendwie ist er hier auf eine Spur gestoßen. Er wollte es ihr heute Abend mitteilen, doch dazu ist es nun nicht mehr gekommen, schade. Doch das, was sie bereits wusste, könnte die Story über seinen Tod interessanter machen. „Ich freue mich, dass es an diesem doch so traurigen noch etwas gibt, was Sie scheinbar erheitert“. Betty erschrak, vor ihr stand der Kriminalinspektor. „Darf ich“, zeigte auf den leeren Stuhl und setzte sich ohne eine Antwort abzuwarten. „Frau Lindner, lassen Sie mich an Ihren Gedanken teilhaben, was hat Sie erheitert?“ Betty starrte ihn

immer noch irritiert an, ihr war nicht bewusst, dass sie gelächelt hatte. „ Oh, entschuldigen Sie, ich habe mich nicht vorgestellt. Hans Liebreich, ich führe die Ermittlungen im Todesfall Hermann. Was können Sie mir über das Opfer sagen? Sie haben doch zusammen am Tisch gesessen.“ „ Ich habe ihn nicht wirklich gekannt. Er war immer sehr verschlossen, sprach kaum ein Wort.“ Betty hatte sich gefangen und sah dem Inspektor direkt in die Augen, was ihn etwas verlegen machte. Er versuchte ihrem Blick auszuweichen, nahm sein Notizblock zur Hand und blätterte in seinen Aufzeichnungen, als wenn er etwas Bestimmtes suchte. „ Aber mit

Ihnen hat er gesprochen. Sie haben sogar sehr oft hier in der Cafeteria mit ihm zusammen gesessen. Was hatte er zu erzählen, dass Ihr Interesse hervor rief?“ Betty war unsicher, was sie ihm sagen sollte, denn wenn sie zu viel ausplauderte war es mit ihrem Plan, über ihn eine Exklusivstory zu bringen, vorbei. Die Presse würde alles aus den Polizeiberichten veröffentlichen. Sie hatte zwar schon einiges an Material zu ihrem Sender geschickt, aber es waren eben nur Notizen. Hilflos starrte sie Liebreich an, „ Herr Inspektor stammelte sie, ich wollte nur nett zu Herrn Hermann sein. Deshalb habe ich mich manchmal zu ihm gesetzt. Er tat mir

einfach nur leid“, mit einem Augenaufschlag setzte sie ihre Rede fort, „ wenn ich gewusst hätte, dass er Probleme hatte, oder Feinde hatte“, ihre Stimme versagte. Liebreich schaute wieder in seinen Notizblock, jetzt fehlen nur noch Tränen und die Show ist perfekt, dachte er, typisch Talkshow-Tussi. Als nächster stand der Chef-Physiotherapeut auf der Liste des Inspektors. Er ließ ihn von der Rezeption ausrufen. Da der Schnee auch ihn daran hinderte nach Hause zu fahren, musste er noch auf dem Klinikgelände sein.

Bruno Bruno Markwald war mit sich selbst sehr zu frieden. Er war überzeugt, dass sein durchtrainierter Körper die Damen anzog. Er ließ auch nichts anbrennen. Das Alter der Frauen war ihm egal, wenn sie einigermaßen gut aussahen und sich auf ein Abenteuer einlassen wollten. Er dachte zurück an die Zeit, als er noch sportlich aktiv war. Er war ausgesprochen gut und das Wort „Olympia“ fiel oft zusammen mit seinem Namen. Die Weiber in seinem Dorf

liefen ihm nach. Er war der King. Wenn er mit seinem kleinen Sportwagen durch die Straßen fuhr, die neidischen Blicke seiner Sportkameraden sah, glaubte er am Ziel zu sein. Doch ein blöder Ausrutscher hatte seine Zukunftsträume zerplatzen lassen. Plötzlich hatte er keine Freunde mehr. Alle wandten sich von ihm ab. Er fühlte sich um seine Zukunft betrogen. Seitdem waren Frauen für ihn nur Mittel zum Zweck. Hier in der Klinik war er bisher bei seinen Kollegen und Kolleginnen nur auf Ablehnung gestoßen, aber es störte ihn

nicht weiter. Am meisten hasste er diese Schmarotzer, die hier ohne eigene Kosten behandelt wurden. Für ihn waren sie der Abschaum der Menschheit. Im Moment gab es nur einen hier. Dessen Aufenthalt wurde von einer dieser Stiftungen für ehemalige Alkoholiker bezahlt. Er begriff nicht, warum sich überhaupt jemand um diese Leute kümmerte. Einmal Säufer, immer Säufer, das war ganz klar seine Meinung und von der würde er sich auch niemals abbringen lassen. Besonders ärgerte es ihn, dass diese Moderatorin sich mit diesem Kerl abgab. Er hatte den Eindruck, dass sie sich um dessen Bekanntschaft förmlich riss. Mal sehen, ob ich das nicht ändern

kann, dachte er. Was diese Lady brauchte war ein richtiger Mann, nicht so ein halbes Hemd. Heute Abend würde er sich um sie kümmern. Er hatte das Gefühl, dass ihre Ehe nicht gut lief und sie für kleine Abenteuer jederzeit bereit sein würde. Frustrierte Frauen sind meistens gut im Bett, dachte er und ging unter die Dusche, leise vor sich hin pfeifend. Betty wartete schon sehnsüchtig auf Bruno. Sie konnte sich nicht mehr genau erinnern, wann sie das letzte Mal Sex mit einem Mann hatte. Die one night stands

mit weiblichen Bekanntschaften aus einer Bar zählten nicht. Es waren eben keine Männer. Betty war nervös, ihre nie wieder Alkohol Parole hatte sie über Bord geworfen schon das zweite Glas Rotwein getrunken. Sie brauchte dringend ein bisschen mehr Mut. Zwar war der Genuss von Alkohol in der Klinik verboten, aber keiner kontrollierte die Zimmer und Bruno würde froh sein, wenn sie in gelöster Stimmung war, zu allem bereit ohne Wenn und Aber. Sie kicherte stumm vor sich hin, ging zum Spiegel, kontrollierte den Sitz ihrer Haare und ihres Negligees. Da sie nicht wusste, ob Bruno etwas zum Trinken mitbringen

würde, hatte sie vorsorglich Champagner besorgt. Auf ihrem Balkon konnte sie ihn kühl halten. Es klopfte an der Tür; sie öffnete. Es war Bruno. Beinahe hätte sie ihn ohne seinen Trainingsanzug nicht erkannt. Er hastete an ihr vorbei ins Zimmer. Er wollte nicht solange auf dem Flur stehen und eventuell erkannt werden. Betty bemerkte, dass er ein Eau de Cologne aufgelegt hatte, zwar etwas zu viel, aber besser als sein Schweißgeruch, der ihn sonst umgab. An der Couch blieb er stehen, bemerkte den Rotwein und drehte sich zu Betty um: „Schön, dass Du es Dir schon bequem gemacht hast. Du willst

also gleich zur Sache kommen. Das ist gut, dann kann ich mir jedes Vorgeplänkel ersparen. Ich liebe erfahrene Frauen, die wissen, was sie wollen und nicht herumzicken, wenn es zur Sache geht.“ Er zog seine Jacke und seine Hose aus und drängte sie zum Bett. Betty hätte es lieber etwas romantischer gehabt, so mit Vorspiel, ein Glas Champagner zum Einstimmen und zärtliche Küsse. Aber Bruno liebte die harte Tour. Auch gut dachte sie, dann komme ich auf alle Fälle auf meine Kosten. Sie ließ sich aufs Bett fallen und spürte Brunos starken Körper auf ihr. Er riss ihr das Negligee vom Leib und packte sie hart. Sie hatte das Gefühl,

dass er es eilig hatte und schnell zum Höhepunkt kommen wollte. Sie war etwas enttäuscht und wollte ihn noch hinhalten, aber er drang brutal in sie ein. Er bewegte sich schnell, dann ein Zucken und Stöhnen, das war’s. Bruno rollte von ihr runter, grinste und fragte nach einem Taschentuch. Erst da bemerkte Betty, dass er kein Kondom benutzt hatte. Sie stand auf und lief ins Bad. Sie wusch sich gründlich und hoffte, dass sie alles weggespült hatte. Bruno rief durch die Badezimmertür, dass er sich anzieht, ein Glas Rotwein trinken wird und dann gehen würde. Sie solle sich ruhig Zeit lassen unter der Dusche. Betty hielt den Duschkopf in der Hand und ein warmer

Strahl gab ihr das wohlige Gefühl, wozu wieder einmal ein Mann nicht in der Lage war. Wieder einmal musste sie zur Selbsthilfe greifen. Es klopfte an ihre Tür. Sie griff ihr Handtuch und verließ ihr Badezimmer. Sie hatte gedacht, dass Bruno schon gegangen war, aber er saß noch auf der Couch, halb angezogen mit dem Weinglas in der Hand. „ Wer kann das sein“, fragte er “ ich wollte noch eine zweite Runde einlegen.“ Er grinste dabei sehr schmierig, wie Betty fand. Sie ging zur Tür und fragte: “ Wer ist da?“ „ Ich bin es, Harald, mach schon auf“. Betty erbleichte. Sie hatte zwar kein schlechtes

Gewissen ihrem Ehemann gegenüber, aber er brauchte nicht alles zu wissen, um es gegen sie bei passender Gelegenheit ausspielen zu können. „Moment noch Harald „ rief sie und wandte sich zu Bruno um. „ Verschwinde über den Balkon, schnell, mein Mann steht vor der Tür“. Bruno reagierte blitzschnell, er schien solche Situationen gewohnt zu sein. Als Betty die Tür öffnete und ihren Mann herein ließ, waren er und sein Weinglas bereits im Dunkeln verschwunden.

Inspektor Liebreich „ Nein Mutter, heute Abend habe ich keine Zeit, zu Dir zu kommen. Ich muss noch einige Berichte schreiben. Außerdem habe ich heute Nacht Bereitschaftsdienst, und deshalb werde ich heute im Büro übernachten. Schließlich weiß man nie, was das Wetter noch so bringt.“ Seine Mutter verabschiedete sich kühl von ihm. Er wusste, dass sie seine Ausreden durchschaut hatte. Er mochte seine

Mutter, aber sie war so einverleibend und ständig mischte sie sich in sein Leben ein. Da blieb ihm nur die Flucht. Er bemerkte, dass er ganz allein in der Polizeistation war. Sörensen ging vor einer Stunde und musste wieder häusliche Streitigkeiten klären. Das passierte in letzter Zeit sehr oft. Liebreich hatte ihn weg geschickt und seinen Bereitschaftsdienst übernommen. Er genoss die Stille, nahm ein Buch aus seiner Schreibtischschublade, legte die Füße auf den Tisch und begann genüsslich in seinem Krimi weiter zu lesen. Er freute sich auf einen ruhigen Nachmittag. Aber er hatte noch nicht einmal einen Satz gelesen, als das

Telefon auf seinem Schreibtisch läutete. „Polizeistation Boltenhagen, was kann ich für Sie tun?“ Dieser Anruf, damit fing alles an. Er könnte eine Wende in sein bisher langweiliges Leben bringen, positiv oder negativ. Der Inspektor schaute in seine Notizen. Er bemühte sich alles zu vermerken, da er praktisch keine Erfahrung hatte. Auf der Universität war alles ganz einfach. Man lernte Zeugen zu befragen, Tatorte zu untersuchen, Motive zu finden, Alibis zu überprüfen und Beweise einzuordnen. Aber nun in der Realität war alles anders. Von den Zeugen hatte er bisher keine hilfreichen

Auskünfte bekommen. Sie haben weder etwas gehört, gesehen, noch bemerkt. Gut, er hatte noch nicht alle befragt, aber er sah auch kein Motiv. Das Mordopfer war ein Einzelgänger, der wenig Kontakt mit den Anderen hatte. Lediglich die Journalistin hatte wohl einige Gespräche mit ihm. Sie wollte ihn ins Fernsehen bringen. War vielleicht ihr letzter Strohhalm an den sie sich klammerte, damit ihre Show weiter ging. Er wies seinen Mitarbeiter an, sämtliche Personalien der Leute aufzunehmen, mit denen er noch nicht gesprochen hatte und schon mal eine kurze Befragung durchzuführen. Er wollte erst ins Büro

und dann nach Hause fahren um per Internet vielleicht in den Socialnetworks etwas über die Hauptzeugen zu erfahren. Mal sehen, ob es was über Susanna Borchard und das Mordopfer zu lesen gab. Er wollte einfach etwas Vorsprung haben bevor das Kommissariat Wismar sich für den Fall interessierte. Es sollte sein Sprungbrett für die SOKO Wismar sein, denn er wollte nicht ewig hier auf der Polizeistation in Boltenhagen versauern. Das war mehr etwas für seine älteren Kollegen bei der Polizei. Vielleicht sollte er doch die Hilfe der älteren Dame annehmen, überlegte er. Sie nannte sich selbst Hobbydetektivin, war sehr sympathisch und sprühte vor

Neugier.

Kapitel III

Auf dem Flur waren Stimmen zu hören. Die Spurensicherung rückte an. Sie sollten das Zimmer von Bernd Herrmann untersuchen. Alles deutete darauf hin, dass dort eingebrochen wurde. Das Türschloss war beschädigt und im Zimmer herrschte eine Unordnung. Der Schreibtisch war aufgebrochen worden und der Inhalt der Schubläden lag auf dem Boden verstreut. Auch der Kleiderschrank ist offensichtlich durchwühlt worden. Um nicht im Wege zu stehen gingen der Inspektor und Susanna hinaus. Liebreich gab ihnen

noch einige Hinweise. Sein Mitarbeiter blieb neben Susanna stehen und wartete auf seinen Chef. Er warf ihr einen unsicheren Blick zu, da er nicht genau wusste, was er mit ihr anfangen sollte und in wie weit er sie in die Ermittlungen einweihen durfte. „Ich bin Polizeihauptmeister Friedrich Sörensen. Sind Sie offiziell hier?“ Er hob seine Augenbrauen und schaute Susanna missbilligend an. Sein ganzes Gesicht strahlte die Autorität aus, die er ihr zeigen wollte. Sie hatte das Gefühl, dass er mit seinen Worten größer und breiter wurde. Er baute sich förmlich wie ein Wall vor ihr auf. Er sah albern aus, wie er sich aufblähte. Eigentlich war er eher

klein und kompakt, also quadratisch. „ Nein“, sagte sie. „Ich bin nur auf Bitten des Inspektors hier, aber nun werde ich hier nicht mehr gebraucht. Bitte sagen Sie dem Inspektor, dass ich runter in die Cafeteria gehe.“ Susanna drehe sich hastig um bevor er ihr Grinsen sah und eilte davon. Nein, sie wollte ihn nicht auslachen. Nachdem die Polizei gegangen war, kehrte etwas Ruhe ein. Die Leute verließen in kleinen Gruppen die Lobby. Die Cafeteria und die anschließende Bibliothek waren überfüllt. Überall wurde getuschelt und Jene, die in dem Vortragssaal waren, als der Mord

passierte, gaben bereitwillig Auskünfte über Dinge die ihnen, obwohl es dunkel war, aufgefallen waren. Jeder hatte eine eigene Theorie über den Mordhergang und auch über das Opfer wurde geredet. Während Susanna durch die Cafeteria ging und ein bekanntes Gesicht suchte, konnte sie einiges aufschnappen. Spekulationen und Mutmaßungen hingen als Wortfetzen in der Luft. In der hintersten Ecke saß Sebastian an einem kleinen Tisch. Er bekämpfte erfolgreich ein riesiges Stück Kuchen, dass vor ihm stand. Als er Susanna sah winkte er. Sie ging zu ihm hin und setzte sich. „Immer wenn ich aufgeregt bin muss ich was

Süßes essen“, bemerkte er verlegen und schob sich ein großes Stück in den Mund. Man sah ihm seine Zufriedenheit an. “Was hältst Du von dem Ganzen hier“, wollte er wissen. „Das kann ich Dir noch nicht sagen. Ich bin erst dabei, mir eine Meinung zu bilden. Es kommt mir alles so unwirklich vor. Warum war ausgerechnet dieser Mann das Opfer? Er entspricht nicht gerade meiner Vorstellung eines Mannes, den man unbedingt töten muss, weil er gefährlich ist.“ „Vielleicht war er ein Erpresser“, erwiderte Sebastian. „Möglich, aber wen sollte er erpressen? Er hatte doch zu niemanden Kontakt hier, oder ist Dir etwas aufgefallen?“ Sebastian schlürfte

seine Kaffee und blickte sinnend ins Leere. Susanna wusste nicht, ob er sie verstanden hatte, aber das wusste man bei Sebastian nie. Plötzlich blickte er sie eindringlich an.“ Pass auf, mir fiel eben ein, dass er sich heute früh auf dem Parkplatz mit einem der jungen Therapeuten getroffen hat. Komisch, wenn ich jetzt daran denke meine ich, dass es nicht zufällig aussah, mehr wie verabredet. Sie standen neben einem schwarzen Audi aus Berlin. Der hat bestimmt nicht dem Therapeuten gehört, der Wagen war eine andere Gehaltsklasse.“ „Was glaubst Du warum sie sich getroffen hatten? Konntest Du etwas hören?“, fragte sie. „ Nein ich war

zu weit weg und als ich näher kam, entfernten sie sich. Ich hatte mir bis jetzt nichts dabei gedacht, warum sollten ein Patient und ein Therapeut sich nicht privat unterhalten? Vielleicht waren sie Auto Fans.“ Er wandte seine ganze Aufmerksamkeit wieder seinem Kuchen zu. Susanna hatte ihn durch ihre Fragerei abgehalten, weiter zu schlemmen. Sebastian ließ sich eben durch nichts aus der Ruhe bringen. Er setzte eindeutig Prioritäten. Sie ließ ihn allein zurück, denn am Eingang sah sie Betty in einer kleinen Gruppe stehen. Als Susanna hinter ihr stand, drehte sie sich erschrocken um. „Hallo Sue, Sie

können sich vielleicht anschleichen“, sagte sie mit einem verschmitzten Lächeln. „ Oh, entschuldigen Sie Betty, ich wollte sie nicht erschrecken. Vielleicht können wir uns dahinten unterhalten. Ich habe nämlich einige Fragen an Sie“, sagte Susanna eher beiläufig zu ihr und versuchte, nicht allzu interessiert auszusehen. Allerdings hatte sie das Gefühl, dass Betty sie erschreckt anschaute. „Liebe Sue, ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen könnte, ich kannte ihn doch kaum. Aber wenn ich Ihre Neugier befriedigen kann, mache ich es gerne.“ Mit diesen Worten nickte sie ihren bisherigen Gesprächspartnern zu, drehte sich um, und schritt auf einen

leeren Tisch in der Cafeteria zu. Susanna musste neidlos zugeben, dass ihr Gang durch ihre Größe und schlanke Figur etwas Majestätisches hatte. Sie war überzeugt, dass Betty das auch wusste und bei jeder passenden Gelegenheit ihr Äußeres gerne einsetzte. Sie setzten sich und Susanna kam gleich zur Sache. „ Entschuldigung Betty, können Sie mir sagen, was genau der Inspektor Sie gefragt hat?“ „ Ja, er wollte wissen, wo ich zum Tatzeitpunkt war. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, warum er das wissen wollte, denn ich hatte schließlich mit dem Mann nichts zu tun, aber ich beantwortete seine Frage.“ „ Und Betty, wo waren

Sie?“ Sie sah Susanna wieder verdutzt an, antwortete aber sofort: „Ich war auf meinem Zimmer und habe gelesen, da ich auf einen wichtigen Telefonanruf warten musste. Nach dem Gespräch ging ich in die Lobby, aber da war der Mord bereits passiert. Haben Sie sonst noch Fragen?“ Dabei zog sie ihre Augenbrauen hoch und schaute Susanna spöttisch an. „ Ach Betty, wissen Sie, ich konnte einfach nicht anders. Meine angeborene Neugier ist schuld. Ich würde den Fall gerne noch vor der Polizei lösen. Sie wissen doch: „Hobby-Ms.-Marple“. Das wäre meine Chance, da der Inspektor noch recht unerfahren zu seien scheint.“ Betty lachte, „ da könnten Sie Recht haben. Er

wirkte auf mich sehr schüchtern, beinahe etwas hilflos.“ Susanna nickte. „ Betty, eine Frage habe ich noch. Was war das für eine Geschichte, die der Tote Ihnen erzählen wollte? Worum ging es dabei? Ich habe das Gefühl, dass sie mit seinem Tod zu tun hat.“ Betty schaute sie überrascht an, „glauben Sie das wirklich? Ich weiß nicht, ob sie wirklich so spektakulär war. Er machte nur Andeutungen über einen Unfall mit Fahrerflucht. Das Unfallopfer verstarb. Es war sein Freund, ebenso ein Obdachloser wie er. Ich hatte das Gefühl, dass er sich mitverantwortlich fühlte, da sein Freund seinetwegen die Straße überquerte. Er konnte den Fahrer des

Wagens nicht erkennen. Er kannte auch keine Automarken. Er sah nur ein großes schwarzes Auto mit einem Aufkleber. Dieser kam ihm bekannt vor, aber er wusste nicht woher. Seit dem hatte er nachgeforscht über die Vergangenheit seines Freundes und diesen Aufkleber. Wie weit er in seinen Nachforschungen gekommen war, wollte er mir heute erzählen. Er sagte, er hätte alles niedergeschrieben und wollte mir seine Aufzeichnungen dann später überlassen. Leider habe ich ihn nicht mehr treffen können.“, sagte sie. Susanna wusste nicht, ob der Ausdruck in ihren Augen Trauer oder Enttäuschung war. „ Danke Betty, ich will vor dem Abendessen noch

etwas am Strand spazieren gehen.“ Sie ging hinauf in ihr Zimmer, zog sich um und ging zum hinteren Ausgang des Klinikgeländes. Der Weg dorthin führte sie an dem Fenster vorbei, durch das der Mörder entflohen sein musste. Susanna schaute sich die Umgebung genau an. Der Mörder konnte nur auf dem gleichen Wege schnell das Gelände verlassen haben, denn zum Hauptausgang war es weiter und belebter. Die Ausgangstür, eine Gartentür, war, wie immer, unverschlossen. Vor der Tür stand auch, wie immer, eine Gruppe Raucher. Sie ging auf die Leute zu. „ Schlimme Sache was da passiert ist“, sagte Susanna. „Kannte einer von Ihnen den Toten? Er

war doch auch Raucher, ich habe ihn hier schon oft gesehen.“ „ Kann sein“, erwiderte einer aus der Gruppe, „ich erinnere mich, dass er öfter hier draußen war, aber wie er hieß, oder wo er herkam, keine Ahnung.“ Die Anderen nickten zustimmend. Dann traten sie ihre Zigaretten aus und gingen zurück zur Klinik. Sie tuschelten miteinander, bestimmt war Bernd Hermann öfter mit ihnen hier draußen gewesen. Susanna ging weiter zum Strand. Es war bereits dunkel. Sie konnte einige Lichter in der Mittelpromenade von Boltenhagen sehen. Da jetzt keine Saison war, tobte dort nicht gerade das Leben. Die meisten Läden waren geschlossen. Die Besitzer

öffneten erst mittags und schlossen wenn es dunkel wurde. Eigentlich ein ruhiges Leben, dachte sie. Ihr war kalt trotz der dicken Jacke. Ihre Gedanken kreisten um den Einbruch. Sie war sich sicher, dass der Mord und er zusammenhingen, aber ob die beiden Taten von ein und derselben Person ausgeführt worden waren, sie zweifelte. Sie konnte nicht sagen warum, hatte aber so ein Gefühl, das sie nicht beschreiben konnte. Sie ging wieder zurück; Zeit zum Essen. Als Susanna am Vortragssaal vorbeikam, sah sie, dass die Spurensicherung hier wieder zu werke war. Also waren sie mit dem Zimmer des Opfers fertig. Susanna war auf die Ergebnisse gespannt. Sie hoffte,

der Inspektor würde sie ihr verraten. Beim Abendessen war es ungewöhnlich still im Saal. Es wurde nur leise getuschelt und immer wieder gingen die Blicke zu dem Tisch mit dem nun leeren Stuhl. Soviel Aufmerksamkeit hatte das Opfer zu Lebzeiten nie gehabt. Alle Gespräche drehten sich um ihn und seinen Tod. Er war zu einer Berühmtheit geworden, zwar zu einer traurigen, aber berühmt. Susanna saß allein an ihrem Tisch. Sebastian, Marianne und Dieter waren

schon fertig, wie sie an den benutzen Tellern an ihren Plätzen sehen konnte. Das Essen wollte ihr nicht schmecken. Deshalb trank sie nur einen heißen Tee und ging in ihr Zimmer. Sie wollte nur noch schlafen. Das Klingeln des Telefons riss Susanna aus dem Tiefschlaf. Christian war am Apparat. Er war heute erst spät nach Hause gekommen. Als sie ihm von den Ereignissen berichtete, war er sehr beunruhigt. „Mein Gott, vielleicht treibt ein Psychopath dort sein Unwesen“, mutmaßte er. „ Ich komme am Wochenende. Bestell schon mal ein Hotelzimmer im Ort.“ Susanna versuchte ihn zu beruhigen und obwohl sie seine

Vermutung nicht teilte, versprach sie, besonders vorsichtig zu sein und nicht mehr im Dunkeln an den Strand zu gehen. „Guten Morgen Herr Inspektor. So früh schon hier?“ Er bemerkte Susanna und schritt auf sie zu. „ Schön, dass ich Sie treffe Frau Borchard. Ich habe da noch einige Fragen an Sie.“ Susanna sah ihm an, dass er einiges erfahren hatte, das er unbedingt loswerden wollte. Nun war sie gespannt. „Frau Borchard, können wir uns in die Bibliothek setzen?“ Er sprach sehr laut, so dass jeder in Susannas Nähe ihn hören konnte. Ihr war sofort klar, dass das Absicht war. Sie gingen in die

Bibliothek. „ Warum haben Sie mir nicht erzählt, was Ihr Tischgenosse Ihnen anvertraut hatte?“ zischte er ihr zu. „Ich fand die Geschichte mit dem Audi und dem Therapeuten hoch interessant. Frau Borchard, Sie hätten doch wissen müssen, dass alles wichtig ist, jede Kleinigkeit. Vielleicht ist das eine Spur, die einige Rätsel löst. Ich bin gut im Rätsel lösen, oder trauen Sie mir das nicht zu?“ Susanna war peinlich berührt. „Keineswegs, ich wollte mich nur nicht in den Vordergrund drängen“, sagte sie. „ Ich wusste doch, dass Sie auch mit ihm reden. Ich wollte nur versuchen Ihnen schon den Namen des Therapeuten zu nennen, damit Sie ihn befragen können.“

Er verbarg ein Lächeln. Das nahm er ihr nicht ab. Susanna beschloss nicht weiter darauf einzugehen und fragte ihn: “Was haben Sie schon herausgefunden über das Opfer? Die Spurensicherung war gestern noch lange hier. Außerdem wollten Sie mir etwas zeigen.“ Er zuckte mit den Schultern und sagte: “Leider habe ich noch nichts nennenswertes über den Toten erfahren. Unser Arzt grenzt die Tatzeit zwischen zwei und drei Uhr nachmittags ein. Herrmann hat einen Einstich in der Halsschlagader. Der Tod muss schnell eingetreten sein, denn das Opfer konnte sich nicht wehren, oder bewegen. Genaueres konnte auch er nicht sagen, seine Möglichkeiten sind

begrenzt. Er tippt jedoch auf ein schnell wirkendes Betäubungsmittel, das in hoher Dosis tödlich ist. Von der Kriminaltechnik liegen noch keine Ergebnisse vor, und dass noch niemand aus Wismar hier ist, liegt am Schneesturm. Wir sind nämlich von der Außenwelt abgeschnitten. Darin liegt meine Chance, und hoffentlich bekomme ich einige Informationen, bevor das Kriminalkommissariat Wismar sein Ermittlerteam schicken kann.“ Sein Blick sagte viel. Er wollte unbedingt Erfolge aufweisen bevor sein Onkel mit seinen Kollegen ihm den Fall wegnahm. Aber die Kriminaltechniker mussten mit ihren Bordmitteln arbeiten, da auch sie nicht

wegkamen. „Oh ich kann Sie gut verstehen, immer wenn es Lorbeeren zu ernten gibt, drängen sich die Sonderkommissariate in den Vordergrund. Das sieht man auch immer im Fernsehen“, bemerkte Susanna. „Na vielleicht sollten wir uns zusammentun und versuchen, denen zuvor zu kommen“, sagte er verschwörerisch. Seine Wut war, wie Susanna bemerkte, zum Glück verraucht, denn er kniff die Lippen nicht mehr zusammen. Das kam ihr sehr gelegen. Susanna berichtete ihm von der Unterhaltung mit der Rauchergruppe. „Haben Sie schon Neuigkeiten von den Tischgenossen des Opfers? Ich sah Sie gestern noch mit ihnen reden“, fragte

Susanna. Er musterte sie eingehend. Spürte er, dass Susanna ihn auf die Probe bezüglich ihrer noch jungfräulichen Abmachung stellte? Sie beschloss, ihm von ihren Gesprächen mit Sebastian und Betty zu erzählen. Sie wollte auch nichts auslassen. „ Und was stand auf dem Zettel, den der Tote in der Hand hielt“, fragte sie am Ende ihrer Ausführung. Liebreich war verwirrt, ging aber auf Susannas Frage nicht ein. Zunächst bestätigte er Sebastians Aussage. Bei Betty war er erstaunt, sie hatte ihm anscheinend nicht alles erzählt, was sie Susanna berichtet hatte, und auch ihr Alibi wurde noch überprüft. „Es ist jetzt wichtig, den Therapeuten zu finden, mit

dem das Opfer auf dem Parkplatz gesprochen hat. Ich verspreche mir viel davon. Ich glaube nicht an Zufälle, Sie etwa? Ihr Tischgenosse muss uns jetzt den Therapeuten zeigen.“ Mit diesen Worten ging er zur Rezeption, um dort zu erfahren, wo sich Sebastian aufhielt. Er erhielt einen Ausdruck der Therapiepläne. Er kam wieder auf Susanna zu, schwenkte das Papier in der Luft und sagte:“ Das hier ist viel besser, ich habe eine Liste aller hier arbeitenden Therapeuten, Ärzte und Schwestern. Ich mache mich auf die Suche.“ Schnell ging er in Richtung der Therapieräume. Susanna sah ihm nach – nicht schlecht, dachte sie, doch er hat mir noch immer

nicht gesagt, was auf dem Zettel stand. Susanna ging ebenfalls zur Rezeption. „ Entschuldigung“, sagte sie, „der Inspektor benötigt noch den Therapieplan von Herrn Sebastian Fischer. Er hatte in der Eile vergessen, danach zu fragen.“ Sie hatte eine Idee, wie man die Suche abkürzen konnte. Wenn Sebastian den Therapeuten gekannt hätte, hätte er bestimmt erwähnt, welche Sitzungen er bei ihm hatte. Also beschloss sie, sich eine Liste zu besorgen, die die Namen der Therapeuten beinhaltete, bei denen Sebastian keine Therapiesitzung hatte. Außer Susanna waren noch ein paar Patienten an der

Rezeption. Einige wollten Briefmarken, andere Telefonrechnungen bezahlen. Die Angestellte war sichtlich gestresst. Sie sah Susanna nachdenklich an, aber dann musste ihr eingefallen sein, dass sie mit dem Inspektor zusammen gestanden hatte. „ Moment bitte, ich mache am besten einen kompletten Ausdruck der Therapiepläne, dann hat der Inspektor alles, was er benötigt.“ Susanna bedankte sich im Namen des Inspektors, als man ihr die Ausdrucke reichte. Die Angestellte war froh, sie los zu sein, man sah es ihr an. Susanna verließ die Lobby, suchte sich ein ruhiges Plätzchen in der Cafeteria und begann die Namen zu studieren. Auf der Liste gab es nur

vier Namen, bei denen Sebastian nicht in Behandlung war. Zwei Frauen und einen Mann, er war älter, die kannte Susanna und konnte sie ausschließen. Laut Plan hatte der nun Übriggebliebene einen Außeneinsatz. Susanna schlenderte zum Haupteingang und setzte sich dort auf die Bank. Eine Gruppe Walker näherte sich langsam, angeführt von Bruno. Dahinter kam eine andere Gruppe angelaufen. Sie überholte Brunos Gruppe und versammelte sich bereits zum gemeinsamen Puls messen, als die Walker eintrafen. Susanna sah es Bruno an, er war sauer. Er musste sich mit den älteren Patienten rumschlagen. Im Gegensatz zu seinem jungen Kollegen,

dessen Patienten kaum älter als vierzig waren. Als alle in die Lobby strebten, gesellte Susanna sich zu dem jungen Mann. „Herr Matthies, haben Sie einen Moment Zeit für mich?“ Er schaute kurz auf seinen Plan, den er in der Hand hielt und nickte. „Was kann ich für Sie tun? Sind Sie bei mir in Behandlung?“ Susanna schüttelte ihren Kopf „ lassen Sie uns in die Cafeteria gehen. Sie bestellte sich einen Kaffee. „Möchten Sie auch einen“, fragte sie ihn? Er schüttelte den Kopf. Sie suchten sich einen freien Tisch weiter hinten. „Nun, was gibt es? Spannen Sie mich nicht auf die Folter.“ Er hatte ein strahlendes Lächeln, veilchenblaue Augen und ein

jungenhaftes Gesicht. Er bemerkte, dass Susanna ihn eingehend betrachtete. Das war ihr peinlich. „Herr Matthies, ich habe eine kurze Frage an Sie.“ „ OK, aber bitte nennen Sie mich Tim“. „ Also Tim, bestimmt haben Sie von der schrecklichen Tat gehört.“ Er nickte. „Sie haben sich gestern früh mit dem Ermordeten auf dem Parkplatz unterhalten. Können Sie mir sagen warum und worüber?“ Jetzt machte er ein erstauntes Gesicht. „Mit dieser Frage habe ich nicht gerechnet. Warum wollen Sie das wissen? Haben Sie ein besonderes Interesse?“ Susanna setzte eine Unschuldsmiene auf: „Nun Tim“, sagte Sie freundlich, “wie Sie vielleicht

bemerkt haben, unterstütze ich den Inspektor in diesem Fall. Durch das schlechte Wetter kann er im Moment keine Unterstützung aus Wismar bekommen. Er kann aber jede Hilfe gebrauchen. Deshalb bitte ich Sie uns zu unterstützen, indem Sie mir die Auskünfte geben, die ich benötige.“ Sie strahlte Tim an und lächelte. Sie hoffte, dass er sich Ihrer Bitte nicht entziehen konnte und erzogen wurde, älteren Menschen zu helfen. Tim nickte ihr zu, überlegte kurz und begann zu erzählen: „Warten Sie mal, ja, es war vorgestern, als wir das erste Mal ins Gespräch kamen. Er schlenderte über den Parkplatz und sah sich alle Autos an. Mir fiel auf,

dass er besonders die schwarzen großen Wagen in Augenschein nahm. Ich ging zu ihm hin und fragte, ob er etwas suche. Er verneinte und sagte, dass er nur die Unterschiede der großen schwarzen Wagen erkennen wollte. Dann fragte er mich, ob hier noch weitere schwarze Autos wären. Ich erklärte ihm, dass jeder Patient, der mit seinem eigenen Fahrzeug hier war, einen Parkplatz mieten konnte. Man bekam eine Parkplatznummer zugeteilt, aber man konnte auch Wünsche äußern. Er war sehr interessiert und führte mich zu einem leeren Parkplatz. Er fragte mich, ob ich ihm den Namen des Patienten für diesen Parkplatz besorgen könne. Er bemerkte mein

Zögern. Daraufhin sagte er, dass er mit dem Besitzer reden wolle, da der ihn am Vortag nassgespritzt hätte, als er an der Bushaltestelle stand. Er konnte beobachten, dass der Wagen hier auf das Gelände fuhr. Am Abend, als er aus dem Dorf zurückgekommen war, hätte er sich auf die Suche nach dem Fahrzeug gemacht. Und es auf genau diesem Platz gesehen. Auf meine Frage, wie er es so genau hatte erkennen können, meinte er nur: es war der gleiche Aufkleber. Wir verabredeten uns für den nächsten Morgen, genau vor dem Platz. Das Fahrzeug war da, ein Audi A6, schwarz, mit einem Heckscheibenaufkleber. Er wollte von mir wissen, ob ich schon

wüsste, wem der Wagen gehöre, und ob ich den Aufkleber kannte. Beides musste ich verneinen. Zum einen hatte ich noch nicht gefragt, wem der Parkplatz gehörte, zum anderen war mir der Aufkleber nicht wirklich bekannt, obwohl ich ihn schon mal gesehen hatte. Jetzt muss ich aber wieder weiter, meine nächste Gruppe wartet.“ Er stand auf. Susanna sah ihn an. „Können Sie mir noch die Nummer des Parkplatzes nennen?“ „Klar, 238“, antwortete er, reichte Susanna die Hand und verließ die Cafeteria. Susanna stand ebenfalls auf und machte sich auf die Suche nach dem

Inspektor. Sie standen vor dem Parkplatz. Der schwarze Audi mit dem Aufkleber war da. Liebreich telefonierte mit dem Kraftverkehrsamt und gab das Kennzeichen des Fahrzeugs durch. Sie hatten beide den Aufkleber sofort erkannt. Es war das Logo eines Nachrichtenmagazins, das es nicht mehr gab. Während Susanna um das Fahrzeug herumlief und versuchte hinein zu

schauen, führte der Inspektor noch einige Telefongespräche. Susanna blickte zu ihm hin und bemerkte seine Erregung. Er musste wertvolle Infos bekommen haben, die das Puzzle Stück für Stück zusammensetzten. Sie hatte das Gefühl, das ein Rätsel gelöst war, aber wie viele warteten noch auf sie? Wie viele Teile hatte dieses Puzzle?

Kapitel IV

„Kommen Sie Frau Borchard, wir müssen sofort Betty Lindner finden.“ Mit diesen Worten lief er schnell zum Eingang der Klinik. Susanna konnte ihm kaum folgen. Während sie rannte, überschlugen sich ihre Gedanken im Kopf. – Betty -, Susanna konnte es nicht glauben, was hatte die Moderatorin damit zu tun? Sicher, dass es Bettys Wagen war, hatte sie geahnt, aber Bernd Hermann war eine zu wertvolle Ressource für ihre Show. Warum sollte sie ihn umbringen? Susanna hatte das Gefühl, dass viel mehr hinter der ganzen Sache steckte, als sie

vermuteten. Liebreich lief den Gang hinunter. „Sie ist im Schwimmbad“, rief er Susanna zu. Sie beeilte sich, hinterher zu kommen. Ihr ging langsam die Luft aus. Warum musste er eigentlich immer rennen, dachte sie. Aus dem Schwimmbad konnte Betty doch nicht entkommen. Es gab nur diesen Weg hinein und heraus. Doch sie wollte sich nichts entgehen lassen. – Eine Verhaftung im Schwimmbad, dachte sie. Wie wollte er Betty aus dem Wasser holen und wenn sie nicht heraus kommt, springt er dann hinein? Legt er ihr Handschellen an, damit wird das Schwimmen deutlich schwerer. Auf alle Fälle war es eine spannende Situation.

Susanna überlegt kurz, was ihre Lieblingsfernsehkommissare gemacht hätten. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass einer von ihnen ins Wasser gesprungen wäre um eine Verhaftung durchzuführen. Dafür hatten sie ihre Leute. Liebreich hatte im Moment nur mich. Oh Gott, hoffentlich verlangt er nicht von mir ins Wasser zu springen. Nein, das würde er nicht tun, beruhigte ich mich, oder doch? Alle Aufregung war jedoch umsonst. Betty war nicht im Schwimmbad. Sie hatte laut Plan zwar Wassergymnastik, war aber nicht erschienen. Auch die Trainerin hatte sie nicht

gesehen. Liebreich hastete wieder zurück zur Lobby. „Welche Zimmernummer hat Frau Lindner“ schrie er der verschreckten Empfangsmitarbeiterin zu. Sie schaute im Computer nach und rief ihm eine Nummer zu. Susanna konnte es nicht genau hören, nur die zwei am Anfang hatte sie genau verstanden. Das hieß, Bettys Zimmer war im zweiten Stock. Heute war also ihr Glückstag, es hätte auch der Vierte sein können. Keuchend erreichte sie das Stockwerk. Der Inspektor hämmerte links im Gang an eine Tür. Er hatte noch viel Luft; er war eben jünger. „Frau Lindner, öffnen sie

die Tür. Hier ist Inspektor Liebreich. Ich habe einige Fragen an Sie“, sagte er lautstark. Nichts passierte, kein Mucks war zu hören. Liebreich wollte sich schon umdrehen und gehen, als er einem Instinkt folgend die Türklinke herunterdrückte. Die Tür war unverschlossen. Er öffnete sie und betrat den Raum, dicht gefolgt von Susanna. Abrupt blieb er stehen, so dass Susanna in seinen Rücken stieß. Als der Inspektor sich niederkniete sah sie Betty. Sie lag auf dem Boden zwischen der Dusche und dem Zimmer. Um sie herum war alles voller Blut. Betty Lindner war tot. Susanna musste sich abwenden. Die zweite Leiche innerhalb kurzer Zeit, das

war etwas zu viel für sie. Sie rang nach Luft und verließ das Zimmer. Auf dem Flur waren schon einige Leute versammelt, von dem Lärm angelockt, den sie mit der Rennerei und Ruferei gemacht hatten. Der Inspektor rief in seiner Dienststelle an und verlangte nach der Spurensicherung und dem Arzt. Susanna saß in der Cafeteria und rührte in ihrem Kaffee. Ihre Gedanken kreisten um die tote Betty. Die Spurensicherung war noch in ihrem Zimmer. Der Arzt schätzte die Todeszeit zwischen acht und

neun Uhr. Das machte Sinn, denn zum Frühstück von sieben bis acht war sie im Speissaal und hatte sich mit Bruno unterhalten. Die Blicke, die sich beide zuwarfen, waren eindeutig. Um viertel nach neun Uhr hatten sie sie gefunden. Der Täter hatte demnach nur wenig Zeit gehabt, aber wie viel Zeit braucht man, um jemanden umzubringen. Für Susanna stand es fest, dass es Mord war und sie zweifelte nicht daran, dass es sich um ein und denselben Täter handelte, obwohl die Todesarten verschieden waren. Zwischen beiden Toten musste es ihrer Meinung nach eine Verbindung geben. Aber Liebreich war nicht überzeugt. Er glaubte an Selbstmord.

Seiner Meinung nach fühlte Betty sich in die Enge getrieben und sie sah keinen anderen Ausweg. Deshalb kam ihr Tod einem Schuldgeständnis gleich. Es konnte nicht anders sein. Auf die Frage nach dem Motiv, konnte er Susanna keine Antwort geben. Das bekäme er noch heraus. Bernd Herrmann hatte sie vielleicht erpresst. Die Geschichte, dass er Geld von ihr bekommen würde, weil er ihr eine Story anbot, konnte eine Ausrede gewesen sein. Allerdings hatte auch er Bauchschmerzen, wenn er an das fehlende Motiv und die Verbindung zwischen den beiden Opfern dachte. Er musste mehr Informationen über sie bekommen, wer hatte sie als letzter

lebend gesehen und wo war sie nach dem Frühstück? Frau Borchard hatte erwähnt, dass Betty Lindner mit Bruno am Morgen im Speisesaal eine sehr vertraute Unterhaltung hatte. Er musste einige Fragen lösen, bevor die Truppe aus Wismar anrückte. Er durfte diese einmalige Chance nicht vermasseln. Was würde sein Onkel jetzt tun? In seinem Büro recherchierte er in den Polizeiakten. Über Bernd Herrmann wurde er fündig. Er war Augenzeuge bei einem tödlichen Autounfall mit Fahrerflucht in Berlin. Das Auto und der Fahrer wurden nie gefunden. Das Unfallopfer war, ebenso wie er, ein

Obdachloser, Alter 67, Identität unbekannt. Er hatte keine Papiere bei sich und niemand vermisste ihn. Nur Bernd Herrmann wollte es nicht verstehen, dass die Polizei keine Hinweise fand und die Ermittlungen einstellte. Fast jeden Monat brachte er neue Hinweise. Er ließ nicht locker und zog los, um auf eigene Faust etwas heraus zu finden. Seit dem Unfall war Herrmann „trocken“ und arbeitete als Streetworker. Das Geld dafür bekam er von der Stiftung „Leben ohne Alkohol“. Die hatten auch den Aufenthalt in der Reha für ihn bezahlt. Liebreich telefonierte mit Berlin und forderte die Akten des Unfalls an. Vielleicht ist das

eine Spur oder bringt mich weiter, dachte er. Dann forschte er im Internet nach dieser Stiftung. Er wollte wissen, wer der Gründer und die Geldgeber waren. Alles konnte wichtig sein. Er hatte alle Fakten, die er bisher gesammelt hatte, auf Zettel geschrieben und für die bessere Übersicht an eine Pinnwand gehängt. Er starrte wie gebannt auf seine Notizen „ wo war die Verbindung, wo?“ Er sprach laut mit sich selbst. Plötzlich schlug er sich mit der Hand vor die Stirn. Er hatte die Verbindung – Betty Lindners Auto, der schwarze Audi, für den sich Bernd Hermann stark interessiert hatte. Dann erinnerte er sich an den Aufkleber. Das

Nachrichtenmagazin, wie hieß es doch gleich, überlegte er. Er lief zu seinem Auto und fuhr zurück in die Klinik. Er musste jetzt dringend mit Susanna Borchard sprechen. Zusammen würden sie das letzte Rätsel lösen. Er war überzeugt, auf der richtigen Spur zu sein. Er brauchte nur noch ein paar kleine Details und dafür musste er zurück in die Klinik. Von seinem Auto aus versuchte er Susanna telefonisch zu erreichen. Sie sollte den Therapeuten suchen, bevor er nach Hause ging. Er wollte mit ihm sprechen. Er erreichte sie nicht, dafür klingelte sein Handy. Es war Polizeihauptmann Friedrich Sörensen. Er

war aufgeregt. „Inspektor, die Spurensicherung hat einen vorläufigen Bericht hiergelassen. Darin steht, dass man einen Einstich am Hals gefunden hatte. Es wurde ein Narkotika namens Ketamin gespritzt, in einer Menge, die ein Pferd umhauen würde. Da wollte man wohl sicher gehen, dass er wirklich stirbt.“ „ Ist gut Sörensen, danke für die Info. Ich bin in zwei Stunden wieder im Büro. Vielleicht haben wir dann schon Ergebnisse.“ „ Ich drücke die Daumen, erwiderte Sörensen. „Wir wären dann schneller als – Wismar –„. Das wäre zu schön, seufzte Hans Liebreich. Ihm würde ein Herzenswunsch in Erfüllung gehen, allerdings war es nichts Neues für

ihn. Es bestätigte nur die Angaben des Chefarztes der Klinik. Als er vor dem Klinikeingang hielt, kam gerade Susanna mit dem jungen Therapeuten heraus. Er war überrascht und verwundert. „Hallo Frau Borchard, gut dass Sie hier sind. Ich hatte versucht Sie zu erreichen. Aber sagen Sie mal, können Sie Gedanken lesen? Ich wollte Sie nämlich bitten, Herrn Matthies zu suchen, weil ich noch ein paar Fragen an ihn habe. Kommen Sie, Herr Matthies, gehen wir in die Cafeteria und Sie Frau Borchard kommen besser gleich mit. Ich habe noch ein paar interessante Informationen bekommen, die ich Ihnen

mitteilen möchte.“ Mit langen Schritten ging er an beiden vorbei Richtung Cafeteria. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als ihm eiligst zu folgen. Tim Matthies wollte wissen, was der Inspektor von ihm wollte und Susanna aus Neugier. Liebreich saß schon, als sie ihn erreichten. Sie setzen sich zu ihm. „Herr Matthies“, der Inspektor schaute ihn eindringlich an, „haben Sie irgendjemanden von der Unterhaltung mit dem Herrn Herrmann erzählt?“ Tim Matthies blickte zu Susanna. „ Außer Frau Borchard meine ich“. Der Therapeut nickte. „Na ja, der Besitzerin des Audis, ich dachte sie sollte es wissen. Ich wusste ja nicht, was der Mann wirklich

wollte.“ „ Und wie hat sie darauf reagiert?“ „ Sie wollte, dass ich ihr den Mann zeige. Ich glaube sie war erregt, wollte es sich aber nicht anmerken lassen.“ Susanna sah, wie sich Zufriedenheit auf dem jungen Gesicht des Inspektors ausbreitete. Es tat ihr richtig leid, ihm einen Dämpfer zu geben, aber es musste sein. „ Herr Inspektor, das bedeutet nichts. Betty wusste schon vorher von der Geschichte mit dem Auto, dem Aufkleber und dem Unfall.“ Hans Liebreich winkte ab. „ Herr Matthies, haben sie sonst noch jemanden davon erzählt?“ Hans Matthies druckste herum. „ Ja, noch zwei Leuten. Einmal dem Sebastian Fischer, ein

Autofan. Er hatte sich mit mir über einige Fahrzeuge hier auf dem Parkplatz unterhalten. Da ist mir das so rausgerutscht. Ich war erstaunt, dass dieser Mann sich für Autos begeisterte. Auf mich machte er eher den Eindruck eines Radfahrers aus Leidenschaft. Und dann noch Bruno. Er ist mein Chef und hatte gesehen wie ich mit dem Opfer sprach. Er wollte wissen, was der Penner, wie er sich ausdrückte, wollte.“ „ Wie heißt Ihr Chef mit vollem Namen?“ „ Bruno Markwald. Ich bekam Ärger mit ihm, weil ich mich während meines Dienstes auf dem Parkplatz herumtrieb, wie er es nannte. Dabei wollte ich nur zum Ostflügel und habe abgekürzt. Aber

mit Bruno ist nie gut Kirschen essen.“ „Danke Herr Matthies, Sie können jetzt nach Hause gehen.“ Liebreich wandte sich Susanna zu: „Na was halten Sie davon? Betty Lindner hat gewusst, dass Bernd Herrmann sich für ihr Auto interessierte. Sie hat befürchtet, er könnte mehr heraus bekommen. Wollen Sie meine Theorie hören, Frau Borchard?“ Er wartete keine Antwort ab. „ Bernd Herrmann war vor zwei Jahren Zeuge eines Unfalls, der seinem Freund das Leben kostete. Der Fahrer floh. Er konnte nur das Fahrzeug mit dem Aufkleber erkennen. Hier in der Rehaklinik sieht der Ermordete das vermeintliche Unfallauto. Er erkennt den

Aufkleber wieder und versucht mehr zu erfahren. Gleichzeitig erfuhr Betty Lindner, dass jemand sich für ihren Audi interessierte. Unter dem Vorwand einer Story nahm sie Kontakt mit Bernd Herrmann auf. Sie versprach ihm Geld, wenn er ihr erzählte was er bereits alles erfahren hatte. Da sie als Mitbegründerin auch zum Konsortium der Stiftung „Leben ohne Alkohol“ gehörte, war es eine Leichtigkeit, alles über Bernd Herrmann zu erfahren. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Betty Lindner damals den Obdachlosen überfahren hat und Fahrerflucht beging. Ihr wurde klar, dass bei Bekanntwerden der Geschichte, ihre Karriere vorbei war. Außerdem

fürchtete sie, ins Gefängnis zu müssen. Sie sah also keinen anderen Ausweg, als Bernd Herrmann zu töten, bevor er die Geschichte ausplaudern konnte. Sie besorgte sich aus einem Schwesternzimmer eine Spritze. Das Ketamin musste sie sich anderweitig besorgt haben, oder in der Klinik gab es einen Komplizen.“ Susannas Augen wurden immer größer. „ Ja, das war es, was ich ihnen noch erzählen wollte. Der Rest ist einfach. Die Erinnerung an damals verfolgten Betty Lindner. Die Vergangenheit hatte sie eingeholt. Es ließ ihr keine Ruhe, zumal sie glaubte, dass schon zu viele Bernd Herrmanns Geschichte kannten. Sie sah keine

Chance für sich davon zu kommen. Jeden Moment erwartete sie, überführt zu werden. Also die letzte Konsequenz, die Betty Lindner blieb, war – Selbstmord.“ Hans Liebreich hatte selbstzufrieden seine Theorie beendet. Es konnte nicht anders gewesen sein, er war überzeugt von seiner Version des Tathergangs und von der Identität des Täters. Susanna schaute ihn eine Weile an, dann schüttelte sie ihren Kopf. „Nein, nein, das passt alles nicht zusammen. Der Tote hatte mit niemand, außer mit Betty, über seine Geschichte gesprochen. Schließlich hatte sie ihm viel Geld versprochen, wenn sie den Exklusivbericht bekam. Dann habe ich sie auch nicht im

Vortragssaal gesehen. Ich kam als letzte und hatte einen ziemlich guten Überblick. Und wenn sie während des Vortrags durch die Tür gekommen wäre, hätte sie jeder bemerkt, auch wenn alle, so wie ich, die Augen geschlossen hatten. Durchs Fenster ist auch niemand gekommen, das hätte die Spurensicherung festgestellt. Also ich glaube auch nicht an den Selbstmord, aber daran, dass es nur einen Täter gibt“, Susanna hob bedauernd ihre Schultern, „und nun bin ich mit meiner Weisheit am Ende.“ Hans Liebreich sah sie lange an. „ Heißt das, wir müssen wieder von vorne anfangen“, fragte er resigniert? Susanna versuchte, ihn zu beruhigen.“

Ich denke, wir wissen schon eine ganze Menge, nur, wie die Teile zusammenpassen, haben wir noch nicht erkannt. Uns fehlen immer noch die Verbindungen.“ Liebreich stimmte ihr zu. „ Was schlagen sie vor, wie wir weiter vorgehen?“ „ Tragen Sie alle Informationen über die Opfer, ihre Freunde und Angehörigen zusammen, die Sie kriegen können. Die kompletten Berichte der Spurensicherung brauchen wir auch, ach ja und die Liste der Anrufe und Gespräche die Betty, seitdem sie hier war, geführt hat. Ich möchte nochmal in die Zimmer von Bernd Herrmann und Betty gehen. Ich komme dann in die Polizeistation.“ Der Inspektor nickte und

fuhr davon. Zum Glück sind die Straßen wieder frei, dachte er. In seinem Büro angekommen, gab ihm der diensthabende Polizist zwei Zettel. Den ersten gab er ihm wortlos. Auf diesem stand: die Mutti hat angerufen, sie bittet um Rückruf; den anderen Zettel gab er ihm mit den Worten. „ - Wismar – hat angerufen. Da Ihr Onkel in Berlin auf Dienstreise ist, hat Kriminalhauptkommissarin Ritter die Leitung. Sie bittet, dass Sie sie auf dem Laufenden halten. Das Kommissariat wäre mit Vorbereitungen für einen Staatsbesuch beschäftigt und könnte niemand entbehren. Sie versicherte, dass Sie vollstes Vertrauen zu Ihnen hätte und Sie sie jederzeit anrufen

könnten, wenn Sie ihren Rat oder Hilfe benötigen.“ Der Inspektor wusste was das eigentlich hieß: Ruft bloß nicht an, wir haben wichtigeres zu tun. Zeigt mal was ihr könnt. Schade, dachte er. Liebreich hatte gehofft, Katharina Heinrich zu treffen. Seit der letzten Begegnung musste er öfter an sie denken und hatte sich schon auf ein Wiedersehen mit der jungen Kriminalkommissarin gefreut. „Auch gut“, erwiderte er etwas zerknirscht, „dann klären wir die Morde eben alleine auf. Onkel Hinrich wird staunen, wenn er zurückkommt. Also Sörensen, an die Arbeit. Schon Ergebnisse von der KTU? Ich bin froh, dass man uns wenigstens die zur

Unterstützung geschickt hat“, sagte er. Sörensen gab Liebreich den Bericht der kriminal-technischen Untersuchung über Bernd Herrmann. „Dieser ist nun vollständig, Hermann wurde betäubt. Der Einstich ging direkt in die Halsschlagader. Ihm wurde Ketamin, in dieser Dosis sofort tödlich, gespritzt. Lähmt das Herz. Da wollte einer aber ganz sicher gehen. Ich dachte, damit betäubt man Nashörner?“ Er lachte. Der strenge Blick seines Chefs ließ in fortfahren. „Der Bericht von der Selbstmörderin liegt noch nicht vor. Da wissen sie nur, dass die Tatwaffe eine Rasierklinge gewesen ist. Wenn Sie mich fragen, eine typische

Selbstmörder-Waffe.“ Liebreich überhörte den letzten Satz Sörensens. " Und weiter, ist das alles.“ „Bisher schon, aber der komplette Bericht des Gerichtmediziners liegt noch nicht vor. Es deutet jedoch nichts auf einen Kampf hin, keine Spur eines Einbruchs oder Eindringlings. Damit scheidet Raubmord aus.“ Hier endete Sörensens mündliche Ausführung; für ihn war eh alles klar. Er legte die Berichte auf Liebreichs Schreibtisch und verließ den Raum. „Sind meine angeforderten Unterlagen aus Berlin über den Unfall angekommen, rief der Inspektor hinter ihm her. „ Ja vorhin, sie sind im Karton hinter Ihnen.“ Hans Liebreich griff hinter sich,

nahm die Akten und breitete sie vor sich auf dem Schreibtisch aus. Ne‘ Menge Material dachte er, aber fangen wir erst mit dem unangenehmen an. Er griff nach dem Telefon und wählte die Nummer seiner Mutter. Sie hielt ihm die erwartete Standpauke; er hatte die Theatervorstellung vergessen. Sein Einwand, dass er einen dringenden Fall zu bearbeiten hatte und der Hinweis auf das Schneechaos, zählten nicht. Er gab resigniert auf und versprach am nächsten Sonntag zum Essen zu kommen. Es ist immer dasselbe, dachte er, sie will einfach nicht akzeptieren, dass ich nicht mehr bei ihr wohne. Er wand sich nun den Akten auf seinem Schreibtisch zu

und hatte den Knatsch mit seiner Mutter bald total vergessen. Susanna stieg die zwei Treppen zu Bettys Zimmer hinauf. Vom Empfang hatte sie die Schlüssel bekommen, ebenso für Bernd Herrmanns Zimmer. Sie entfernte das Absperrband und ging hinein. Das Blut war immer noch zu sehen. Es war aus der Dusche geflossen und vom Teppich aufgesogen worden. Susanna ging zum Kleiderschrank. Bettys Sachen waren alle noch da. Die Kleider hingen alle sauber auf dem Bügel; die Fächer waren gefüllt mit Pullover,

T-Shirts, Unterwäsche und Accecoirs. Alles war ordentlich zusammengelegt. Hier sah es ganz anders aus, als im Raum selbst. Der Schreibtisch war mit Papieren überfüllt, dazwischen war Bettys Laptop. Susanna zog sich Handschuhe an und klappte ihn auf. Der Bildschirm war dunkel, aber es war nur der Ruhezustand. Susanna drückte die Leertaste und der Bildschirm erwachte. Das hatte sie gehofft. Sie suchte im Verlauf die letzten Dateien die Betty bearbeitet hatte. Es gab eine Datei Bernd Herrmann. Susanna öffnete sie und las. Es war die ganze Geschichte, die Bernd Herrmann in der Talkshow berichten wollte. Auch, dass er vermeintlich das Unfallfahrzeug mit dem

Aufkleber hier auf dem Parkplatz der Rehaklinik gefunden hatte. Er kenne nur noch nicht den Namen des Besitzers, aber das wäre nur eine Frage der Zeit, behauptete er. Susanna rief Inspektor Liebreich an. Sie erzählte, was sie gefunden hatte. Er war wütend, dass die Spurensicherung den Laptop nicht untersucht hatte; andererseits war es ein Glück, denn dadurch lief er noch. „Ich schicke jemanden rum. Wir werden den Laptop auswerten.“, sagte er, „ vielleicht gibt es noch weitere aufschlussreiche Dateien.“ Susanna wollte die Zeit bis zum Eintreffen des Kriminaltechnikers nutzen und sich weiter umsehen. Das Zimmer machte einen unordentlichen

Eindruck, das passte nicht zum Inneren des Kleiderschranks. Es kam ihr so unrealistisch vor. Betty war nicht der Typ, so ein Chaos im Zimmer anzurichten. Es sah eher aus, als ob dort etwas gesucht wurde. Es war jemand hier; sie war sich sicher. Was hier wohl gesucht wurde, fragte sie sich? Sie wurde in ihren Überlegungen unterbrochen, der Polizist trat ein. „Der Ehemann der Toten ist hier, er will in das Zimmer. Was meinen Sie, darf er?“ Warum fragt er mich, dachte Susanna? „ Rufen Sie den Inspektor an und fragen nach“, riet sie ihm, “ich spreche solange mit dem Herrn.“ Draußen auf dem Flur stand Bettys Gatte. Er wirkte nervös, seine

Hände hatte er in seinen Jackentaschen, seine Stimme war rau, als er sie ansprach. „Können Sie mir sagen, was mit meiner Frau passiert ist? Am Empfang wollte man mir nichts sagen und der Polizist hier vor der Tür hüllt sich in Schweigen.“ „ Hat man Sie angerufen“, fragte Susanna ohne auf seine Frage einzugehen? „ Nein, ich bin gerade angekommen und wollte Betty überraschen. Was ist los, wo ist meine Frau“? Susanna war erleichtert nicht antworten zu müssen, denn der Polizist erschien. Er hatte mit dem Inspektor telefoniert. „ Herr Lindner, mein Chef, Inspektor Liebreich, bittet Sie auf die Polizeistation zu kommen. Dort werden

Sie alles weitere erfahren. Ich bringe Sie hin.“ Susanna folgte den Beiden, sie wollte nichts verpassen. Besonders die Reaktion und die Aussage des Ehemanns interessierte sie brennend. Sie glaubte ihm nicht, dass er völlig ahnungslos erst heute angekommen war. Sie war sich sicher, dass Betty auf seinen Anruf gewartet hatte, als Bernd Herrmann ermordet wurde. Die Aussage von Bettys Ehemann brachte erst mal gar nichts. Er behauptete, nichts zu wissen und blieb dabei gerade erst

angekommen zu sein. Als er Betty anrief, wäre er noch im Studio gewesen. Es gab dort eine Besprechung, an der er als Bettys Manager teilnahm. Nachdem alle gegangen waren, rief er seine Frau aus ihrer Garderobe an. Die Enttäuschung war Beiden ins Gesicht geschrieben. Susanna schüttelte ihren Kopf und bemerkte: “Wir müssen irgendetwas übersehen haben. Es ergibt alles keinen Sinn. Vielleicht sind wir auf einer ganz falschen Spur. Fangen wir am besten noch einmal von vorne an und gehen alle Notizen noch einmal durch.“ Seufzend gab der Inspektor ihr Recht.

Das Zimmertelefon schreckte Susanna aus dem Schlaf. Sie sah auf ihre Uhr – 6:30. Wer wollte etwas so früh am Morgen von ihr? „ Ja bitte“, meldete sie sich. „ Guten Morgen Frau Borchard, hier ist Doktor Winter, Ihr betreuender Kurarzt. Entschuldigen Sie die frühe Störung. Bitte kommen Sie noch vor dem Frühstück bei mir vorbei, es ist wichtig.“ Bevor Susanna antworten konnte, hatte er aufgelegt. Sie beeilte sich, sich anzuziehen und hastete hinunter in den ersten Stock. Hoffentlich haben die

nichts Ernstliches bei meinen letzten Untersuchungen gefunden, dachte sie und war beunruhigt. Hans Liebreich saß die ganze Nacht über seinen Notizen. Was hatten er und Susanna bloß übersehen. Er ging in die Küche und brühte sich eine Kanne Kaffee. Er wollte unbedingt wach bleiben. Er hatte nur herausgefunden, dass die Polizei den Namen des Freundes von Bernd Herrmann ermitteln konnte, Hans-Georg Neuhammer. Bei dem Namen Neuhammer läutete eine Glocke in seinem Kopf. Wo hatte er den Namen gelesen? Es war erst kürzlich. Die

Küchenuhr zeigte Zehn nach Sieben. Er überlegte, ob Susanna schon wach wäre und griff nach dem Telefon. Gerade wollte er die Nummer der Klinik wählen, als er einen Anruf erhielt. Er kam aus der Klinik, es war aber nicht Susanna, sondern der stellvertretende Chefarzt Dr. Winter. Dieser bat ihn sofort in die Klinik zu kommen, er hätte beunruhigende Nachrichten. Als der Inspektor bei Dr. Winter eintraf sah er zu seinem Erstaunen Susanna. Sie saß dem Arzt gegenüber und war sehr blass. Er erschrak, hatte sie schlechte Nachrichten über ihren Gesundheitszustand bekommen, dachte

er? Aber dann verwarf er diesen Gedanken, denn warum sollte er dann kommen. „Bitte Herr Inspektor, nehmen Sie Platz“, Dr. Winter deutete auf einen Sessel neben Susanna. „ Ich muss mich nochmals entschuldigen für den frühen Anruf, aber ich konnte nicht warten.“ Er setzte seine Brille auf und schob nervös einen Aktenstoß von der linken auf die rechte Seite seines Schreibtischs. „Als stellvertretender Chefarzt bin ich unter anderem für die Verwaltung der Patientenakten zuständig. Wenn Todesfälle auftreten, muss ich die Unterlagen der Toten für die

Gerichtsmedizin bereit legen. Gestern Nachmittag stellte ich jedoch fest, dass die Unterlagen der kürzlich Verstorbenen fehlen. Ich wies meine Mitarbeiter an nochmals gründlich zu suchen, aber die Akten von Herrn Herrmann und Frau Lindner blieben verschwunden.“ Dr. Winter blickte den Inspektor und Susanna lange an. Beide ahnten, dass das noch nicht alles war. „Von gestern Abend an bis heute früh habe ich dann die gesamte Registratur nach den Akten der noch anwesenden Patienten geforscht. Ich wollte sehen, ob es nur Zufall war, dass ausgerechnet diese Akten fehlten, oder nicht.“ Er machte wieder eine Pause fuhr dann aber fort:“ Es sind alle Akten

bis auf Eine da“, er sah Susanna lange an und mit einem ernsten Unterton sagte er dann:“ Alle bis auf Ihre, Frau Borchard.“ „ Was soll das heißen?“ Susanna sah verdutzt zu den beiden Männern. „ Verstehe nicht, was das Fehlen meiner Akte mit Allem hier zu tun hat?“ Hilflos suchte Ihr Blick eine Antwort in den Gesichtern der Männer zu finden. Es herrschte eine Stille in dem Raum, dass man eine Stecknadel hätte zu Boden fallen hören. Als Erster ergriff der Inspektor das Wort: „Dr. Winter, Sie haben die Akten doch aus Unterlagen der überweisenden Kliniken zusammen gestellt und hier sind bestimmt die Berichte der Therapeuten noch

vorhanden. Können Sie mir daraus Kopien der fehlenden Akten erstellen? Ich weiß, das kostet Zeit, aber wir haben keine.“ Der Arzt nickte dem Inspektor zu. „Meine Mitarbeiter und ich werden sofort beginnen“, versprach er. Schweigend gingen Liebreich und Susanna in die Cafeteria. Es war noch leer dort, da die meisten Patienten beim Frühstück im Speisesaal waren, oder schon Anwendungen hatten. Sie hatten sich einen Kaffee geholt und gingen ins hinterste Eck. Susanna war dem Inspektor dankbar, dass er sie bis jetzt nicht angesprochen hatte. Sein Schweigen gab ihr Zeit, ihre Gedanken

zu ordnen. Warum war auch ihre Akte verschwunden? Das Verschwinden der Akten der Opfer ließ sich bestimmt erklären, aber ihre Akte? Was wollte der, oder die Täter mit ihren Unterlagen? „Susanna“, der Inspektor griff ihre Hand. „Wir werden das Rätsel lösen und ich passe auf sie auf. Haben Sie keine Angst, aber bitte gehen sie vorerst an keine dunklen, oder einsame Orte bis ihr Mann ankommt. Obwohl ich nicht glaube, dass sie in direkter Gefahr sind. Wir müssen nur vorsichtig sein, und sie sollten keine schlafenden Hunde wecken. Ich gehe jetzt zurück zur Polizeistation. Herr Lindner, soll heute Vormittag noch einmal vorbeikommen um einige Sachen

zu identifizieren. Das will ich nicht dem alten Sörensen überlassen. Nach der Mittagspause bin ich wieder da“. Liebreich stand auf und verließ die Cafeteria. Susanna sah ihm nachdenklich hinterher. Er hat Recht, dachte sie, ich muss einen normalen Tagesablauf hinbekommen, auch wenn es schwer fällt. Aber aufgeben werde ich nicht. Ich weiß, dass ich bezüglich Betty Recht hatte. Susanna war sich sicher, dass sie und Liebreich bald das Puzzle zusammensetzen konnten. Es war kein Selbstmord, aber wo war das Motiv für beide Morde. Die Anwesenheit eines Serienmörders erschien ihr unwahrscheinlich, aber ausschließen

wollte sie zu diesem Zeitpunkt nichts. Susanna verließ die Cafeteria, holte ihren Anwendungsplan aus ihrem Zimmer und markierte einige Namen, die sie ausfragen wollte. Ihr nächster Termin war „Nordic Walking“ mit Bruno. Mal sehen, was ich aus ihm heraus bekomme. Schließlich gab er Betty in den Abendstunden Therapien privater Natur, wie sie sich ihr gegenüber ausgedrückt hatte. Doch Susanna wartete vergebens auf Bruno, statt seiner erschien Tim Matthies. „ Herr Markwald hat sich den Fuß verletzt“, verkündete er der

wartenden Gruppe, „ ich vertrete ihn für heute. Morgen bekommen sie neue Pläne mit den geänderten Zeiten für die Anwendungen, die eigentlich Herr Markwald durchführt, da seine Verletzung länger anhalten wird“. Als sie los liefen, versuchte Susanna in die Nähe von Tim zu kommen. Sie wollte erfahren, wie sich Bruno verletzt hatte. „ Hallo Tim, ich hoffe, Brunos Verletzung ist nicht so schlimm? Wie konnte das passieren, er war doch immer so sportlich?“ „Ich weiß auch nichts Näheres Frau Borchard, nur was uns mitgeteilt wurde in Bezug auf den Unfall. Sein Knöchel soll angebrochen sein.“ „Autsch, da muss er aber sehr

ungeschickt gelaufen oder gesprungen sein.“ Susanna grinste ihn an und Tims Gesichtsausdruck sprach Bände. Bruno war eben äußerst beliebt bei seinen Kollegen. Als sie wieder zurück waren lief sie sofort auf ihr Zimmer und rief Hans Liebreich an. Sie unterrichtete ihn über die neuesten Ereignisse. Liebreich spürte sofort, dass Susanna eine Theorie zu Brunos Unfall hatte. „Also Susanna, was denken Sie, wie es zu dem Unfall kam?“ Die Antwort sprudelte nur so aus Susanna heraus. „ Bruno war am Abend vor Bettys Tod in ihrem Zimmer für eine Privatanwendung. Ich behaupte immer

noch, dass Bettys Mann schon früher da war. Vielleicht kam er an, als Bruno bei Betty war. Bruno blieb nichts anderes übrig als zu verschwinden. Bettys Zimmer ist in der ersten Etage mit Fenster zur Düne. Das war vielleicht Brunos Fluchtweg. Er kletterte hinaus, sprang und kam vielleicht auf einen Stein im Sand auf. Das erklärt zumindest die Verletzung.“ „ Herr Lindner ist noch hier, Susanna. Ich werde ihn noch einmal eingehend befragen. Sein Alibi ist wackelig, aber bisher kann ich ihm keine Lüge nachweisen. Wir sprechen uns heute Nachmittag wieder, ich habe noch andere Neuigkeiten.“ Liebreich legte auf und ging wieder ins

Besprechungszimmer, wo Bettys Mann auf ihn wartete.

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Über den Autor

timei
Ich liebe Krimis,besonders die von Agatha Christie. Ihre Romane haben mich inspiriert. Ich weiß, dass ich meiner Meisterin nicht das Wasser reichen kann, aber ich versuche ihr gerecht zu werden.

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babygora Tolle Story. Hat mich direkt gefesselt.
Vor langer Zeit - Antworten
Tintenklecks habe mal begonnen deinen Krimi zu lesen. Na hast ja einige Spuren gelegt. So ein großes Stück Text am PC zu lesen ist recht anstrengend, werde also eine Weile brauchen. Aber es ist interessant und ich werde dranbleiben. lg der Tintenklecks
Vor langer Zeit - Antworten
timei Lieber Tintenklecks, danke für die Coins.
Ich veröffentliche "tödliche Reha" auch Kapitelweise.
LG
Timei
Vor langer Zeit - Antworten
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