Mein Sommer mit den Fischadlern
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Ilmar heißt der Fischadler, der in Estland seinen Horst auf einem Truppenübungsplatz hat. Er ist gut zu erkennen, weil er einen Sender auf seinem Rücken trägt. Und sein Weibchen heißt Irma.
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Der Adlerhorst der beiden Greifvögel ist durch die Männer vom estnischen Adlerverein auf einer sehr hohen freistehenden Kiefer künstlich angebracht, weil ihr alter Horst auf einer schon morschen Kiefer ab zu stürzen drohte. Die beiden Greifer haben das neue Nest angenommen und am 9, 13 und 16 Mai 2013 war es so weit, das Weibchen Irma legte drei Eier und nun ging das Brüten los. Dank der neuen Medientechnik können nun viele Menschen auch außerhalb von Estland teilhaben am Familienleben der Fischadlerfamilie.
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Am 15 Juni war es dann so weit, es schlüpfte das erste Küken. Nur 2 Tage später, am 17. Juni folgte ein zweites und in der Nacht zum 21 Juni pickte sich dann auch noch ein drittes Küken aus dem zuletzt gelegten Ei.
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Wieder konnte ich beobachten, mit welcher Hingabe die Vogeleltern sich um ihren Nachwuchs kümmerten. Irma behütete den Nachwuchs und Ilmar sorgte für reichlich Nahrung.
Weil die Kleinen nicht zur gleichen Zeit geschlüpft waren, konnte man sie gut erkennen und auseinander halten, da sie sehr verschieden entwickelt waren.
Das zuerst geschlüpfte Küken, offenbar ein Adler Männchen, dass später den Namen Kaido erhielt, war von Anfang an das größte und kräftigste Junge im Nest. Kenno, das mittlere Adlerjunge, wahrscheinlich ein Weibchen stand ihm nicht all zu viel nach.
Das Nesthäkchen, dass den Namen Kaari erhielt, war von Anfang an recht klein. Aber, da es offenbar genug Fische in den umliegenden Gewässern und Bächen gab, schaffte Ilmar genügend Nahrung für seine Familie herbei. Und es war für mich erstaunlich, zu sehen, wie Irma es immer wieder schaffte, auch das kleine schwächste Küken mit genügend Nahrung zu versorgen und es während des Fütterns vor den Übergriffen der beiden älteren Geschwister beschützte.
So konnten die Männer vom Adlerverein denn am 22.07, als sie die jungen Adler beringten, feststellen, dass alle drei Küken wohl auf, gesund und in einem guten Zustand waren.
Wenige Tage nach dem Beringen tobte über der frei stehenden Kiefer mit dem Horst ein sehr starkes Gewitter. Ich konnte mit erleben, als der Regen wie aus Eimer schüttete, das Nest hin und her schwankte und einmal konnte ich sehen, wie direkt neben dem Nest ein Blitz in die Erde einschlug. Ein Wunder, dass es nicht den frei stehenden hohen Bau getroffen hat.
Irma, das Weibchen, hatte die ganze Zeit, während der Regen auf das Nest herunter prasselte, ihre Flügel ausgebreitet, stemmte sich gegen die Regenrichtung und versuchte so gut es ging ihre inzwischen ja schon zu stattlicher Größe heran gewachsenen Kinder vor dem Regen zu schützen.
Ein Bild, das wohl mehr bedeutet, als Instinkt gesteuerte Brutpflegetrieb! Das war pure mütterliche Fürsorge und Liebe.
Aber, leider forderte die Nässe dann doch ein Opfer: Kaari, das kleinste der Küken, schwächelte die nächsten Tage und Ende Juli lag es eines Morgen tot im Nest. Ich hatte es noch am Abend zwischen den beiden Geschwistern liegen sehen. Da muss es wohl schon tot gewesen sein.
Erst am anderen Morgen wurde ich von einer PC Bekannten, die ebenfalls das Nest regelmäßig beobachtete, auf den Tod des jüngsten Adlerkükens aufmerksam gemacht. Es ging uns beiden ganz schön nahe! Die Wochen vorher hatten wir immer wieder beobachten können, mit wie viel Fürsorge die Mutter gerade dieses Junge heran gefüttert hatte.
Entgegen meiner offenbar falschen Vorstellung wurde das tote Geschwisterchen NICHT als Futter verspeist von den übrigen Vögeln. Im Gegenteil, man hatte den Eindruck, dass ihnen bewusst war, dass mit dem Kleinen etwas nicht stimmte. Sie rührten es nicht an, schauten anfangs aber immer wieder nach dem Kleinen. Und sie legten sich ohne Scheu neben den Kadaver.
Die Männer vom Adlerverein entschieden dann, das tote Junge nicht aus dem Nest zu entfernen um die Adler nicht zu stören, weil die beiden größeren Küken immer noch auf die Fürsorge der Eltern angewiesen sind.
Es ist immer das Bestreben der Vogelschützer weltweit, so wenig wie möglich in die natürlichen Abläufe ein zu greifen. Und das ist wohl auch gut so. Obwohl es nach unseren menschlichen Maßstäben sehr unhygienisch ist, dass neben den vielen Fischresten, Kotresten nun auch noch ein Kadaver dort oben im Nest vor sich hin duftet und sicher viel Maden und Ungeziefer anlocken! Doch wie ich beobachten konnte, vertilgen Jungadler auch Maden! So dass sich diese in dem toten Jungen nicht vermehren können. Und den Geruch der dem Nest entströmt bekommt man am PC ja nicht mit.
Was das Nest angeht, muss ich sagen, sind die Störche wesentlich ordentlicher bei der Instandhaltung ihrer Wohnung. Obwohl auch die Adler die Kunst beherrschen, ihren Kot in weitem Bogen über den Nestrand zu befördern.
Das Nest, dass ja sehr frei und hoch auf dem Gipfel einer Kiefer angebracht ist, schwankt manchmal so stark, dass ich mich wunderte, das die Adler nicht seekrank wurden! Manchmal hatte ich richtig Sorge, die Jungen könnten über den Nestrand aus dem Nest geschleudert werden Aber, die sind das offenbar gewöhnt und machen selbst dann, wenn der Baum wie ein Schiff im Orkan schwankt, einen ganz ruhigen und entspannten Eindruck. Genau wie bei den beiden Jungstörchen konnte ich voller Erstaunen mit erleben, wie schnell Jungvögel bei der guten Pflege der Eltern heranwachsen! Man kann die Federn förmlich wachsen sehen!
Ende Juli Anfang August war es dann so weit, nachdem die beiden überlebenden Jungadler schon kräftig im Nest hin und hergehüpft waren, mit ausgebreiteten Schwingen, wagte es zuerst Kaido, der Stärkere der beiden, das Nest zu verlassen.
Der Abflug gelang recht gut. Nur bei der Landung klappte es nicht so ganz. Gleich beim ersten Mal landete er nicht im Nest, sondern auf einem Zweig neben der Kamera mit dem Mikrophon. Ich konnte ihn zwar nicht sehen, aber dank Mikrophon konnte ich den Geräuschen entnehmen, dass er dort oben einige Schwierigkeiten hatte, sich zu halten. Und seine jüngere Schwester schaute die ganze Zeit zu ihm rüber. Aber.. irgendwann hat er es denn doch geschafft wieder in das Nest zu gelangen.
Kenno war noch etwas zurückhaltender. Aber irgendwann wagte auch sie den ersten Flug. Von nun an wurden die Ausflüge immer länger. Nur zum Füttern kamen die Jungen noch zurück. Aber seit einigen Tagen werden die Beiden offenbar auch außerhalb des Nestes gefüttert von den Eltern. Sie sind ja schon lange in der Lage, den Fisch selber in den Krallen zu halten und mit ihren harten Schnäbeln zu zerreißen.
Nur das Fangen, das müssen sie noch lernen. Und ich denke, die Eltern und der Hunger werden ihnen helfen, in den Wäldern Estlands zu überleben.
Noch haben sich die Beiden nicht ganz aus ihrem Nest verabschiedet und eines der Jungen konnte ich noch heute Morgen früh dort antreffen.
Aber die Zeit ist wohl bald da, und auch dieses Nest wird für diesen Sommer leer bleiben. Nur der Kadaver der kleinen Kaari erinnert daran, dass hier eine Adlerbrut aufgezogen wurde.
„Auch Euch Beiden, Kaido und Kemo wünsche ich allezeit guten Wind, reiche Beute und macht es gut! Ich habe in diesem Sommer viel über eure stolze Greifvogelart erfahren und lernen können.“