Biografien & Erinnerungen
Was bleibt sind Gefühle - Kann ich auch das Vergessen vergessen?

Völlig Zerstreut oder schon Dement ?

Diese Frage stellen sich viele die sich mit dem Thema schon etwas intensiver auseinander gesetzt haben. So viele Symptome werden gefunden die eine Selbstdiagnose bestätigen :) Schon das ständige Verlegen der Schlüssel, das nichteinfallen eines Wortes....Man macht sich verrückt, sucht nach Gründen und Erklärungen und findet keine. Darauf folgt die Selbstberuhigung das man doch nur überarbeitet oder gestresst ist. Dann ist es ja gut......

Und wenns doch nicht vom Stress kommt???   ;)

Demenz kann viele Gründe haben.... ein Unfall, ein Trauma, Drogenmissbrauch oder eben doch die Sache mit dem Eiweis.....

Selten ist es vorübergehend.  Die unangenehmsten Fragen die ich mir selber stelle sind, wie lange ich wohl mitbekomm das ich Dement werde ?!  Und- werd ich in guten oder unangenehmen Erinnerungen leben?!

Reisen Sie mit mir durch die Zeit, durch Erinnerungen, Erlebnisse.... Teilen Sie Gefühle und Gedanken mit mir...

Kann ich das Vergessen vergessen???

Gefühle

Jeder hat sie. Mehr oder weniger. Ja- auch ich habe Gefühle. Manchmal sind es eher Ausbrüche - spontan. Mal heftig mal nur leise in mir drin. An manchen Tagen denke ich das ich nur aus Gefühl bestehe. So wie eine wohlig weiche Masse- ohne Halt und Form, trotzdem angenehm. Lasse mich leiten, schwimm mit den Schwingungen mit. An diesen Tagen berührt mich einfach alles. Es kann eine Blume am Strassenrand sein die ihren Weg durch den harten Asphalt sucht, eine Ameise die einen Krümel in ihr Bau bringt der doppelt so groß ist wie sie selbst, eine Schnecke die Mühsam fortschreitet und trotzdem ihr Ziel nicht aus den Augen verliert. Wundervolle faszinierende Welt. Diese Eindrücke gebe ich weiter. Teile mich mit- alle Stimmungsschwankungen inbegriffen. Lebe vor was es für mich bedeutet. Lache und weine, herzel den Dementen und strahle mit ihm um die Wette. Ich erreiche ihn mit meiner Mimik, mit klaren Worten und Gesten. Das ist Leben pur! In den Augen der Menschen spiegelt sich wieder was ich beschreibe, sie (er)leben mit. In ihren Gesichtern kann ich lesen wie in einem Buch. Lasse mich auf sie ein wie sie sich auf mich einlassen. In der Gefühlswelt ist es gerade in Ordnung-alles harmonisch . Es muss nicht ausgeglichen sein, es darf leben, beben und schwanken. Hoch und tief darfs gehen, alles erlaubt und doch kontrolliert. Den Menschen einige Minuten glücklich machen, ihn ablenken von bösen Gedanken, seine Einsamkeit nehmen. In diesem Moment sind wir Freunde, niemand ist allein-Geborgenheit macht sich breit. Dankbarkeit erfüllt den Raum. Von allen Seiten- auch ich sage Danke. Für den Moment den ich teilen durfte mit Menschen denen Gefühle alles sind. Denen nur noch dieses bleibt. Zu sehen wie sie aufatmen, zu spüren welche Last für einen kurzen Moment von den Schultern fällt. Erinnerungen zu wecken die tief geschlummert haben, hinter dunklen Gefühlswänden versteckt . Zu schwach allein ins Licht zu finden und doch strahlend hell und voller Kraft wenn sie denn hervorkommen. Diese Menschen geben mehr zurück als sie erwarten oder bekommen. Sie sind in ihrer Art echt. Direkt, liebevoll, verletzend...aber immer ehrlich. Es ist wahr was sie erleben, es ist ihre echte Welt. Nicht immer nachvollziehbar, manchmal zum Schmunzeln...aber ihre Realität. Nie stelle es in Frage, hör genau zu, wenn du dich leiten lässt , ohne Vorurteil und Zweifel, verstehst du. Es muss nicht immer perfekt sein, nicht immer eine Lösung geben. Ehrlich muss es sein - ohne Versprechen, zwanglos und klar. Annehmen ist wichtig. Ein Dementer spürt wie er wahrgenommen wird. Seine Gefühle sind stark. Im senden und empfangen.

Oft erkennt man nicht gleich das der Mensch der vor einem steht Dement ist. Er wirkt klar und im ersten Moment orientiert. Spricht mit dir, antwortet spontan. Lacht und lenkt das Gespräch. Hinterfragen selbst ihr Handeln, bemerken irgendwann das etwas anders ist. Fragen ob die Vergesslichkeit noch normal ist.

In diesen Momenten bin ich oft sehr traurig. Ertappe mich selbst wie ich in einem Grübelkreis festhäng. Denke darüber nach das dieser Mensch bald nicht mehr darüber nachdenken wird ob seine Vergesslichkeit ein gesundes Ausmaß hat. Er wird sich verändern. Seine Persönlichkeit wird eine andere. Wie weit wird er in die Vergangenheit rutschen. Wo bleibt er stehen. Werden die dann erlebten Erinnerungen schöne sein oder wird er jeden Tag aufs Neue schlimmes durchleben? Werde ich ihn erreichen und seine Seele streicheln können? Kann ich ihm Angst nehmen und Sicherheit spüren lassen? Wird er mich überhaupt wahrnehmen können? Wen wird er in mir sehen?

So viele Fragen überschlagen sich. Gefühlsausbruch der besonderen Art. Aufwühlend und doch beruhigend.  Weiss ja wie er vorher war, kenne seine Biografie. Pack dort an wo die schönen Erlebnisse waren.  

Werde ihn begleiten, eine Stütze sein- egal ob ich abgewiesen werde oder nach meine Nähe gesucht wird.  Ich bin da !

Ich habe Kraft für uns beide im Zwiegespräch, halte dich und fange dich auf. Stupse dich an und zeige dir deinen Weg. Motiviere dich wo es sinn macht und lenke dich ab wo es schlecht für dich ist. Ich werde nicht jeden Schmerz und jede Trauer abwenden. Denn diese Gefühle sind ebenso wichtig wie das Lachen. Gemeinsam werden wir trauern und weinen, ich nehme dich an wie du bist. Zeige dir das ich dich ernst nehme und anteil nehme an deine Gefühle. Einen Weg werden wir finden. Nicht immer gleich raus aus dem Gefühl- aber erträglich.

Das ist mein täglich Ziel. Das Gefühl zu geben angenommen zu sein. Gemeinschaft spüren, nicht verlassen sein. Trost spenden. Ein Lächeln auf den Lippen zu zaubern ist die größte Belohnung welche man bekommen kann. Zu sehen wie der Mensch ruhiger wird durch deine Präsenz, ihn ausgelassen heiter zu erleben, sich mitzufreuen über schöne Gedanken, Dankbarkeit zu empfinden und empfangen. Nur schon durch ein Streicheln über die Wange, oder durch ein Augenzwinkern Glücksgefühle erleben zu lassen.

Das sind Moment die niemand nehmen kann. Das ist Gefühl !!

Halte deine Hand

Du hast um Hilfe gerufen. Laut , ohne wirkliche Kraft. Du atmest schnell und kurz. Dein Blick sucht mich.

Flehend schaust du mich an.  Deine Worte unverständlich. Wir brauchen sie nicht. Ich verstehe dich auch so.

Leise spreche ich zu dir, ruhig und bestimmt. Halte deine Hand und suche deinen Blick.

Wir spiegeln uns in des Anderen Augen -so nah sind wir uns. Ich streichel dir über den Kopf, über die Wange und drücke sanft deine Hand. Rede dir beruhigend zu.

Dabei schweift mein Blick über deinen Körper- wie zerbrechlich du heute wirkst...

Deine Arme sind so dünn geworden. Dein Gesicht so schmal. Heute schaust du besorgt und zu tiefst verängstigt.

Im Bruchteil einer Sekunde zieht an mir vorbei wie ich dich kennen und schätzen gelernt habe. Deine lockere Redensart, deine lustigen Sprüche. Die Art wie du mir zu verstehen gegeben hast wenn du etwas nicht wolltest. Unbewusst schweift mein Blick kurz zum Fenster.

Ich sehe den Wald in der Ferne. Du hast immer gesagt wie sehr du ihn liebst. Dort fühlst du dich frei.

Obwohl der Moment ernst ist lächeln wir uns an.

Du spürst meine Kraft. Meine Ruhe überträgt sich auf dich. Wir machen gemeinsam Atemübungen damit du besser Luft bekommst.

Langsam spüre ich wie deine Hand meine drückt. Ganz leicht und doch so viel wert.

Du fragst mich ob du sterben musst.  Der Gedanke liegt nah, dein Alter ist schon hoch. Doch trifft mich diese Frage wie ein Blitzschlag.

Lange schau ich dich an. Du bist sehr grau im Gesicht. Deine Augen liegen tief und dunkel, sind trübe.

Du bist warm und trotzdem friert es dich.

Ich weiss nicht ob du sterben musst. Sicher irgendwann einmal- aber ich wünsche mir das es nicht heute ist. Du lächelst und wünscht dir auch das es noch dauern mag.

Wir drücken uns die Hand - verstehend - und beschliessen weiter Atemübungen zu machen. Es tut dir gut und lenkt dich ab wenn du dich meinem Atemrhythmus anpasst. Du wirst ruhiger mit der Zeit.

Stellenweise wird es hektisch um dich herum. Pfleger schauen nach dir. Das strengt dich an- du atmest flacher.

Aber wir finden zueinander und du konzentrierst dich nur auf mich.

Lässt meine Hand nicht mehr los. Bist dankbar für den Zuspruch-das du nicht alleine bist.

Ich hab dir versprochen dich nicht allein zu lassen. Bleibe bei dir solang du mich brauchst-alles kann warten. Das hier und jetzt ist wichtig. Du bist jetzt wichtig.

Meine Hand fährt durch dein Haar. Ich streichel immer wieder deine eingefallene Wangen. Dir fallen immer mehr die Augen zu.

Du bist erschöpft.Dein Herz schwächelt immer öfter-hat schon so vieles geleistet.

Meine liebgewonnene demente Dame, schlafe in Ruhe und erhole dich. Heute ist nicht dein Tag des Abschieds.

Du bist noch nicht fertig, wartest noch auf etwas. Hast noch einen Wunsch der auf deiner Seele brennt.

Ich wünsche dir von ganzem Herzen das du die Kraft hast so lang zu bleiben bis dein Wunsch in Erfüllung gegangen ist.

Zeit- die Wünsche ich dir . Es ist schön dich unter uns zu wissen. Du hast uns bereichert mit deiner fröhlichen Art.

Irgendwann kommt der Tag an dem wir Abschied nehmen müssen- Erinnerungen bleiben.

Gefühle bleiben... du bleibst.

Abschied ohne goodbye

Weiss nicht wo ich anfangen soll. Gestern sprach ich noch über dich. Hab dran gedacht dich zu besuchen. Fragte ob du wohl wieder kommst. Gedanken sausen im Kreis- ohne Linie ohne Ziel.

Ich denke daran wie ich deine Hand hielt, die Atemübungen mit dir machte. Wir uns ohne Worte verstanden, du meine Kraft aufsaugtest.

Erleichterung überkam mich als du ins Krankenhaus kamst- Hoffnung das es dir bald besser geht.

Zugleich ein Frösteln.  Muss ich Abschied nehmen?

Dein Zustand wollte sich nicht bessern-die Luft.....

Du warst schwach, aber nicht bereit zu gehen. Wolltest deine Kinder nochmal sehen.

Immer wenn ich die Strasse entlang laufe wo du gewohnt hast, denke ich an dich. Schau mir die Häuser an und stell mir die Frage in welchem Haus du wohl gewohnt hast, wie dein Leben hier wohl war. Bin dir so nah.

Seh die Strasse nun mit anderen Augen, fühle mich seltsam.

Kanns noch nicht ganz fassen. In einer Sekunde so vieles anders. Eine Sms : ... sie ist heut Nacht gestorben.

Ich wusste gleich wer gemeint war. Warst nicht nur mir so ans Herz gewachsen. Fehlst.

Lasse deine letzten Gedankengänge revue passieren. Tröste mich selbst- bin froh das ich dir noch Gutes tun konnte. Bevor du den ersten Schritt in deine letzte Richtung gemacht hast.

Bin so traurig das ich nicht deine Hand halten konnte- hätt dich gern begleitet in deine neue Welt.

So wie ich dich oft begleiten durfte. Du hast nicht viele Welten gehabt. Sie nur oft gewechselt. Manchmal recht unberechenbar.

Weisst du - deine Art war besonders. Du warst besonders. Es war nicht schwer deine Gedanken zu verstehen, nachzuvollziehen wo du gerade bist. Dafür warst du zu direkt. Dein Herz lag auf deiner Zunge. Das hat mir gefallen. Manchmal war es peinlich-aber es hat gefallen. War gut so. Klar.

Ich wünsche mir so sehr das du deine Kinder nochmal sehen konntest. Sie erkennen und herzeln konntest. Danke sagen für alles gewesene, das Gute und weniger Gute. Es hat dein Leben ausgemacht. Sie waren deine Liebe, dein ein und alles.

Finde deinen Frieden kleine Maus.

Kleine Maus- so hab ich dich oft genannt. Du hast dann gelacht und gesagt das du keine Maus bist. Du bist eine einfache Frau.

Eine Frau - ja. Einfach- nicht wirklich. Trotzdem: meine kleine Maus...

Jetzt sitz ich hier - schüttel meinen Kopf - über meinen Titel den ich für das Buch wählte: was bleibt sind Gefühle.....

Wie wahr es ist ! 

Muss jetzt Abschied nehmen von dir - aus der Ferne, allein. Es ist ein Abschied ohne goodbye - denn das Gefühl bleibt.