Normal ist, was gefällt
Besetzungsliste
Vater Bernhard Baumann
Mutter Brigitte Baumann
Sohn Thomas
Tochter Sabine
Freundin Martina
Freund Markus
(Bild 1)
Wohnzimmer: eine Couch, zwei Sessel, eine Schrankwand, Bilder, Stereoanlage, usw.
Anwesende: Vater sitzt entspannt vor dem Fernseher, Nachrichten, Mutter räumt den Tisch ab
Bernhard: (angespannt) Irgendwie glaube ich, uns erwartet noch etwas, das wir uns nicht hätten träumen lassen. Ich weiß nur noch nicht, was. War heute etwas Besonderes?
Brigitte: (überlegt kurz) Kann ich nicht sagen. Aber, was soll auch schon Großartiges geschehen. Und bei Dir? War viel los?
Bernhard: Es war ein Tag, wie andere auch. Bis auf ein paar kleinere Probleme war es absolut ruhig bei uns. Aber das weißt Du ja, bei uns tut sich nicht so viel. Zumindest merken wir es nicht so wie andere Abteilungen.
Brigitte: In der letzten Zeit ist wirklich nicht mehr viel los. Jeder Tag kommt und vergeht. Aber wirklich Aufregendes ist nicht drin.
Bernhard: (nachdenklich) Wer weiß, vielleicht ist das ja die Ruhe vor dem Sturm?
Brigitte: (überrascht) Vor welchem Sturm?
Bernhard: (unsicher) Ich weiß es nicht, aber...
Brigitte: Wir haben alles erreicht, was möglich war: Du hast eine gute Position, wir haben das Häuschen und zwei gut geratene Kinder. Was will man mehr, was soll da stürmen?
Bernhard: (unsicher) Ich weiß nicht, aber irgendwas ist faul... Es ist zu ruhig geworden. Irgend etwas muß faul sein; das geht mir zu glatt... In letzter Zeit habe ich das Gefühl, es braut sich was zusammen.
Brigitte: (fragend) Was soll sich da zusammenbrauen?
Bernhard: Ich weiß es auch nicht, aber es wird uns sicher nicht gefallen.
(die Tür geht auf. Es erscheint Sabine.)
Sabine: (fröhlich) Ich gehe heute Abend weg. Darf ich Dein Auto haben, Vati? Oder brauchst Du es heute noch?
Bernhard: Nein. Ich brauche es nicht mehr. Du kannst es aber nur haben, wenn Du nur nicht wieder vergißt zu tanken.
Sabine: (übermütig) Na klar, Du kriegst ihn getankt wieder. Danke, Vati.
Thomas: (erscheint) Oh, die Familie ist ja komplett. Nur, damit Ihr Bescheid wißt: wartet nicht auf mich. Ich schlafe heute bei Markus. Da steigt eine Fete.
Bernhard: (ungehalten) Du bist auch nicht gerade häufig zuhause anzutreffen. Hoffentlich leidet die Schule nicht unter Euren ständigen „Ausflügen“. Naja, geht schon. Ihr macht ja doch was Ihr wollt.
(Thomas und Sabine treten ab)
Bernhard: Wo die Kinder nur immer hingehen? Ob das alles richtig ist? Sonst sind sie fast immer zuhause gewesen.
Brigitte: Kinder sind sie eigentlich nicht mehr, Bernhard.
Bernhard: Sicher, Gitte. Doch ist es nicht normal, wenn Kinder ständig weggehen, ohne daß die Eltern wissen, wo sie sind und was sie machen … Du solltest ihnen mal ins Gewissen reden.
Brigitte: (erregt) Wieso immer ich?! Wenn Du glaubst, es müßte sein, dann tu Du es.
Bernhard: Wann soll ich denn das machen? Die sind ja nie da, wenn ich zuhause bin.
(Vorhang fällt)
(Bild 2)
Gleiche Kulisse: Familie Baumann sitzt beim Essen. Es liegt eine gespannte Ruhe in der Luft. Im Hintergrund läuft das Radio.Anwesende: Bernhard und Brigitte, Sabine, Thomas
Bernhard: Eure Mutter und ich müssen mit Euch reden. Ich habe das Gefühl, hier stimmt etwas nicht mehr! Ihr geht viel häufiger weg als früher, sagt gar nicht mehr, mit wem ihr zusammen seid. Und Eure Freunde bringt Ihr auch nicht mehr mit.
Brigitte: Naja, ein wenig auffällig ist es schon. Sogar in der Nachbarschaft wird so komisch geredet. Frau Schumann erzählte mir
neulich, daß es doch eigenartig sei, daß Du noch keinen festen Freund hast, Sabine.
Sabine: Ist das so schlimm? Muß ich einen haben?
Brigitte: Nein. Natürlich nicht. Aber...
Sabine: Thomas hat auch keine feste Freundin.
Brigitte: Das ist was anderes.
Sabine: (stutzt) Das verstehe ich nicht.
Thomas: Ich aber auch nicht …
Bernhard: Er muß sich auf seinen Abschluß vorbereiten. Schließlich soll er mal studieren.
Sabine: Meinst Du, ich mache mein Abi nur so zum Spaß. Und außerdem: was hat das mit einen Freund zu tun?
Brigitte: Es ist ja nicht so, als müßtet Ihr unbedingt einen Freund oder eine Freundin haben, aber es ist doch nicht normal, wenn
man in Eurem Alter keine feste Freundschaft hat.
Thomas: Sagt das auch die Frau Schumann?
(Vorhang fällt)
(Bild 3)
Gleiche Kulisse: Thomas und Sabine sitzen im Wohnzimmer. Der Fernseher läuft. Aus der Küche dringen leise Geräusche.
Thomas: Ich glaube die Eltern haben Lunte gerochen.
Sabine: Was meinst Du damit?
Thomas: Naja, Du bist mit Martina nicht nur so befreundet. Irgendwann werden sie es herausbekommen. Du weißt wie die sind, dann ist das Geschrei groß.
Sabine: Du glaubst doch wohl nicht, daß ich es den Eltern jetzt erklären werde! Vor allen
Dingen, wie?
Thomas: Wirst Du aber irgendwann müssen.
Sabine: Das werden die nie verstehen!
Thomas: Dann müssen wir es eben geschickt anfangen. - Ich habe eine Idee: bringe Martina morgen nach der Schule mit. Dann werden wir weiter sehen.
Sabine: Und wie soll ich das den Eltern erklären?
Thomas: Laß mich mal machen. Sie sollen sie erst einmal kennenlernen.
Sabine: Und Du meinst, das hilft?
Thomas: Vielleicht. Aber, siehst Du eine andere Möglichkeit?
Sabine: Nein, aber ob das hilft. Ich weiß nicht.
Thomas: (druckst herum) Es wird uns Beiden helfen ...
Sabine: Was hast Du denn damit zu tun?
Thomas: Ich denke eine ganze Menge. Du bist nicht der einzige in dieser Familie, der ein Problem hat. Ich bin schwul!
Sabine: Ach, sieh mal einer an, mein kleiner Bruder. Da kann ich ja nur gratulieren. Wie heißt er denn?
Thomas: Markus, wenn es recht ist.
Sabine: Na ja, dann ist es wohl wirklich das Beste, wir stehen das gemeinsam durch. Das wird den Eltern gar nicht schmecken.
Thomas: Aber sie werden es akzeptieren müssen.
Sabine: Dann sollte Markus aber auch dabei sein.
Thomas: Das ist wohl nicht zu ändern.
(Vorhang fällt)
(Bild 4)
Gleiche Kulisse: Brigitte Baumann sitzt auf dem Sofa und blättert in
einer Zeitschrift. Das Radio läuft leise im Hintergrund.
Brigitte: Irgendwie hat er ja recht. Irgend etwas stimmt
nicht. Aber was? Thomas ist o.k., das kann es
also nicht sein. Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, was mit ihm sein könnte. - Und Sabine? Sie ist jetzt 20. Das Abitur wird sie wohl schaffen. Irgendwie hat Frau Schumann recht: sie hatte bisher noch nie einen festen Freund. Eigentlich nicht normal, in ihrem Alter. Es ist ja nicht so, daß sie keinen abbekommen würde, schließlich sieht sie gut aus. Sie ist in letzter Zeit viel mit dieser Martina zusammen. Was das wohl für ein Mädchen ist? (Frau Baumann steht auf und entfernt sich... kommt wieder herein, sie hat Obst mitgebracht, das sie in einer Schale anrichtet)
Es ist doch nicht normal, wenn man in ihrem Alter noch keinen Freund hat. Sie soll doch mal heiraten und Kinder kriegen... Und Thomas wird auch eines Tages eine Frau finden, mit der er glücklich ist.
(Brigitte entfernt sich wieder)
Thomas: (tritt herein zusammen mit Markus)Das kann ja noch heiter werden.
Unsere Eltern werden diesen Tag sicher nicht
vergessen.
Markus: Mir ist gar nicht wohl bei diesem Gedanken.
Wenn wir es erst nur hinter uns hätten!
Thomas: Mir auch nicht, aber es wird nicht anders gehen.
Und wenn wir das hier hinter uns haben, gehen
wir zu Deinen Eltern. Damit das Versteckspiel endlich ein Ende hat.
Markus: Erinnere mich nicht daran, meine Eltern
werden toben. Die sind so furchtbar konservativ.
Thomas: Meinst Du etwa, meine Eltern werden es
gelassen hinnehmen!
(Die Tür geht auf und Sabine tritt herein, ihr folgt Martina)
Sabine: (flüsternd) Wie ist die Stimmung hier?
Thomas: (leise) Es geht doch nicht anders. Wir können uns
nicht ewig verstecken.
Martina: Bei meinen Eltern hatte ich weniger
Schwierigkeiten. Sabine, Du weißt ja, wie sie denken.
Sabine: Ich denke, wir werden es überleben. Auch wenn
ich jetzt noch nicht weiß, wie sie reagieren.
Thomas: Laß den Kopf nicht hängen. Schließlich sind
wir alt genug, um selbst zu wissen, was wir
tun. Auch sie werden auch das irgendwann begreifen. Die wünschen sich zwar einen netten
Schwiegersohn und auch eine gute Schwiegertochter, sowie viele Enkelkinder. Aber
auch sie werden verstehen, daß sie das nicht
über unseren Kopf und unsere Gefühle
entscheiden können.
Sabine: Für Dein Alter redest Du ganz schön gescheit
daher.
Thomas: (gekränkt) Na, höre mal, ich bin gerade ein Jahr jünger.
Martina: Und er hat recht. Entweder Ihr stehst zu Euren
Gefühlen und versucht, Euren Eltern sie zu
erklären, oder sie werden es nie begreifen.
Sabine: Ist ja schon gut. Aber leicht wird es nicht sein.
Martina: Dein Coming–Out ist Dir auch nicht
leichtgefallen, doch es kann Dir auch keiner
mehr nehmen. Erinnere Dich daran, wie es
zwischen uns angefangen hat. Du hast sehr
lange gebraucht, um es Dir selbst und mir sagen
zu können. Da ist es für andere noch schwerer
nachzuvollziehen, gerade für Eltern, die ihre
eigenen Vorstellungen haben, was aus uns
einmal werden soll.
Sabine: Ja, ich weiß. Studium, heiraten, Kinder kriegen!
Thomas: Letzteres dürfte sich derzeit noch als unlösbar
erweisen.
Markus: Mit dem Heiraten sieht es ja auch nicht besser
aus.
Sabine: Was nicht ist, kann ja noch werden! Trotzdem
werde ich das Gefühl nicht los, daß sich hier
gleich ein Gewitter breitmacht. Vielleicht sollten
wir das Ganze noch verschieben?
Thomas: Und wann willst Du es ihnen dann sagen? Oder
soll es ihnen Frau Schumann auf die Nase
binden?
Martina: Thomas hat recht, wenn nicht jetzt, wann dann?
Sabine: Das wird ein schwerer Brocken für die Beiden.
Thomas: Sie werden es irgendwann bestimmt begreifen.
Je eher, desto besser.
(Vorhang fällt)
(Bild 5)
Kulisse: Wohnzimmer. Sitzgruppe.
Anwesende: Brigitte, Thomas, Markus, Sabine, Martina
Sabine: Du, Mutti, ich glaube wir müssen mit Dir reden.
Brigitte: Das hört sich ja sehr wichtig an.
Sabine: Ist es auch, deshalb sind Markus und Martina
auch dabei.
Brigitte: Was hat denn das mit den Beiden zu tun?
Martina: Eine ganze Menge. Aber der Reihe nach. Was
Sabine sagen will, ist nicht in einem Satz gesagt,
weil doch wesentlich mehr dazu gehört.
Sabine: Naja, irgendwann wirst Du es so oder so
erfahren.
Brigitte: Was denn? Raus mit der Sprache!
Thomas: Fällt Dir nichts auf, Mutti?
Brigitte: Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.
Sabine: So kommen wir nicht weiter. Ich glaube, jetzt
müssen wir wirklich mit der Sprache raus. -
Mutti, ich bin lesbisch! Ich liebe Martina!
Brigitte: Nein! Das kann und darf nicht wahr sein!
Martina: Doch, Frau Baumann!
Sabine: Ja, Mutti! Schon seit einigen Monaten ist mir meine Homosexualität bewußt. Martina hat mir
geholfen, zu mir selbst zu finden.
Brigitte: Was wird Euer Vater dazu wohl sagen? Wie
konnte so etwas passieren? Das ist ja schlimm!
Thomas: Was ist daran schlimm? Ich bin schließlich auch
nicht krank, nur weil ich schwul bin. Nun ist es raus.
Brigitte: Jetzt verstehe ich gar nichts mehr!
Markus: Thomas und ich sind homosexuell.
Brigitte: Das ist ja eine Schande! Was sollen die Leute
von uns denken, wenn das herauskommt? Was
soll ich denn jetzt machen?
Sabine: Was die Leute denken, ist mir egal. Wichtig ist
für uns nur, daß Du uns verstehst und es
akzeptierst.
Martina: Frau Baumann, eine Schande ist es nicht. Meine
Eltern waren zwar auch nicht begeistert, als wir
es ihnen erzählten, aber sie verstehen es jetzt.
Und haben Sabine voll akzeptiert.
Brigitte: Das ist das Schlimmste, was Ihr uns antun
konntet! Wie soll ich das Eurem Vater beibringen? Was mache ich denn jetzt nur? Euer Vater darf es nicht erfahren. Er würde es nicht verkraften.
Thomas: Und erst die Frau Schumann!
(Vorhang fällt)
(Bild 6)
Gleiche Kulisse: Vater sitzt entspannt vor dem Fernseher, Nachrichten,
Mutter kommt herein, setzt sich
Anwesende: Bernhard, Brigitte
Bernhard: War heute etwas Besonderes? Du siehst so
abgespannt aus.
Brigitte: Das kann man wohl sagen! Hier war so Einiges
los. Nur weiß ich nicht, wie ich es sagen soll.
Bernhard: Was kann denn so schrecklich sein, daß Du es
nicht sagen kannst? Ist etwas mit den Kindern?
Brigitte: Das Leben war so normal bisher, aber jetzt...
Bernhard: Jetzt komme ich gar nicht mehr mit! Was ist
denn los? Haben die beiden etwas angestellt?
Brigitte: Ach, hätte ich nicht davon angefangen!
Bernhard: Wovon hättest Du nicht anfangen sollen?
(Die Tür geht auf, Sabine und Martina erscheinen)
Sabine: Hallo, Vati. - Das ist übrigens Martina!
Martina: Guten Abend, Herr Baumann.
Bernhard: Guten Abend, Martina; nett Sie kennenzulernen.
Da wissen wir ja endlich, mit wem sich unsere Tochter immer herumtreibt.
Brigitte: Gerade das wollte ich Dir sagen.
Bernhard: Und was ist so schlimm daran?
Brigitte: Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.
Bernhard: Da ist doch nichts bei!
Brigitte: Vielleicht hätte ich nicht davon anfangen sollen!
Sabine: Ich denke, es ist nicht so schlimm, als daß er es
nicht wissen sollte.
Brigitte: (mehr zu sich) Warum muß das ausgerechnet mir passieren!
Bernhard: Worüber soll ich denn im Bilde sein?
(Die Tür geht auf, Thomas erscheint mit Markus)
Thomas: Deine Tochter ist lesbisch!
Bernhard: Was soll denn das heißen? Das kann doch nur
ein Witz sein! (schaut zu seiner Frau) Brigitte, sag mir, daß dies ein Scherz ist.
Brigitte: Es ist wohl kein Scherz. Wir haben eine
homosexuelle Tochter! Und wenn das nicht
schon schlimm genug wäre: Thomas auch.
Bernhard: Wie konnte so etwas passieren? Das darf nicht
wahr sein! Stimmt das wirklich? Sagt mir, daß
das alles nicht war ist. Ausgerechnet unsere
Kinder!
Sabine: Ja, ich liebe Martina. - Und sie mich!
Thomas: Und ich liebe Markus!
Bernhard: Wie konntet Ihr uns so etwas antun!? Was soll ich denn jetzt in der Firma sagen! Das kann
mich den Job kosten!
Thomas: Was hat Deine Arbeit damit zu tun?
Sabine: Ja, was hat Deine Arbeit mit uns zu tun?
Brigitte: Das darf niemals herauskommen! Was sollen
denn die Leute denken?
Sabine: Die Leute sind mir egal, und außerdem geht
es die nichts an!
Bernhard: Verstehst Du nicht, daß Ihr uns damit unmöglich macht?
Brigitte: Ich kann mich nirgendwo mehr sehen lassen.
Ich glaube das Beste wäre, ich spreche mal mit
unserem Hausarzt.
Thomas: Das dürfte wohl nicht viel nutzen! Was soll der
denn daran machen können?
Brigitte: Vielleicht kann er Euch helfen, wieder normal
zu werden.
Sabine: Wir sind doch nicht krank oder etwa süchtig!
Martina: Glauben Sie mir, auch ein Arzt kann da nichts
machen. Meine Eltern haben es zuerst auch zu
ändern versucht, bis sie begriffen hatten, daß
das allein meine Sache war.
Markus: Gefühle lassen sich nicht mit Pillen ändern.
Bernhard: Aber irgend etwas muß man dagegen doch
tun. Schließlich ist das doch nicht normal. Das
kann nicht normal sein!
Thomas: Und warum bitte nicht?
Sabine: Vati, Mutti, ich denke, es ist allein meine Sache,
wen ich liebe, mit wem ich zusammensein will.
Daran ändert auch ein Seelendoktor mit Pillen nichts.
Bernhard: Das kann doch alles nicht wahr sein. Das hätte
ich nicht von Euch erwartet!
Brigitte: Das Beste wäre, es nicht mehr zu erwähnen;
vielleicht renkt sich das von ganz allein wieder
ein. Was sagen denn Ihre Eltern dazu, Martina?
Markus?
Martina: Ich kann verstehen, daß Sie damit Probleme
haben, aber eigentlich ist es gar nicht so
schwer. Meine Eltern waren ähnlich wie Sie.
Die haben es zuerst auch nicht verstanden
und einen Aufstand veranstaltet, aber
inzwischen haben sie es akzeptiert. Sabine ist
wie eine zweite Tochter für sie.
Bernhard: Da habt Ihr uns ja etwas ganz Nettes
eingebrockt. Aber ich sehe, so kommen wir
nicht weiter.
Thomas: Da hast Du sicher recht. Es gibt nur eine
Möglichkeit: Ihr laßt uns so, wie wir sind!
Brigitte: Wie stellt Ihr Euch das vor? Sollen wir etwa gar
nichts dagegen tun können?
Sabine: Ach, Mutti. Du wirst nicht viel tun können,
außer es zu akzeptieren.
Bernhard: Und wie stellt Ihr Euch das vor? Das ist doch
das Schlimmste, was uns passieren konnte.
Unsere Kinder sind nicht normal! Wie sollen wir
das erklären?
Martina: Herr Baumann, ich sehe da kein Problem.
Brigitte: Es ist doch nicht natürlich, wenn zwei Frauen
oder zwei Männer sich lieben. Wie soll das denn
überhaupt funktionieren?
Markus: Das steht doch wohl nicht zur Debatte, oder?
Thomas: Keiner fragt, wie das zwischen Heteros ist, aber
alle Welt fragt nach der Sexualität zwischen uns.
Sabine: Das geht doch nun wirklich keinen etwas an!
(Vorhang fällt)
(Bild 7)
Gleiche Kulisse: Bernhard sitzt vor dem Fernseher, Brigitte steht am
Bügelbrett
Anwesende: Bernhard, Brigitte
Brigitte: (zynisch) Das war ein Abend nach meinen Geschmack!
Bernhard: Es ist eine Schande, warum gerade unsere
Kinder? Warum muß das gerade uns passieren?
Was sollen wir denn jetzt nur machen?
Brigitte: Ich denke, wenn wir es ignorieren, wird es sich
vielleicht mit der Zeit geben.
Bernhard: Das wäre wirklich das beste für uns. Schließlich
geht es hier um unsere Existenz. Wozu hätte ich
mich dann abrackern sollen, wenn alles für die
Katz war? Wir haben unseren Teil dazu
beigetragen, daß aus unseren Kindern was
geworden ist. Das können sie nicht einfach
wegtun. Es gibt auch für sie Regeln, an die sie
sich halten müssen.
Brigitte: Da hast Du recht. Und es ist wider die Natur.
(in diesem Augenblick kommen die Kinder herein)
Sabine: Was ist daran wider die Natur?
Thomas: Das möchte ich auch gern wissen. Im Tierreich
gibt es genug Beispiele, die das Gegenteil
beweisen.
Bernhard: Das ist doch was ganz anderes.
Sabine: Das muß ich jetzt nicht verstehen!
Thomas: Was soll das, Vati? Niemanden geht es etwas an,
was ein anderer macht. Ich schau doch auch
nicht in anderer Leute Wohnungen. Da gibt es
genug, worüber man sich aufregen könnte.
Brigitte: Was andere Leute tun, ist mir egal, aber Ihr?
Das geht einfach nicht, das erlaube ich nicht.
Sabine: Und wie willst Du das verhindern?
Bernhard: Sei nicht so patzig, Sabine. Ich dulde nicht, daß
Du so redest.
Brigitte: Es kann doch nicht angehen, daß Ihr einfach
tut, was Euch gefällt. Ich dachte, wir hätten Euch gelehrt, Rücksicht zu nehmen.
Thomas: Was soll das denn jetzt heißen?
Bernhard: Rede nicht so mit Deiner Mutter. Wir machen
uns nur Sorgen um Euch. Man hört doch so
vieles. Das mit AIDS und so.
Sabine: Das ist doch der größte Unsinn. Auch Heteros
können sich mit AIDS anstecken. Und
außerdem ist Treue der beste Schutz.
Thomas: So geht das nicht. Ihr könnt doch nicht Gefühle
weg reden. Und nur weil Ihr Euch vielleicht Eure Welt anders vorgestellt habt, funktioniert es noch lange nicht so. Nur weil Ihr Euch Eure Welt bewahren, uns glücklich verheiratet und Enkelkinder aufwachsen sehen wollt, werde ich meine Gefühle sicher nicht verleugnen.
Sabine: So sehe ich das auch. Es mag nicht in Euer
Konzept passen, es mag Euch auch verletzen,
aber ich kann doch nicht nur nach Euren Maßstäben leben, nur weil alles andere nicht in Eure Gedanken paßt. Und schließlich haben wir uns Euch auch nicht aussuchen dürfen.
Bernhard: Uns habt Ihr Euer Leben zu verdanken.
Sabine: Danke. Und so wie ich mir mein Leben gestalte,
gefällt es mir.
Brigitte: Das ist doch nicht normal.
Thomas: Normal ist, was gefällt.
(Bild 4)
Gleiche Kulisse: Brigitte Baumann sitzt auf dem Sofa und blättert in einer Zeitschrift. Das Radio läuft leise im Hintergrund.
Brigitte: Irgendwie hat er ja recht. Irgend etwas stimmt nicht. Aber was? Thomas ist o.k., das kann es also nicht sein. Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, was mit ihm sein könnte. - Und Sabine? Sie ist jetzt 20. Das Abitur wird sie wohl schaffen. Irgendwie hat Frau Schumann recht: sie hatte bisher noch nie einen festen Freund. Eigentlich nicht normal, in ihrem Alter. Es ist ja nicht so, daß sie keinen abbekommen würde, schließlich sieht sie gut aus. Sie ist in letzter Zeit viel mit dieser Martina zusammen. Was das wohl für ein Mädchen ist? (Frau Baumann steht auf und entfernt sich... kommt wieder herein, sie hat Obst mitgebracht, das sie in einer Schale anrichtet) Es ist doch nicht normal, wenn man in ihrem Alter noch keinen Freund hat. Sie soll doch mal heiraten und
Kinder kriegen... Und Thomas wird auch eines Tages eine Frau finden, mit der er glücklich ist.
(Brigitte entfernt sich wieder)
Thomas: (tritt herein zusammen mit Markus) Das kann ja noch heiter werden. Unsere Eltern werden diesen Tag sicher nicht vergessen.
Markus: Mir ist gar nicht wohl bei diesem Gedanken. Wenn wir es erst nur hinter uns hätten!
Thomas: Mir auch nicht, aber es wird nicht anders gehen.Und wenn wir das hier hinter uns haben, gehen wir zu Deinen Eltern. Damit das Versteckspiel endlich ein Ende hat.
Markus: Erinnere mich nicht daran, meine Eltern werden toben. Die sind so furchtbar konservativ.
Thomas: Meinst Du etwa, meine Eltern werden es gelassen hinnehmen!
(Die Tür geht auf und Sabine tritt herein, ihr folgt Martina)
Sabine: (flüsternd) Wie ist die Stimmung hier?
Thomas: (leise) Es geht doch nicht anders. Wir können uns nicht ewig verstecken.
Martina: Bei meinen Eltern hatte ich weniger Schwierigkeiten. Sabine, Du weißt ja, wie sie denken.
Sabine: Ich denke, wir werden es überleben. Auch wenn ich jetzt noch nicht weiß, wie sie reagieren.
Thomas: Laß den Kopf nicht hängen. Schließlich sind wir alt genug, um selbst zu wissen, was wir tun. Auch sie werden auch das irgendwann begreifen. Die wünschen sich zwar einen netten Schwiegersohn und auch eine gute Schwiegertochter, sowie viele Enkelkinder. Aber auch sie werden
verstehen,daß sie das nicht über unseren Kopf und unsere Gefühle entscheiden können.
Sabine: Für Dein Alter redest Du ganz schön gescheit d her.
Thomas: (gekränkt) Na, höre mal, ich bin gerade ein Jahr jünger.
Martina: Und er hat recht. Entweder Ihr stehst zu Euren Gefühlen und versucht, Euren Eltern sie zu erklären, oder sie werden es nie begreifen.
Sabine: Ist ja schon gut. Aber leicht wird es nicht sein.
Martina: Dein Coming–Out ist Dir auch nicht leichtgefallen, doch es kann Dir auch keiner mehr nehmen. Erinnere Dich daran, wie es zwischen uns angefangen hat. Du hast sehr lange gebraucht, um es Dir selbst und mir sagen zu können. Da ist es für andere noch
schwerer nachzuvollziehen, gerade für Eltern, die ihre eigenen Vorstellungen haben, was aus uns einmal werden soll.
Sabine: Ja, ich weiß. Studium, heiraten, Kinder kriegen!
Thomas: Letzteres dürfte sich derzeit noch als unlösbar erweisen.
Markus: Mit dem Heiraten sieht es ja auch nicht besser aus.
Sabine: Was nicht ist, kann ja noch werden! Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, daß sich hier gleich ein Gewitter breitmacht. Vielleicht sollten wir das Ganze noch verschieben?
Thomas: Und wann willst Du es ihnen dann sagen? Oder soll es ihnen Frau Schumann auf die Nase binden?
Martina: Thomas hat recht, wenn nicht jetzt, wann dann?
Sabine: Das wird ein schwerer Brocken für die Beiden.
Thomas: Sie werden es irgendwann bestimmt begreifen. Je eher, desto besser.
(Vorhang fällt)
(Bild 5)
Kulisse: Wohnzimmer. Sitzgruppe.
Anwesende: Brigitte, Thomas, Markus, Sabine, Martina
Sabine: Du, Mutti, ich glaube wir müssen mit Dir reden.
Brigitte: Das hört sich ja sehr wichtig an.
Sabine: Ist es auch, deshalb sind Markus und Martina auch dabei.
Brigitte: Was hat denn das mit den Beiden zu tun?
Martina: Eine ganze Menge. Aber der Reihe nach. Was Sabine sagen will, ist nicht in einem Satz gesagt, weil doch wesentlich mehr dazu gehört.
Sabine: Naja, irgendwann wirst Du es so oder so erfahren.
Brigitte: Was denn? Raus mit der Sprache!
Thomas: Fällt Dir nichts auf, Mutti?
Brigitte: Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.
Sabine: So kommen wir nicht weiter. Ich glaube, jetzt müssen wir wirklich mit der Sprache raus. -Mutti, ich bin lesbisch! Ich liebe Martina!
Brigitte: Nein! Das kann und darf nicht wahr sein!
Martina: Doch, Frau Baumann!
Sabine: Ja, Mutti! Schon seit einigen Monaten ist mir meine Homosexualität bewußt. Martina
hat mir geholfen, zu mir selbst zu finden.
Brigitte: Was wird Euer Vater dazu wohl sagen? Wie konnte so etwas passieren? Das ist ja schlimm!
Thomas: Was ist daran schlimm? Ich bin schließlich auch nicht krank, nur weil ich schwul bin. Nun ist es raus.
Brigitte: Jetzt verstehe ich gar nichts mehr!
Markus: Thomas und ich sind homosexuell.
Brigitte: Das ist ja eine Schande! Was sollen die Leute von uns denken, wenn das herauskommt? Was soll ich denn jetzt machen?
Sabine: Was die Leute denken, ist mir egal. Wichtig ist für uns nur, daß Du uns verstehst und es akzeptierst.
Martina: Frau Baumann, eine Schande ist es nicht. Meine Eltern waren zwar auch nicht
begeistert, als wir es ihnen erzählten, aber sie verstehen es jetzt. Und haben Sabine voll akzeptiert.
Brigitte: Das ist das Schlimmste, was Ihr uns antun konntet! Wie soll ich das Eurem Vater beibringen? Was mache ich denn jetzt nur? Euer Vater darf es nicht erfahren. Er würde es nicht verkraften.
Thomas: Und erst die Frau Schumann!
(Vorhang fällt)
(Bild 6)
Gleiche Kulisse: Vater sitzt entspannt vor dem Fernseher, Nachrichten, Mutter kommt herein, setzt sich
Bernhard: War heute etwas Besonderes? Du siehst so abgespannt aus.
Brigitte: Das kann man wohl sagen! Hier war so Einiges los. Nur weiß ich nicht, wie ich es sagen soll.
Bernhard: Was kann denn so schrecklich sein, daß Du es nicht sagen kannst? Ist etwas mit den Kindern?
Brigitte: Das Leben war so normal bisher, aber jetzt...
Bernhard: Jetzt komme ich gar nicht mehr mit! Was ist denn los? Haben die beiden etwas angestellt?
Brigitte: Ach, hätte ich nicht davon angefangen!
Bernhard: Wovon hättest Du nicht anfangen sollen?
(Die Tür geht auf, Sabine und Martina erscheinen)
Sabine: Hallo, Vati. - Das ist übrigens Martina!
Martina: Guten Abend, Herr Baumann.
Bernhard: Guten Abend, Martina; nett Sie kennenzulernen. Da wissen wir ja endlich, mit wem sich unsere Tochter immer herumtreibt.
Brigitte: Gerade das wollte ich Dir sagen.
Bernhard: Und was ist so schlimm daran?
Brigitte: Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.
Bernhard: Da ist doch nichts bei!
Brigitte: Vielleicht hätte ich nicht davon anfangen sollen!
Sabine: Ich denke, es ist nicht so schlimm, als daß er es nicht wissen sollte.
Brigitte: (mehr zu sich) Warum muß das ausgerechnet mir passieren!
Bernhard: Worüber soll ich denn im Bilde sein?
(Die Tür geht auf, Thomas erscheint mit Markus)
Thomas: Deine Tochter ist lesbisch!
Bernhard: Was soll denn das heißen? Das kann doch nur ein Witz sein! (schaut zu seiner Frau) Brigitte, sag mir, daß dies ein Scherz ist.
Brigitte: Es ist wohl kein Scherz. Wir haben eine homosexuelle Tochter! Und wenn das nicht schon schlimm genug wäre: Thomas auch.
Bernhard: Wie konnte so etwas passieren? Das darf nicht wahr sein! Stimmt das wirklich? Sagt mir, daß das alles nicht war ist. Ausgerechnet unsere Kinder!
Sabine: Ja, ich liebe Martina. - Und sie mich!
Thomas: Und ich liebe Markus!
Bernhard: Wie konntet Ihr uns so etwas antun!? Was soll ich denn jetzt in der Firma sagen! Das kann mich den Job kosten!
Thomas: Was hat Deine Arbeit damit zu tun?
Sabine: Ja, was hat Deine Arbeit mit uns zu tun?
Brigitte: Das darf niemals herauskommen! Was sollen denn die Leute denken?
Sabine: Die Leute sind mir egal, und außerdem geht es die nichts an!
Bernhard: Verstehst Du nicht, daß Ihr uns damit unmöglich macht?
Brigitte: Ich kann mich nirgendwo mehr sehen lassen. Ich glaube das Beste wäre, ich spreche mal mit unserem Hausarzt.
Thomas: Das dürfte wohl nicht viel nutzen! Was soll der denn daran machen können?
Brigitte: Vielleicht kann er Euch helfen, wieder normal zu werden.
Sabine: Wir sind doch nicht krank oder etwa süchtig!
Martina: Glauben Sie mir, auch ein Arzt kann da nichts machen. Meine Eltern haben es zuerst auch zuändern versucht, bis sie begriffen hatten, daß das allein meine Sache war.
Markus: Gefühle lassen sich nicht mit Pillen ändern.
Bernhard: Aber irgend etwas muß man dagegen doch tun. Schließlich ist das doch nicht normal. Das kann nicht normal sein!
Thomas: Und warum bitte nicht?
Sabine: Vati, Mutti, ich denke, es ist allein meine Sache, wen ich liebe, mit wem ich zusammensein will. Daran ändert auch ein Seelendoktor mit Pillen nichts.
Bernhard: Das kann doch alles nicht wahr sein. Das hätte ich nicht von Euch erwartet!
Brigitte: Das Beste wäre, es nicht mehr zu erwähnen; vielleicht renkt sich das von ganz allein wieder ein. Was sagen denn Ihre Eltern dazu, Martina? Markus?
Martina: Ich kann verstehen, daß Sie damit Probleme haben, aber eigentlich ist es gar nicht so schwer. Meine Eltern waren ähnlich
wie Sie.Die haben es zuerst auch nicht verstanden und einen Aufstand veranstaltet, aber inzwischen haben sie es akzeptiert. Sabine ist wie eine zweite Tochter für sie.
Bernhard: Da habt Ihr uns ja etwas ganz Nettes eingebrockt. Aber ich sehe, so kommen wir nicht weiter.
Thomas: Da hast Du sicher recht. Es gibt nur eine Möglichkeit: Ihr laßt uns so, wie wir sind!
Brigitte: Wie stellt Ihr Euch das vor? Sollen wir etwa gar nichts dagegen tun können?
Sabine: Ach, Mutti. Du wirst nicht viel tun können, außer es zu akzeptieren.
Bernhard: Und wie stellt Ihr Euch das vor? Das ist doch das Schlimmste, was uns passieren konnte. Unsere Kinder sind nicht normal! Wie sollen wir das erklären?
Martina: Herr Baumann, ich sehe da kein Problem.
Brigitte: Es ist doch nicht natürlich, wenn zwei Frauen oder zwei Männer sich lieben. Wie soll das denn überhaupt funktionieren?
Markus: Das steht doch wohl nicht zur Debatte, oder?
Thomas: Keiner fragt, wie das zwischen Heteros ist, aber alle Welt fragt nach der Sexualität zwischen uns.
Sabine: Das geht doch nun wirklich keinen etwas an!
(Vorhang fällt)
(Bild 7)
Gleiche Kulisse: Bernhard sitzt vor dem Fernseher, Brigitte steht am Bügelbrett
Brigitte: (zynisch) Das war ein Abend nach meinen Geschmack!
Bernhard: Es ist eine Schande, warum gerade unsere Kinder? Warum muß das gerade uns passieren? Was sollen wir denn jetzt nur machen?
Brigitte: Ich denke, wenn wir es ignorieren, wird es sich vielleicht mit der Zeit geben.
Bernhard: Das wäre wirklich das beste für uns. Schließlich geht es hier um unsere Existenz. Wozu hätte ich mich dann abrackern sollen, wenn alles für die Katz war? Wir haben unseren Teil dazu beigetragen, daß aus unseren Kindern was geworden ist. Das können sie nicht einfach wegtun. Es gibt auch für sie Regeln, an die sie sich halten müssen.
Brigitte: Da hast Du recht. Und es ist wider die Natur.
(in diesem Augenblick kommen die Kinder herein)
Sabine: Was ist daran wider die Natur?
Thomas: Das möchte ich auch gern wissen.
Im Tierreich gibt es genug Beispiele, die das Gegenteil beweisen.
Bernhard: Das ist doch was ganz anderes.
Sabine: Das muß ich jetzt nicht verstehen!
Thomas: Was soll das, Vati? Niemanden geht es etwas an, was ein anderer macht. Ich schau doch auch nicht in anderer Leute Wohnungen. Da gibt es genug, worüber man sich aufregen könnte.
Brigitte: Was andere Leute tun, ist mir egal, aber Ihr?Das geht einfach nicht, das erlaube ich nicht.
Sabine: Und wie willst Du das verhindern?
Bernhard: Sei nicht so patzig, Sabine. Ich dulde nicht, daß Du so redest.
Brigitte: Es kann doch nicht angehen, daß Ihr einfach tut, was Euch gefällt. Ich dachte, wir hätten Euch gelehrt, Rücksicht zu nehmen.
Thomas: Was soll das denn jetzt heißen?
Bernhard: Rede nicht so mit Deiner Mutter. Wir machen uns nur Sorgen um Euch. Man hört doch so vieles. Das mit AIDS und so.
Sabine: Das ist doch der größte Unsinn. Auch Heteros können sich mit AIDS anstecken. Und außerdem ist Treue der beste Schutz.
Thomas: So geht das nicht. Ihr könnt doch nicht Gefühle weg reden. Und nur weil Ihr Euch vielleicht Eure Welt anders vorgestellt habt, funktioniert es noch lange nicht so. Nur weil Ihr Euch Eure Welt bewahren, uns glücklich verheiratet und Enkelkinder aufwachsen sehen wollt, werde ich meine Gefühle sicher nicht verleugnen.
Sabine: So sehe ich das auch. Es mag nicht in Euer Konzept passen, es mag Euch auch verletzen, aber ich kann doch nicht nur nach Euren Maßstäben leben, nur weil alles andere nicht in Eure Gedanken paßt.
Und schließlich haben wir uns Euch auch nicht aussuchen dürfen.
Bernhard: Uns habt Ihr Euer Leben zu verdanken.
Sabine: Danke. Und so wie ich mir mein Leben gestalte, gefällt es mir.
Brigitte: Das ist doch nicht normal.
Thomas: Normal ist, was gefällt.
(Vorhang fällt)
Ende der Vorstellung