Ein lustiger Bauernhof
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"Herrrta, .. warum meckert und mault dein Mann den armen Hubert immer so an? Das ist doch sooo ein lieber Kerl."
Die Bäuerin schmunzelte und überlegte, wie sie Julia die Frage verständlich beantworten sollte.
"Ja, ein lieber Kerl ist er," bestätigte sie, "aber weißt du, allein lieb sein, reicht auf unserem Hof nicht aus und mein Mann macht ihn nur darauf aufmerksam, .. der braucht das! Und es ist auch nicht so böse gemeint, wie es sich anhört. Er braucht doch nur zu tun, was ihm gesagt wird, dann kann er auch nichts Verkehrtes machen", lachte die Bäuerin. "Eigentlich hat er es doch ganz gut!"
Unter ihrem munteren Geplauder betraten sie die Küche, wo schon Dirk frisch gewaschen und nach Seife duftend am Tisch saß und begierlich nach dem Kuchen schielte.
"Na, da seid ihr ja endlich!", rief er voll Freude. "Julia, hast du es denn noch geschafft, die Berta zu melken?"
"Aaach, die wollte sich lieber vom Hubert melken lassen." Julia wollte ihm doch nicht gleich auf die Nase binden, dass auch sie versagt hatte. Aber damit konnte sie nicht lange hinterm Berg halten und schilderte ihm das letzte Ereignis, doch ihre Tollpatschigkeit verschwieg sie.
"Oh nein!", tönte Dirk, "den Hubert hätte ich auch gerne im Kuhfladen gesehen, das hätte mir einen riesigen Spaß gemacht,.. so ein Mist!"
Enttäuscht schlug er sich mit der rechten Hand auf den Oberschenkel.
Die Bäuerin meinte belustigt: "Nur gut, dass du es ihm vorgemacht hast, sonst hätte er nicht gewusst, wie das geht."
"Hi, hi", kicherte Julia. Ob ihre Mama wohl solche Kerle meinte, wenn sie von Scheißkerlen sprach?
Aber da erschien auch schon der Bauer .
Hubert schleppte hinter sich einen Eimer frisch gemolkener Milch her. Begierig schielte er auf den Tisch. Da war sie ja, die heißbegehrte Apfeltorte und auch ein Kaffeeduft zog durch die Küche.
"Setzt euch!"
Die Bäuerin goss Kaffee in zwei Tassen und schob den beiden den Kuchen hin.
"Julia und Dirk haben euch noch was übrig gelassen."
"Das war aber nett von euch", schmunzelte Hubert. Er strich Julia beiläufig über den Kopf, zwickte Dirk leicht in die Wange um ihnen damit seine Dankbarkeit zu zeigen. "Genug der Sentimentalität", dachte er bei sich und machte sich über den Kuchen her. Julia fragte neugierig: "Was macht ihr denn mit so viel Milch?"
Denn der Eimer, den der Knecht herein getragen hatte, schien voll zu sein.
Hubert fühlte sich nicht angesprochen, denn er hatte im Moment Wichtigeres zu tun und auch der Bauer schaute nur über den Rand seiner Kaffeetasse - die er gerade zum Mund führte - ohne jedoch zu antworten.
"Hallo," rief die Bäuerin und klopfte auf den Arm ihres Mannes, "ihr habt die Frage von Julia noch nicht beantwortet, seid ihr taubstumm geworden?"
Hubert schaute den Bauern an. Der Bauer aber schlug seiner Frau leicht auf den Hinterkopf und meinte gönnerhaft: "Mache du das mal ruhig. Du siehst ja, Hubert hat den Mund voll und ich..", er schlürfte nur seinen Kaffee.
Herta hätte sich auch gewundert, wenn es anders gekommen wäre. "Bauer bleibt eben Bauer", schmunzelte sie. Dann erklärte sie den Kindern, was alles mit der Milch geschieht. Sie machten zum Beispiel Butter und Käse für den Eigenbedarf daraus. Herta bot den Kindern an, gleich beim Buttermachen behilflich zu sein.
Hubert ließ seinen Blick nicht von dem Kuchen, der inzwischen schon ziemlich geschrumpft war. Als Herta gerade mal wegsah, griff er hastig nach einem neuen Stück. Dabei streifte sein Ärmel die Kaffeetasse des Bauern und der Kaffee ergoss sich über die blau karierte Tischdecke, die die Bäuerin gerade frisch aufgelegt hatte. "Hubert!"
Die Bäuerin, die sonst nichts so leicht aus der Ruhe brachte, guckte nun doch sehr erzürnt. "Kannst du denn nicht ein bisschen aufpassen?"
Das war Hubert nun doch sehr peinlich, da sie ihm, wenn er mal was verbockte, sonst immer beistand. Er wollte seine Chefin auf keinen Fall verärgern. Deshalb nahm er sich insgeheim vor, ihr am Nachmittag einen großen Strauß mit Feldblumen, die im Moment überall wuchsen, zu pflücken.
Der Bauer nahm es gelassen, klappte lediglich die durchnässte Tischdecke in seinem unmittelbaren Bereich zur Mitte des Tisches und goss sich frischen Kaffee ein.
Selbst einen vorwurfsvollen Blick ersparte er sich, da er wusste, dass er seinem Knecht damit nicht imponieren konnte.
In kluger Voraussicht tat Hubert das Gleiche, da die Bäuerin sicher die Decke abziehen würde und damit würde sie ihn nur unnötig beim Kuchenessen stören.
Mit unfehlbarer Sicherheit hatte er sich das größte Stück auf den Teller gepackt.
Kopfschüttelnd über so viel Sturheit räumte die Bäuerin den Tisch ab und entsorgte die Tischdecke. Für die Kinder war es ein willkommener Anlass aufzustehen, denn ihr Tatendrang war nicht zu bremsen.
Ein Stückchen Kuchen war noch übrig und Hubert schaute seinen Chef fragend an: "Nein danke, nimm nur, ich habe mit einem genug", meinte er bescheiden.
Für Hubert hingegen war es das vierte Stück und er meinte schelmisch: “Du weißt ja, man isst so, wie man arbeitet."
Das hätte er besser nicht gesagt, denn der Bauer war nicht auf den Kopf gefallen und sagte: "Demnach hättest du aber kein Stück essen dürfen, du Hirsch!"
Dirk, der das noch mit bekam, schlug sich wieder mit beiden Händen auf die Oberschenkel: "Wa haaaa, Eigentor!"
In diesem Tumult achtete keiner auf Julia, die auf einmal mit aufgerissenen Augen und vorgestrecktem Zeigefinger auf eine Ecke zeigte. Die anderen folgen ihrem Blick und sahen noch gerade eine Ratte durch die Tür flitzen. Hubert ergriff einen Besen, der in einer Ecke lehnte, und versuchte, die Ratte zu verfolgen.
Die Bäuerin blieb erstaunlich gelassen und sagte: "Nun macht mal nicht so einen Lärm um so ein kleines Tier. Die habe ich schon öfter hier gesehen. Die geht nur an die Abfälle. Und davon haben wir ja genug hier.“
Fucki blieb kurz in Kampfstellung stehen und piepte ganz empört: "So ein Depp, der müsste doch eigentlich wissen, dass ich zum Inventar gehöre."
"Frau Liebknecht", machte sich Dirk bemerkbar, "wann wollen wir denn Butter machen?"
Obwohl der Hof in einem relativ modernen Zustand war, wurde die Butter noch so gemacht wie anno Tobak.
"Hubert, bring doch bitte die Milch schon mal in die Waschküche und schütte sie in die Zentrifuge.”
Auch der Bauer erhob sich mit den Worten: "Ich werde mal das Korn überprüfen, ob es schon reif ist."
Von draußen hörte man auf einmal ein fürchterliches Geschrei. Hilde, die Gänsemutter, verfolgte Fucki, der sich an ihrem Futter vergreifen wollte. Mit ausgespreizten Flügeln lief sie der Ratte nach, die schnell den Weg durch ein Loch in den Pferdestall nahm. Dort wähnte sie sich sicher. Doch Hans, der Hengst, witterte sie sofort, blähte seine Nüstern weit auf und stieß einen Warnruf aus, der so klang:ÜÜÜÜÜÜÄÄÄÄÄHHHH Liese pass auf, hier ist Gefahr in Anzug."
"Neeee, keine Gefahr, ihr großen Esel. Seht ihr denn nicht, dass ich Angst habe?" Die kleine Ratte schaute die Pferde furchtsam mit ihren großen Knopfaugen an.
"Ich habe doch niemandem etwas getan, warum erschrecken sich alle vor mir? Bin ich wirklich sooo hässlich?" Ihre piepsige Stimme bekam einen weinerlichen Klang, so dass Liese Mitleid bekam.
"Bleib ruhig hier und gönn dir eine Verschnaufpause. Du kannst ja nichts dafür, dass du eine Ratte bist. Wie heißt du denn?"
"Ich heiße Fucki, meine Familie wohnt schon seit Generationen auf diesem Hof. Die einzige die uns akzeptiert ist die Bäuerin."
Doch jetzt hörte Liese Stimmen und Schritte, die sich dem Stall näherten.
"Schnell, versteck dich hier im Stroh, da kommt jemand."
Rasch kroch Fucki unter das Stroh, nicht ohne vorher "Dankeschön"zu piepsen. Hubert und die beiden Kinder betraten den Stall."Schauen wir mal, wie es mit der Milch aussieht", meinte Hubert. Die beiden Kinder nickten heftig. Für sie war das Buttermachen etwas völlig Neues. Bisher kannten sie nur die Butter aus dem Supermarkt. Ganz frisch zubereitete Butter hatten sie noch nie gesehen. Zudem waren sie gespannt, wie sie schmecken würde.
Natürlich würde es eine ganze Weile dauern, bis die Butter aus der Milch entstanden war. Hubert wusste das. Er hatte schon öfter beim Buttermachen geholfen oder sie im Auftrag der Bäuerin gemacht. Sie vertraute ihm da voll und ganz.
Er sollte den Kindern zeigen wie man Butter macht. ..
"Huubert, aber warum gehen wir dann zum Stall? Ich dachte die Butter würde in der Waschküche gemacht", fragte Julia verwirrt - denn sie sah den Zusammenhang nicht. "Nur Geduld, kleine Lady?, meinte der Knecht gutmütig. "Schau mal, dort drüben steht noch ein Eimer mit Milch, den der Bauer voll gemolken hat. Den brauchen wir auch noch. Ein Eimer, das lohnt sich nicht, der gibt gerade mal ein halbes Pfund." "Ein ganzer Eimer, nur ein halbes Pfund?", fragte Dirk ungläubig.?
Der Knecht nickte und meinte: “So meine Lieben, nun nehmt den Eimer mit der Milch, einer rechts, einer links und tragt ihn vorsichtig in die Waschküche. Dirk pass auf, dass du nicht so viel überschwappst!"
Mit hochroten Gesichtern vor Anstrengung machten die beiden sich ans Werk. Als sie über den Hof gingen, kamen Lux und Luna angestürmt und sprangen gegen den Eimer und der obere Teil der Milch schwappte über.
"Ihr blöööden Hunde!", fluchte Dirk aufgebracht.
Damit war ja schon alles gesagt. Der Knecht hielt sich zurück, schüttelte nur den Kopf, nahm den beiden den Eimer ab mit der Bemerkung: "Damit der Rest nicht auch noch verschütt geht", aber in seiner Stimme war kein Vorwurf.
Der Bauer kam auch gerade aus dem Haus und wollte zu den Feldern gehen. Er schüttelte auch nur den Kopf - denn er hatt sich abgewöhnt, sich auf seinem Hof noch über etwas zu wundern. In der Waschküche stand das Butterfass. Ein großer Kühlschrank, in den sie nun den Eimer stellten.
"So ihr lieben, zurück zum Stall, der nächste Eimer".
Die Kinder schauten Hubert fragend an.
"Ja, das geht nicht so flink wie das Essen", meinte er und erklärte den Stadtkindern, was es mit der Milch auf sich hatte. Diese musste erst einmal zwei Tage kühl ruhen, damit anschließend der Rahm abgeschöpft werden konnte, dann erst begann das Buttern.
Inzwischen hatte Fucki ihr Schnäuzchen durchs Stroh gesteckt. Als sie mit ihren kleinen listigen Äugelchen sah , dass die Luft rein war, rannte sie flugs aus dem Stall, um zu sehen, wo noch etwas Essbares für sie zu holen war. Liese wieherte ihr hinterher.Die kaum noch wahrnehmbare Milchpfütze reichte Fucki aus, um ein paar kleine Schlückchen Milch zu ergattern. Danach machte sie sich auf zum Hühnerstall, denn aus Erfahrung wusste sie, dass schon mal ein Ei zerbrach, .. und der Dotter, der war ja so was von lecker.
"Huuuubert? Warum hast du denn den einen Eimer Milch in die Schleuder geschüttet?"
"Das ist eine Zentrifuge, Dirk ..", sagte der Knecht geduldig und erklärte den beiden, dass man Butter auf verschiedene Art und Weise machen kann.
"Hmmm?, meinte Dirk, "und was ist Rahm? Wie entsteht der denn?"
Hubert nahm sich einen alten Melkschemel und setzte sich darauf. Er nahm den Jungen liebevoll auf seinen Schoss und fing an." So du großer Mann, jetzt hör gut zu. Rahm ist das Fett in der Milch. Aus dem Rahm wird später die Butter. Doch auch den kann man schon aufs Brot streichen, mit Marmelade schmeckt er besonders gut. Wir könnten auch die Bäuerin bitten, einen Rahmkuchen mit Zucker und Zimt zu backen. Sie kann das besser als alle Leute weit und breit."
Dirk wurde der Mund wässrig. Er schaute den Knecht mit seinen großen Kinderaugen an. Seine kleinen Ärmchen flogen um seinen Hals, er küsste ihn auf die Wange und sagte:" Danke Hubert, danke, du bist der Beste."
Man sollte es nicht glauben, aber Hubert, der große raubeinige Kerl, hatte richtig Tränen der Rührung in seinen braunen Augen. Verlegen löste er Dirks Ärmchen und sagte, sich zu Julia hin wendend: "Na, dein Bruder ist ja heute besonders stürmisch."
Julia war ein schlaues großes Mädchen. Sie blickte dem raubeinigen Stallburschen in die Augen. Streichelte ihm die Wange und meinte: "Ist dir was in dein Auge gekommen? Es sieht genau so aus, als ob du weinst."
Mit einem Ärmel wischte sich der Knecht die Tränen weg und meinte gerührt: "Ihr beiden seid ja so lieb, .. aber nun mal ran an die Arbeit", sagte er ungewollt barsch, um seine Rührung zu kaschieren, "die Bäuerin hat keine Butter mehr und am Schnellsten geht das mit der Schleuder,.."
"Ich dachte, das ist eine Zentrifuge", warf Dirk listig ein.
"Eh, ja."
Bevor sich Dirk auf die Oberschenkel klopfen konnte, meinte Hubert: "Dann nimm mal die Kurbel und drehe sie so schnell du kannst."
"Wa ha ha," lachte Dirk, Milch schleudern, das hab ich ja noch nie gehört. Das werde ich meinen Freunden erzählen, ha ha."
"Ja, das erzähle mal und dann kannst du auch von deinen ganzen Schandtaten berichten, die du hier angestellt hast", grinste Hubert.
Diesen Satz ignorierte Dirk.
"Mein Freund Kai wollte immer schon mal auf einen Bauernhof. Der wird ganz schön neidisch sein, wenn ich erzähle, dass ich sogar eine Kuh gemolken habe. Und meine Mama wird mir das bestimmt auch nicht glauben.”
"Ha ha", lachte Julia. "Eine Kuh gemolken? Ha ha, das hättest du gerne,.. und vergiss nicht zu sagen, was Berta mit dir gemacht hat, ha ha."
Dirk wollte auf seine Schwester losgehen, aber Hubert ging energisch dazwischen. "Gebt nur Ruhe ihr beiden und vom Melken habt ihr noch keine Ahnung. Einfaches Ziehen an den Zitzen reicht nämlich nicht und tut der Kuh nur weh. Beim nächsten Mal werde ich euch einen Trick verraten. So nun kommt! Die Bäuerin hat vorhin gesagt, wir sollen pünktlich zum Abendessen wieder da sein. Ich habe gesehen, dass sie Kartoffelnsalat gemacht hat. Und dazu Würstchen. Mögt ihr das ?"
Und als ob sie es sich einstudiert hätten, erklang es gleichzeitig aus zwei kleinen Kehlen : "Oh ja, gerne!" "Aber vorher müssen wir Berta auch noch versorgen. Bei uns herrscht der Grundsatz: Erst die Tiere, dann der Mensch ."
Als ob die Bäuerin das gehört hätte, rief sie: "Hubert! Schickst du bitte die Kinder zum Essen, für sie wird es Zeit, dass sie ins Bett kommen."
"Ja und ich?", protestierte der Knecht, denn schließlich ging es ums Essen.
"Versorge du erst die Tiere, mein Mann kommt dir gleich zur Hilfe und wir essen dann später."
Der Knecht murmelte etwas vor sich hin, was sich nicht sehr fein anhörte. Aber die Geschwister verstanden nicht, was er sagte.
"Bitte?", fragte Dirk vorsichtshalber noch einmal nach.
"Ach nichts. Macht, was die Bäuerin gesagt hat. Ab zum Abendessen, für euch wird es Zeit ins Bett zu gehen."
"Aber zu Hause, da dürfen wir...", versuchte der Junge einzuwenden.
"Nun, hier sind wir auf dem Bauernhof und nicht in der Stadt. Ihr wollt sicher morgen wieder ausgeruht sein, damit ich euch früh zeigen kann, wie man richtig melkt."
Nach dem Essen und dem üblichen Prozederer, gingen die beiden zu Bett. Zuvor fragte Dirk die Bäuerin aber noch: “Dürfen wir auch mal in der Scheune, in einem Heubett schlafen?”
“Ja, ja später und jetzt aber ab! Gute Nacht und schlaft schön.” Der Bauer und der Knecht, die inzwischen die Tiere versorgt hatten, murmelten auch etwas, aber das Gutenacht konnten die beiden verstehen.
“Euch auch,.. “ sagte Dirk und Julia schloss sich dem an.
Fortsetzung folgt