Beschreibung
Artikel 5
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
Vor Jahren habe ich in einem Leser-Forum geschrieben. Regelmäßig und gerne. Es gab dort Kollegen, die nahmen nun wirklich kein Blättle vor den Mund. Von denen hätte ich mir gewiss mehr noch als eine Scheibe abschneiden können, so scharf, aber immer juristisch einwandfrei hieben die ein. Aber nach einem Relaunch des Forums setzte die Hexenjagd ein. Einige wirklich interessante Autoren, die auch viele und gute Kommentare schrieben und damit das Forum mehr als belebten, gar am Leben erhielten, mussten immer wieder kurz nach Veröffentlichung ihres Textes lesen „Dieser Artikel wurde gelöscht.“
Dieser Artikel wurde gelöscht. Soll in Augen der Redaktion vermutlich heißen, dieser Text ist für uns nicht mehr vorhanden. Ist quasi aus der Welt geschafft, ausgelöscht worden, weggewischt aus dem Pot-pourri, dem manchmal etwas gärenden Eintopf der täglich-stündlichen Herzensergießungen die Öffentlichkeit suchender Foristen.
Doch ist der brandige Text damit wirklich zum Erlöschen gebracht? Seiner Wirkung beraubt? Werden wir anderen, die wir ihn gelesen, aufgenommen, besprochen, beschimpft, gelobt, beklatscht haben, diesen Text und seine Auswirkungen auch wegwischen? Betrachten wir unsere Reaktionen: Wie viele Kommentare, einige gar auf originelle und kreative Art und Weise!, halten doch die Erinnerung und durch die Erinnerung den zur Seite geschafften, nein beseitigten Text gerade erst am Leben.
Löschen, das Licht löschen, die Verwendung von Löschpapier, die Aufnahme den Durst löschender Getränke und - vor allem - das Löschen eines Brandherdes, gar eines Großbrandes sind Tätigkeiten, die alltäglich bis spektakulär, aber in der Regel sinnvoll sind. Das Löschen eines Artikels jedoch hat etwas unangenehm an den Berliner Opernplatz Erinnerndes an sich , ein Brandgeschmäckle sozusagen. Zumal es weiterhin Artikel gibt, deren weitaus gefährlichere Ladung eben n i c h t gelöscht wird. Darüber hinaus aber ist das Löschen von Artikeln---ineffektiv. „Ein Schweigen kann immer gebrochen, aber ein einmal gesagtes Wort kann nie wieder aus der Welt geschafft werden.“ heißt es bei Hans Erich Troje. Und ähnlich sieht es auch der Philosoph Otto Friedrich Bollnow.
In unserem Falle heißt das, wenn man die physische Existenz eines Textes auslöscht, ist nichts gewonnen. Und das ist eigentlich auch gut so.Doch die Löschäktionen nahmen zu, der Ton der Redaktion wurde barscher und schließlich gab es gar kein Feedback mehr. Ihr letzter inhaltlich begründender Satz war, dieser Text sei „Brandstiftung“. Was war geschehen? Einer der oben erwöhnten Kollegen hatte in einer Tiersatire ein blindes Huhn eine Patronenhülse finden lassen. Darauf schrieb eine euch nicht ganz unbekannte Person eine „E-Mail an einen zu Unrecht der Brandstiftung Gescholtenen"
Lieber Streitbarer,
ich hoffe, du hast ein gutes Versteck gefunden? Verbirg dich so gut du kannst, verkleide dich, färb dir die Haare oder- noch besser- scher dir den Schädel! Sei wachsam, aufmerksam, traue niemand. Diese Nachricht werde ich dir naseweisem Schnüffel zukommen lassen, da sind die ganz kurzen und persönlichen Wege gefragt.
Heute abend war ich aus, das Kabarett war bissig, der Vortrag aber leider zu kurz, zwei kleine Viertelstündchen; habe dennoch eine vergnügliche Zeit in Hammonia verbracht.
Denk dir, ich habe einen neuen Kehr-Besen erhalten, darauf zu lesen unsterbliche Worte unserer beiden Dichterfürsten, die den Streichhölzer-Thread mit boshafter Ironie und mildem Grimm verfolgt haben:
"Lasst sodann ruhig die Gans in L***g und G**a gagagen, Die beißt keinen, es quält nur ihr Geschnatter das Ohr. “
“Dacht' ich's doch! Wissen sie nichts Vernünftiges mehr zu erwidern, Schieben sie's einem geschwind in das Gewissen hinein."
Beides in SPIEGELschrift fein säuberlich graviert.
War dann hinterher mit Goethen und Schillern noch zechen; vor allem Goethe war ganz reizend, der große Mann hat immer neue Distichen über die Kleingeister an oberster Stelle extemporiert und mir ein Sonett über jene zu schreiben versprochen. Schiller, der liebe Mensch, war wieder einmal in die Betrachtung der deutschen Geschichte vertieft, und sein tiefernstes Auge streifte Tabaksbeutel und Fidibus bisweilen gedankenverloren... sollte er etwa mit dem Gedanken spielen- aber das wäre ja... oioioi.
Nach Mitternacht waren wir drei schließlich recht alkoholisch inspiriert und sangen lauthals auf dem Jungfernstieg freche Lieder über den deutschen Philister und seine Regierung;-) Ach, wenn du doch auch hättest mit uns sein können!
Cassy
Das alles blieb folgenlos, mich „löschte“ man nicht. Der Kollege aber packte seine Siebensachen und verließ das journalistische Krähwinkel. Und ich griff nach Schrankkoffer und Pompeldur und ging auf große Fahrt.