Ich stehe im Supermarkt vor dem Kühlregal und weiß nicht was ich kaufen soll. Das liegt daran, dass ich mich ab heute nur noch hundertprozentig Gesund ernähren will.
„Heidekraut im Feldsalat!“
„BSE wieder ausgebrochen!“
„Vogelgrippe kommt nach Deutschland!“
„Pferdefleisch in der Lasagne gefunden!“
Erschreckende Lebensmittelskandale gibt’s in letzter Zeit viel zu viele. Da muss man schon genauer hinschauen um auch wirklich das Richtige zu kaufen!
Doch nicht nur das macht mir zu schaffen. In den Händen halte ich eine Packung Kochschinken. „Ein Herz für Erzeuger“ steht drauf. Ein Preisvergleich offenbart: Die Wurst ist teurer als seine Regalnachbarn. Warum das so ist steht auch auf der Packung. Man würde damit die regionalen Bauern unterstützen, weil die es ja so schwer hätten neben den großen Mastbetrieben noch zu überleben. Logisch. Ich nehme den Schinken vom glücklichen Schwein mit und lege ihn in den Einkaufswagen.
Doch nun drängt sich mir eine Kollegin ins Gedächtnis. Sie ist Vegetarierin. Die Tiere leiden! Sie haben Schmerzen, wenn man sie schlachtet. Außerdem werden besonders
Schweine gern mit Antibiotika vollgepumpt damit sie es noch ins Schlachthaus schaffen, ohne schon als Ferkel zu sterben. So essen wir die Medikamente mit ohne es zu wissen. Außerdem braucht der Mensch von heute sowieso kein Fleisch mehr auf dem Speiseplan. Ich nehme die Packung und will sie zurücklegen. „Mooooment!“, meldet sich das kleine Teufelchen in meinem Hinterkopf. Er steckt mir eine Visitenkarte zu auf der Ernährungsberater mit ä steht. „Ich als Experte muss betonen, dass viele auch anderer Meinung sind! Hör auf mich, deinen Ernährungsbärater! Iss Fleisch! Da ist Eiweiß drin! Du warst heut beim Sport, du brauchst das!“
Okok, ist ja gut. Ich nehme ja Fleisch, aber nur kein Schwein. Kann ich ja essen, wenn ich mal krank bin, da steckt die Medizin ja schon drin. Ich gehe rüber zum teuren Fleisch von der glücklichen Kuh. Gerade will ich danach greifen als mir der Vortrag eines Freundes wieder einfällt. Der holt tief Luft und erzählt, währender den Zeigefinger nach oben streckt: „Wusstest du dass so eine Kuh unheimlich viel Wasser verbraucht? Für ein Kilo Fleisch gehen mehrere Tausend Liter Wasser drauf! Wohl wahr, das Fleisch ist gesünder als das vom Schwein, aber dafür pupsen die auch unheimlich viel Methan aus, das ist schlecht für die Umwelt! Außerdem werden riesige Flächen
Regenwald gerodet, nur um da 2 Jahre lang Tofu zu züchten, welches zum Mästen der Tiere genutzt wird. Lohnt es sich also wirklich Rind zu essen?“.
Naja, Recht hat er. Ich beuge mich in die Tiefkühltruhe um Lasagne raus zu holen. Einen Moment warte ich, aber es bleibt still. Nur ganz leise meldet sich da wer: „Was denn, ist nicht so schlimm. Da ist doch nur Pferd drin. Alte, lahme Mähre. Nicht die, die früher Rennen gelaufen sind, die großen, muskelbepackten Teile. Das sind nur die Tiere, die einem Bauern gepfändet worden sind, der die sowieso nicht mehr versorgen konnte. Und auf dem scheinbar guten Gnadenhof hat man sich dann gedacht: Ok, vielleicht kann man
Gewinn draus machen, wenn man den Gaul einfach schlachtet.“
Ich seufze. Gut, dann gehen eben nicht. Noch während ich mir überlege durch was ich das Fleisch ersetzen könnte, fällt mein Blick auf den sorgfältig gestapelten Eierturm. Prima, machen wir einfach ein vegetarisches Gericht! Zu früh gefreut. Meine Vegetarier-Kollegin überlegt nämlich nun auch Veganer zu werden. „Schon mal gesehen wie die Hennen in Legebatterien gehalten werden? Weißt du auch was die mit den Männlichen Kücken machen? Die werden geschreddert und dann werden daraus Chicken-Nuggets gemacht!“
So langsam vergeht mir der Appetit. An Fisch will ich nicht denken, sonst erinnere
ich mich an jemanden, der mich daran erinnert, dass die Meere überfischt werden und dann geht’s weiter mit dem Zustand der Ozeane, sowie der Auswirkung aus das Klima und so weiter. Also lieber zum Gemüse. Dort freue ich mich gerade ein sicheres Lebensmittel gefunden zu haben und greife sofort zur italienischen Salatgurke. „Achtung“, meldet sich da der Gartenverein meiner Oma, direkt aus meinem Hinterkopf, „Kaufe nur Obst und Gemüse aus regionalem Anbau! Obst aus fernen Ländern wird meist zur Ertragssteigerung mit vielen Herbiziden und Pestiziden behandelt!“. Ein Blick nach draußen sagt mir: es ist Winter! Also lege ich die Italienische wieder hin und wende
mich den teureren Biogurken zu. Nun meldet sich Oma persönlich. „Glaubst du das denen wirklich?“, will sie kopfschüttelnd von mir wissen. Ich knurre vor mich hin: „Nein, das tue ich nicht, danke!“
Langsam schiebe ich meinen Wage durch die Putzabteilung. Irgendwas Essbares muss sich hier doch finden lassen. Ich entdecken den Reis und sprinte darauf zu. Kurz bevor ich ihn erreichen kann meldet sich meine Cousine zu Wort. Sie hat ein Praktikum in China gemacht und uns alle mehrfach über Reisanbau und –ernte aufgeklärt. „Stellt euch mal vor wie irrsinnig dumm das eigentlich ist! Man verbraucht unheimlich viel Wasser, nur um
eine Handvoll Reis ernten zu können! Das ist fast so wie mit den Kühen!“, lacht sie. Woher weiß die das mit der Kuh?? Ein Regal weiter gibt’s die Nudeln. Ich reiße die Packung an mich und lausche.
Yeah!!!!! Ich darf Nudeln essen! Ich fühle mich dazu berechtigt einen kleinen Freudentanz aufzuführen, aber das lasse ich besser, da ich vorhin schon argwöhnisch beobachtete wurde als ich das Gemüse beschimpft habe.
Überglücklich werfe ich die Packung in meinen Korb. Auf Käse verzichte ich, der Umwelt zuliebe! Und auf die Tomatensoße ebenfalls, wer weiß was da für schädliche
Stoffe durch die eventuell effizienzsteigernde Zucht dazugekommen sind! Zufrieden über meinen Einkauf biege ich in Getränkeabteilung, meine letzte Station bis zur Kasse. Dort meide ich natürlich die furchtbar bunten Limonaden, genauso wie die Energie-Drinks. Mei Lieblingswasser steht nämlich ganz hinten, neben der Hausmarke. Erleichtert dem Martyrium nun bald zu entkommen greife ich zu einem Bündel Flaschen, als sich mir die Dokumentation von neulich in Erinnerung ruft: „Wasseruntersuchungen ergaben erstaunliche Ergebnisse. So ist das Trinkwasser von höherer Qualität als die meisten Mineralwasser. Viele Mineralwasser-Abfüllanlagen entnehmen ihr
Wasser nicht an den vorgegeben Orten, ja einige dieser Quellen existieren nicht einmal….“. Schon gut, dann verzichte ich auch mein liebstes Wasser und trinke das aus der Leitung.
Ich schiebe meinen Wagen an die Kasse. Dort grüßt mich Helga. Wir kennen uns schon lange und ich bin gewissermaßen ihre Stammkundin. Mein Päckchen Nudeln fühlt sich etwas einsam auf dem Fließband.
„Ach schau an, sind wir ab heut auf Diät?“, fragt sie gut gelaunt.
„So ähnlich …“, antworte ich ihr.
Was tut man nicht alles um sich bewusst
zu ernähren?