Nico rast durch die Nacht und weiß nicht wohin. Er weiß, dass er schon gesucht wird und in ihm staut sich immer mehr Aggression auf. Als er die ersten Polizeiwagen entdeckt, fährt er in eine Seitenstraße, stellt seinen Wagen dort ab und setzt seinen Weg zu Fuß fort. Er will an den Ort, wo er Ben und Bülent das erste Mal getroffen hat. Ziellos irrt er durch die Straßen und Gassen der Stadt, bis er auf dem Platz angelangt, wo Ben sich mit seiner Gang traf. Ben scheint sein Ich gewechselt zu haben. Er hat sich eine Glatze schneiden lassen, trägt Bomberjacke und Springerstiefel. Nur sein Basecap ist noch sein altes und sein Mercedes Stern leuchtet Nico schon von weitem entgegen. Mit lautem Gegröle wird Nico von Ben und seinen Kumpanen begrüßt.
Â
"Ben, sag mal!", fängt Nico an zu reden,"Wie heißt eigentlich Dein Freund Bülent weiter?"
"Abakay! Wieso willst'n das wissen?" fragt Ben nach
"Nur so." meint Nico.
"Schließlich hat er ja etwas was ich dringend brauche!" fährt dieser fort.
"Weißt du wo er sich rumtreibt?" fragt er weiter.
"Ich weiß nur, das seine Schwester diesen Chip hat und Bülent in Sicherheit gebracht hat." erwidert Ben.
"Was will denn seine Schwester mit meinem Chip?", fragt Nico.
"Sie ist Computer-Expertin und wird wieder was ganz Ãœbles dahinter gesehen haben.", sagt Ben lachend.
Â
Nico kocht innerlich. Jetzt weiß er woher er diese Türkin kannte. Auf einem Kongress hat er diese Türkentusse kennengelernt. Diese Frau Doktor. Aber er weiß auch, dass er nicht dorthin konnte. Sicher wartete dort schon die Polizei.
Â
Sein Atem ist ganz schwer und er schreit Ben schnaubend an.
"Was gibt's denn da zu lachen?" will er von Ben wissen.
"Weißt du was du mir und meinem Vater angetan hast?" fügt er hinzu.
Er will Ben schlagen, so geladen ist er, aber Ben's sogenannten Freunde sind zum Kampf bereit und Nico lässt seine Fäuste sinken.
Â
"Mein Gott Ben,", redet er weiter, "ich bin am Ende, Die Bullen sind hinter mir her und ich weiß nicht wohin. Ich kann zwar Daten knacken aber Türen nicht. Ich brauche deine Hilfe!"
Ben glotzt ihn mit großen Augen an.
"Und womit kann ich dir helfen?" will dieser wissen.
"Kennst du hier in der Nähe irgendwie 'nen Zeltplatz oder eine Gartenkolonie?", will Nico wissen.
"Irgend eine leere Bude wird doch wohl zu finden sein!" fährt er fort.
"Aber es ist ein langes Stückchen an Weg." meint Ben.
Â
Gemeinsam macht sich die Truppe auf den Weg zum See. Inzwischen bricht die Dunkelheit über sie herrein. Auf dem Campingplatz reiht sich Wohnwagen an Wohnwagen, Zelt an Zelt und Bungalow an Bungalow. In manchen Behausungen brennt Licht, andere sind dunkel.
Ben und seine Freunde machen sich ans Werk. Sie machen einen Bruch nach dem anderen, bis sie endlich einen leerstehenden Bungalow finden.
"Und wie soll es weitergehen?", will Ben wissen.
Achselzucken kommt als Antwort.
"Na ewig kannst'e hier nicht bleiben!", fährt dieser fort.
"Wenn du zu deinen Freunden auch noch ein paar Autoknacker zählst, würde ich mich freuen, wenn morgen früh hier vor meiner Tür ein kleines unscheinbares Auto stehen würde." erwidert nun Nico und lacht ganz rau vor sich hin.
Â
Als sich alle von ihm verabschiedet haben, legt Nico sich zu Bett und versucht zu schlafen. Aber die Angst entdeckt zu werden hält ihn vom pennen ab. Er wälzt sich von einer Seite auf die andere und kann doch keinen Schlaf finden.
Â
Am anderen Morgen schleicht er vorsichtig aus seinem Bungalow um nicht entdeckt zu werden. Plötzlich ist er wie erstarrt. Vor seinem Bungalow steht ein kleiner roter Flitzer in dem auch noch der Schlüssel steckt. Ein Zettel von Ben und seinen Freunden wünscht ihm viel Fahrvergnügen mit dem Wagen von Edda's Neuem.
Im Moment ist es Nico scheißegal, von wem der Wagen ist, Hauptsache weg von hier.
Völlig übermüdet fährt er los, direkt in eine Polizeikontrolle.
Â
Was Robert und Edda jedoch nicht wissen, ist, dass Aysels Familie und Freunde bereits seit Tagen Robert und seine sowie Eddas Wohnung beobachteten und auch sehen konnten, wer sein Auto gestohlen hatte.
Sie verfolgten den Autodieb und erkannten auch Ben und seine Kumpels. Am liebsten hätten sie eingegriffen, doch Aysels Anweisungen waren klar und deutlich: "Nur beobachten, sonst nichts!"
Die jungen türkischen Männer, die den Autodieb verfolgt hatten und nun unerkannt auf Ben plus Freunde trafen, kannten den Club junger Nazis nur zu gut.
Einst waren sie in der Grundschule Freunde. Aus harmlosen Rauferein, wie unter Jungen auf dem Schulhof üblich, wurden, aufgehetzt von Brüdern und Eltern (Lass dir von den Deutschen / Türken nichts bieten, schlagt zu, wo immer ihr sie auch antrefft, gemeinsam seid ihr stärker) gefährliche Auseinandersetzungen. Der Schulhof wurde in hart umkämpfte Reviere eingeteilt, innerhalb derer kein Deutsch oder kein Türkisch gesprochen werden durfte. Deutsche Schulmädchen wurden als Huren bespuckt und beschimpft, türkischen Schulmädchen wurden die Kopftücher vom Kopf gerissen und mit Schweineblut überschüttet.
Die meisten Schüler(-innen) widersetzten sich jedoch bald diesem Kreis aus Demütigungen und Gewalt. Sie lebten zwar nicht miteinander aber konfliktfrei nebeneinander.
Doch aus einigen deutschen Schuljungen wurden ausländer- und islamfeindliche Schläger und Krminelle und auch aus einigen türkischen Schuljungen wurden deutsch- und christenfeindliche Schläger und Krminelle.
Die jungen türkischen Männer hatten genug gesehen und fuhren nach Hause.
Â
Â
Die Tür von Eddas Krankenzimmer öffnet sich und Robert, seine Tochter Melanie, die Ärztin Frau Dr. Adam und der Hauptkommissar Herr Busch betreten das Zimmer.
"Entschuldige, dass wir dich hier so plötzlich überfallen und das früh am Morgen oder sagen wir mitten in der Nacht", es ist vier Uhr 30, "aber wir sollten keine Zeit verlieren. Edda ich bitte dich, mit mir für ein paar Tage in die Türkei zu fliegen", bittet Robert Edda und fährt fort.
"In dem Zimmer hier kannst du ohnehin nicht bleiben, weil der Hauptkommissar mit seinem Team das Zimmer nach Spuren untersuchen will", der Hauptkommissar nickt zustimmend, "und außerdem musst du wegen deiner Verletzungen untersucht werden."
Â
Â
"Halt, halt, Stopp!", unterbricht Edda und schaut Frau Dr. Adam fragend an, die auch auf die nicht gestellte Frage antwortet.
"Mich hat die Nachtschwester informiert und dann habe ich von Herrn Zimmermann", sie deutet auf Robert, "erfahren, dass sie hier überfallen wurden. Ich kam sofort zu ihnen. Auf dem Weg traf ich Herrn Busch von der Polizei zusammen mit Herrn Zimmermann und seiner Tochter."
Â
"Frau Siebert", Frau Adam setzt sich zu Edda aufs Bett, "wenn sie damit einverstanden sind, werden wir hier ihre Verletzungen untersuchen, dokumentieren und der Polizei übergeben. In dieser Zeit wird die Polizei ihr Zimmer nach Spuren untersuchen." "Ich bin einverstanden", antwortet Edda.
An Robert und Melanie gewandt, sagt Frau Dr. Adam: "Warten Sie im Besuchsraum.". "Aber", beginnt Robert, doch Frau Adam faucht ihn an, "Ihr aber interessiert mich nicht."
Robert wird schnell klar, dass Frau Dr. Adam nicht nur Ärztin ist, sondern auch auf dieser Station die Leiterin. Einwände, Widerspruch gegen ihre Anweisungen sind ihr fremd. Außerdem ist sie ohnehin sehr verstimmt wegen des Fehlverhaltens ihrer Nachtschwester, die sofort hätte richtig handeln müssen.
Â
Edda nickt Robert kurz zu. Sie weiß wie autoritär ein Krankenhaus läuft, so dass Robert mit Melanie schweigend das Zimmer verlässt, während Dr. Adam in rauhen Ton den Schwestern und Stationsärzten genaue Anweisungen gibt.
Â
Auch der Hauptkommissar gibt seinem Team Anweisung das Zimmer zu untersuchen, denn eine zuvor vergewaltigte Frau in ihrem Krankenzimmer zu überfallen, zu schlagen und zu würgen ist ein schweres Verbrechen.
Â
Nach Stunden des Wartens kommt Edda in den Besucherraum. Robert und Melanie hatten sich zwischenzeitlich einen Kaffee und eine Kleinigkeit zu essen geholt.
"Möchtest du auch was?", fragt Robert. "Ja, einen Kaffee und ein Croissant kann ich jetzt auch gebrauchen", antwortet Edda. "Ich hole dir mal eben Kaffe und Croissants", sagt Melanie und verschwindet.
Â
"Was hat das jetzt mit der Türkei auf sich?", fragt Edda Robert. "Nun", antwortet Robert, "ich habe mit Frau Abakay gesprochen und ihr mitgeteilt, dass dieser Nico ihren Namen aus dir herausgepresst hat. Sie sagte, wir sollten uns keine Sorgen machen und bot uns an, bei einem Vetter von ihr mal ein paar Tage auszuspannen. Je weiter man weg ist, desto weiter ist man weg, sagte sie. Ich glaube sie hat Recht. Wir müssen mal Abstand gewinnen, neue Kraft schöpfen, mal ganz woanders sein, Edda."
Â
"Wie soll das gehen? Ich bin krank geschrieben, da darf man nicht einfach verreisen!", fing Edda an ihre Bedenken zu äußern. "Das dürfte kein Problem sein. Die Ärztin wird dir wohl das passende Attest ausstellen."
"Wer sorgt sich um deine und meine Wohnung?", fragt Edda nach. "Melanie wird sich um alles kümmern. Sie hat auch schon einen Koffer für dich gepackt. Außerdem sagte Frau Abakay mir, sie wollte mal ein paar Verwandte bitten, einen Blick auf unsere Wohnungen zu werfen, ob sich Nico dort in der Nähe herumtreibt", teilt ihr Robert mit.
"Und noch etwas, eine Dummheit von mir", versucht Robert zu erklären, "ich stoppte kurz an einem Kiosk, um eine Zeitung zu holen, stieg aus dem Wagen aus ohne den Zündschlüssel abzuziehen oder den Motor auszustellen, es war ja nur ein Augenblick, als ein Mann ins Auto sprang und davon fuhr. Ich habe die Polizei informiert. Also ich kann auch ein paar Tage Erholung gebrauchen."
 Melanie kam herein und brachte Kaffe und zwei Croissants für Edda. Während Edda ihren Kaffee trank und ins Croissant biss, überlegte sie. "Das mit dem Autodiebstahl, das kann Zufall sein und nichts mit meinem Mann und der ganzen Geschichte zu tun haben", stellt Edda sachlich fest.
"Wie soll es jetzt weiter gehen? Wir fahren zum Flughafen und fliegen einfach in die Türkei?", fragt Edda. "Ja genau. Sobald du zustimmst, buchen wir den nächsten Flieger", antwortet Robert und Melanie, auf ihren iPad schauend, erklärt: "Der nächste Flug ist in etwa 2 Stunden, den kann ich sofort buchen."
Unvermittel klickt es in Eddas Kopf. Von einem Moment auf den anderen durchströmt ein Glücksgefühl ihren Körper. Der Gedanke, in wenigen Stunden weit, weit weg zu fliegen, löst ihre gesamte Anspannung. Ein Stein, so groß wie ein Fels, fällt von ihr und sie glaubt, Sonnenstrahlen durchfluteten ihren Geist. Doch dann kommen wieder Zweifel und ein Schatten legt sich auf ihre Psyche. Spontan ruft Edda laut in den Raum: "Dann lass uns sofort starten und davon fliegen!" Erschrocken, über diesen Gefühlsausbruch, starren Robert und Melanie Edda an. Melanie reagiert als Erste und antwortet: "Schon gebucht", während sie schnell alle Daten in ihr iPad eintippt.
Edda spürt, wie der Schatten von ihrer Seele wieder verschwindet und sie freut sich auf einen Kurzurlaub mit Robert.
Siegfried wurde abgeführt, in Handschellen und vorbei an all den neugierigen Nachbarn. Die Scham schien ihm ins Gesicht geschrieben. Ihm folgte sein Computer getragen von einem Polizeibeamten. Dann ging es hurtig in das nächste Untersuchungsgefängnis. Siegfried verbrachte die Nacht in einer Zelle und wurde am anderen Morgen zum Verhör geholt. Nach allen Fragen, die ihm gestellt wurden, stand sehr schnell fest, dass er nur das Mittel zum Zweck war und keine Ahnung von all dem hatte, was dort geschah. Nach und nach kam aber heraus, das Siegfrid an den Einnahmen beteiligt war und ab und zu mal einen Tausender zugesteckt bekam. Er erzählte von der Frau, die er schon während seiner Ehe geschwängert hat und die bei der Geburt des Sohnes starb,wie Nico, sein Sohn, ihn ausfindig gemacht habe und wie er erpresst wurde.
Â
Wenig später fand gleich nebenan eine zweite Vernehmung statt, bei der einige Ungereimtheiten auftraten. Nico wurde mit allem ausgequetscht, was man schon von Siegfried wusste, aber so unauffällig wie möglich. Nico erzählt von mehreren Deals, wo er sich die Einnahmen mit Siegfried immer geteilt habe. Die Beamten wurden hellhörig.
Beide wurden auf ihre Zellen gebracht, aber schön nacheinander, damit sie sich nicht sehen konnten.
Â
Für Siegfried könnte eine Klage wegen Vergewaltigung, schwerer Körperverletzung und Beihilfe zur Computerkriminalität veranlasst werden. Wenn man es ihm nachweisen kann sogar wegen Veruntreuung von Geldern aus kriminellen Machenschaften.
Nico erwartet eine Klage wegen Körperverletzung, Erpressung, schwere Körperverletzung, Anstiftung zu kriminellen Handlungen wie Einbrüchen und Autoknackerei.
Â
Nach der Überprüfung der Konten, wird Nicos Konto gesperrt. Siegfried kann nichts nachgewiesen werden, Seine Kontobewegungen weisen nur ab und zu eine Einzahlung von einem Tausender auf.
Â
Die Ermittlungen werden noch einige Zeit beanspruchen, bevor es zur Verhandlung kommt.
Es stimmte. Je weiter man weg ist, desto weiter ist man weg. Die Türkei. Anderes Land. Andere Kultur. Andere Menschen. Die Vielfalt der Eindrücke überlagen die Sorgen der Heimat. Eddas Gehirn verarbeitet die Eindrücke und verdrängt die Gedanken an dem was war.
Â
Robert und Edda werden von Frau Abakays Familie herzlich begrüßt, man wickelte die Bezahlung des Ferienhauses ab, im Übrigen werden die Beiden jedoch für sich allein gelassen.
Â
Sie schlendern durch den Ort, reden über Vieles, ohne jedoch die Ereignisse der letzten Tage zu erwähnen. Wie ein frisch verliebtes Paar suchen sich Edda und Robert weit nach Sonnenuntergang. unter dem sternenklaren Himmel der Türkei am Strand eine Stelle, an der sie sich ungestört lieben können.
Mit freiem Oberkörper, auf dem Rücken im Sand liegend, schaut Edda in den Sternenhimmel, während Robert ihren Körper streichelnd elektrisiert. Sie spürt die Seeluft auf ihrer Haut und unter den erotischen Berührungen ihrer Brüste und fängt sie an sich im Sand zu rekeln. Sie rekelte ihren Po solange hin und her, bis ihr Bikini-Unterteil durch die Reibung mit dem Strandsand herunter rutscht und ihre nackte Po-Haut jedes Sandkorn spürt.
Sie ruderte mit Armen und Beinen durch den Sand. Durch das ständige Öffnen und Schließen bildet sich ein Sandhügel zwischen ihren Beinen. Robert entfernt den Sandhügel und befreit Edda gänzlich von ihrem letzten noch verbliebenen Stoffteill. Edda setzt sich auf. Gefühlvoll gleiten ihre Hände in Roberts Badehose. Ohne den Körperkontakt zu verlieren streift sie ihm die Badehose herunter und wirft sie in hohen Bogen fort.
Splitterfasernackt vereinen sie sich nunmehr im Sand am Strand unter dem Sternenhimmel über der Türkei.
Eingedrungen in Eddas Mitte, wälzen, drehen sie sich jetzt gemeinsam, eng umschlungen durch den Sand. Ihre zuckenden Körper verraten, dass sie den Höhepunkt solange zurück halten wollen, wie sie können, um dann in einem Feuerwerk der Gefühle gemeinsam zum Orgasmus zu finden. Schließlich liegen sie nackt nebeneinander auf dem Rücken, schweigen und träumen mit offenen Augen. Ihr Blick geht in die unendliche Ferne der Sterne.
Dieses Nachterlebniss wird für immer in ihren Köpfen, in ihren Herzen und in ihren Seelen als Glücksmomente haften bleiben und dazu beitragen, ihre Liebe zu einander zu stärken. Ungeachtet der Frage, ob ein Liebesakt im Freien überhaupt erlaubt ist, wiederholen sie ihre Vereinigung.
Am nächsten Morgen gehen sie gemeinsam zum Markt. An einem Stand für Tücher steht unvermittelt Frau Dr. Aysel Abakay neben ihnen und begrüßt sie freundlich.
Das eintönige, hier in der Haftanstalt, nervte Nico gewaltig. Es gab einfach nichts was ihn interessieren könnte. Siegfried jedoch nutzte alle Angebote zu den vorgegebenen Zeiten. Er nutzte das Fitnesscenter, die Bibliothek, den Spieleraum und auch den großen Fernsehraum. Er wußte von seinem ersten Gefängnisaufenthalt noch wie langweilig so ein Tag werden konnte.
Zwischen den Mahlzeiten, den Spaziergängen und all den anderen Aktivitäten, lagen immer mal wieder Verhöre.
Nachdem die Beamten fertig waren mit ihren Durchsuchungen, wurden Nico und Siegfried immer mal wieder zu Verhören geholt.
Für Nico stand es schlecht. Zu viele Beweise konnten gegen ihn gesammelt werden.
Siegfried schien der mit der weißen Weste zu sein.
Nichts konnte man ihm nachweisen, weil nichts gefunden wurde.
Weder in seiner Wohnung, noch auf seinen Konten.
Aber da gab es ja noch die Vergewaltigung an seiner Frau, dahinein stürzten sich nun die Beamten.
Immer wieder wurde er dazu befragt und immer wieder beteuerte er inzwischen seine Unschuld. Er hat sich seine Geschichte zusammengesponnen und scheint damit auch durchzukommen.
Siegfried behauptete von nun an felsenfest, dass er Edda nicht überfallen hätte.
"Im Gegenteil,", sagte er, "sie hätte ihn gebeten zu kommen. Wieso auch immer? Sie hätte ihm verführerisch gekleidet die Tür geöffnet und irgendwann überkam es sie beide und es kam zum einvernehmlichen Sex miteinander. Danach verabschiedeten wir uns dann beide freundschaftlich und Edda schloss die Tür hinter mir. Was dann geschah? Ich weiß es nicht! Vielleicht waren es ja diese Einbrecher, die sie so zugerichtet haben, dass sie nicht mehr wollte und sich die Pulsadern aufschnitt."
"Aber Herr Siebert!", sagt der Untersuchungsrichter, welcher Siegfried gegenüber sitzt: "Bei Ihrer ersten Vernehmung haben sie noch ganz anders gesprochen. Was soll das also?"
Siegfried senkt seinen Blick und nuschelt etwas vor sich hin.
"Was haben sie gesagt, Herr Siebert?", will der Untersuchungsrichter wissen.
"Ich war doch so aufgeregt und verwirrt und wollte einfach meine Ruhe haben. Können sie das verstehen?" antwortet Robert.
"Und wie erklären sie sich die Anzeige ihrer Frau?", hakt nun sein Gegenüber nach.
"Edda hat einen neuen Partner, der verwöhnt sie zu sehr. Sie nimmt alles anders wahr. In Wirklichkeit war unser Sex nie anders, als an jenem Tag.", erwiederte Siegfried darauf.
Siegfried bleibt bei dieser Aussage,
Tag für Tag.
Die Beamten können ihm nichts nachweisen, da Edda alle Spuren selbst beseitigt hat.
Nach 14 Tagen darf Siegfried das Untersuchungsgefängnis verlassen, da man davon ausgeht, dass keine Fluchtgefahr besteht.
Jedoch mit dem lebenslangen Verbot sich der Wohnung und der Person Edda's nicht weiter als bis auf 300m zu nähern.
Siegfried ist ein freier Mann.
Aysel wurde als viertes Kind und erstes und einziges Mädchen ihrer Eltern in Deutschland in Gelsenkirchen geboren. Sie wuchs nur unter Türken auf und sprach kein einziges deutsches Wort als sie eingeschult wurde. Dies war zunächst nicht weiter schlimm, weil mehr als die Hälfte der Klasse ohnehin kein Deutsch sprach.
Â
Aysel lernte jedoch in einer unfassbaren Geschwindigkeit die deutsche Sprache in Wort und Schrift. Sie vermied es jedoch öffentlich besser zu werden als der schlechteste türkische Junge. Dadurch gewann sie schon in der Grundschule den Respekt und die Anerkennung ihrer gleichaltrigen und später auch älteren männlichen Mitschüler. Diese Anerkennung blieb innerhalb der Familien jedoch verborgen.
Bereits als Achtjährige unterrichtete Aysel heimlich in den Klassenräumen der Schule dutzende türkischer Kinder in deutscher und türkischer Sprache in allen Grundschulfächern, einschließlich Religion. Ihre Fähigkeit den Unterrichtsstoff, insbesondere aber auch ihnen ihre Religion zu vermitteln, führte zu einer enormen Leistungssteigerung ihrer männlichen Mitschüler. Die Jungen konnten zu Hause mit ihrem Wissen in Religion prahlen und erhielten dafür Lob und Anerkennung durch ihre Eltern, insbesondere durch ihre Väter. Aysels Verdienste blieben dabei unerkannt.
Lob und Anerkennung durch die Familie führten zu weiteren Leistungssteigerungen der Kinder, die jetzt noch mehr auf Aysels Fähigkeiten angewiesen waren. Sie gaben Aysel einen Teil ihres Taschengeldes, wovon sie Lehrbücher in Englisch, Französisch und weiterer Unterrichtsinhalte der nächsthöheren Schule, dem Gymnasium, erwarb. Sie eignete sich dieses Wissen selbst an und lehrte es den Kindern. Über 40 Jungen türkischer Abstammung erwarben so die Qualifikation fürs Gymnasium. Ein ungewöhnlicher Vorgang.
Aysel selbst kam lediglich auf die Hauptschule, die Basisschule. Der Kontakt zu den Jungen blieb erhalten und gemeinsam lernten sie den Stoff fürs Abitur und wieder nur mit Aysels Hilfe erreichten alle Schüler letztendlich die Hochschulreife und gingen später zur Universität.
Als Aysel mal im Alter von 12 Jahren von ihrer Mutter ermahnt wurde, mehr im Haushalt zu tun, sprach ihr Vater ein Machtwort. "Aysel ist mit wichtigeren Dingen beschäftigt", sagte er. Mehr nicht. Während ihre Mutter und Brüder nicht wussten was ihr Vater meinte und auch nicht fragen wollten, Vater war ohnehin sehr wortkarg, erkannte Aysel, dass ihr Vater sehr wohl wusste, was hier seit Jahren ablief und damit auch alle anderen Väter. Sie war ein Geheimnis, ein Thema, von dem viele wussten, über das kaum Jemand sprach. Diese wenigen Worte ihres Vaters waren die größte Anerkennung ihrer Leistungen, die sie je erhielt. Aysel hatte sich einen Respekt erworben, der erbracht wurde von ihrem und von den Vätern der anderen Kinder, von dem sie bis dahin selbst nichts wusste.
Mit 18 Jahren heiratete Aysel den Mann, dem sie versprochen war und den sie bis dahin nicht kannte und zog zu ihm in die Türkei. Sie wurde schwanger. Im achten Schwangerschaftsmonat wurden Aysel und ihr Mann Opfer eines Raubüberfalls, bei dem ihr Mann ermordet und den sie selbst nur knapp überlebte. Ihr noch ungeborenes Kind verblutete. Ihre eigenen Verletzungen waren so schwer, dass sie nie wieder Kinder bekommen kann.
Als Witwe, wenn auch erst 19 Jahre jung, die keine Kinder mehr bekommen konnte, war sie unverheiratbar. Zum ersten mal trafen sich alle ihre früheren Schüler mit ihren Vätern im Beisein des örtlichen Geistlichen und sie kamen zu dem Ergebnis, dass Aysel nunmehr das Recht und die Pflicht habe, für sich selbst mit Unterstützung aller beteiligten Familien zu sorgen.
Gemeinsam ermöglichten und finanzierten sie ihr jetzt eine Schulausbildung zum Abitur und die anschließende Hochschulausbildung bis zum Erwerb des Doktortitels.
Aysel hatte jedoch auch ihre Schattenseiten. So interessierte sie sich in keinster Weise für die Interessen anderer Frauen. Sie förderte nur noch, wer ihr nützlich war. Die einmal gewonnene Macht, wollte sie nie wieder verlieren sondern immer weiter ausbauen, was ihr auch gelang. Sie war eine allgemein anerkannte Respektsperson, deren Wort Gewicht hatte und sie verstand es, dieses Gewicht geschickt in jede Waagschale zu werfen. Sie leitete die Finanzen mehrerer Familien und machte sie und sich selbst, zu Euro - Millionären. Doch davon wussten nur ihr Vater, die Väter der übrigen Familien und die von ihr geförderten Söhne.
Ihre Mutter und ihre Brüder wussten davon nichts. Die Väter traten weiterhin als unbedarfte Obsthändler in Erscheinung, deren Söhne als Ärzte, Anwälte und Politiker arbeiteten.
Aysel interessierte sich auch nicht für Edda oder Robert. Es erschien ihr nur klug so zu handeln. Im Interesse ihres Bruders Bülent, viel wichtiger jedoch, im Interesse der Familien. Sie selbst hatte in der Computer - Wirtschaft genug gute Kontakte um mit dem Wegfall Nicos, der ja als Informatiker gutes Geld verdient hatte, ein von ihr ausgewähltes Familienmitglied einzubringen.