Das Leben ist (k)ein Kindergeburtstag
Meine Tochter feierte am letzten Samstag ihren zehnten Geburtstag. Ein ganz besonderes Ereignis. Zum ersten mal eine zweistellige Zahl. Dazu hatte sie einige ihrer Freundinnen eingeladen.
Zuerst wollten wir im Garten grillen und dann durften sie bei ihr im Zimmer übernachten. Dazu musste ich den Eltern versprechen, dass spätestens um 22 Uhr Ruhe herrschen sollte.
Wir hatten alles vorbereitet. Wir hatten Grillholzkohle, fränkische Bartwürste,
Steaks, Semmeln und Kartoffelsalat. Mein 15 jähriger Sohn David zog es vor, nicht am Abend dabei zu sein. Er meinte, ihm reiche schon eine von der Sorte. Für eine ganze Horde 10 jähriger würde ihm der Nerv fehlen.
Da nach meinen Nerven niemand fragte, organisierte ich den Abend.
Nach und nach trudelten die kleinen Gäste ein. Der Geräuschkulisse nach konnte man denken, manche der Mädchen hätten sich zehn Jahre nicht mehr gesehen. Dabei waren sie erst gestern noch zusammen in der Schule. Als die Kohle glühte und bereit war Rohes in Schmackhaftes zu verwandeln, bat ich um Aufmerksamkeit.
„Also. Wir haben Steaks und Brodwürschd. Wer möchte was?“ Alle Mädchen wollten Bratwürste. Blieb also für Papa mehr Steak. „Als Beilagen haben wir Semmeln, Brot und Kartoffelsalat“, fuhr ich weiter fort „Ketchup und Pommes!“, rief mir die versammelte Menge entgegen.
Das tat meinem fränkischen Herzen natürlich in der Seele weh. Fränkische Bartwürste mit Pommes und Ketchup. Wo gab es denn so was. Ich versuchte noch die verirrte Jugend auf den rechten kulinarischen Weg zu bringen und ihnen die normalen Beilagen schmackhaft zu machen. Doch meine Frau erklärte sich dazu bereit, die begehrten frittierten
Kartoffelstäbchen zu zubereiten
Fehlten noch die .Getränke. Alle wollten natürlich Cola oder zumindest dieses Cola-Orangenmischgetränk, das bei uns als Spezi bekannt ist. Ich kannte nicht alle Freundinnen meiner Tochter, doch eines dieser Mädchen war die Tochter dieses Tabak- und Zeitschriftenladen Besitzers am Marktplatz. Die Kleine war genauso eingebildet wie ihr Alter und sagte doch tatsächlich: „Aber bitte in einem sauberen Glas.“ Als ich dann die Getränke und Gläser brachte, konnte ich mir diesen Witz einfach nicht verkneifen und fragte: „Für wen war das saubere Glas?“
Ich erntete allgemeines Gelächter. Nur
meine Tochter gab mir mit einem Blick zu verstehen, dass ich mich mit meinen Witzen etwas zurückhalten sollte.
Nach dem Essen spielten wir dann noch Spiele, wie sie Zehnjährige eben so spielen. Irgendwann war es dann Zeit, zu Bett zu gehen. Schließlich hatte ich den Eltern versprochen, dass ab 22 Uhr Ruhe sei. Die Mädchen hatten sich Luftmatratzen und Decken mitgebracht, um diese im Zimmer meiner Tochter aus zu breiten und so die Nacht zu verbringen. Als auch meine Frau und ich zu Bett gingen, sagte ich zu meiner Frau: „Ich trau dem Frieden nicht. Die feiern da oben bestimmt ihre kleine Party weiter.“ Meine Frau meinte, dass die
Kinder hundemüde waren und bestimmt gleich schlafen würden. Davon musste ich mich natürlich überzeugen.
Ich schlich mich also im Dämmerlicht nach oben und öffnete vorsichtig die Türe. Im Zimmer war es dunkel und die Mädchen schienen tatsächlich zu schlafen. Vielleicht taten sie auch nur so. Ich schloss also die Türe wieder, wobei mir irgendwie die Klinke aus der Hand rutschte und sich die Tür mit einem lauten Knall schloss. Im Dämmerlicht stieß ich dann auch noch an diese Kommode im Flur, auf der diese dämliche Vase meiner Schwiegermutter stand. Die Vase fiel dann auch prompt um, kullerte von der Kommode und
zerschellte auf dem Fußboden. Ich sammelte die Scherben auf und legte sie zurück auf die Kommode. Inzwischen stand meine Frau unten an der Treppe, die Hände in die Hüften gestemmt und eine bösen Blick zu mir sendend. „Was machst du denn da?“, zischt sie zu mir hoch. „Ich seh nur nach dem Rechten“, flüsterte ich zurück, während ich die Treppe wieder hinab stieg.
„Komm jetzt ins Bett und lass die Kinder schlafen!“, befahl meine Frau. Aber als ich im Bett lag, konnte ich einfach nicht schlafen. War da nicht ein Geräusch, ein Kichern? Lasen sie sich etwa die ganze Nacht Gruselgeschichten im Schein der Taschenlampe vor?
Ich musste einfach nochmal nachsehen. So leise wie möglich wälzte ich mich aus dem Bett, um meine Frau nicht zu wecken. Aber sie hatte einen leichtern Schlaf, als ich gedacht hatte. „Was ist denn nun schon wieder?“, murmelte sie. „Ich muss aufs Klo“, log ich. Ich dachte, sie würde sich wieder umdrehen und weiter schlafen. Aber nein, sie stand ebenfalls auf. „Willst du mich etwa begleiten?“, fragte ich. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich will nur verhindern, dass du die Kinder weckst“, meinte sie. Ich musste mir also was anderes einfallen lassen und machte mich schon mal auf den Weg, Richtung Toilette. „Na sowas“, sagte ich. „Jetzt
muss ich tatsächlich.“ Man sollte nicht für möglich halten, wie laut eine Toilettenspülung in der Nacht sein kann.
Meine Frau stand noch immer mit verschränkten Armen im Flur. Aber ich begab mich nicht ins Schlafzimmer, sondern in die Küche. „Jetzt hab ich Durst“, antwortete ich dem fragenden Blick meiner Frau. Ich öffnete den Kühlschrank und holte eine halb volle Flasche Cola heraus, nicht ohne verhindern zu können, dass die Flaschen, die sich in der Kühlschranktür befanden an einander klirrten. Von der Küche aus konnte man am besten hören, was im Zimmer meiner Tochter los war. Da meine Frau mir gegenüber stand, blieb
mir nichts anderes übrig, als ein Glas aus dem Schrank zu holen, in das ich die Cola goss. Langsam setzte ich das Glas an meinen Mund und lauschte gleichzeitig, ob von oben was zu hören war.
Langsam wurde sie ungeduldig. „Jetzt komm endlich ins Bett, bevor die Kinder noch aufwachen!“
Ich leerte das Glas in einem Zug. „Glaub mir, die sind wach. Die warten nur darauf, dass unten alles ruhig ist und sie dann ihre kleine Party feiern können. Dabei hab ich den Eltern versprochen, dass ab 22Uhr Ruhe ist.“ „Ja“, entgegnete sie.“Und jetzt ist es 2 Uhr und der einzige, der keine Ruhe gibt bist
du.“
Entweder war die Cola zu kalt, oder der Schluck zu groß. Jedenfalls rumorte es in meinem Magen und ich konnte einen ordentlichen Rülpser nicht verhindern. „Du bist unmöglich“, zischte meine Frau. „Jetzt geh endlich ins Bett!“ Vielleicht hatte sie ja Recht und ich machte mir umsonst Gedanken. Ich ging zu Bett, aber schlafen konnte ich nicht. Irgendwann mussten mir dann doch die Augen zu gefallen sein, denn auf einmal stand meine Tochter neben mir. „Papa, Frühsück ist fertig“, sagte sie und verließ wieder das Schlafzimmer. Ich war wie gerädert. Ich konnte höchstens 2 Stunden geschlafen haben. Nachdem ich
mich etwas frisch gemacht hatte, ging ich ins Esszimmer. Auch die Mädchen sahen ziemlich müde aus. Sollte sich mein Verdacht also doch bestätigen?
„Guten Morgen“, grüßte ich sie. „Und habt ihr auch alle gut geschlafen?“ „Wie denn?“, murmelte eines der müden Mädchen. „Aha“, rief ich. „Hatte ich also doch Recht und ihr habt die ganze Nacht...“ Weiter kam ich nicht, denn da unterbrach mich meine Frau. „Jasmin, sag meinem Mann, was du mir gerade gesagt hast.“ Die müde Jasmin konnte ihre Augen kaum offen halten. „Wir konnten nicht schlafen, weil sie die ganze Nacht im Haus herum gegeistert sind.“ „Ja“, ergänzte ein anderes
Mädchen. „Aber der Rülpser war nicht von schlechten Eltern.“ Jetzt musste alle herzhaft lachen.
Ich versprach, dass ich ihnen das nächste mal gleich vertrauen würde, wenn sie versprechen würden, dass das nächste mal erst in 10 Jahren sein würde.
Denn ich denke, so eine Nacht halt ich nur alle 10 Jahre aus.