Kapitel 8
Wulfi saß neben dem Bettchen aus Wolken und wiegte die kleinen Zicklein hin und her. Dabei summte er leise vor sich hin und war so in Gedanken versunken, dass er die Hoheitixe nicht kommen hörte. "Oh, meine Babixe sind geschlüpft!", rief Krösoline voller Entzücken und wollte eben eines der Babixe aus dem Bettchen nehmen. "Oh, Gott, großer Arlaxius, das ist doch noch zu früh fürs Schlüpixen. Geht es den Kleinen gut?", fragte die besorgte Mami. Wulfi war zwar kein Intelligenzbolzen, doch er nutzte die Gelegenheit. "Schon euer Hoheitix, doch sie sind Frülixe und brauchen unbedingte Ruhe. Die Zwerge sind in den Wald gegangen, um dort Kräutlein zu suchen, die eure Babixe kräftigen. Ich soll aufpassen, dass niemand sich den kleinen Würmchen nähert, bis die Zwerge zurück sind!", flüsterte Wulfi, der wohl sehr überzeugend war. Krösolix und seine Frau zogen sich leise zurück. "Ich werde zwei Aufsichtixe vor dieses Gemach stellen, die jeden Besucher zurückredixen. Ihr Herr Wolf achtet auf die Kleinen und bei jeder Veränderix will ich Bescheidix haben!", sagte der König der Arlaxianer laut. Alle Anwesenden machten: "Pssstttt!" So schlich der Papa der Kleinen auf Zehenspitzen aus dem Zimmer.
Wulfi fiel ein Stein vom Herzen. Er lächelte vor sich hin. Wenn das hier gut ging und die echten Babixe zurück waren, dann würde man ihm nie wieder die ollen Wackersteine in den Bauch legen, um ihn dann zu ertränken. Das wünschte sich der einsame Wolf seit ewigen Zeiten. Er wünschte sich auch Freunde, doch alle sahen in ihm nur den Kinderschreck. Ob er wohl jemals einen Freund haben würde?
Während Wulfi wieder seine Gedanken nachhing, beredeten Schneewittchen und ihre Freunde einen gut ausgeklügelten Plan. "Na, liebe Frau Holle, ist das für sie machbar?", fragte Eddi höflich. "Ist der Papst gläubig, du kleiner Mann?", antwortete Frau Holle und grinste, wie ein Honigkuchenpferd. Und wie sie verstanden hatte. Ihre Heimkehr hing von dieser Mission ab. "Mission impossibel!", jubelte die alte Dame, die jeden Krimi, jeden Thriller verfolgte. Das war schon eine Passion! Nun sollte sie eine Hauptrolle spielen und wer, wenn nicht sie, könnte das auch!
So schlich die Gruppe dorthin, wo Frau Holle Rumpel gesehen hatte. Ich war die Vorhut und spionierte die winzige Höhle, die eher ein Felsvorsprung war, aus. Rumpel hatte die beiden Eier, die riesig groß geworden waren, in eine Art Nest gelegt. Wie in seinem Märchen hatte er eine Feuerstelle angelegt, um die er wie wild herumsprang. "Heute, back ich, heute brau ich und dann verschwind ich mit der Königinnen Kind. Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelheinzchen stieß! Nee, quatsch, dass ich Heinzchens Rumpel hass, dass ich Hasselröder mag? Verdammt und zugenäht, ich weiß, wie man aus Stroh Gold spinnt, aber diesen bescheuerten Spruch kann ich mir einfach nicht merken. Die Brüder Grimm müssen entweder zu besoffen oder zu nüchtern gewesen sein, als sie das schrieben!" tobte das Rumpelstilzchen. Wieder hüpfte er wie wild umher und versuchte sich an dem Spruch, der ihm aber einfach nicht gelingen wollte. "So, ein Mist, wie heiß ich eigentlich? Was mach hier und warum will ich die Bälger dieser komischen Aliens? Für ein Omelette sind die doch zu groß, und wenn sie geschlupft sind, sehen sie noch unappetitlicher aus. Also, verdammt und zugenäht, was will ich mit der Brut?"
Rumpel verhielt sich, wie ein Irrer und trat letztendlich gegen eines der Eier, das nicht nur einen Sprung dadurch bekam, sondern auch jammerte. Es ging mir sosehr ans Herz, dass ich die anderen heranholte und ihnen die Situation erklärte. Rumpel wütete, wie ein Berserker und gerade als er das kaputte Ei über sich hielt, um es vom Berg zu stürzen, griffen wir ein.
"Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß!", schrie ich aus vollem Halse, damit Rumpel das Ei hinlegte. Total verwirrt sah er mich an. "Rumpelstilzchen? Ich kenn den Namen, er kommt mir bekannt vor!", sagte Rumpel und rollte verwirrt und reichlich irre mit seinen Augen. "Kein Wunder, dass er dir bekannt vorkommt, es ist ja dein Name!", sagte ich leise. Erschrocken legte Rumpel das Ei ab. "Mein Name? Und warum singst du hässlicher Zwerg, es wäre dein Name?" fragte der verwirrte Knollengnom. "Ist alles gut, Rumpel, wir sind deine Freunde und wollen dir helfen. Gib uns die Eier und komm mit. Wir gehen frühstücken!"
Rumpel sah jeden von uns an, einen nach dem anderen. Er begann wohl, sich zu erinnern. "Wittchen eigentlich warst du meine erste Wahl, die Bauerstochter war mir viel zu blöd. Doch die da!", er zeigte auf Eddi und mich "die, dort ließen dich keinen Augenblick aus den Glupschaugen. Selbst als ich mit deiner Stiefmutter gemeinsame Sache machte, flog das auf. Der Kamm war meine Idee. Aber das die Ziege dich umbringen wollte, das konnt ich nicht zulassen. Als ich die Äpfel austauschen wollte, hat die Alte mich erwischt und in den Weinkeller gesperrt. Seit dem bin ich Rumpel, und ich bin süchtig!" Rumpel hatte sich hingehockt, und als er seine Sucht beschrieb, stand er auf. Er weinte und es tat mir unendlich leid. Was Rumpel da grad durchmachte, war ein kalter Entzug. Ich las viel aus der Menschenwelt und da kam mir das unter.
Ich ging langsam auf Rumpel zu, der riesige Augen bekam. Er ging rückwärts und schnappte sich das angeschlagene Ei. "Wer bist du, du hässliche Figur? Und wer bin ich nur?", schluchzte er, als er sich das zweite Ei schnappte. Ich antwortete absichtlich nicht, doch Eddi interpretierte mein Schweigen falsch. "Man, wie oft noch, du durchgeknallter Gnom? Du heißt Rumpelstilzchen!"
Dann überschlugen sich die Dinge. Wittchen schrie Frau Holle an: "Jetzt, schnell, das ist ihr Stichwort!" Rumpel hob das Bein, um aufzustampfen. Er schrie voll vom Wahnsinn begleitet: "Das hat dir der Teufel gesagt!" Frau Holle verdrosch ihr Daunenbett und rundum schneite es, aber vor allem fror die Erde in Sekunden metertief ein. Rumpel stieß immer wieder mit seinem Fuß auf, um in der Erde zu versinken und mit ihm sollten die arlaxianischen Kids verschwinden. Doch Rumpel hatte die Rechnung ohne Frau Holle gemacht. Der Boden war zu gefroren, um sich zu öffnen. Wittchen und ich stürzten auf Rumpel zu und nahmen ihm die Eier weg, in denen viel, wirklich viel Bewegung war.
Das Rumpelstilzchen brach zuerst zusammen und dann in Tränen aus. "Ich wollte doch nur Gesellschaft haben und ein Wesen, das mich lieb hat und dass ich lieb haben kann! Warum bin ich seit so vielen Jahrhunderten zur Einsamkeit verdammt?", weinte der winzige Mann, der äußerlich nichts Schönes an sich hatte. Zumindest auf der Erde, war er nun mal keine Schönheit. Das war hier so ganz anders und doch wollte er die Babys der Hoheiten klauen. Als ich ihn danach fragte, sagte er leise und beschämt: "Ist wohl die Macht der Gewohnheit!" Dann schwieg das Rumpelstilzchen und fügte sich unseren Anweisungen.
Wir schlichen ins Schloss und es war dunkel. Das war gut, denn so kamen wir unbemerkt auf unser Zimmer. Frau Holle legte sich erschöpft aufs Bett und schlief sofort ein. Die Eier legten wir auf die zauberhafte Daunendecke und sofort wurde es ruhig in ihrem Inneren. Wulfi erzählten wir von unserm Abenteuer und er von seinem. "Komisch, vor der Tür hätten zwei Aufis stehen müssen?", sagte er. Ehe Wulf weiterfragen konnte, erklärte Wittchen: "Meinem Lachen kann hier wohl kaum einer widerstehen und sie folgten mir, während die anderen hier hereinschlüpften. Apropos schlüpfen! Schaut nur, was da abgeht?"
Die beiden Eier drehten sich in jede Richtung. Wir passten auf, dass keines vom Bett fiel. Eine halbe Stunde ging dieser Kampf, dann hatten sich zwei zauberhafte Babixe aus ihren Schalen befreit. Der kleine Seher war nicht blind, wie angenommen. Der königlixe Spross tappelte ungeschickt auf Rumpel zu. "Mamix?", fragte er und ließ sich in Rumpel dünne Arme fallen. Dieser umarmte das kleine Wesen. Solch ein Glücksgefühl hatte Rumpel noch nie gespürt. Der Nachwuchs der Hellseher fasste sich vor die Stirn. "Nix Mamix!", sagte der Kleine mit einer geheimnisvollen Stimme. In meinem Gehirn kam eine deutliche Botschaft an. "Bringen zur Hoheit!", konnte nur von dem kleinen Seher stammen. Ich nickte! Dann schlugen wir die Babys in kuschlige Handtücher ein. Wittchen trug den Seher und Rumpel den kleinen Königssohn.
Die Hoheiten, die jegliche Festivitätix abgebrochen hatten, weil sie in Sorge um ihre Kinder waren, liefen unruhig im Thronsaal hin und her. Doch dann kamen wir und brachten ihnen zwei gesunde Knaben, die ihre Eltern sofort umarmten und gar nicht wieder losließen. Rumpel brach es fast das Herz.
In der Nacht besprachen Krösolix und wir unsere Heimkehr. Man bot Rumpel an, auf dem Planeten Arlaxia zu bleiben, doch mit einem Blick auf mich, lehnte er freundlich ab. Rumpel war bekannt, dass sich sein Märchen, samt seiner Figur auflösen würde und das wollte er dann auch nicht. Wittchen spielte mit dem königlichen Nachwuchs und lachte dabei ihr glockenhelles Lachen. Krösolix drehte sich, wie in Trance zu ihr. "Ihr seid euch sicher, ihr Menschen, dass ihr gehen wollt? Feiert doch erst einmal die Geburtix unserer Nachwuchslixe mit uns!", sagte er ohne seinen Blick von unserem Wittchen zu nehmen.
Krösoline stand auf. "So, nun lasst ihr die Erdlinge auf ihren Planeten zurückbringen, lieber Gatte. Ihr habt es ihnen versprochen und ein arlaxianisches Versprechen gilt über das Universum hinaus." Krösolix zog seinen Kopf ein und nickte dabei. Sein Weibchen war überaus klug und bemerkte jede Stimmung. Ein Weibchen neben sich würde sie niemals dulden, das wusste der König. Er rief Aralix und Beralix heran, die beiden Piloten, die die Fremdlinge vor scheinbar unendlicher Zeit hierher brachten.
Wir verabschiedeten uns von allen. Das Volk der Arlaxianer hatte uns zwar entführt, aber für unser seelisches und leibliches Wohl gesorgt. Die Aufregungen kamen mehr von unseren Kollegen. Wieder wurde ich in ein Glasix gesperrt und schlief ein. Als ich wach wurde, blinzelte die Sonne durch die Bäume und die Vöglein zwitscherten. Ich war mir sicher, ich war zu Hause!
Bis zu dem Moment, als sich ein grinsendes grünes Gesicht über mich beugte. "Du hast dem König was gegen die Langeweile versprochixt. Hältst du das auch?", fragte der lila Mund in dem grünen Gesicht. Ich tastete mich bzw. meine Kleidung ab, die wieder die Meine war. "Ja klar mach ich das!", sagte ich und gab dem Piloten Aralix ein Comicheft von allen Superhelden sowie ein Buch. Sein Titel: "Grimms Märchen".
Dann lachte ich laut. "Ist schon ein wenig überholt, aber ich hab´s versprochen, wir arbeiten daran!" Ich hörte anschließend ein "Tschuhiiiii" über mir und die Aliens waren weg. Auf der Wiese schliefen all meine Freunde. Nur Rumpel saß da, wie ein Häuflein Unglück. Doch das würde sich ändern, ich hatte es versprochen. Und wenn wir nicht gestorben sind, haben wir es verändert und leben noch immer!
© Simone Scheuing 2013