Kapitel 4
Das Fest zur könixlichen Eiablage musste man wegen der Entführung durch Rumpelstilzchen auf den folgenden Tag verlegen. Den Arlaxianern kam das gerade recht, denn sie wollten die vielen Erlebnisse auf möglichst viele Tage verteilen, um so die Langeweile zu bekämpfen. Dumm war dieses Völkchen ja nicht, das musste ich ihnen zugestehen. Es wollte mir zudem unbedingt eine Partnerin für die Festivitäten zur Seite stellen und ich war durchaus einverstanden. Immer wieder beschrieb ich mein zauberhaftes Schneewittchen. Ein Nachteil war, dass ich nicht genau wusste, was sie am Tag der Entführung für Klamotten trug.
Für ihre Bekleidung hatte Wittchen extra ans Zwergenhaus anbauen lassen. An den freien Tagen trug sie gerne Jeans oder Shorts, je nach Witterung. Manchmal aber entschied sie sich auch für einen Minirock, nämlich immer dann, wenn sie von uns Zwergen etwas Besonderes wollte. Nicht was ihr denkt! "Erzi, komm, geh mit mir shoppen!", oder "Eddi, kannst du mal die Holzböden schrubben?", oder ganz gemein: "Ach all ihr meine lieben Sieben, könnt ihr euer Fußballspiel im TV nicht verschieben? Ich tät genau an diesem Abend einen Mädchenabend geben. Es ist als einziges Weib so einsam hier mein Leben!" Witti wusste, wie sie uns um ihre zarten weißen Fingerchen wickeln konnte. Allein schon, wenn sie anfing zu reimen. So kam es dazu, dass ich Wittchens derzeitige Bekleidung nicht beschreiben konnte.
In den Glasixsaal, der bereits überfüllt von den verschiedensten Lebewesen war, wollte man mich nicht hineinlassen. Man erwischte mich zweimal, als ich es heimlich versuchte und dann bekam der Glasixsaal ein Schloss vor die Tür. Das war wieder Gesprächsthema eins für einen ganzen Tag bei den Arlaxianern. Doch ich weiche ab.
Ich beschrieb mein Wittchen haarklein und hoffte darauf, dass man sie mir heute zur Seite stellen würde. Das Fest würde am frühen Nachmittag beginnen und mein Leibix, also der Diener, den man mir zur Seite stellte, war ein Leibix, schob mich wieder einmal ins Badix und kleidete mich prächtig ein. Ich wunderte mich schon, dass er solange an Haupthaar und Bart beschäftigt war, als er das Geheimnis lüftete. Leibi, wie ich ihn nannte, hatte den Spiegel absichtlich abgedeckt, damit seine Arbeit zu einer Überraschung wurde. Das war es dann auch. Ich hatte ihm so vertraut und nun das! Gerade wollt ich lostoben und meiner Wut freien Lauf lassen, als ich Leibis erwartungsvollen Blick sah. "Und liebe Erzharzlixkeit, wie gällt es?", fragte er doch tatsächlich. "Grässlich, graulich, gar nicht!", wollte ich schreien. Stattdessen verzog ich mit einigen Mühen mein Gesicht zu einer Art Lächeln. "Ähm, sehr ungewöhnlich für einen Zwerg, dieser lila drei Millimeter Haarschnitt!", grummelte ich mir in meinen ebenfalls lilafarbenen Bart. Den hatte Leibi Gott sei Dank ansonsten nur gelegt. Freudestrahlend übergab er mir meine passend dazu lila eingefärbte Zipfelmütze. "Ich hab sie dunkler gehaltixt, damit sie abstixt von den helllila Haarixen!", betonte der Leibix, dem ich am liebstix an den Halsix gesprungsixt wärixt! Wenn Wittchen mich so sieht, nachher, sie wird sich nicht einkriegen vor Lachen, da war ich sicher. Das die Farbe und die Frisur, sowie die lila Mütze heut mein kleinstes Problem werden würde, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Als ich mein Gemach verließ, waren auf den Fluren dieses Schlosses überall Kerzelixe angezündet, die sich im glänzend aufgearbeiteten Wandschmuck aus Schrott so zauberhaft widerspiegelten. "Hat uns das Fräulein Rumpel vorgeschlagen, damit ihr euch heimixer fühlt hier!", flüsterte Leibi stolz. Man tat so Einiges, um es uns ein wenig gemütlicher zu machen, was ich eigentlich ganz nett fand. Wenn man mir nun mein Wittchen noch an die Seite setzte, dann wär die arlaxianische Welt für mich in Ordnung, auch als kleiner lila Zwerg.
Als einer der letzen Gäste betrat ich den großen Saal, der mit Blumen und Kerzlixen und bunten Bändern geschmückt war. Alle im Saal trugen lila Kleidung. Auch eine Idee von Fräulein Rumpel, die erzählt hatte, wie sehr Zwerge auf die Farbe lila stehen. Nun eine Person jedoch trug eine Art rotes Käppchen, nämlich die, die neben meinem leeren Platz stand. Toll kein Wittchen, sondern Rotkäppchen. Was sollte ich mit diesem Kind, das zugegebenerweise recht hoch aufgeschossen war. Zunächst aber wollte ich Rumpel an den Hals gehen. Doch der hielt grinsend zwei, wie kann es anders sein, lila Eier in den Armen und wiegte sie hin und her. Das würde ich dem Knollengnom heimzahlen und er wusste das. Rumpel wusste aber auch, dass er, solange er die königliche Brut im Arm hatte, sicher vor mir war.
Krösolix erhob sich und seinen Kelch auf sein Weib, seine Brut und auf uns. Er lächelte mit seinem Schweinegrinsen auf uns herab, wie auf seine lieben Kinderlein, von denen es schon Unmassen geben musste, denn die Krösoline war ständig in guter Hoffnung. Es war hier auf Arlaxia wie in der Ameisenwelt. Nur die Königin bekam Nachwuchs und der wurde letztendlich auf ihr Volk aufgeteilt. So hatte jeder Arlaxianer, ober wollte oder nicht ein Kind oder zwei oder drei oder..... na ja, je nachdem wie fleißig die Königin Eier legte.
Nach dem Tischspruch durften wir endlich essen. "Du bist ganz schön gewachsen!", sagte ich zu Rotkäppchen. "Na ja, wir haben uns ja lange nicht gesehen!", antwortete die liebe Kleine mit einer erstaunlich tiefen Stimme. Ich nickte, denn es stimmte. Dem Rotkäppchen lief ich selten über den Weg. Ja sie war echt gewachsen und wahrscheinlich in der Pubertät. Erstaunlich groß waren auch ihre behandschuhten Hände, was ich höflicherweise nicht laut bemerkte. Erst als sie ihr Mahl mit einem wirklich lautstarken Rülpser beendete, erhaschte ich einen Blick in ihr behaartes Gesicht. Nach den riesigen Augen konnte und wollte ich nicht mehr fragen, denn ich hatte nicht das kleine Rotkäppchen vor mir, sondern ihren Widersacher im Märchen, den bösen Wolf, der jeden und alles fraß, was ihm so über den Weg lief.
Rumpel hatte die Eier auf dem Tisch abgelegt und klatschte vor lauter Freude in die schrumpligen Hände. "Nicht aufregen Majestät!", rief er, während der Wolf versuchte, mich zu fangen und zu verspeisen. "Das ist lustig und auf der Erde ist es ein beliebtes Gesellschaftsspiel nach dem Essen, um es zu verdauen!", erklärte das hinterlistige Rumpelstilzchen weiter. So ließen alle ihr Essen stehen, und versuchten den kleinen lila Zwerg zu fangen. Es gelang schließlich Krösolix, der mich hochhielt, wie eine Trophäe.
"Ich hab ihn, hab ihn!", schrie er stolz, währenddessen der Wolf versuchte, mich aus seinen vier Händen zu reißen. Leibix bemerkte als Einziger meine wahre Not und trat dem Wolf kräftig in den Wolfsallerwertesten, der daraufhin herzerweichend heulte. Dann übernahm Leibi mich in seine Obhut. "Der da ist ein böses Wesen, von dem mir mein Herr Erzharz schon erzählte und mich bat, den Hoheiten darüber zu berichten. Doch es kam nicht dazu und so überfiel der Graubart mit den Reißzähnen meinen armen Herrn, um ihn zu verspeisen." Während mein lieber Diener auf den besagten Graubart zeigte, bleckte der blöde Wolf, den man mittlerweile festgesetzt hatte, nun noch seine Zähne, damit sie auch jeder sehen konnte. So glaubte man meinem Leibi, der aus Leibeskräften log, um mich zu schützen. Rumpel warf ihm dafür einen bösen Blick zu.
Ich war völlig erschöpft, sodass man mich in meine Gemächer brachte. Der Wolf bekam zur Strafe ein Tütü angezogen und musste für die Dauer des Festes, das noch ein paar weitere Tage anhielt, darin tanzen und singen. Das Singen verbot man ihm schon nach den ersten fünf Minuten.
Leibi kümmerte sich zauberhaft um mich, denn ich hatte einen Schock erlitten. Der Wolf konnte überhaupt nichts für sein Verhalten. Was die Gebrüder Grimm getrieben hat, diesem sonst so scheuen und wundervollen Geschöpf eine solche Geschichte anzudichten, weiß ich bis heute nicht. Doch Rumpelstilzchen, dieser falsche Knollengnom, dem würde ich das Ganze heimzahlen. Doch dazu brauchte ich Hilfe.
Krösolix und seine Krösoline machten mir am gleichen Abend ihre Aufwartix, um sich nach meinem Befinden zu erkundixen. Ich bat sie bei der Gelegenheit, vielleicht doch all meine sechs Brüder zu dekomprimieren. "Wir erzählen sowieso alle die gleichen Geschichten. Wir sind doch Brüder", versuchte ich die Hoheiten zu überzeugen. Krösolix wollte darüber träumixen.
Als die Hoheiten mein Gemach verließen, hielt ich die Königin an ihrem zarten Handgelenk fest. "Teuerste, achtet gut auf eure Brut! Sie ist in den Händen des Erdenfräuleins nicht sicher!", flüsterte ich. Krösoline nickte und flüsterte zurück: "Ich denk genauso und werde sie im Auge behalten, dieses eigentümliche Fräulein! Ruht euch aus ihr ritterlixes Wesen Erzharzix!" Die Königin auf seiner Seite zu haben war außerordentlich beruhigend.
Leibix setzte sich mit einer Zeitschrift bewaffnet vor mein Bett. Zerknirscht fragte er: "Lila und Kurzhaarix ist nicht das Faforitix des Herrn, nicht wahr?" Ich grinste heute das erste mal ehrlich. "Is besser, als Pink, alter Knabe, dafür hätte ich dich einen Kopf kürzer gemacht!" Leibix lachte. "Pink ist bei uns Schwinelixfarbe, das hätt ich nix gewagt. Nun Herr, geht beruhixt ins Land der bunten Blasen, euer Leibix passt auf euch auf!"
Das beruhigte mich tatsächlich, denn Leibix hatte mich heute schon einmal gerettet. Er wurde mir so nach und nach ein echter, wenngleich auch eigenartiger Freund. Ob ich morgen wohl Verstärkung erhielt? Ich musste doch die grünen Hoheiten und all die anderen Arlaxianer vor Rumpelstilzchens Boshaftigkeiten beschützen! Das war mein letzter Gedanke, dann ging ins Land der bunten Blasen.
Teil 5 folgt! Krösolix ordnet an und Fräulein Rumpel boykottiert!