Journalismus & Glosse
Zu heiß für Eis - Das Eiscafé-Experiment

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"Zu heiß für Eis - Das Eiscafé-Experiment"
Veröffentlicht am 02. Juli 2013, 6 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Geboren und aufgewachsen in Süddeutschland. Lange in Berlin und Hamburg gelebt, später in der Lüneburger Heide. Neuerdings wieder in Berlin. Autor von bisher drei Romanen, von Erzählungen und von Kurzprosa. Eine Buchveröffentlichung: Alle Männer sind Brüder, Roman (BoD Norderstedt 2007). Weitere Werke als eBooks unter www.bookrix.de/-arno.abendschoen gratis lesen und herunterladen!
Zu heiß für Eis - Das Eiscafé-Experiment

Zu heiß für Eis - Das Eiscafé-Experiment

Beschreibung

Eher weniger erfrischend ...

Die Szene ist in ***, einer Kleinstadt gleich hinter der östlichen Berliner Stadtgrenze. An der Hauptstraße nimmt ein Eiscafé das ganze Parterre eines neuen großen Eckhauses ein. Drinnen wie draußen viele Tische, die Mehrzahl besetzt, doch einige noch frei. Hinein! Wir zwei lechzen nach Erfrischung und studieren, Platz genommen, die Eiskarte. Dann warten wir auf die Bedienung.

 

Nach zehn Minuten winkt uns die Serviererin von ferne freundlich zu: Komme gleich. Man weiß, was das bedeutet: Kann noch ein Weilchen dauern. Immerhin ist erst eine Viertelstunde vergangen, als sie an unseren Tisch tritt und den Bestellblock zückt. Nach diesem Vorspiel geht es richtig los, ich sage:

 

Für mich bitte ein Spaghettieis … Sie unterbricht mich sofort sehr entschieden: Nein, das stellen wir bei der Wärme nicht her. – Sonderbare Begründung, die ich noch nie gehört habe, und es sind nicht mehr als fünfundzwanzig Grad. Liegt’s vielleicht am Preis? Das Spaghettieis gehört zum Billigsten auf der Karte. Ich bestelle den etwas teureren Eierlikörbecher – das wird sogleich akzeptiert – und einen schwarzen Tee, womit ich erneut ihren Widerspruch herausfordere: Aber was wollen Sie denn bei der Wärme mit heißem Tee?! – Davon dass man Hitze mit Hitze bekämpfen kann, scheint sie noch nie gehört zu haben. Oder ist es wieder nur eine Preisfrage? Ich sage, leicht verärgert: Also, wenn hier alles nur Probleme macht, dann sind wir vielleicht im falschen Lokal?! – Sie, schon etwas heftig: Ach, ich mein`s doch nur gut, wegen der Wärme … Und leicht gallig fügt sie hinzu: Sie werden doch Spaß verstehen. – Es wird sich noch herausstellen, wem der Spaß zuerst vergeht. Mein Begleiter, Besuch aus Hamburg, hat mit seiner Bestellung keine Probleme. Sie zieht ab, Richtung Tresen.

 

Und dann warten wir. Und warten. Und warten. Wir haben den Tresen ständig im Blick. Da arbeiten mehrere Angestellte. Oder vielmehr: Meistens arbeiten sie nicht, zumindest nicht an unserer Bestellung. Nach einer weiteren halben Stunde beschweren wir uns. Nun kommt eine andere Bedienung, zückt ihren Bestellblock und das Spiel soll noch mal beginnen. Da gehen wir lieber.

 

Draußen stellt mein Begleiter dann die für den Westler naheliegende Verbindung zur DDR-Vergangenheit her. Wiederholt ist er früher drüben gewesen, und er hat da seine Erfahrungen mit Eiscafés gemacht. Zu warm für Spaghettieis, dummdreist sei das, ganz wie früher! Aber ich wehre ab, ich hätte in Amerika mal was Vergleichbares erlebt, in einem Seebad nicht weit von New York, abends in einem Restaurant. Ich wollte keines ihrer Riesenfleischgerichte und wagte es, stattdessen ein Omelett zu bestellen, das auch auf der Abendkarte stand. Sie lehnten mit der Begründung ab: Wir haben keine Eier mehr. Um den Gast zu gängeln, um mehr Umsatz zu machen oder weniger Arbeit zu haben, ist keine Ausrede zu primitiv. Das ist keine Systemfrage.

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Hörbuch

Über den Autor

Abendschoen
Geboren und aufgewachsen in Süddeutschland. Lange in Berlin und Hamburg gelebt, später in der Lüneburger Heide. Neuerdings wieder in Berlin. Autor von bisher drei Romanen, von Erzählungen und von Kurzprosa. Eine Buchveröffentlichung: Alle Männer sind Brüder, Roman (BoD Norderstedt 2007). Weitere Werke als eBooks unter www.bookrix.de/-arno.abendschoen gratis lesen und herunterladen!

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Abendschoen Re: Tja, Herr Abendschoen, ... -
Zitat: (Original von pekaberlin am 23.07.2013 - 17:59 Uhr) ... wenn denn alles sowieso klar ist, lohnt auch keine Glosse mehr!
Ein Bericht, wo die eine Seite redet und die andere Seite dieser Rede ihre eigenen Vorurteile unterstellt, ohne selbst zu reden, kann auch keine Ironie hervorbringen, die dem Leser eigene Gedanken abfordert.
Die Rede der anderen Seite, also du und Begleiter, erfolgt erst, als sie der "Gegner" nicht mehr hören kann - gleicht also einem Urteil.
Und mal im Vertrauen: Wie alt müsste die Kellnerin sein, wenn sie denn noch ernsthaft in der DDR sozialisiert worden wäre?
Manchmal (und auch hier) habe ich das Gefühl, es gibt keine Ossis mehr (haben alle dazugelernt), aber Wessis gibt es noch reichlich.

Liebe Grüße Peter

Peter, du hast einiges missverstanden. Es handelt sich gar nicht um eine Glosse, eher um Journalismus. (Beides hat MyStorys in eine Rubrik zusammengepackt.) Ironie war nicht beabsichtigt, lediglich ein knapper Rapport über das, was man in einem Eiscafé erleben kann.

Offenbar ist dir auch entgangen, dass mein Text sich am Schluss ja gerade gegen das Ost-West-Schema von Erklärungsversuchen wendet. Der reale Dialog zwischen den Beteiligten ist vorher wiedergegeben. Dass Gäste sich hinterher über das Erlebte unterhalten, ist wohl üblich.

Auf einem gastronomischen Bewertungsportal im Internet habe ich zu dem fraglichen Betrieb inzwischen ähnliche Klagen von anderen Gästen gefunden, speziell über überforderte Bedienung am Tisch und ein eklatantes Missverhältnis zwischen nur einer Servierkraft und ständig mehreren unterbeschäftigten Angestellten hinter dem Tresen. Vielleicht liegt da der Hase im Pfeffer.

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Tja, Herr Abendschoen, ... - ... wenn denn alles sowieso klar ist, lohnt auch keine Glosse mehr!
Ein Bericht, wo die eine Seite redet und die andere Seite dieser Rede ihre eigenen Vorurteile unterstellt, ohne selbst zu reden, kann auch keine Ironie hervorbringen, die dem Leser eigene Gedanken abfordert.
Die Rede der anderen Seite, also du und Begleiter, erfolgt erst, als sie der "Gegner" nicht mehr hören kann - gleicht also einem Urteil.
Und mal im Vertrauen: Wie alt müsste die Kellnerin sein, wenn sie denn noch ernsthaft in der DDR sozialisiert worden wäre?
Manchmal (und auch hier) habe ich das Gefühl, es gibt keine Ossis mehr (haben alle dazugelernt), aber Wessis gibt es noch reichlich.

Liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
Abendschoen Re: Zu heiß... -
Zitat: (Original von Carina am 18.07.2013 - 10:09 Uhr) Herzlich Willkommen in der Service Wüste Deutschland.... Leider.
Leider hat es sich bei manchen Geschäftsleuten noch nicht rum gesprochen das man auch mit Kleinigkeiten einen Kunden Glücklich machen kann so das er gerne wieder kommt. Aber für solche Läden sehe ich keine Zukunft.
Ist vielleicht auch besser so.
Übrigens gut geschrieben.
Gruß Carina

Danke, carina, für den freundlichen Kommentar. Im konkreten Fall scheinen mir die Geschäfte allerdings gut zu laufen. Man hat wohl das Monopol dort.

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön
Vor langer Zeit - Antworten
Carina Zu heiß... - Herzlich Willkommen in der Service Wüste Deutschland.... Leider.
Leider hat es sich bei manchen Geschäftsleuten noch nicht rum gesprochen das man auch mit Kleinigkeiten einen Kunden Glücklich machen kann so das er gerne wieder kommt. Aber für solche Läden sehe ich keine Zukunft.
Ist vielleicht auch besser so.
Übrigens gut geschrieben.
Gruß Carina
Vor langer Zeit - Antworten
Rajymbek kann - vorkommen, nur nicht bei uns im Hofcafe Haberloh - wir haben Eis, Torte, Tee und Glühwein selbst bei 30 Grad. Lach

VLG Roland
Vor langer Zeit - Antworten
kullerchen Re: Re: Ich war im Handel, -
Zitat: (Original von Abendschoen am 02.07.2013 - 17:36 Uhr)
Zitat: (Original von kullerchen am 02.07.2013 - 16:00 Uhr) viele Jahre selbstständig und niemals hätte ich einen Kunden so behandelt. Es ging ja um meine Existenz und darum, den Kunden zufrieden aus meinem Laden zu entlassen, damit er A. davon erzählt und B.
wiederkommt.

So ein Sauladen, wie diese Café, da hätt ich es mir privat zur Aufgabe gemacht dafor zu warnen!

Ich war immer eine gute Verkäuferin, konnte aber ein Miststück von Kunde sein (kann ich immer noch) wenn man mir Service oder gar Respekt und Freundlichkeit vorenthält.

Mein armer Hase (mein Mann) kann da ein Lied von singen!

Gut beschrieben, wie´s gehen kann!

LG vom borstigen Kullerchen!


Nun, es liegt wohl auch an der mangelnden Konkurrenz da draußen. In Berlin selbst würde sich so ein Laden nicht lange halten.

Danke für den Kommentar
LG Arno

Kann ich als Berlinerin nur bestätigen. Sorry mir sind da einige kleine Schnitzer unterlaufen. Wenn die Gedanken schneller sind, als die Finger....! :0)
Vor langer Zeit - Antworten
Abendschoen Re: und -
Zitat: (Original von rumpi am 02.07.2013 - 16:39 Uhr) da heisst es immer: der kunde ist könig.

lg,karsten

Ach, wer glaubt denn das noch? König will ich gar nicht sein, nur normal bedient werden.

Danke auch für deinen Kommentar.
LG Arno
Vor langer Zeit - Antworten
Abendschoen Re: Ich war im Handel, -
Zitat: (Original von kullerchen am 02.07.2013 - 16:00 Uhr) viele Jahre selbstständig und niemals hätte ich einen Kunden so behandelt. Es ging ja um meine Existenz und darum, den Kunden zufrieden aus meinem Laden zu entlassen, damit er A. davon erzählt und B.
wiederkommt.

So ein Sauladen, wie diese Café, da hätt ich es mir privat zur Aufgabe gemacht dafor zu warnen!

Ich war immer eine gute Verkäuferin, konnte aber ein Miststück von Kunde sein (kann ich immer noch) wenn man mir Service oder gar Respekt und Freundlichkeit vorenthält.

Mein armer Hase (mein Mann) kann da ein Lied von singen!

Gut beschrieben, wie´s gehen kann!

LG vom borstigen Kullerchen!


Nun, es liegt wohl auch an der mangelnden Konkurrenz da draußen. In Berlin selbst würde sich so ein Laden nicht lange halten.

Danke für den Kommentar
LG Arno
Vor langer Zeit - Antworten
Boris Re: Re: Das Leben ist hart -
Zitat: (Original von Abendschoen am 02.07.2013 - 17:31 Uhr)
Zitat: (Original von Boris am 02.07.2013 - 14:49 Uhr) und die Kellner waren mächtig (in der DDR)
Wie immer gut fabuliert!

LG Jürgen

Ja, waren sie wohl (die Kellner damals). Ich erinnere mich an eine uns peinliche Vorzugsbehandlung im Restaurant Bahnhof Friedrichstraße ca. 1973 - aber das ist eine andere Geschichte.

Danke für den Kommentar.
LG Arno

weil du ein DMler warst!
Vor langer Zeit - Antworten
Abendschoen Re: Das Leben ist hart -
Zitat: (Original von Boris am 02.07.2013 - 14:49 Uhr) und die Kellner waren mächtig (in der DDR)
Wie immer gut fabuliert!

LG Jürgen

Ja, waren sie wohl (die Kellner damals). Ich erinnere mich an eine uns peinliche Vorzugsbehandlung im Restaurant Bahnhof Friedrichstraße ca. 1973 - aber das ist eine andere Geschichte.

Danke für den Kommentar.
LG Arno
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