Am S-Bahnhaltepunkt
Ich stehe an der Kreuzung. Rot. Aus dem Autoradio dudelt Anactacia. Ich mag sie. Kunze und Kathi wollen mich aufwecken: Was für ein schöner Morgen!
Schöner Morgen? Morgen sind nie schön. Oder doch?
Beim Weiterfahren zum S-Bahnhaltepunkt bemerke ich: Der Morgen ist schön, ist etwas ganz Besonderes. Glutrot flammt der Himmel, durchzogen mir goldenen Äderchen. Als ich aus dem Auto steige und zum Bahnsteig gehe, atme ich tief durch. Es duftet leicht nach Blüten. Ein staubiger Geschmack mischt sich drunter. Am Himmel immer noch das gleiche Schauspiel. Ein Backdraft der Natur, besetzt mit den Perlen der goldbedampften Laternen, die den Bahnsteig säumen.
Jäh werde ich aus meinen Träumen geholt. Ein Güterzug rollt heran, bleibt stehen. Sechzehn Panzer heben sich vor dem Morgenrot in ihrem Camouflage dunkel ab.
Glutröte am Himmel, Blut auf der Erde. Friedliche Stille am Morgen. Kriegerische Drohung vor mir.
Größer könnte der Gegensatz nicht sein.
Das Rot des Himmels verblasst langsam, wandelt sich in rosé, durchsetzt mit blassem Blau. Meine S-Bahn fährt ein. Der Tag beginnt.