Beschreibung
In diesem Buch möchte ich über das Leben einer Jugendlichen schreiben. Wir werden sie ein paar Jahre lang in verkürzter Version begleiten. Handlung, Personen, Orte und Zeiten sind frei erfunden und ich beschränke mich nur auf meine eigenen Erfahrungen.
[Bild sowie Texte stammen von mir!]
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Kapitel 1 - Neues Schuljahr
Heute ist mein erster Schultag in der 8. Klasse. Wie immer bin ich schon eine Stunde, bevor mein Wecker klingelt, aufgewacht. Ich bin jedes Jahr wieder aufgeregt. Mein Name ist Katharina. Ich bin nie besonders Kontaktfreudig und beobachte eher meine Mitschüler aus der Ferne. Ich habe mitbekommen, dass wir dieses Jahr einen neuen Mitschüler bekommen, was mich nicht besonders beruhigt. Neue Menschen bedeuten für mich Gefahr, da ich sie nicht kenne und nicht einschätzen kann. Mein Herz rast und ich starre an meine Zimmerdecke. Licht wird an meine Wand geworfen. Es wird gerade hell, als die Kirchturmuhr sieben Mal schlägt. Mein Wecker wird gleich ertönen. Dann heißt es für mich: Aufstehen, fertig machen und losgehen.Â
Keine fünf Minuten später klingelt es auch schon. Zusammenzuckend und keine Sekunde später drücke ich auf den Ausschalter. Ich bleibe noch eine Minute, wie in einer Totenstarre, liegen. Jedes mal erschrecke ich mich bei diesem Geräusch, selbst wenn ich wach bin, obwohl ich nun seit acht Jahren davon geweckt werde. Schließlich erhebe ich mich, zieh mich an, packe meine Schultasche und steige leise die
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knarrende Holztreppe hinab. Ich muss leise sein, meine Mutter und mein kleiner Bruder Max, drei Jahre, schlafen noch. Sie werden wohl erst in einer Stunde wach werden und sich dann langsam zum Kindergarten bewegen. Mein Vater hat meistens Nachtschicht, weshalb ich ihn nie sehe. Er kommt, wenn ich gehe, schläft, wenn ich komme und geht, wenn ich schlafe. Ich glaube richtig habe ich ihn zuletzt zu Ostern gesehen, aber das macht mir nichts aus. Ich habe in zwei Wochen Geburtstag, da werde ich ihn wiedersehen. Ich ziehe meine Schuhe und dünne Jacke an. Frühstück esse ich nie, ansonsten wird mir schlecht. Dann nehme ich leise den Schlüssel von dem Haken der Gaderobe, darauf achtend, dass er nicht zu laut klirrt, schließe die Tür auf und betrete die Außenwelt. Geblendet von der aufgehenden Sonne schließe ich die Tür, gehe den kurzen Weg aus meinem Vorgarten entlang und gehe auch schon in Richtung Schule. Es dauert etwas, bis sich meine Augen an das helle Licht gewöhnen. Die ganzen Sommerferien über war ich eigentlich fast immer nur in meinem Zimmer. In einer halben Stunde wird es zum Unterricht klingeln. Ich hoffe, ich kriege meine Plätze vom letzten Jahr wieder, am Fenster, ohne Sitznachbar. Das wäre sonst schrecklich!Â
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Und schrecklich ist auch, dass ich mir auch noch so viele Gedanken darüber mache.
Mein Herz schlägt immer schneller, als ich nur noch wenige Meter von meiner Schule entfernt bin. Ich komme um die Ecke und sehe schon, weshalb ich mich so fürchte. Die neuen "Großen" der Schule fühlen sich nun cool und angesagt, weil sie die Ältesten sind. Weil sie jetzt das Sagen haben. Die Kleinen, die noch völlig unsicher gerade in die Oberstufe kommen, werden von den Lehrern schon rein gelassen. Vermutlich wird ihnen gerade alles erklärt. Ich stelle mich in den Schatten eines Baumes und lasse meine Blicke schweifen. An der Treppe sind zwei Jungs, die sich prügeln. Ich kann bis heute nicht den Unterschied sehen, ob es Spaß oder Ernst ist. Sie schreien. Jetzt lachen sie. Nun beschimpfen sie sich. Ich werde daraus einfach nicht schlau. Mein Blick geht weiter und fällt auf eine Gruppe von Mädchen. Sie tragen Miniröcke, enge T-Shirts mit weitem Ausschnitt, blond gefärbten Haaren und man kann ihre Haut unter ihrer vielen Schminke nicht mehr erkennen. Einerseits fühle ich bei diesen Mädchen Verachtung, dass sie sowas aus sich machen. Andererseits schäme ich mich, weil ich dagegen aussehe wie ein Straßenpenner. Ich kann mir aber nicht vorstellen, mit fast 14 Jahren schon so
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erwachsen auszusehen, wenn man das erwachsen nennen kann. Aber ich sehe, dass sie gerade wiedermal über jemanden lästern. Das sagt mir die typische Pose. Vorgebeugt, Mund in Richtung der Gesprächspartnerin gerichtet, jedoch stur in eine andere Richtung blickend. Ich war auch schon oft Opfer ihrer Lästereien, obwohl ich eigentlich gar nichts gemacht habe.
Aber die Schulglocke signalisiert uns nun, dass es Zeit ist, in unsere Klassenräume zu gehen. Ich warte jedoch noch etwas, ich vermeide somit gut das Gedrängel an den Türen und Treppen. Nach kurzer Zeit begebe ich mich dann auch in den Raum 13, der von nun an mein Klassenraum ist. Als ich eintreffe, sind allerdings schon alle Plätze belegt, nach Freundschaften geordnet, auch mein schöner Fensterplatz. Ich seufzte kurz und gehe dann zum letzten leeren Platz des Raumes: Vorne Rechts an der Wand. Da das Fenster genau auf der anderen Seite ist, werde ich etwas nervös, aber das bekomme ich wieder schnell in den Griff. Warum? Ich fühle mich ohne Fenster in der Nähe eingesperrt, Freiheitsberaubt. Keine Ahnung wieso. Ich hoffe, ich finde mich schnell damit ab. Dann klingelt es auch schon. Die Lehrerin stellt uns unseren neuen Mitschüler vor, Nick.Â
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Er hat natürliche, blonde Haare, trägt eine Cappy und hat eine ziemlich weite Hose an. Bei solchen Jungs frage ich mich immer, wie sie damit nur laufen können. Aber wenn es ihnen gefällt, sollen sie halt ihre Hose so locker und weit unten tragen. Für mich sieht Nick bis jetzt eher wie ein Rapper aus. Oder ein Skater. Seinen Charakter kann ich allerdings noch nicht einschätzen. Ich wende meinen Blick ab und sehe auf die andere Seite des Zimmers und versuche, so gut wie möglich aus dem Fenster zu schauen. Immerhin sehe ich den Horizont, eine große Wiese mit einzelnen Bäumen. So schön sieht allerdings nur die Hinterseite der Schule aus. Wenn man vorne hinausschaut, sieht man nur Häuser und Straßen. Wenn man durch die Schule läuft, und aus dem Hinterausgang hinaus geht, könnte man echt denken, man ist eher durch ein Portal gegangen. Ein Portal zu einem ruhigen, wunderschönen Ort. Mein Tagtraum wird aber leider unterbrochen, als unsere Lehrerin uns die Bücher von diesem Schuljahr austeilt. Neue Schulfächer gibt es keine und auch ansonsten bleibt alles wie immer, bis auf einen Lehrerwechsel. Meine Deutschlehrerin ist wohl umgezogen und wechselt somit an eine andere Schule. Ich habe jetzt Herrn Schneider. Ich kenne ihn nicht, er wird wohl auch gerade erst an unsere Schule
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gewechselt sein. Es ist ein komisches Gefühl, jahrelang Frau Siegmund als Lehrerin zu haben, dann ist sie plötzlich weg und man bekommt einen neuen. Einfach so. Von heute auf morgen ist jemand nicht mehr da, aber der Platz wurde schon wieder eingenommen. Mir wird jetzt erst klar, wie schnell man doch ersetzt werden kann. Und alle halten das auch noch für selbstverständlich. Lehrerwechsel sind halt ganz normal. Oder? Aber bei sowas wird man nicht gefragt, also muss ich es wohl oder übel akzeptieren. Jetzt bekommen wir noch den Stundenplan, dann ist der erste Schultag auch schon wieder vorbei und wir dürfen gehen. Montag haben wir sieben Stunden. Dienstag acht. Die restlichen Tage nur noch sechs. Ich grinse sogar unbewusst, als ich sehe, dass meine beiden Lieblingsfächer, Kunsterziehung und Musik, beide am Freitag sind. Somit wird das ein entspannter Einstieg in das Wochenende. Meine Klassenlehrerin, Frau Schulze, winkt ab und das ist für uns nun das Zeichen, dass wir gehen können. Wenn nur jeder Schultag so schnell vorbei wäre wie der Erste...
Schnell packe ich alles ein und stürmte auch schon aus der Schule. Ich weiß nicht, wieso ich es so eilig habe,Â
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schließlich habe ich am Nachmittag nichts vor. Dennoch ist dies kein Grund, noch länger in der Schule zu verweilen. Ich bemerke, dass ich mein MP3-Player ganz vergessen habe. Ohne diesen gehe ich eigentlich nie aus dem Haus,  aber nach fünf Minuten kann ich nun ohnehin schon mein Haus sehen, weshalb es sich eh kaum gelohnt hätte. Ich flitze durch den Vorgarten, krame meinen Schlüssel hinaus und springe in den Flur, als würde ich verfolgt werden. Ich krieche aus meinen Schuhen, ohne die Schleifen zu öffnen und hänge meine Jacke an den Haken. Direkt daneben hängt ein Spiegel, in dem mein Blick stecken bleibt. Ich schaue mich nicht gerne an. Ich bin zierlich und sehe aus, als würde ich bei einem kleinen Stoß zusammenbrechen. Meine langen, sehr glatten, dunkelbraunen Haare hängen ohne jeglichen Volumen an meiner Schulter hinunter. Meine grünen Augen sind müde. Meine Lippen blass. Allgemein sehe ich aus, wie eine Leiche. Ich hasse dieses Mädchen im Spiegel. Schnell sehe ich wieder weg und gehe die Treppe hinauf in mein Zimmer. Mama wird wohl, nachdem sie Max weggebracht hat, einkaufen gegangen sein. Stille herrscht in diesem leeren, dunklen Haus. Doch Stille kann oft unerträglich laut sein.
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Kapitel 2 - Stürmischer Nachmittag
Als Mama nach Hause kam, sagte sie, dass ich Max heute schon etwas früher abholen soll, da der Wetterbericht meinte, es würde am Nachmittag ziemliches Unwetter geben. Meiner Meinung nach brauch man diesen Berichten nicht glauben, aber ich tu ihr den Gefallen. Sie macht gerade das Mittagessen, wenn wir wieder da sind, wird es wohl fertig sein.
"Katha, vergiss den Regenschirm nicht.", sagt sie zu mir, während ich mir die Schuhe anziehe.Â
"Falls es gewittern sollte," antworte ich, "würde der sowieso den Blitz anziehen."
Sie prüfte mich stumm. "Dann zieh wenigstens einen Regenmantel an." Ich erwidere kurz ihren Blick, dann nehme ich den gelben Mantel und hänge ihn mir über den Arm. "Bis dann." sagte ich, als ich aus der Tür hinaus ging. Ich mag es nicht sowas anzuziehen. Meine Anziehsachen sind eigentlich nur schwarz mit mal etwas Blau, Violet oder Rot, und jetzt soll ich so ein stechendes Gelb anziehen. Ich sehe in den Himmel, es entstanden wirklich schon Wolken.
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Mit schnellen Schritten mache ich mich auf den Weg. Nach kurzer Zeit bin ich schon in der Nähe des Kindergartens. Ich höre schon die Kinder. Wie immer sage ich bescheid, dass ich ihn heute abhole und sie ihn runter schicken sollen. Der Kleine springt mir in die Arme und ich kann mich kaum oben halten und wäre fast zusammengebrochen.Â
"Du siehst nicht gut aus, Katharina." Sagt seine Erzieherin besorgt, aber das sagt sie sowieso immer.
"Mir gehts bestens, wie immer." Antworte ich und zwang mir ein Lächeln auf. Eigentlich hatte ich Schmerzen von der Wucht des Sprungs von Max, aber es käme komisch sowas zuzugeben, denn schließlich ist er gerade mal drei Jahre alt.Â
"Na gut, aber beeilt euch, es sieht nach einem Sturm aus." Nickend gehe ich wieder hinaus, während Max ihr noch zuwinkt.Â
Ich sage: "Nimm meine Hand, die Straßen sind sehr befahrt." Doch trotzig wie er ist meint er nur, er wäre doch kein kleines Kind mehr. Langsam fängt es an zu nieseln. Ich sage, er soll sich beeilen, als er stehen bleibt um einen Regenwurm zu betrachten. Es donnert. Max rennt zu mir und schlingt seine Hände um mich.
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"Was ist?" Frage ich ihn grinsend, "Ich denke, du bist kein kleines Kind mehr?"
"Pöh." Erwidert er nur.Â
"Na komm," ich beuge mich zu ihm, "zieh diesen Regenmantel an, bevor ich noch von Mama Ärger kriege, dass du so nass geworden bist."
Er sieht mich mit großen Augen an, als ich ihn anziehe. "Katha?" Fragt er.
"Ja, Max?"Â
"Warum siehst du so traurig aus?"
Ich stocke kurz und sehe ihn regungslos an, bis ich lächelnd sage: "Sehe ich doch nicht, ich bin nicht traurig."Â
"Doch, bist du." Es blitzt.
"Bin ich nicht." Ich nehme seine Hand und fuhr fort: "Na komm schon, es ist gefährlich bei Gewitter draußen zu sein."