Ein lustiger Bauernhof
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In der Zwischenzeit war die Bäuerin auf dem Weg zu Hans und Liese, den Gespannpferden. Die beiden waren schon etwas älter, man müsste meinen sogar reifer. Aber als Herta den Stall betrat, um sie zu füttern, musste sie feststellen, dass diese alles auf den Kopf gestellt hatten. "Gott sei Dank bist du hier, Mann oh Mann, hier war ein Tier in unserem Stall, etwas Kleines, Haariges, es wollte mich fressen", wieherte Hans laut. Liese gab darauf frech zurück: "Ach Hans, das war eine Spinne, die hat mehr Angst vor dir als du vor ihr. Außerdem kann dich die Alte doch nicht verstehen." Böse sah Herta die Pferde an, denn sie dachte die hätten sich hier die ganze Nacht ausgetobt und sie wusste nicht, was los war.
"Sagt einmal, was fällt euch denn ein, euch so zu gebärden? Kaum dreht man euch den Rücken, schon spielt ihr verrückt." Sie rief nach Hubert. Nach einigen Minuten kam dieser aus dem Schafstall angetrottet . Er murmelte in sich hinein: "Kann man denn nicht mal fünf Minuten Ruhe haben?? Er lechzte nach einer Tasse Kaffee, denn es war Zeit für das zweite Frühstück. Herta gab Hubert den Auftrag, die Pferde auf die Koppel zu bringen. "Und dann kannst du gleich den Stall ausmisten", gab sie ihm zu verstehen. "Guck mal nach, ob da irgendetwas ist, was die Pferde so nervös gemacht hat."
Der Knecht tat, was die Bäuerin ihm geheißen hatte. Er war schon fast mit dem Ausmisten fertig, da sah er unter dem Stroh etwas Pelziges hervorschauen. Ein junger Fuchs lag da zusammengerollt wie ein kleines Kätzchen und schaute Hubert mit großen dunklen Augen an. Jetzt wusste dieser, warum die Pferde so unruhig waren. Doch was sollte er mit dem Kleinen anstellen? Den Bauersleuten durfte er nichts sagen, die würden ihn töten. In den Wald konnte er ihn auch nicht bringen, dafür war er noch zu klein. Jetzt war guter Rat teuer.
Es war ihm entgangen, dass sich Dirk und Julia in den Stall geschlichen hatten und nun durch seine Beine das sahen, was er sah. Er drehte sich erst zu ihnen um, als er Julia flüstern hörte: "Ein Hundebaby, sieht das aber lieb aus, darf ich es mal streicheln?" "Das ist doch kein Hundebaby", meinte Dirk besserwisserisch, "das sieht eher aus wie ein Rehkitz, .. glaube ich." Der Knecht trat etwas zur Seite, sodass die beiden das Junge etwas besser sehen konnten und sagte gutmütig: ?Nein, nein, ihr habt beide nicht recht, das ist ein kleiner Fuchs.?
"Ein Fuuuuchs?", fragte Dirk ungläubig, ?ich dachte, Füchse gebe es nur im Wald".
"Manchmal verirren sie sich auch zu den Menschen, um etwas Essbares zu finden", entgegnete Hubert, "doch was machen wir jetzt mit ihm? Der Bauer würde ihn töten, denn Füchse rauben auch die Hühnernester aus."
"Töööten?? Mit großen, weitaufgerissenen Augen schauten die Kinder Hubert an. "Das können wir doch nicht zulassen. Er ist doch noch ein Baby."
Unbemerkt stand Herta am Stalltor, beobachtete die drei und sagte: ?Bitte nicht anfassen, er könnte Würmer, Tollwut oder eine andere Krankheit haben." Große Kinderaugen blickten sie erschrocken an. Die Frage stand ihnen förmlich ins Gesicht geschrieben. "Nein", sagte die Bäuerin, "ich verspreche, wenn er gesund ist, wird er leben. Keiner soll ihm ein Leid antun. Heute kommt noch Dr. Krüger, er wird sich den kleinen Findling anschauen. Dann werden wir beraten was zu tun ist." Ihre Gedanken waren bei Gustav, wie konnte sie ohne Gustav zu fragen, solch ein Versprechen geben. Schnell verließ sie den Stall, um mit dem Bauern zu sprechen, bevor er durch die Unruhe aufmerksam wurde.
Doch dieser war gar nicht begeistert. Schließlich hatten sie einen Bauernhof und keine Tierklinik. "Was tut man nicht alles, um Kinder glücklich zu sehen", willigte der Bauer schließlich doch ein und der Fuchs durfte sich weiterhin am Leben erfreuen.
Es fiel Julia zuerst auf, dass der Kleine scheinbar nach Luft schnappte, aber da genug Luft vorhanden war, schloss sie klug daraus, dass er auch Hunger haben könne und meinte: "Können wir dem Hündchen nicht etwas zu fressen geben?" "Fuuuchs", verbesserte sie Dirk sofort". "Ist doch egal ob Fuchs oder Hund," entgegnete Julia schnippisch, er hat Hunger." Da schaltete sich die Bäuerin ein und gab Julia recht. Zu Hubert meinte sie: "Hol doch mal das Fläschchen, womit wir die Kälbchen aufziehen, wenn sie bei der Mutter nicht trinken wollen oder die Mutter keine Milch hat.?
Hubert brummelte in sich hinein: "Das habe ich mir jetzt selbst zuzuschreiben, dass ich jetzt hier noch mehr Arbeit aufgebrummt kriege.? Aber sein gutes Herz siegte. Folgsam schlurfte er in die Küche, um das Fläschchen für den neuen Gast fertig zu machen. Intuitiv griff er auch gleich nach den Gummihandschuhen, die er immer trug, wenn er dem Veterinär bei der Arbeit assistierte. Da klingelte es an der Tür. Viel früher als erwartet, stand der Tierarzt Dr. Krüger vor der Pforte.
"Gott sei Dank Herr Krüger, schön, dass Sie da sind. Wir haben Zuwachs bekommen, den müssen Sie sich unbedingt ansehen." Der Knecht stand vor ihm mit der Flasche in der Hand. Der Dok konnte sich ein Lachen nicht verkneifen und meinte: "Wieso, ich wusste nicht, dass eines der Tiere trächtig ist. Was willst du denn mit der Milchflasche?" "Sehen Sie selbst, ein kleiner Fuchs hat sich in dem Pferdestall verkrochen, er hat sicher Hunger."
"Dann werde ich mir den kleinen Besucher mal anschauen."
Ängstlich verfolgten die Kinder das Herannahen des Veterinärs und Julia fragte besorgt: "Der will den Kleinen doch nicht töten?" Die Bäuerin strich ihr beruhigend über den Kopf und meinte: "Nur keine Angst, meine Kleine, der Tierarzt will ihn nur untersuchen und mal sehen, was er dann vorhat." Das tat Dr. Krüger auch ohne große Umschweife und stellte fest: "Er ist sehr schwach, aber gesund und Tollwut schließe ich auch aus. Aber auf dem Hof kann er nicht bleiben, denn schließlich handelt es sich um ein wildes Tier, das sich auf die Schnelle nicht so einfach zähmen lässt. Ich werde es mitnehmen und dem Förster übergeben, der wird schon wissen, was er mit ihm anstellt.".
Julia schaute den Tierarzt mit großen Augen an. "Könnte der Förster nicht die Mutter von dem Kleinen suchen? Die wird sich doch sicher schon Sorgen machen! Dann wäre der Kleine auch nicht mehr allein." Der Tierarzt schaute hilflos die Bäuerin an. Er selbst hatte keine Kinder und wusste nicht so recht, wie er Kindern das Leben wilder Tiere erklären sollte. Herta nahm Julia bei der Hand und sagte: "Sei gewiss, dass der Förster alles tun wird, um dem Kleinen zu helfen. Und jetzt wollen wir doch mal sehen, wie es dem Schäfchen geht, nicht wahr?? Behutsam geleitete sie das Kind aus dem Stall.
Ganz aufgeregt kam Dirk ihnen schon entgegen, nahm Julia bei der Hand und zog sie, ganz geheimnisvoll tuend, in die Richtung einer Heckenreihe, die so dicht war, dass man nicht sehen konnte, was dahinter war. Er hatte auch einen Spazierstock gefunden und beschlossen, den immer mit sich zu führen. Er wedelte damit herum und meinte: "Man kann ja nie wissen." Gespannt hüpfte Julia hinter Dirk her und dann sahen sie es. Eine Gänsewiese und Julia blieb ganz fasziniert stehen und begann sofort mit dem Zählen, denn es waren reichlich Gänse vorhanden, die friedlich Gras zupften.
"Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, oh sieh nur Dirk. Es sind sechs Gänse!", rief Julia enthusiastisch. "Und guck mal , da sind auch kleine Gänsebabys!" Schon lief sie voller Freude auf die Wiese, um die Küken zu streicheln. Das kam aber bei der Gänsemutter Hilde gar nicht so gut an. Sie sah Julia kommen, breitete ihre Schwingen aus und schrie: ?Gaak, Gaak, lass bloß meine Kinder in Ruhe, sonst ergeht es dir schlecht." Dirk sah die Gefahr, in der Julia schwebte, lief rasch hinterher und stoppte sie.
Das sah Hilde aber ganz anders und glaubte, Dirk wolle Julia helfen, an die Jungen heran zu kommen, die sich vorsichtshalber unter den Fittichen der Tante verkrümelt hatten. Mit einem lauten GAAAK, GAAAAk, das sich wie ein Befehl anhörte, nahmen die übrigen Gänse nun eindeutig Front gegen die Kinder ein, streckten die Hälse vor und rissen ihre Schnäbel auf und begannen zu zischen wie Schlangen. "Blöde Gänse!", schimpfte Dirk, "wir wollen euch doch nichts tun." Dabei schwenkte er bedrohlich seinem Spazierstock vor ihren Schnäbeln, hielt sie so auf Distanz und erinnerte dabei an einen Dompteur.
Von diesem Geschrei der Gänse wurde nun auch Hubert der Knecht aufmerksam. So schnell (sofern man bei ihm von schnell reden konnte) er vermochte, schlurfte er zur Wiese um zu gucken, was da denn wieder los sei. "Was ist denn nun schon wieder passiert?", brummte er vor sich hin, "diese Stadtgören bringen ja wirklich unseren ganzen Hof durcheinander. Und mein zweites Frühstück kann ich wohl nun auch vergessen."
Als er jedoch die mutigen Bemühungen sah, mit denen Dirk seine Schwester vor den Attacken der Gänse bewahren wollte, musste er schmunzeln, ging entschlossen auf die zischenden Gänse zu, machte eine energische Wegscheuchbewegung mit beiden Händen und trat mit einem Fuß nach ihnen. Natürlich war auch den Gänsen der Knecht kein Unbekannter und sie zogen es vor, mit lautem Protestgegackere gemeinsam im Tiefflug nach hinten abzuhauen. Dabei ließen sie sogar die Küken im Stich. Julia erfasste sofort die Situation und hüpfte hinter den Jungen her, die possierlich watschelnd der Mutter und den anderen folgten.
Dirk fiel jetzt aber auf einmal ein, dass sie ja nach den Schafen sehen wollten. Er zog seine Schwester mit sich, die sich erst einmal dagegen wehrte. Sie wollte doch noch ein wenig die Küken streicheln. Doch es gelang ihm, sie zu überzeugen, dass Erna, das kranke Schaf, sicher schon auf sie warten würde. Als sie den Stall betraten, mähte Grete: "Määhh, jetzt nicht das noch, ich habe heute keine Lust, Pferdchen zu spielen!" Erna die neben Grete lag und sichtlich damit beschäftigt war sich zu erholen, hob leicht den
Kopf und määähte dünn: "Und ich auch nicht". Darauf hin ließ sie ihren Kopf wieder zur Seite fallen, um so zu zeigen, dass sie im Moment für gar nichts Interessen hatte. Dirk nahm seine Schwester bei der Hand und sagte nur: "Komm wir gehen!"
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Fortsetzung folgt