Romane & Erzählungen
Nur eine Nacht

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"Nur eine Nacht"
Veröffentlicht am 26. Juni 2013, 22 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Mmmmh, ich arbeite im Buchbereich, allerdings ohne die Möglichkeit dort meine Buchsucht auszuleben. Ich mag Science-Fiction, Fantasy, Romanzen und ganz besonders GayRomance. In diesem Bereich schreibe ich auch. Hobbys: Lesen, singen, stricken, ab und zu zeichnen, ins Kino gehen, Geocaching...
Nur eine Nacht

Nur eine Nacht

Einleitung

David ist nicht der Typ für einen One-Night-Stand, landet jedoch trotzdem mit Malte im Bett. Auch wenn er weiß, dass es für den anderen nicht mehr war, lässt er sich nicht aus Davids Gedanken verscheuchen.

Kapitel 1

Verwirrt starrte er den 20 Euro Schein an, der vor ihm auf dem Tisch gelandet war.

„Kommst du Süßer?“ Der große Mann, der in seiner schwarzen Lederjacke einfach nur verboten gut aussah, nickte ihm aufmunternd zu.  Wo hatte er sich nun schon wieder hineinmanövriert? Sein Herz schlug wummernd im Takt der lauten Musik. Im Halbdunkel konnte er sein Gesicht nur schlecht erkennen, aber es reichte, um ihm noch einmal zu signalisieren, dass da gerade der coolste Typ, den er je gesehen hatte, mit ihm gesprochen hatte.

Anscheinend hatte Malte, Marvin oder Martin?, seine Aussage vorhin völlig falsch verstanden. Als er meinte, dass er jetzt auch lieber zuhause wäre, anstatt in dieser todlangweiligen Disco, dachte er eigentlich an sein Eigenes und vor allem: allein.

Doch das schien Malte, er war doch ziemlich sicher, dass der Andere so hieß, ein wenig anders interpretiert zu haben. Der wollte ihn – ausgerechnet ihn! – abschleppen. Das war auf die Art und Weise jedenfalls noch nie vorgekommen, was vielleicht seine völlig verrückte Reaktion darauf erklärte. Er stand auf, sagte niemandem Bescheid, dass er ging und lächelte den Malte-Typen schüchtern an.

„Gut. Gehen wir.“ Seine Stimme zitterte ein wenig und er war froh, dass er nicht angefangen hatte, zu stottern. Nervös zeigte er in die Richtung, in der seine Wohnung lag. Die beiden Männer liefen nebeneinander her, der eine schmächtig und mittelgroß, das war David und daneben Malte, der ihn kleiner erschienen ließ, als er war.

Die kalte Nachtluft umspielte ihre Nasen und die Frische tat gut nach der stickigen Discothek. Die Stille war nicht unangenehm und David war sich sowieso sicher, dass er kein einziges vernünftiges Wort hervorgebracht hätte. Der Weg war zum Glück wirklich nicht lang und schnell standen sie vor Davids Haustür. Hektisch kramte er nach dem Schlüssel für sein Einzimmerapartment. Doch im nächsten Moment schon wurde er hart an die Tür gedrückt und für einen Moment blieb ihm die Luft weg. Weiche Lippen pressten sich auf seine und überrumpelt erwiderte er den herrischen Kuss.

Heiß rann es David in seinen Unterleib und er war selbst erschrocken über seine Reaktion. Normalerweise dauerte es lange, bis er sich auf diesen Punkt einließ, doch heute schien seine Hemmschwelle sehr niedrig zu sein, obwohl er keinen einzigen Tropfen Alkohol im Blut hatte. Ungestüm und ein wenig linkisch erwiderte er den Kuss und drängte sich verlangend an Malte. Als ob ein Schalter in seinem Kopf umgelegt worden war, erkannte er sich kaum wieder. Es war ihm egal, dass der Dunkelhaarige merken würde, dass allein sein Kuss ihn schon dermaßen erregte. Frech plünderte Maltes Zunge seine Mundhöhle und er stöhnte verhalten. Das war der Himmel. Seinen Körper überzog eine Gänsehaut und seine Hose war definitiv zu eng.  Zumindest, dachte er erheitert, war er anscheinend nicht der Einzige, dem es so ging. Soweit er überhaupt noch des Denkens mächtig war.

Malte hatte seine großen festen Hände auf seinen Hintern gelegt und ab und an wanderten sie ruhelos über seinen Rücken und strichen über seine Wirbelsäule. Keuchend entwand sich David Maltes enger Umarmung.

„Wir…hm…sollten vielleicht hineingehen?“ Seine Stimme hatte noch nie so heiser geklungen. Dieser Mann hatte eine bis dato unbekannte Seite in ihm wachgerufen, mit der er sich im Moment jedoch schnell anfreunden konnte. Das Gefühl begehrt zu werden, war einfach zu schön. Zitternd schloss er endlich die Tür auf und fand nicht mehr die Zeit, das Licht anzuschalten. Selbst in der Dunkelheit fanden Maltes Lippen zielgerichtet seine und schon war wieder alles Denken ausgeschaltet. Spätestens als Maltes Hände auf Wanderschaft gingen, war auch der letzte klägliche Rest Blut aus seinem Gehirn verschwunden und in tiefere Gefilde gesunken. Der Andere hielt sich erstaunlich lange mit ausführlichen Zärtlichkeiten auf, das hätte ihm David nach seiner überfallartigen Attacke schon gar nicht mehr zugetraut. Doch er knabberte sanft an Davids Ohr und diesem lief ein Schauer über den Rücken. Für ihn hatte es den Anschein, als hätte sich sein gesamter Körper in eine einzig erogene Zone verwandelt. Selbst Stellen, die sonst absolut nicht empfindlich waren, schienen nun zu prickeln. Als Malte sein Jochbein mit den Fingerspitzen berührte, war es als ob winzige elektrische Impulse von der Stelle ausgingen und ihn langsam in den Wahnsinn trieben. Er krümmte sich leicht und versuchte dem kitzligen Gefühl zu entkommen.

„Magst du das nicht? Dein Pech! Deine Haut ist einfach zu verführerisch weich.“ Die gehauchten Worte an seinem Hals halfen David in seinem Zustand natürlich kein Stück weiter, wieder einen klaren Gedanken zu fassen.

„Mh, mh.“ Zu mehr artikulierten Lauten war er im Moment wirklich nicht mehr fähig. Malte hatte ihm eindeutig das Gehirn weggeküsst, deshalb fürchtete er sich fast vor dem, was ihn noch erwartete.

„Schlafzimmer?“ Ihre Konversation war anscheinend auf dem Tiefpunkt angelangt, aber das war beiden herzlich egal. Die wichtigsten Worte waren bereits gesagt worden und der Rest ergab sich von selbst.

Die Tür, auf die er zeigte, wurde rabiat aufgestoßen, sodass sie gegen die dahinterliegende Wand krachte. Doch David verschwendete nicht einen Gedanken an seine Nachbarn. Knutschend näherten sie sich dem Bett und er wurde unsanft darauf geschubst. Sekundenlang erfüllte David Panik. Er kannte Malte schließlich nicht. Wusste nichts weiter als seinen Vornamen und dass er ihn heiß fand. Doch das Panikgefühl verschwand, als sich Malte über ihn beugte und sanft seine Halsbeuge erkundete. Sein T-Shirt hatte er bereits irgendwo auf dem Weg eingebüßt , obwohl er sich fragte, wie Malte das beim ununterbrochenen Küssen angestellt hatte. Seine Lippen wanderten immer tiefer und David unterdrückte ein lautes Stöhnen. Ihm war heiß, er war erregt und alles andere war ihm gerade scheißegal. Einzig das Hier und Jetzt zählte. Als Malte seine Brustwarze umschloss, bäumte er sich auf und bog seinen Rücken durch. So heftig hatte er noch nie reagiert. Er sog scharf die Luft ein und erstickte wieder die ihm unangenehmen Laute, die unbedingt seinen Mund verlassen wollten.

„Nicht, lass mich dich hören. Ich will hören, wie du meinen Namen schreist, wenn ich mich tief in dir versenke.“

Verdammt, er hätte nie gedacht, dass Dirty Talk ihn dermaßen anmachen würde. Wie ein Aal wand er sich verzweifelt unter der kecken Zunge, die grausam weiter ihr Spiel mit ihm trieb.

„Oh Gott. Das halte ich nicht lange aus.“ David war erstaunt, dass er überhaupt noch zusammenhängende Sätze herausbrachte.

„Sinn und Zweck der Sache. Ich werde dich um den Verstand bringen. Aber trotzdem lassen wir uns dabei noch ein bisschen Zeit.“ Der Weg, den er nach unten eingeschlagen hatte, wanderte seine Zunge nun quälend langsam wieder hinauf. In Kreisen umspielte sie seinen Bauchnabel, tupfte immer wieder hinein und jedes Mal zuckte er zusammen. Er stand eigentlich nicht darauf, untätig herumzuliegen, aber Malte hatte ihn fest im Griff. Er konnte kaum einen Zentimeter auf seinem Bett rutschen. Das schmeckte ihm eigentlich überhaupt nicht.

„Ich will dich auch anfassen.“ Schüchtern streckte er die Hand nach Malte Hemd aus, die kleinen Knöpfe lockten ihn schon die ganze Zeit.

„Später, jetzt bist erst mal du dran.“ Mit diesen etwas unwirsch hervorgestoßenen Worten, zog er mit einem Ruck an David Hose, die er samt Unterhose in die nächste Ecke fliegen ließ. Der Schock über diese Aktion riss David für einen Moment aus seiner Lethargie und verschämt, versuchte er die Beine zu verschränken. Denn im sanften Lampenlicht, das Malte wieder irgendwann zwischendurch angeschaltet haben musste, fühlte er sich bis auf die Knochen entblößt.

„Nicht…Da…das ist mir peinlich.“ Doch Malte hatte auch diesmal für seine Bitte kein Ohr und verwöhnte ihn ungeniert weiter. Doch David reichte es langsam. Er wollte auch etwas tun. Wollte auch so viel Lust geben und Maltes Verlangen nach ihm steigern. Es konnte ja nicht angehen, dass er hier der einzige war, der Spaß hatte und vor allem nicht mehr denken konnte. Somit wand er sich wie eine Raupe an das obere Ende des Bettes, außerhalb von Maltes Reichweite.

„Was soll das denn werden?“ Gefährlich blitzten die dunklen Augen auf und David hatte das Gefühl, dass er nun ein Raubtier und keinen Mann mehr im Bett hatte.

„Du willst also auch mitspielen?“ Zögerlich nickte David. Er wusste noch nicht, wohin das führen würde, aber er würde es drauf ankommen lassen.

„Na schön. Dann komm her und zieh mich aus.“ Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen und David ahnte, dass da mehr dahinter steckte. Es war ihm immer noch peinlich, dass er vollkommen nackt war und Malte noch vollständig angezogen. Einzig die Schuhe hatte er vorhin hastig abgestreift.

David krabbelte langsam auf ihn zu, nicht mal ansatzweise erahnend, wie erotisch Malte es fand, dass er dabei unbewusst mit dem Hintern wackelte. Er fuhr mit der flachen Hand über das seidene Hemd und spürte, wie die Muskeln darunter, darauf reagierten.

„Hammer. So fest.“ David wusste nicht mehr, ob er das nur gedacht oder laut ausgesprochen hatte. Aber seine Finger hatten ein Eigenleben entwickelt. Sie konnten es gar nicht erwarten, diese kleinen verführerischen Knöpfe zu öffnen und die zarte, ein wenig helle Haut darunter frei zu legen. Gedankenversunken ließ er seinen Mund über jede Stelle gleiten, die ihm interessant erschien. Malte hielt die ganze Zeit still und wagte es nicht, das mutige Vorstoßen des Kleinen zu unterbrechen, nachdem er sich vorhin schon für seine Nacktheit geschämt hatte. Und wie niedlich er dabei errötet war. Wie ein Kätzchen, das noch unsicher durch die Gegend tapste. Erfrischend.

David war entschlossen, Malte genauso viel Genuss zu bereiten, wie er ihm. Dieses Spiel konnte nämlich nicht nur einer spielen. Malte dachte wahrscheinlich, dass er keine Erfahrung hatte. Er hatte nicht viel, zugegeben, aber auch nicht, gar keine. Als er den Hosenbund erreichte, fackelte er diesmal nicht lange und zog sie ebenso energisch runter, wie Malte zuvor. Gerade als er ansetzen wollte, Malte tiefergehend zu verwöhnen, wurde er nach oben gezogen. Hart war der Kuss, viel härter als die davor und David hatte den Eindruck, dass sich Malte arg beherrschen musste. Selbstgefällig grinste er in den Kuss hinein. Anscheinend war er nicht der Einzige, dessen Verstand sich verabschiedet hatte. Er schlang die Beine um die Hüften des Dunkelhaarigen, was diesem ein kehliges Stöhnen entlockte.

„Du kleiner Teufelsbraten. Wenn du morgen noch laufen können willst, solltest du mich nicht so reizen.“ David grinste nun wirklich. Malte gefiel ihm so hemmungslos. Das zeigte, dass er ihn wirklich begehrte und das tat seinem Selbstwertgefühl außerordentlich gut.

„Vielleicht will ich morgen ja auch den Tag im Bett verbringen?“ Schelmisch lächelte er ihn wieder an und fahrig fuhren Finger seinen gesamten Körper entlang.

„Na dann. Lass uns einen Gang zulegen. Du wirst morgen jammern beim Sitzen und beim Stehen. Ich werde keine Rücksicht mehr nehmen.“ Rau kratzten seine Bartstoppeln an Davids Kinn.

„Hat dich auch keiner drum gebeten.“ Wieder versanken die beiden in einem innigen Kuss und David kramte zwischendurch in seinem Nachtschrank nach den Utensilien, die er benötigte. Er war froh, dass sein Gehirn immerhin noch so weit funktionierte, daran zu denken, dass er garantiert keinen ungeschützten Sex wollte.

Malte beobachtete ihn gierig und David dachte, dass das die bisher aufregendste Nacht seines Lebens werden würde.

Kapitel 2

Kapitel 2

 

Der nächste Morgen begann für David mit Verwirrung. Die Bestandsaufnahme zeigte: Er war nackt, allein, wund und eigenartigerweise enttäuscht. Nur warum?

Sein Bett roch nach dem Aftershave einer anderen Person und siedendheiß fiel ihm alles wieder ein.

Malte. Der hatte ihm doch glatt das Gehirn rausgevögelt, anders konnte er sich seine Orientierungslosigkeit nämlich nicht erklären. Er sank wieder zurück in die weichen Kissen und sog den Duft noch einmal tief ein. Gefährlich, denn dieser Geruch hatte Suchtpotenzial. Dass Malte nicht mehr da war, sprach schließlich Bände. Wenn er mehr als nur ein One-Night-Stand gewesen wäre, dann wäre Malte nicht klammheimlich mitten in der Nacht abgehauen. Zähneknirschend fand er sich mit der Wahrheit ab. Er hatte so etwas noch nie gemacht und nun wusste er auch warum. Danach fühlte man sich beschissen und vor allem benutzt.

Wirklich scheiße.

Er schlug mit der Faust auf sein Kissen und hinterließ einen tiefen Abdruck. Doch sein minimaler Wutausbruch besänftigte ihn nicht.

„Scheiße.“ Warum war es ihm nicht egal? Einfach weitermachen und die Sache als das abhaken, was es war: Ein einmaliger Ausrutscher. Ein schöner, den er jedoch nicht wiederholen würde.

Er quälte sich aus dem Bett und stieg frustriert unter die Dusche. Alle Spuren der Nacht würden davon gewaschen werden und am liebsten hätte er sein Gehirn gleich mit durch die Mangel genommen, denn sein Erinnerungsvermögen zeigte ihm aufregende Bilder von einem durchtrainierten Körper.

Zum Glück war es Samstag. Da konnte er sich viel Zeit lassen und versuchen, das Ganze zu vergessen und sich ein wenig in Selbstmitleid zu baden.

Eigentlich war es ganz gut, dass es schon gestern Abend passiert war, so konnte er sich bis zum Nachmittag wieder beruhigen. Auf keinen Fall wollte er Lina merken lassen, wie sehr ihn der Vorfall mitgenommen hatte. Er würde einfach so tun, als wäre das nie geschehen.

Lina wollte heute unbedingt mit ihm ins Kino gehen, obwohl sie genau wusste, dass die popcornfutternde Menschenmenge ihn abschreckte.

Er riss den Staubsauger brutal durch die kleine Wohnung und dachte mit Schaudern an seine letzten Kinoerlebnisse zurück. Heulende Kinder, knackendes Popcorn, stark riechende Chips, klingende Bierflaschen, „flüsternde“ Mädchen - Kichererbsen allesamt - grölende notgeile Kerle. Nein, er wusste schon, warum er es nicht mochte. Wenigstens war es kein Schnulzenfilm, sondern Action-Science-Fiction, sonst hätte ihn auch alles Betteln und Flehen nicht dazubekommen. Nachdem er sich dreimal den Zeh am gleichen Hocker gestoßen hatte, ging er in den nächsten Raum.

Sein Schlafzimmer sah erstaunlich sauber aus, dafür, was er in der Nacht mit Malte angestellt hatte. Bei dem Gedanken merkte er, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. Schwungvoll zog er das dunkelblaue Bettzeug ab, das ihm seine Mutter ungefragt geschenkt hatte und stopfte alles in die Waschmaschine. Nur schade, dass es danach nicht mehr nach Malte riechen würde. David schüttelte über sich selbst den schwarzen Schopf. Die Haare ringelten sich in seinem Nacken in kleine schwarze Löckchen und er hasste es. Seine Mutter sagte immer wieder, wie niedlich sie das fand und er musste jedes Mal ein Augenverdrehen unterdrücken. Um nichts in der Welt würde er seine Mutter kränken wollen, denn von ihr hatte er diese unseligen schwarzen Locken geerbt.

Maltes Haare waren hellbraun und glatt gewesen, soweit er das beurteilen konnte, denn er hatte hauptsächlich auf das Gesicht geachtet und die Haare waren nach hinten gestrichen gewesen. Das hatte seine Züge nur hervorgehoben und David war dadurch auf ihn aufmerksam geworden.

Verdammt. Er ging ihm nicht aus dem Kopf. Er hatte den Typen doch erst vor einem Tag kennen gelernt, mit ihm geschlafen und nun benahm er sich, wie ein verliebtes Schulmädchen und das in seinem reifen Alter von 28 Jahren. Wie alt Malte wohl war?

Er musste aufhören, an ihn zu denken! Ab in die Schublade „Vergessen“ und den Schlüssel verschluckt!

 

 

Lina wartete schon ungeduldig auf ihn. Sie hatte schwarze Boots an, die ihre dürren Beine, noch dünner erscheinen ließen und tippte ungeduldig mit den Füßen auf den schwarzen Asphalt. Die langen Beine steckten in knallgrünen Strumpfhosen und sie hatte wieder ihren Lieblingskarorock in Lila an. Dazu ein überdimensionaler dunkelgrüner Pullover und ein violetter Schal rundete das Bild ab. Die dunklen Haare hatte sie in einen auf ihrem Kopf thronenden unordentlichen Dutt gebändigt, der ihr herzförmiges Gesicht betonte. An jeder anderen hätte diese Kombination lächerlich ausgesehen, aber Lina scherte sich nicht um die Meinung von anderen und tat das, was ihr gefiel.

„David, die Vorstellung beginnt gleich! Ich hab die Karten schon geholt, also rein jetzt. Na los, na los!!!“

„Ähm, danke.“, konnte er noch unter der erdrückenden Umarmung hervorquetschen, die sie ihm bei jeder Begegnung angedeihen ließ.

„Danke kannst du später noch sagen! Die Werbung ist bestimmt schon vorbei und wegen dir verpassen wir den Anfang!“

Mit diesen Worten schob sie ihn vorwärts und hinein in das völlig überfüllte Kino. Ihr Saal war natürlich ganz oben, im größten und dementsprechend vollsten. David unterdrückte ein unwilliges Stöhnen. Als sie oben an der Esstheke vorbeikamen, blieb ihm fast das Herz stehen. Da stand Malte, lächelte seine Kundschaft strahlend an und sah einfach nur verboten gut aus. Er durfte nicht merken, dass David hier war, aber es war schon zu spät, denn ihre Blicke hatten sich eindeutig gekreuzt. In Maltes Blick flammte sofortiges Wiedererkennen auf und David war in diesem Moment zum ersten Mal in seinem Leben froh, dass Lina unempfänglich für solche Schwingungen war und ihn hinter sich her zog. Malte entlockte das nur ein Hochziehen seiner Augenbrauen.

Im Saal hatten David und Lina schnell ihre Plätze gefunden. Das Murren, der bereits Sitzenden ließ David peinlich bewusst werden, wie spät sie schon dran waren. Der Film fing tatsächlich an, kaum, dass sie sich gesetzt hatten. Doch David hatte Mühe der Handlung zu folgen, weil seine Gedanken immer wieder zu Malte abschweiften und anscheinend ein Eigenleben entwickelt hatten. Ob er jedes Wochenende hier arbeitete? Dann würde David dieses Kino ab sofort wie die Pest meiden. Sollte nicht allzu schwer werden, als Kinoverachter.

Ob er sich mit diesem Job etwas dazuverdiente? Er konnte sich nicht vorstellen, dass Malte hier hauptberuflich arbeitete. Die hellbraunen Haare hatte er etwas kürzer in Erinnerung gehabt, aber anscheinend hatte er sie gestern Abend nur gegelt. Jetzt fielen sie ihm leicht in die Augen und er hatte sie immer wieder nach oben geschoben. Bestimmt störten sie ihn beim Arbeiten. Dadurch hatte sein Gesicht noch markanter ausgesehen und David unterdrückte ein Seufzen. Wenn er nicht so verdammt gut aussehen würde. Dann hätte er nicht mit ihm geschlafen und müsste sich nun nicht zwingen, ihn zu vergessen. In dieser Hinsicht war er ein wenig oberflächlich und vermisste selbst den Tiefgang. Es war immer erst das Äußere, dass ihn zu jemandem hinzog und danach kamen die inneren Werte. Darauf war er nicht stolz, aber es ließ sich nicht ändern. Er sah ja, was er davon hatte.

David selbst befand sein eigenes Äußeres als leidlich akzeptabel.

Seiner Meinung nach waren seine Augen einen Tick zu groß, ein bisschen zu hellgrün und sein Mund eine Spur zu breit. Davon abgesehen konnte man auch heute noch erkennen, dass er als Kind Segelohren gehabt hatte. Das Anlegen hatte das nie wirklich verbergen können. Doch Malte schien das nicht gestört zu haben. Der war gestern ganz fasziniert von seinen Ohrläppchen gewesen. Ein Schauer überfiel ihn und er sank tiefer in seinen Sitz. Wie peinlich! Anstatt sich auf seinen Film zu konzentrieren, für den er teuer bezahlt hatte, phantasierte er von einem Mann, den er sicher nicht noch einmal aus der Nähe sehen würde.

„Hey David! Guckst du überhaupt hin?“, zischte ihn Lina an.

„Mh, ja klar.“ War glatt gelogen, er hatte null Ahnung, worum es in dem Film gerade ging.

„Ach, hör auf. Du schaust wie ein liebeskranker Dackel.“ Belustigt zog sie in der Dunkelheit beide Augenbrauen hoch, was sehr eigenartig aussah. Er errötete bis unter die Haarwurzeln und war dankbar, dass es im Kino dunkel war.

„Also bitte, sehe ich aus, wie ein Vierbeiner?“, empörte sich David.

„Wenn du schon so fragst… Und jetzt sei leise! Auch wenn du den Film anscheinend nicht sehen willst, ich will es.“ David wollte soeben einwenden, dass sie zuerst auf ihn eingeredet hatte, unterließ es aber, da Widerspruch sowieso zwecklos war. Frauen!

Für ganze fünf Minuten konnte er dem Streifen dann doch noch folgen, nur um dann völlig davon überrascht zu werden, dass er für eine viertelstündige Pause unterbrochen wurde.

Da er sich nicht mit all den verrückten Menschen Richtung Popcorntheke oder Toiletten drängen wollte, saß er nun allein auf seinem Platz. Lina hatte den Kampf hingegen aufgenommen, sich durch das Gedränge zu wühlen. Da würde Malte jetzt ordentlich zu tun haben, doch sein Mitleid hielt sich in Grenzen.

Nachdem fast die gesamten fünfzehn Minuten abgelaufen waren, hatte sich der Saal wieder gut gefüllt und Lina ließ sich mit einem genervten Plumpsen auf ihren Sitz fallen.

„Mein Gott! Warum müssen alle Frauen immer gleichzeitig auf’s Klo? Und nicht, um zu pinkeln, sondern um zu quatschen und sich zu schminken. Bei mindestens 90% ist das eh verschwendete Zeit.“ Wenn Lina einmal in Fahrt war, war niemand vor ihrem Lästermaul sicher.

„Ich wusste schon immer, dass Frauen einen Grund haben, zu zweit dorthin zu gehen.“, murmelte er leise zustimmend. Frauen waren ein Rätsel, das er lieber nicht ergründen wollte.

„Möchte jemand ein Eis?“ Verdammt, diese Stimme erregte ihn auch bei so einem harmlosen Satz. Er kroch in seinen Sitz und da auf Lina Verlass war, schoss in diesem Moment ihre Hand in die Höhe. Tja, diese Zuckersüchtige hatte er leider nicht unter Kontrolle.

„Was hätten Sie denn gern?“ Er lächelte zwar sie an, aber seine volle Aufmerksamkeit galt eigentlich David.

„Das mit Schokolade!“ Er kassierte und wandte sich nun ganz ihm zu. Zielstrebig griff er in seinen Korb und zauberte sein Lieblingseis hervor. Allein bei dem Anblick – in mehr als einer Hinsicht – lief ihm das Wasser im Mund zusammen.

„Geht auf’s Haus, Kleiner.“ Damit zwinkerte er ihm zu und David spürte, wie ihm die Röte in das Gesicht schoss.

Eigentlich hätte er ablehnen sollen. Eigentlich hätte er ihn ignorieren sollen. Eigentlich hätte er ihn nicht immer noch heiß finden sollen. Stattdessen, bedankte er sich artig.

Malte warf kurz einen irritierten Blick auf Lina, die ihn jedoch strahlend anlächelte und viel sagend die Augenbrauen hoch und runter bewegte.

Schön, dass die beiden sich auf Anhieb an verstanden…

Die Lichter verdunkelten sich und mit einem letzten sehnsüchtigen Blick auf David, verschwand Malte wieder Richtung Ausgang.

Genüsslich packte Malte sein Eis aus, nachdem der andere gegangen war. Mhmmmm, köstlich!

Dafür war er ihm was schuldig. Oder war das seine Art, sich für seinen gestrigen Abgang zu entschuldigen?

Das Eispapier ließ sich erstaunlich leicht lösen und verwundert zog David einen kleinen zusammengefalteten Zettel hervor, der zwischen die Schutzschicht geklemmt war.

Seine Augen weiteten sich überrascht und mit zitternden Händen faltete er ihn auseinander.

 

"       Heute um 22:00 Uhr bei mir! Dann ist meine Schicht vorbei und dein Film auch.

 

            Helgensbecker Allee 20    

 

Ich erwarte dich! Malte "

Kapitel 3

Kapitel 3

 

 

David schluckte und war froh, dass er noch nicht angefangen hatte, zu essen. In diesem Moment wäre ihm sonst sicher das Eis im Hals stecken geblieben. Er wollte ihn wieder sehen!

Lina grinste ihn an, wie ein Honigkuchenpferd.

„Sag mal, hab ich was verpasst?“ Darüber wollte er jetzt wirklich nicht vor allen Menschen hier reden.

„Das erzähl ich dir morgen, aber jetzt solltest du dich lieber wieder konzentrieren, sonst verpasst du den Film.“ Sie zog einen Flunsch, fügte sich ihm jedoch. Sie wusste, dass er ihr alle Einzelheiten erzählen würde, wenn er soweit war.

Er wendete seine Augen wieder dem Geschehen zu, in dem der Held gerade von Aliens gejagt wurde und ihnen natürlich in letzter Sekunde entkam. Da er schon vorher nicht hingeschaut hatte, verstand er jetzt auch nur Bahnhof. Da konnte er auch gleich die Gedanken schweifen lassen, diesmal in eine harmlose Richtung.

Nächste Woche hatte er Urlaub und er wusste immer noch nicht, wo er hinwollte. Klar war, weg von hier. Vielleicht an die Mittelmeerküste. Die Südländer waren Gerüchten zufolge sehr tolerant und eventuell konnte er sich den ein oder anderen feurigen Liebhaber suchen. Erstaunt schüttelte David den Kopf über sich selbst. Seit wann ging es ihm darum, seinen Spaß zu haben?

Sonst war er mit ein bisschen Kultur, ein bisschen Strand zum Entspannen vollauf zufrieden gewesen. Norwegen klang auch gut, aber da war er letztes Jahr schon hingeflogen. Der butterweiche Fisch und die angenehme Gesellschaft waren jeden Euro wert gewesen.

 

Unruhig trat er von einem Bein auf das andere. Er stand vor der angegebenen Adresse auf dem Zettel und zögerte. Er wusste nicht wie Malte mit Nachnamen hieß. Sollte er sich durchklingeln? Aber es war nach 22 Uhr und die Nachbarn fanden das sicherlich nicht lustig. In genau drei Wohnungen brannte Licht. Aber irgendwie ahnte David, dass er unter dem Dach wohnte. Es würde zu ihm passen. Kurzentschlossen drückte er auf die Klingel. Ohne ein Wort ertönte der Summer und David schob die Tür auf. Im Hausflur roch es muffig und nach altem Haus. Langsam stieg er die Stufen hinauf, sich auf jeder einen Idioten schimpfend, weil er sich noch einmal darauf einließ. Doch er wollte ihn wiedersehen. Der Drang ihm noch einmal nahe zu sein, war übermächtig. Die Tür der Dachgeschosswohnung stand offen und David trat zögerlich ein, nur um sich gleich darauf in einer festen Umarmung wiederzufinden. Malte vergrub seinen Kopf in den dichten schwarzen Locken und atmete tief den frischgewaschenen Duft ein und den Geruch, der von David ausging. Nichts war betörender.

David drehte sich um und sah in die verführerischen dunklen Augen. Alle Bedenken waren vergessen. Auch, das Malte ohne ein Wort gegangen war.

„Ich lass dich die Nacht nicht gehen. Das ist dir doch klar, oder?“ Der sanfte Hauch an seinem Hals bescherte David eine Gänsehaut und Maltes Tonfall erst recht. Konnte er sich wieder darauf einlassen? Einfach nur sein  Vergnügen suchen und sonst nichts? Er führte ein sekundenlanges Gespräch mit sich selbst und hatte sich entschieden. Er würde nehmen, was er kriegen konnte. Und alles Weitere erst einmal hintenan stellen.

„Mh. Du riechst nach Popcorn.“ Er fand es nicht unangenehm, ganz im Gegenteil. Er hätte ihn auffressen können. Doch er bezweifelte, dass Malte ihn einfach das machen ließ, was er sich wünschte.

„Wollen wir dann erst einmal unter die Dusche? Ich bin auch erst vor zwei Minuten rein. Bin vom Arbeiten bestimmt ganz verschwitzt.“ David nickte schüchtern.  Er traute sich nicht, Malte zu sagen, dass er phantastisch roch. Wenn dieser sich unwohl fühlte, dann würde er mit ihm unter die Dusche gehen. Er wusste nicht, woher er den Mut nahm oder ob das erste Eis bereits durch den Abend bei ihm gebrochen war, aber er wusste, dass er nun auf keinen Fall mehr einen Rückzieher machen würde.

Er hatte noch nicht einen Winkel der Wohnung gesehen, weil er nur Augen für den großen Mann gehabt hatte, der sich an ihn presste.  Nicht einen einzigen Kuss hatte er bekommen und so langsam wurmte David dieser Umstand. Auffordernd packte er Malte am Kragen und zog ihn zu sich herunter.

„Ich will, dass du mich küsst und danach um den Verstand bringst. Dein Versprechen von gestern ist meiner Meinung nach noch nicht erfüllt, dafür kann ich immer noch zu klar denken.“ Daraufhin presste er fest seine Lippen auf die des anderen, erkundete mit der Zunge die Konturen und musste sich beherrschen, sich nicht in diesem Kuss zu verlieren.  Malte vertiefte den Kuss und wieder hatte David das Gefühl, dass sein Gehirn sich langsam aber sicher verabschiedete, bevor es ihm zu brenzlig wurde, drückte er gegen Maltes Brustkorb. Und genoss die Spannung der Muskeln darunter.

„Wollten wir nicht unter die Dusche? Mir fällt da so Einiges ein, wie wir dich wieder sauber bekommen können.“ David biss sich verführerisch auf die Lippe. Das hatte er so gar nicht sagen wollen, aber das Feuer in den Augen des Braunhaarigen zeigte, dass es genau die richtigen Worte gewesen waren.

„Dann muss ich mich wohl fügen. Das klingt zu verlockend.“ Sie wankten ineinander verschlungen in das kleine Bad und Malte schaltete sanftes Licht an. Es gab nur eine Dusche hinter einer Glaswand, aber es würde für ihre Zwecke reichen. David konnte sich das freche Grinsen nicht vom Gesicht streichen. Langsam glitten seine Finger unter das Hemd und schoben es Malte über die Schultern. Sein Atem ging flach und unregelmäßig. Sacht kratzte er mit seinen kurzen Fingernägeln über den Brustkorb und sah fasziniert zu, wie sich an jeder der berührten Stellen Gänsehaut bildete. Er konnte sich nicht an ihm satt sehen. Warum nur, sah er so verdammt heiß aus?

„Mach so weiter und ich falle sofort über dich her.“ Sein Blick versprach alles.

„Dann muss ich wohl weitermachen.“ Wieder schob sich ein Lächeln auf seine Lippen und er löste den Gürtel von Maltes Hüften.

„So viel Courage hätte ich dir gar nicht zugetraut. Kleiner.“

„Du hast mich verdorben und ich heiße übrigens David.“ Er wollte nicht gesichtslos sein. Malte sollte sich an ihn  erinnern. In jedem Augenblick. So lange, bis er sich genauso nach ihm verzehrte. Immer stärker zog er an der Hose, bis sie unter seinem Ziehen nachgab und Malte in all seiner Pracht vor ihm stand.

                                                                 

Wieder sah er nicht, wie Malte ihn sah. Wie er sich die Lippen leicht leckte, als ob er eine Süßigkeit vor sich hätte. Den Hunger, der in den hellgrünen Augen aufblitzte und dafür sorgte, dass sich Malte begehrt fühlte. Der Kleine, David, löste in ihm eine Sehnsucht aus, die er dadurch zu stillen hoffte, dass er sich immer wieder in ihm versenkte. So lange, bis er aus seinem Kopf verschwand.

 

Die Nacht war berauschend.  Wieder gelang es Malte David bis an den Abgrund zu bringen. Und danach völlig ausgelaugt zurückzulassen. Das Bett war bequem, der Geruch nach ihnen verführerisch und doch wusste er, dass er gehen musste. Bevor er sich immer weiter in dieser Geschichte verlor. Bis er nicht mehr wusste, was er hier eigentlich tat. David zog die Schultern an und suchte seine Sachen zusammen. Sie hatten sie im Zimmer verstreut und er war sich sicher, dass seine Boxershorts noch im Bad lag. Das Bad. Er errötete bereits bei dem Gedanken daran, was er mit einem ihm fremden Menschen getan hatte. Doch entschlossen schüttelte er den Kopf. Das war vorbei. Es würde keine Wiederholung geben. Auf Dauer hielt er das nicht aus. Es fühlte sich zu sehr nach Benutztwerden an und nur um Druck abzubauen, war er sich dann doch zu schade. Er seufzte abgrundtief und sah zu Malte, der eingeigelt auf dem Bett lag. Er schlief wie ein Baby und unerwartet schossen David zärtliche Gefühle durch den Körper, die er jedoch sofort erstickte. Nein. Malte hatte kein Wort verlauten lassen, dass das hier mehr als Sex wäre. Wäre auch unwahrscheinlich nach zwei Tagen. Absolutes Romankitschdenken, dass es so etwas wie die Liebe auf den ersten Blick wirklich gab. Warum nur kamen ihm die Tränen bei dem Gedanken daran? Wütend wischte er sie weg. Er würde gehen. Sofort. Es hatte keinen Zweck noch länger hierzubleiben.  Malte war so erschöpft von ihrem Liebesspiel, dass er das leise Klicken der Wohnungstür nicht bemerkte.

 

Er quälte sich die Woche durch seine Vorlesungen. David wusste nicht, wie er überhaupt etwas lernte, aber er schaffte es. Seine Mutter hatte angerufen und ihr fröhliches Geplapper hatte ihn ein wenig aus seiner Lethargie gerissen, aber sie nicht verdrängt. Kein Anruf. Kein Brief. Kein Lebenszeichen. Woher auch? Er hatte seine Nummer nicht - Aber seine Adresse. David wusste, dass es vorbei war. Es war genau so gekommen, wie er es erwartet hatte und doch schmerzte es ihn, Recht behalten zu haben. Er schottete sich von seinen Kommilitonen ab, die sowieso alle viel jünger waren als er und mit anderen Problemen beschäftigt. Es war ihm nie gelungen ein engeres Verhältnis aufzubauen und ehrlich gesagt, hatte er sich auch nicht besonders viel Mühe gegeben. So trabte er müde nach Hause, den Weg von der Uni in sein Apartment konnte er mühelos zu Fuß zurücklegen.  Lina versuchte seit drei Tagen mit ihm auszugehen, aber er hatte keine Lust. Er war zu niedergeschlagen. Reiß dich zusammen. Er will dich nicht. Das hatte er nun eindeutig gezeigt, sonst hätte er Mittel und Wege gefunden, Kontakt zu dir aufzunehmen. Die kleine Stimme, die flüsterte, dass er auch wusste, wo Malte wohnte und arbeitete, überhörte er geflissentlich. Er würde sich ihm nicht an den Hals werfen. Er musste den nächsten Schritt tun. Auch wenn sich David sicher war, dass das niemals passierte.

Lina fing ihn vor seiner Haustür ab.

„Du kommst jetzt mit nach oben. Dann ziehst du dir was Schickes an, ich weiß auch schon was und wir gehen tanzen. Widerspruch ist absolut zwecklos. Ich ertrag es nicht länger, dass du ihm hinterher weinst. Er hat dich nicht verdient, wenn er nicht merkt, was für eine Sahneschnitte ihm da entgeht.“ Er protestierte nicht, wenn sie in dieser Stimmung war, dann konnte man reden, was man wollte, sie schleifte einen trotzdem mit und es wurde dann nur noch schlimmer.

„Also diese Hose und dieses Hemd. Los, mach schon und schau nicht so skeptisch. Das sieht scharf aus.“ Wo wollte sie mit ihm hin? Die Hose war hauteng und das Hemd eher ein Muskelshirt, das diese Bezeichnung nicht verdiente, er hatte es sich gekauft, als er noch Sport getrieben hatte, aber nun fehlte ihm die Zeit dafür. Er würde sich lächerlich vorkommen, aber Linas Wort war Gesetz.

 

Er war schon wieder hier. Es war genauso schrecklich wie beim letzten Mal. Es war heiß stickig und es roch unangenehm nach vielen verschwitzten Körpern. Er würde Lina umbringen. Würde sie leiden lassen und das nächste Mal in die Oper oder ins Ballett schleppen. Das wäre ein grausamer Ausgleich. David stellte sich an die Bar und beobachtete die wiegende Menschenmenge. Unbewusst suchten seine Augen nach einer schwarzen Lederjacke und braunen Haaren. Doch er sah viele junge Mädchen und noch beschwipstere jüngere Kerle, die sich an die Mädels ranmachten. Größtenteils ohne Erfolg. Er kam sich alt vor und hatte das Gefühl, dass sein halber Studiengang hier anwesend war, was es nicht leichter machte.

„Hi David. Ist ja schön, dass du dich wieder unter Menschen traust.“ Die sanfte Stimme gehörte einem Kommilitonen namens Markus und David musste zugeben, dass er einer der wenigen war, die er mochte. Er hatte sich von seiner unnahbaren Art nicht einschüchtern oder abwimmeln lassen, sondern hartnäckig versucht, weiter seine Freundschaft zu gewinnen. Auch wenn sich David nicht sicher war, warum. Manchmal sah er ihn so seltsam an. Lina war mal wieder im Tanzgewühle verschwunden und hatte ihn allein gelassen. Er konnte mal wieder sehen, wo er blieb, da kam ihm die Gesellschaft von Markus gerade recht. Er war nett und nervte ihn nicht mit Belanglosigkeiten. In der Regel konnten sie schweigend die Ruhe des anderen genießen, wahrscheinlich verstanden sie sich deshalb so gut.

„Mh. Lina hat mich gezwungen.“ Er rang sich ein schiefes Lächeln ab und sah den Schalk in Markus blau-grauen Augen aufblitzen.

„Dann muss ich mich wohl bei ihr bedanken. Es war nämlich sehr öde, bevor du gekommen bist.“

„Und was hat sich durch meine Anwesenheit geändert?“ Er fand es immer noch langweilig, was vielleicht daran lag, dass er dem Rumgehopse nicht viel abgewinnen konnte.

„Na, du bist da.“ Das Grinsen, das seine vollen Lippen zierte, sprach Bände und David verstand so langsam, worauf der etwas Kleinere hinauswollte.

„Wollen wir uns da hinten hinsetzen? Da ist es ein bisschen ruhiger.“ David war hin- und hergerissen. Ja, er fand ihn süß, aber war eigentlich nicht das, was er wollte. Nur, denjenigen würde er nicht bekommen. Er hatte sich doch nach einem Abenteuer gesehnt und nun war da ein williger Körper, der ihn zumindest wärmen würde.

„Okay, Markus.“ Sie schlenderten jeder seinen Drink in der Hand auf eine Sitzecke zu, die von den anderen abgeschirmt war. Das Licht war hier dämmrig und im Prinzip war genau klar, was hier wahrscheinlich jedes Wochenende vor sich ging. Das Leder rieb unangenehm an seiner engen Hose, aber David fügte sich.

„Schmeckt das? Sieht komisch aus.“ Markus taxierte den blauen Cocktail, der in Davids Hand schwebte.

„Ist ein Pistolero.“ Er verriet ihm nicht, dass der Drink alkoholfrei war, am Ende hätte er ihn nur dafür ausgelacht. Aber er mochte es nicht, wenn Fruchtcocktails durch den Alkohol eher versaut als besser wurden.

„Mh, lecker.“ Sein Blick wanderte von dem Glas auf Davids Lippen und wieder zurück.

„Ich wette, du schmeckst genauso gut.“ Er würde nehmen, was er kriegen konnte. Alle Malte dieser Welt konnten ihn mal kreuzweise und gestohlen bleiben.

„Dann solltest du wohl kosten.“ Er senkte seinen Mund auf die vollen Lippen und stellte fest, dass sie zwar nicht vergleichbar waren, mit den anderen, aber auch nicht schlecht. Fest drückte er die Hand in seinen Nacken, um ihn näher zu sich heranzuziehen und den Kuss zu vertiefen. Das schien Markus zu ermutigen und er schlang die dünnen Ärmchen um seinen Hals und klammerte sich regelrecht an ihn. Er küsste gut, wirklich gut. David merkte, wie er darauf reagierte und sein Atem sich beschleunigte. Diese enge Hose war definitiv ein Fehler gewesen. Sie verbarg absolut nichts. Als sich kalte Fingerspitzen unter die Träger seines Shirts mogelten, war es vorbei mit seiner Beherrschung. Er drückte den Jüngeren fest in das Polster und war kaum noch Herr seiner Sinne.  Hart umfasste er seinen Hintern und knetete ihn, das Stöhnen Markus‘ war sein Belohnung.

„Scheiß Schwuchteln, könnt ihr nicht woanders rummachen?!“ Die Gruppe Mädchen, die sich in eine andere Sitzecke gedrängt hatten, sahen sie geekelt an. Davids Kopf war nicht klar und doch erkannte er mitten in dieser Gruppe Malte, der ihn verachtend anstarrte. Scheiße. Was tat er hier eigentlich?

Er löste sich von Markus, der ihn verwirrt ansah.

„Hör nicht auf die, die haben doch keine Ahnung. Es war eben so schön.“ Tja, Kleiner, die Show war gelaufen. David konnte es nicht. Nicht, wenn ihn diese Augen anstarrten, als ob er gleich seinen letzten Atemzug tun würde oder wahlweise auch Markus.

„Lass uns zu dir gehen.“ Er ließ nicht locker. Aber David war die Lust vergangen.

„Vielleicht ein andermal. Mir geht es nicht so gut, ich werd nach Hause gehen.“ Damit erhob er sich und Markus konnte es nicht lassen, er brachte ihn noch bis an die Tür.

„Ich hoffe es geht dir bald besser und wir können das wiederholen?“ Es tat David weh, diesen hoffnungsvollen Dackelblick zu sehen. Er beließ es bei einem unbestimmten Brummen und ging, ohne ein weiteres Wort. Er hatte ja gewusst, dass es ein Fehler war, hierher zu kommen.

Kapitel 4

Kapitel 4

 

Er hätte sich selbst treten können, warum nur hatte er sich von Lina überreden lassen hierher zu kommen? Er würde Maltes entsetzten enttäuschten Blick sicher nicht so schnell vergessen. Dabei hatte er absolut kein Recht dazu! Er hatte ihn doch links liegen gelassen, wenn er seine Chance gewollt hätte, dann hätte er sie längst nutzen können. Er musste ihn vergessen, weitermachen wie bisher und vor allem würde er sich nie wieder auf so etwas einlassen. Er hörte die schweren Schritte hinter sich, aber er drehte sich nicht um. Er konzentrierte sich darauf, den Weg zu seinem Zuhause zu finden. Wütend auf sich selbst, wütend auf Malte und auch wütend auf Markus, der nun wirklich nichts für die ganze Situation konnte. Kurz bevor er seine Wohnung erreichte, wurde er von einem massiven Gewicht gegen die Hauswand gedrückt.

„Was soll...“ mehr brachte er nicht heraus, bevor ihm der Mund von wütend zusammengepressten Lippen verschlossen wurde. Es war keine Sanftheit darin, nur schwelende Wut. Er hatte kein Recht dazu! David schlug mit der geschlossenen Faust gegen Maltes  Brust. Verzweifelt. Er wollte nicht mehr. Er konnte nicht einer von vielen sein. Entweder er war der Eine oder es hatte keinen Sinn. Hatte es ja auch nicht, denn Malte sah das bestimmt nicht so. Wahrscheinlich war nur sein Stolz angekratzt und nun wollte er sich sein Spielzeug zurückholen.

„David. Hör auf damit!“ Die herrische Stimme sorgte dafür, dass David seinen Widerstand abrupt aufgab, aber er würde ihm nicht ins Gesicht sehen. Würde ihm nicht die Genugtuung geben, dass er wieder eine neue Kerbe gebrochener Herzen in seinen Bettpfosten einritzen konnte.

„Was ist nur los mit dir?“ Malte schüttelte den Kleineren nicht gerade sanft.

„Was sollte das da drin, was war das? Warum sagst du nichts?!“ Mittlerweile schrie er ihn schon fast an, aber David war es egal, ob die ganze Nachbarschaft ihren Streit mitbekam.

„Kann dir doch egal sein.“ Trotzig schob er sein Kinn vor und drehte den Kopf demonstrativ zur Seite.

„Mir ist es aber nicht egal. Nach nicht mal einer Woche sehe ich dich in den Armen eines anderen und dann noch ausgerechnet in denen von Markus. Der verspeist sowas wie dich doch zum Frühstück. Dem sind deine Gefühle vollkommen egal. Für ihn zählt nur die nächste Eroberung. Ist es das was du willst?“ David drängte die Tränen zurück. Er würde sich nicht vollkommen erniedrigen und hier losheulen.

„Du bist doch auch nicht anders! Markus ist wenigstens mein Freund.“ Damit riss er sich los und sprintete zu seiner Haustür. Seine Hände zitterten dermaßen, dass er Mühe hatte, den Schlüssel in das Schloss zu stecken.

„Ist es das, was du von mir denkst? Dann lohnt sich jedes weitere Gespräch nicht mehr. Ich hätte dich nicht für so oberflächlich gehalten, David. Mach's gut. Ich hoffe, du findest, was du willst bei ihm, auch wenn ich es bezweifle.“ Sein leeres Lachen hallte in Davids Kopf wieder. Er wankte die Treppen nach oben und stieg unter die Dusche. Eigentlich war sie zu heiß eingestellt, aber er wollte dieses Gefühl abspülen. Seit einer Woche war sein Leben auf den Kopf gestellt. Wie hatte sich in dieser kurzen Zeit nur so viel verändern können? Das Handtuch um die Hüfte geschlungen, ging er in die Küche, um sich etwas zu trinken einzuschenken.

'Ist es das, was du von mir denkst?' Es ging ihm nicht aus dem Kopf. Wie sollte er anders denken? Malte hatte ihm doch jeden Anlass zu dieser Annahme gegeben. Er hatte ihn fallen gelassen. David war gegangen und er hatte sich nicht darum geschert. So einfach war das. Daran gab es nichts zu deuteln. Und dass er Markus genau sein Verhalten vorgeworfen hatte, war doch lächerlich. Markus war sein Freund. Selbst wenn er mit ihm im Bett landen würde, konnten sie ganz sicher auch wieder eine rein freundschaftliche Beziehung zueinander pflegen. Mal ganz davon abgesehen, dass das nur Behauptungen waren. Diese Baustelle würde er morgen klären. Er wollte schlafen gehen, doch nach einer Stunde gab er es auf. In seinem Kopf drehten die Gedanken sich im Kreis. Ein Wirbelsturm aus Emotionen. Wut, Enttäuschung, Angst, Machtlosigkeit. Er versuchte sich abzulenken, schaltete den Fernseher an, nahm sich ein Buch und am Ende setzte er sich vor den PC.  David blieb bis in die frühen Morgenstunden davor sitzen, bis ihm die Augen brannten. Er hatte ein Spiel angeschaltet und gnadenlos jeden Gegner niedergemacht, der sich ihm in den Weg gestellt hatte. Wenn ihn jemand gefragt hätte, ob er sich vorgestellt hatte, dass es Maltes Gesicht war, anstatt des Gegners, hätte er ohne zu zögern mit Ja geantwortet. Und doch gewusst, dass er log. Denn es war nicht Maltes Gesicht. Es war sein Eigenes.

 

„Guten Morgen, David. Komm setz dich zu mir.“ Markus winkte ihm fröhlich zu. Wieso hatte er gute Laune an einem Samstagmorgen, wenn alle außer ihnen, ausschlafen konnten? Er hatte es ja gewusst. Der andere war nicht nachtragend und behandelte ihn genauso wie vorher. Er hielt ihm einen Muffin hin und David nahm ihn ohne zu zögern.

„Du siehst aber nicht gut aus, geht es dir noch nicht besser? Bist du vielleicht krank? Dann solltest du zum Arzt gehen. Heute ist eh kein wichtiger Kurs und ich kann dir meine Aufzeichnungen kopieren.“ Es wäre so einfach gewesen, das als Ausrede zu benutzen und zu verschwinden. Sich in seinem Bett zu verkriechen und die Decke über den Kopf zu ziehen. Nur, dass das nicht gegen sein Gedankenkarussell half.

„Sag mal. Das gestern, hast du das ernst gemeint?“ Er sah in die schönen Augen des Jüngeren, der ihn erstaunt ansah.

„Natürlich, du etwa nicht?“ Autsch, wenn er jetzt etwas Falsches sagte, dann könnte es vielleicht doch mit ihrer Freundschaft vorbei sein. Auch wenn ihm nicht klar war, warum ihm das plötzlich so wichtig war.

„Ich meinte damit, wie ernst? Weil ich… ich will dich nicht anlügen…aber ich…“

„Du liebst einen anderen, schon klar.“ Er lächelte David vertrauensvoll an. Warum war es so schwer, ihm ins Gesicht zu sehen. Weil er ein unschuldiger Spielball geworden war oder werden würde, wenn er sich darauf einließ. David war nämlich völlig klar, dass diese Vernarrtheit in Malte nicht von heute auf morgen aufhören würde. Sie würde sich immer weiter in ihn hineinfressen und alle Liebe zerstören, die er Markus vielleicht hätte geben könne, wenn Malte nicht aufgetaucht wäre.

„David. Schau nicht so griesgrämig. Ich vermute das schon länger und du hast es mir bestätigt, aber weil du so ehrlich warst, bin ich es auch. Ich werde nehmen, was ich von dir bekommen kann. Sei es deine Freundschaft, nur eine rein körperliche Beziehung oder der Anschein von mehr. Ich mag dich wirklich sehr gern. Und ich bin immer noch froh, dass ich mich von deiner schroffen Art nicht habe abschrecken lassen.“

David starrte den Jüngeren verblüfft an. Damit hatte er absolut nicht gerechnet. 

„Ich will dir nicht wehtun, Markus. Deswegen halte ich es für besser, wenn wir das nicht vertiefen.“

„Ich verlange nichts von dir. Wir müssen kein Paar sein, du musst nicht mit mir schlafen, wenn du nicht willst und ich werde dir keinerlei Vorschriften machen, wenn du jemand anderen hast. Aber bitte lass mich nicht fallen, nur weil du weißt, was ich fühle. Ich bin doch dein Freund, oder?“ David konnte nicht anders, er nickte. Er wusste es war ein Fehler und er würde ihn bitter bereuen, aber er würde ihm nicht seine Freundschaft versagen.

„Wollen wir heute Abend einen Film zusammen schauen? Als Freunde? Ich hab ein paar neue zum Geburtstag geschenkt bekommen. Du kannst ja zu mir kommen und wenn du willst, übernachten. Immerhin wohnen wir ziemlich weit auseinander.“ Er zögerte, aber eigentlich war es nur eine ganz harmlose Verabredung. Was sollte schon passieren?

 

„David!“ Er wurde stürmisch umarmt und der Kleine war mehr als aufgekratzt. Sonst hatte er sich in seiner Gegenwart immer zurückgehalten. Aber nun schien er ihm mit aller Macht sein wahres Ich zeigen zu wollen.

„Ich habe uns Pizza bestellt, also setz dich. Was willst du trinken? Ich hab Limo, Wasser, Bier, einen Whiskey, von dem ich glaube, dass er bereits schlecht ist, aber du kannst trotzdem probieren.  Eine Art Brause, die nach Melone schmeckt. Die hat mein Mitbewohner gekauft, aber wir dürfen die bestimmt trinken.“ Der Ältere war völlig überfordert von so viel Ãœberschwänglichkeit.

„Bring mir irgendwas. Und übrigens Whisky wird nicht schlecht.“ Er hörte es in der Küche klappern und machte es sich auf der Couch bequem. Eine typische WG-Wohnung, aber sie war wenigstens aufgeräumt. Wahrscheinlich hatte Markus vorher noch geputzt. Er schmiss sich wirklich in Schale und David hatte ein schlechtes Gewissen. Er wurde das Gefühl nicht los, dass der andere sich doch Chancen ausrechnete. Was war eigentlich sein Problem damit? Er wollte Malte doch vergessen und vielleicht konnte er dieses kleine Energiebündel irgendwann lieben. Doch eines bereitete ihm immer noch Sorgen. Malte hatte da was fallen lassen, dass er für Markus auch nur eine Eroberung wäre. Dabei traute er ihm das wirklich nicht zu. Er war süß und schüchtern. Außerdem was hörte er auch auf den Idioten Malte?!

Er würde sich nicht den Abend verderben lassen und alles auf sich zukommen. Wer war er schon einem anderen die Gefühle absprechen zu wollen? Möglicherweise war Markus der Richtige für ihn und Malte war nur ein Strohfeuer.

„Ich habe dir eine Limo mitgebracht.“ Markus ließ sich neben ihn fallen und hielt nicht mal annähernd so viel Abstand zu ihm, wie es unter Freunden üblich gewesen wäre.

Für sich selbst hatte er eine dieser Melonenbrausen aufgemacht und David fragte sich, ob sein Mitbewohner wirklich damit einverstanden war. Er zumindest hätte es nicht so leicht gesehen, wenn sich jemand an seinem Zeug vergriff.

„Was gucken wir zuerst? Action? Horror? Liebesschnulz ist raus. Science-Fiction? Komödie?“ Er hatte alle Film auf dem Tisch ausgebreitet und die Wahl fiel wirklich schwer.

„Schließ die Augen und such aus.“ Ordnete er an und David gehorchte. Dass er während er die Augen geschlossen hielt, einen federleichten Kuss auf die Wange gehaucht bekam, versuchte er zu ignorieren.

„Transformers 3. Ah, ok, den kenne ich auch noch nicht. Gute Wahl.“ Er öffnete die Augen und Markus war zu der PS3 gegangen, die ihm als DVD-Player diente.

„Licht aus. Und los geht’s.“ Er drückte auf eine seiner kleinen Fernbedienungen, die anscheinend jedes technische Gerät hier bedienen konnten. Schlagartig wurden sie in Kino-Dolby-Surround getaucht und in völlige Finsternis. Nur der Bildschirm flackerte hell.

„David….darf ich … mich an dich anlehnen? Nichts weiter? Ich bin ganz brav.“ Als er nicht antwortete, schien Markus das als Ja zu nehmen und seine Körperwärme drückte sich weich an Davids Haut.  Er kuschelte sich an ihn und sie sahen den Film.

Im Laufe der Zeit wurde David doch müde, nachdem sie bereits die dritte DVD eingelegt hatten.

„Hast du noch nicht genug?“ Er gähnte herzhaft. Morgen war Sonntag und sie konnten wenigstens ausschlafen.

„Ist dir langweilig?“ Er sprühte immer noch vor Energie und David bewunderte ihn ein wenig dafür.

„Nein, ich bin müde. Die letzte Nacht habe ich nicht viel geschlafen. In letzter Zeit schlafe ich nicht so gut.“

„Ach so. Mh, aber vielleicht hilft dir dann ein Schluck Whisky beim Einschlafen?“ David bezweifelte zwar, dass der Alkohol sein Hirn so vernebeln würde, wenn er nicht die ganze Flasche trank, aber einen Versuch war es wert. Es würde ihn auch davon abhalten, über Markus herzufallen, der ein süßes Aroma verströmte und dem er im Halbschlaf nur schwer widerstehen konnte. Es wäre so leicht, so unkompliziert. Sie mochten sich. Sie fanden sich anziehend. Seine Selbstbeherrschung hing an einem seidenen Faden und er hatte Mühe, ihn nicht selbst durchzuschneiden.

„Okay, dann her mit dem guten Tropfen.“ Markus holte die Flasche und zwei Gläser und sie prosteten sich zu.

„Nicht schlecht und du dachtest, er wäre vergammelt.“ David lächelte den Jüngeren an und dieser leckte sich gerade goldbraune Tröpfchen von den Lippen. Er verspürte ein Ziehen in seinen Lenden und der Faden riss immer weiter.

„David…du weißt, dass du mich haben kannst. Ich bin keine verbotene Frucht. Denn so siehst du mich gerade an.“ Er kam ihm immer näher und er roch den leichten Whiskyatem, der sich aber mit dem süßen Geruch von Markus mischte. Eine unwiderstehliche Mischung und David gab auf. Warum sollte er sich wehren?

„Komm her.“ Seine Stimme klang rau und er hatte das Gefühl, dass seine Sicht leicht verschwamm. Vielleicht war der Whisky doch schlecht geworden? Blödsinn. Das waren nur seine vernebelten Sinne. Der Schlafmangel, der Alkohol und diese verführerische Sirene waren ein tödlicher Cocktail.

Markus krabbelte zu ihm und berührte sein Gesicht federleicht mit den Händen. Sanft strich er über die ausgeprägten Wangenknochen. Bewunderte jede noch so kleine Erhebung. David wusste gar nicht, wie niedlich er aussah. Die grünen Augen aufgerissen, voller Erwartung, was nun kommen würde. Wenn es nach Markus ging, das volle Programm. Diese Gelegenheit würde er nicht ungenutzt verstreichen lassen. Viel zu lange hatte er darauf gewartet, diesen Körper unter sich zu spüren, sich an ihn zu schmiegen und ihn zu verwöhnen. Der Blick von dem Typen in der Disco war ihm keinesfalls entgangen und er würde David ganz sicher nicht kampflos hergeben. Gut, dass David sein Gesicht gerade nicht sehen konnte, da er sich an seinem Körper hinab küsste, sonst wäre er über das triumphierende Grinsen erschrocken, das es zierte.

Stattdessen lenkte er ihn erfolgreich mit seiner Zunge ab. Genoss jedes Stöhnen, dass der Schwarzhaarige von sich gab.

Was tat Markus da mit seiner Zunge? Er trieb ihn in den Wahnsinn, eindeutig. Aber er konnte es nicht leiden, wenn er nicht die Oberhand hatte, deshalb schob er den Jüngeren von sich und setzte sich gerade hin.

„Was ist los?“

„Ich bin dafür, dass wir das Zimmer wechseln, es sei denn du möchtest vorher duschen?“

„War ich schon.“ Damit war er in dem rechten Zimmer verschwunden und David folgte ihm gemächlich. Anscheinend würde er heute wieder wenig Schlaf bekommen.

Kapitel 5

Kapitel 5

 

 

Ihm brummte der Schädel, die Vorlesung am Montag nahm er nur am Rande wahr und konnte sich so gut wie gar nicht konzentrieren.  Der ganze Tag war an ihm vorbeigerauscht und er konnte nicht behaupten, dass er von dem Inhalt seiner Vorlesungen irgendwas mitbekommen hätte.  Er hatte schlecht geschlafen, aber auch tagsüber war David nur am Grübeln. Markus verhielt sich zurückhaltend. Sie saßen nebeneinander und waren immer noch freundlich zueinander, doch irgendwas war anders. Er hatte erwartet, dass ihre Beziehung zueinander nun intensiver werden würde. Aber Markus schien es als nichts Besonderes anzusehen. Auch gut, das war doch seine größte Angst gewesen, dass sie danach keine Freunde mehr sein könnten. Doch diese Ignoranz ging ihm auch gegen den Strich. David wusste einfach nicht mehr, was er von sich halten sollte. War er für alle nur ein Spielzeug? Jemand, der es wegsteckte, dass man mit ihm schlief und danach genauso wie vorher behandelte? Strahlte er solche Selbstsicherheit aus, dass er so ein Verhalten einfach mitmachte, ohne sich zu beschweren, ohne dass seine Gefühle verletzt wurden? Er wusste, dass er nicht so stark war, doch seine Umgebung schien das anders zu sehen. Seinen Kommilitonen war er sowieso egal, immerhin hatte er jeden außer Markus erfolgreich vergrault, ohne mit der Wimper zu zucken. Und es war ihm egal gewesen. Aber nun wollte er einmal im Leben etwas für sich ganz allein haben und wusste nicht, wie er es anstellen sollte. Er wollte Malte. Das hatte er klar erkannt, nachdem er mit Markus geschlafen hatte. Er hatte sich Hals über Kopf verliebt und musste nun mit dem Herzschmerz leben.  Morgen würde er zum Flughafen fahren. Mit gepacktem Koffer, der sowohl Sachen enthielt, die für ein warmes Land geeignet waren, als auch für ein kälteres. Er würde einen Blindflug wagen. Einfach dem Zufall überlassen, wo die Reise hingehen sollte. Das Budget war zwar begrenzt, aber auch nicht so wenig, dass es sich nicht lohnen würde. Er brauchte Abstand zu allem.

„David? Wo bist du denn mit den Gedanken?“ Er sah Markus in die schönen Augen, doch heute hatten sie wenig Tiefgang. Er wusste, dass es zu spät war. Er konnte sich nicht in ihn verlieben, es war zu spät.

„Ist schon gut. Fährst du in der vorlesungsfreien Zeit zu deinen Eltern?“ Er nickte.

„Und du?“

„Ich weiß noch nicht, auf jeden Fall weg von hier.“ Damit war ihr Gespräch auch schon beendet und er wendete sich wieder der Vorlesung zu. Es war komisch. Keiner von beiden schien Anteil an dem zu nehmen, was der andere machte. Dabei hätte er zumindest erwartet, dass Markus nachfragen würde.

 

„Hi David!“ Er stöhnte, das könnte länger dauern. Er legte sich das Telefon auf die Schulter und klemmt es unter seinem Ohr ein. Einhändig Gurken schneiden war sicher keine gute Idee.

„Hallo Lina. Wie geht es dir?“

„Ach bei mir ist alles in Ordnung, erzähl mir lieber, was am Freitag noch los war. Du warst schon wieder einfach verschwunden. “

„Kein Wunder. Maltes Weibermeute haben auch ganz schön einen auf schwulenfeindlich gemacht.“ Er war immer noch sauer, dass er dieses Gequatsche einfach zugelassen hatte.

„Echt? Erzähl! Ich dachte, er steht voll auf dich.“ Er hörte genau, wie sie es sich in ihrem schweinchenrosa Sitzsack bequem machte.

„Nun, irgendwie schon, aber nun scheint er mich zu hassen. Er hat gesehen, wie ich mit Markus geknutscht habe.  Er hat mich angesehen wie eine Kakerlake, Lina! Du kannst dir den Ekel nicht vorstellen.“, erklärte David kleinlaut.

„Was machst du auch so was Bescheuertes?!“ Nun gab sie ihm Feuer.

„Also, ich hatte eher das Gefühl, dass er dir ganz schön hinterher rennt. Er hat mich nämlich nach deiner Hausnummer gefragt und ist dir anscheinend nachgelaufen. Und wer war der andere Kerl? Hat es sich wenigstens gelohnt, deswegen Malte sitzen zu lassen?“ Sie hatte da wohl was völlig falsch verstanden.

„Äh, Lina. Ich bin nicht mit ihm zusammen und er hat durchblicken lassen, dass da auch nicht mehr von seiner Seite kommt. Da kann ich küssen, wen ich will, es geht ihn absolut gar nichts an. Außerdem ist Markus wirklich nett. Du hast ihn auch schon kennen gelernt. Er ist ein Kommilitone. Aber das wird eh nichts. Ich hab mich blöderweise in dieses Arschloch verliebt, der mit mir schläft, zweimal, und mich beide Male wie eine heiße Kartoffel fallen lässt. Was soll ich denn davon halten?“

„Klingt irgendwie nicht nach dem Typen, den ich am Freitag getroffen habe. Er schien so verzweifelt und deinen Markus mochte ich nicht besonders. Er hat irgendwas Schleimiges. Sorry, dass ich so was Gemeines über deinen Freund sage, aber er ist mir nicht geheuer.“ Sie klang nachdenklich und die Pause am Telfon wurde immer länger.

„Malte hat dich doch noch eingeholt, oder?“

„Ja, aber wir haben uns gestritten. Er behauptet, dass Markus nur mit mir ins Bett wollte, um damit anzugeben. Aber er hat Unrecht. Er war heute genauso nett, wie sonst auch. Und er versteht nicht, dass ich das Gleiche von ihm denke. Aber mal ehrlich, was soll ich denn sonst denken? Erst verschwindet er, dann lässt er mich einfach gehen und dann meldet er sich nicht. Also will er nur Sex. Und dafür bin ich mir zu schade.“ Er hörte sie erschrocken aufkeuchen.

„Du bist mit diesem Markus ins Bett?! David! Also wirklich. Nur, weil du Malte nicht eine Chance gegeben hast. Ich glaube, du hast da was in den falschen Hals bekommen. Er mag dich! Im Gegensatz zu dieser Schlange. Verdammt. Ich hätte besser auf dich aufpassen sollen. Das musst du Malte schonend beibringen, er scheint ziemlich eifersüchtig zu sein.“ Sie schien irgendwie in ihrer eigenen Welt zu leben. Sie hatte sich da was völlig Verqueres zusammengedacht.

„Lina, du bist nicht meine Mutter. Ich kann gut auf mich selbst aufpassen.“ Sie lachte kurz auf.

„Malte hatte mehr als eine Chance und er hat mir am Freitag deutlich zu verstehen gegeben, dass er mich nicht mehr sehen  will. Er hat mir Glück mit Markus gewünscht Ok, das hat er nicht ernst gemeint, aber das zeigt doch, dass er mich überhaupt gar nicht mag.“ Er hörte sie flüstern.

„Lina, bleib ruhig. Ganz ruhig. Er ist ein Mann, er weiß es nicht besser.“

„Natürlich weiß ich, was ich tue und ehrlich gesagt, geht mir das Gespräch langsam auf die Nerven. Such dir jemand anderen zum Aufpassen, ich bin nicht dein Haustier!“ Damit legte er auf und zog den Stecker. Heute würde er sich einen ruhigen Abend gönnen. Die Tasche stand gepackt im Flur. Er wollte noch die paar Pflanzen gießen die er hatte, sie würden eine Woche auch ohne ihn überleben. Danach früh ins Bett, damit er morgen einigermaßen ausgeruht abfliegen konnte.

 

„Scheiße, scheiße, scheiße… wieso hat er nicht dann Dienst, wenn man ihn braucht?“ Lina war extra zum Kino gelaufen, in der Hoffnung, dass Malte heute Abend arbeiten musste. Aber das Glück war ihr nicht hold. Stattdessen war sie an so eine Oberzicke geraten, die ihr gleich gesteckt hat, dass sie unerwünscht war und nicht in Maltes Liga spielt. Das wusste sie ja. Und sie wollte auch etwas ganz anderes von ihm. Sie war sich ganz sicher, dass das alles nur ein  Riesenmissverständnis zwischen den beiden war. Die Idee mit dem Eis war so süß gewesen, da musste doch mehr dahinter stecken. Es musste einfach. Aber sie wusste nur, dass er Malte hieß. Und sie erinnerte sich an einen Teil der Adresse. Lina verließ sich auf ihren Instinkt. Irgendwie hatte sie ein Gefühl, dass diese Gegend nicht so weit weg war und sie ihm schon über den Weg laufen würde. Sie beeilte sich, denn bald würde es dunkel werden und sie hatte noch etwas anderes vor. Aber zuerst würde sie Davids Leben wieder in die richtigen Bahnen lenken, egal ob mit seiner Zustimmung oder nicht. Sie konnte das Elend nicht länger sehen und dieser Markus war nun wirklich die falsche Wahl.

Sie lief in einen Park und sah von weitem das Straßenschild: Helgensbecker Allee. Sie war definitiv richtig hier. Doch die Hausnummer wusste sie nicht mehr. Verdammt. Sie hatte keine Lust hier stundenlang umherzuirren, aber in dieser Großstadt kannte sicherlich auch niemand Malte. Die Anonymität wurde ihr zum Verhängnis. Normalerweise mochte sie es, dass in der Stadt nicht jeder jeden kannte. Das dämmte das Getuschel ein wenig ein, aber nun ging es ihr gehörig auf die Nerven.

„Mist, wie soll ich Malte finden, wenn ich nicht weiß, wie er heißt, wo er wohnt und überhaupt!?“

„Ähm, kennen wir uns? Kann es sein, dass du mich suchst? Du bist doch die Freundin von David, oder?“

Sie drehte sich zu der Stimme um und ein schwitzender Malte stand vor ihr. Wenn sie nicht gewusst hätte, dass er auf Männer stand, wäre ihr nun sicherlich die Kinnlade  nach unten gefallen. Die hellbraunen Haare fielen weich in seine Stirn, aber das Beste waren die Muskeln, die das Shirt nicht mal ansatzweise verstecken konnte.  David musste sich diesen Traumtypen angeln und wenn sie einen Pakt mit dem Teufel schließen musste.

„Ähm, ja, hallo. Ich bin Lina. Sorry, aber du siehst wirklich heiß aus. David hat wirklich Geschmack.“ Sie plapperte Unsinn und sie war sich dessen durchaus bewusst, konnte aber wenig gegen ihr loses Mundwerk unternehmen. Als sie David erwähnte, gingen seine Mundwinkel für eine Sekunde nach unten.

„Warum hast du mich denn gesucht? Ich gehe jetzt mal davon aus, da nicht schreiend vor mir wegrennst und mich als üblen Verführer beschimpfst.“ Ihre grauen Augen weiteten sich entsetzt.

„Nein, im Gegenteil! Du musst mit David reden. Er ist bis über beide Ohren in dich verliebt und denkt, du willst ihn nicht!“

„Das sah für mich aber anders aus, als er mit dieser Schlange rumgeknutscht hat.“, entgegnete er skeptisch.

„Das hat er gemacht, weil er denkt, dass du ihn nur im Bett willst. Das stimmt doch nicht, oder. Ansonsten wäre die ganze Aktion hier voll peinlich.“ Sie sah ihn flehend an. Er fuhr sich mit der flachen Hand über das Gesicht. Er hatte doch nur eine Runde im Park laufen wollen, um David aus seinem Kopf zu verbannen. Er ging ihm nicht aus dem Kopf. Der schüchterne Mann hatte ihn im Sturm erobert und dann verhielt er sich so widersprüchlich.

„Ich dachte, er wäre derjenige, der es nicht ernst meint. Ich habe ihm nie zu verstehen gegeben, dass er für mich nur ein One-Night-Stand war. Er ist doch einfach gegangen. Das erste Mal musste ich arbeiten und habe ihm doch einen Zettel dagelassen. Das zweite Mal konnte ich gar nicht so schnell schauen, wie er verschwand. Da dachte ich, dass es eben nichts war. Und dann sehe ich ihn ausgerechnet bei Markus.“ Er spie den Namen förmlich aus.

„Ich mag Markus nicht, du bist mir deutlich lieber, aber er scheint mit David befreundet zu sein.“

„Dann sollte er sich seine Freunde besser aussuchen. Er ist ein Arsch. Tut immer so süß und unschuldig. Dabei nutzt er seine Freunde nur aus. Mein kleiner Bruder war mit ihm zusammen. Ein halbes Jahr.“ Er schwieg. Lina spürte, dass er sich nicht weiter dazu äußern würde.

„Aber David will ihn nicht! Er will dich. Aber er ist verletzt. Eigentlich ist er nicht der Typ, mit zwei Männern rum zu machen und ab morgen fliegt er weg. Er will um acht Uhr zum Flughafen. Vielleicht kannst du vorher noch mit ihm reden? Bitte.“ Ihr Gesicht sagte ihm, dass sie ihn nicht veräppelte. Deswegen zog er es zumindest in Betracht, dass das alles nur ein Missverständnis sein könnte. Und so wie es aussah, musste  er es aufklären.

„Ok. Ich rede mit ihm. Du bist mir als Freundin auf jeden Fall lieber als Markus.“ Er zwinkerte ihr verschmitzt zu und sie grinste zurück.

„Du mir auch.“

„Ich muss jetzt heim und mich umziehen für die Arbeit.“

„Im Kino?“

„Ja, ich arbeite nebenbei, um meine Studiengebühren zu bezahlen.“ Sie zog verärgert die Augenbrauen zusammen. Dann hätte sie doch nur warten müssen. Diese blöde Schnepfe.

„Sag deiner Kollegin schöne Grüße von mir, das nächste Mal kipp ich ihr die Nachos über ihr dämliches Gesicht.“ Damit ging sie und er schaute ihr verdutzt hinterher. Mit ihr sollte man sich wohl lieber nicht anlegen.

Kapitel 6

Kapitel 6

 

Lina hatte Unrecht. Wenn sich Malte etwas aus ihm machen würde, dann hätte er es ihm deutlicher gezeigt. Das Gespräch zwischen ihnen ließ ihm keine Ruhe. Was, wenn sie wirklich aneinander vorbeigeredet hatten? Wenn sie dann mal zum Reden gekommen waren. Er starrte die große Anzeigetafel an. Noch eine Stunde und er würde für eine Woche allem hier den Rücken kehren. Da er beschlossen hatte, den nächsten Flug innerhalb Europas, der angezeigt wurde, zu nehmen, war die

Wahl auf Irland gefallen. Das würde schön werden. Es war zwar nicht der Süden und der Gedanke an einen heißblütigen Spanier immer noch nicht verblasst, aber es würde schön werden. David hatte sich vorgenommen, jeden Abend auszugehen und so ziemlich jeden Whiskey durchzuprobieren, den er finden konnte. Die restliche Zeit würde er damit verbringen, sich die Gegend anzusehen und auszukundschaften, ob der ein oder andere Ire vielleicht Interesse hatte. Aber dann mit klaren Spielregeln, die er vorgeben würde.

„Dublin Flug 102, bitte begeben Sie sich zum Gate 8.“

Sein Gepäck hatte er bereits eingecheckt

und nun würde er sich  noch einen Kaffee gönnen. Der Flug dauerte zum Glück nicht so lange.

Er würde einfach versuchen, den Kopf freizubekommen und an nichts anderes als sein eigenes Vergnügen denken. Sein Leben war in letzter Zeit viel zu wenig nach seinen Vorstellungen verlaufen. Eine kleine Begegnung hatte alles auf den Kopf gestellt und durcheinander gebracht.

Die Schlange an der Kontrolle war elendig lang. Obwohl vier Kontrolltore geöffnet waren, zog sich die Schlange. Er überlegte gerade angestrengt, ob irgendetwas an seiner Hose piepsen könnte und suchte nach dem

Informationsschild. Als er sich danach umsah, wäre ihm beinahe das Herz in die Hose gerutscht. Ein bisschen weiter hinten stand Malte und lächelte ihn strahlend an. Was sollte das denn nun wieder? Da wollte er weglaufen und nun lief er ihm hinterher? David glaubte nicht an Zufälle.

„Ich bring dich um, Lina.“, murmelte er vor sich hin und meinte jedes Wort ernst.

Stur drehte er sich weg und studierte die Informationstafel, ohne auch nur ein Wort zu verstehen.

Endlich war er dran und packte seine Sachen in das bereitstehende Körbchen. Die Angestellten sahen unheimlich

genervt aus, dabei waren sie nicht einmal annähernd so auf 180 wie er. Was wollte Malte hier? Dachte er, dass sie wie in einer Klischeeromanze am Flughafen zueinanderfinden würden? Während er kontrolliert wurde, hatte sich die Schlange hinter ihm langsam weiter aufgelöst. Er nahm seine Sachen wieder aus dem Körbchen und schritt schnurstracks zum nächsten Getränkeautomaten. Er brauchte etwas zu trinken und wenn es nur etwas war, in dem sich viel Koffein befand. Er trank grundsätzlich keinen Alkohol vor dem Flug. Es hab Menschen mit Flugangst, die es anders oder ohne Schlafmedikamente nicht aushielten, aber

ihm wurde einfach nur extrem schlecht davon. Allein das Gefühl, wenn der Flieger nach dem enormen Geschwindigkeitsanstieg abhob, drehte ihm bereits den Magen um. Der Druckunterschied, wenn man innerhalb weniger Minuten auf eine Höhe von mehreren tausend Metern aufsteigt, schaffte ihn jedes Mal dermaßen, dass er ernsthaft überlegte, das nächste Mal den Zug zu nehmen.

„David!“ Malte kam auf ihn zu und er musste sich anstrengen, ihn zu ignorieren. Er hatte einen kleinen Blick auf ihn riskiert und leider sah er immer noch genau so zum Anbeißen aus, wie vorher. Er fluchte innerlich vor sich hin

und dachte an den Flug, damit er ihm nicht nachgeben konnte. Warum sagte er nichts?

Er stand einfach nur da und starrte ihn einfach nur an. Er wusste, dass Malte ihn anstarrte, er konnte den stechenden Blick förmlich fühlen. Wollte er ihn mürbe machen?

Er trank in großen Schlucken seine Dose Cola aus und warf sie in den bereitstehenden Mülleimer. Er würde nicht kleinbeigeben. Er würde nicht den ersten Schritt tun.

Plötzlich, federleicht legten sich Arme um ihn. Ohne ihn einzuengen, er hätte jederzeit zurückweichen können. Doch die leise geflüsterten Worte verhinderten

jeden Fluchtversuch.

„Ich liebe dich. Von Anfang an, warst du der Eine.“ David schluckte. Die Tränen, die sich in seinen Augenwinkeln sammelten, wollte er nicht hier mitten auf dem Flughafen weinen.

„Ich glaube dir nicht.“ Es kostete David alles, diese Lüge auszusprechen. Er wollte es glauben, wünschte sich nichts sehnlicher, aber die Zweifel nagten an ihm und trieben ihn dazu, diese vernichtenden Worte auszusprechen.

„Ich weiß. Aber es ist wahr. Ich kann es dir beweisen. Jeden Tag von neuem. Seit ich dich das erste Mal sah, gehst du mir nicht mehr aus dem Kopf. Für mich war es nie ein Spiel und ich wollte

dich nicht verletzen.“ Maltes Stimme stockte. Es schien ihm sichtlich schwerzufallen, über seine Gefühle zu sprechen.

„Ich werde dir jeden Tag sagen, wie sehr ich dich liebe. Da wir im Umgang mit Worten ein bisschen Nachhilfe gebrauchen könnten. Lina hat gesagt, du dachtest, du wärst nur ein One-Night-Stand?“ David nickte. Das dachte er immer noch. Two-Night-Stand traf es allerdings besser.

„Ich will dich aber kennenlernen. Ich will nicht, dass du mein Gesicht vergisst und schon gar nicht will ich, dass du mit Markus im Bett landest. Ich bin nicht gut mit Worten, aber ich hoffe,

du gibst mir eine Chance?“ Er haderte mit sich. Alles, was Malte sagte, klang so ehrlich, so unverstellt. Bei der Erwähnung von Markus hatte er unbewusst das Gesicht verzogen. Das war im Prinzip das gewesen, was er nie gewollt hatte. Er drehte sich in seinen Armen um. Seine Hände hingen schlaff nach unten und hielten seine Jacke. Er sah in Maltes unglaublich schöne Augen und wartete. Er wurde nervös und zappelte.

„Ich würde es dir nicht leicht machen.“ David sprach leise, aber das Lächeln, das sich auf Maltes Gesicht ausbreitete, war alle Qual wert gewesen, auf diesen Moment zu warten. Doch eines musste

er noch wissen.

„Moment. Was hast du jetzt eigentlich vor?“ Der Größere schaute ihn verständnislos an.

„Mit dir in den Urlaub fliegen? Unsere gemeinsame Zeit genießen? Mit dir Dublin erkunden? Was willst du hören?“ Skepsis machte sich in David breit. Sollte er sich darauf einlassen? Was, wenn es nicht funktionierte? Dann wäre sein Urlaub völlig umsonst gewesen.

„Was würdest du machen, wenn ich dir sagen würde, dass du mich in Ruhe lassen sollst? Dass ich die Nase voll habe, vom hin und her und erst einmal für mich sein möchte.“ David die anderen Menschen nicht wahr, die sie

beobachteten. Manch einer neugierig, manch einer angewidert. Es war ihm egal. Das Einzige, das zählte, war Maltes Antwort.

„Ich wäre traurig. Und wenn ich ehrlich bin, könnte ich dich nicht aufgeben. Du ziehst mich auf eine Art an, die ich nicht kenne und dieses Geheimnis möchte ich ergründen. Man, klingt das schnulzig, aber es ist wahr. Du faszinierst mich. Wenn dir das nicht reicht, kann ich es nicht ändern. Aber ich werde dich nicht einfach aufgeben.“ Malte sah ernst aus. Er hatte seine Hände leicht auf Davids Rücken gelegt und dieser gab endlich dem Drang nach, sich an ihn zu lehnen. Malte hauchte

einen Kuss auf sein Haar und diese zärtliche Geste entschied in dem Moment alles.

„Dabei hatte ich mich doch so auf die Dubliner Jungs gefreut.“ David grinste Malte schief an und dieser konnte sein Strahlen nicht mehr unterdrücken.

„Die kriegen dich nicht. Du und ich, wir gehören ab jetzt zusammen.“ Er hielt kurz inne.

„Stimmt doch, oder?“ Seine Panik war wirklich süß anzusehen und David konnte es sich nicht verkneifen, einen Finger an die Lippen zu legen und so zu tun, als würde er ernsthaft darüber nachdenken.

„David?“

„Ich musste dich necken. Weil du viel zu lange brauchst, um zu kapieren, dass ich dich auch liebe.“ Er hatte gedacht, dass Malte nicht noch mehr hatte strahlen können, doch als er überglücklich im Kreis gewirbelt wurde, war das Lächeln von Malte, das Schönste, das er je gesehen hatte.

 

~ Ende ~

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Über den Autor

shiversixupi
Mmmmh, ich arbeite im Buchbereich, allerdings ohne die Möglichkeit dort meine Buchsucht auszuleben. Ich mag Science-Fiction, Fantasy, Romanzen und ganz besonders GayRomance. In diesem Bereich schreibe ich auch.
Hobbys: Lesen, singen, stricken, ab und zu zeichnen, ins Kino gehen, Geocaching...

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Karimela Schön kompliziert;-)) Endlich habe ich es geschafft, dein Buch zu lesen und es nicht bereut. Die Geschichte hat mir gut gefallen und ich habe die ganze Zeit gehofft, dass die zwei doch noch zu einander finden; Lina sei Dank hat es ja letztlich geklappt;-)
Liebe Grüße
Karimela
Vor langer Zeit - Antworten
shiversixupi Danke für deinen lieben Kommentar. Mein Netzteil vom PC hatte die Biege gemacht, deshlab kann ich erst so spät antworten. Ich liebe Happy Ends, deshalb bemühe ich mich meine Charaktere nicht allzu sehr zu quälen ^^
Vor langer Zeit - Antworten
Karimela Oh weh - diese Technik aber auch;-)
Happy Ends bevorzuge ich übrigens auch - war also echt nett von dir, "uns allen" eins zu liefern.
Wünsch dir was und liebe Grüße
Karimela
Vor langer Zeit - Antworten
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