Die Reise der Vase
Ich hatte Geburtstag. Verwandte und Bekannte kamen und überreichten Blumen.
Von meiner besten Freundin bekam ich eine Blumenvase. Sie war pink mit aufgeklebten rosa Blümchen aus Filz.
Ich stellte die Vase an mein Fenster, füllte sie mit Wasser, steckte Blumen hinein und freute mich daran.
Aber als ich zwei Tage später das Wasser wechseln wollte, musste ich traurig feststellen, dass die Vase auf der Rückseite einen Sprung hatte, der sich vom oberen Rand bis fast ganz nach unten zog.
Enttäuscht nahm ich die Vase vom Fenster, warf die halb vertrockneten Blumen in die Biotonne und leerte das Wasser in den Abfluss.
Die Vase spendete ich einem Second-Hand-Laden.
Wie erstaunt war ich, als ich zwei Jahre später bei einer Bekannten genau diese Vase entdeckte! Sie hatte, ebenso wie die, die ich einst besessen hatte, einen langen Riss hinten, vom oberen Rand bis fast ganz nach unten.
Ich erkundigte mich neugierig bei meiner Bekannten, woher sie denn die Vase habe. Sie erklärte: "Weißt du, ich habe sie von meiner Schwester bekommen, vor etwa drei Wochen."
Meine Neugier brachte mich doch tatsächlich dazu, sie um die Adresse ihrer Schwester zu bitten.
Zwei Tage später klingelte ich bei der Frau. Ich fühlte mich ein wenig dumm, den Weg der Vase zu verfolgen, die einmal bei mir selbst im Fenster gestanden hatte. Aber als eine rundliche Dame öffnete, gab es kein Zurück mehr.
Die Frau war tatsächlich die Schwester meiner Bekannten. Sie wunderte sich wohl über mein Anliegen, lachte aber auch herzlich darüber.
"Ich habe die Vase von meiner Freundin geschenkt bekommen", erzählte sie freundlich, "und ich schenkte sie weiter, weil mein Mann praktisch allergisch gegen Rosa ist."
Ich ließ mir auch die Telefonnummer dieser Freundin geben.
Am Abend rief ich sie an.
"Entschuldigen Sie, wo haben Sie die pinke Vase gekauft?"
"Beim Second-Hand-Shop in meiner Stadt."
Das brachte mich ein wenig durcheinander, denn ich hatte eigentlich erwartet, sie würde MEINEN Second-Hand-Laden meinen.
Also schlug ich in den gelben Seiten nach.
"Guten Tag, woher hatten Sie die pinke Vase?", fragte ich dann am Telefon.
"Von meinem Kollegen."
Jetzt hatte ich den Usprung wiedergefunden! Also war das tatsächlich die pinke Vase gewesen, die auch bei mir gestanden hatte.
Als ich am nächsten Tag mit meiner Freundin, die mir die Vase einst geschenkt hatte, telefonierte, erzählte ich ihr von der Vasenreise. Sie fragte mich, wie die Bekannte heiße, von der ich gesprochen hatte. Als ich ihr den Namen nannte, lachte sie laut und rief:
"Die kenne ich doch! Das hätte sie dir wirklich sagen können. Von ihr habe ich die Vase gekauft, um sie dir zu schenken!"