Kurzgeschichte
Was passiert

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"Was passiert"
Veröffentlicht am 24. Juni 2013, 6 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Was passiert

Was passiert

Was passiert

Ich kann nicht sagen was ich tue. Ich kann nicht sagen, wie wir hier her gekommen sind. Ich kann nicht einmal sagen, was genau gerade passiert.

Mein Herz rast und mein Mund ist trocken. Dein Gesicht ist das einzige was ich sehe. Und ich kenne jedes Detail deines Gesichtes. Ich kenne die Sommersprossen auf deiner Nase und den goldenen Fleck in deinen grünen Augen. Ich weiß wie deine Lippen geformt sind und dass deine linke Augenbraue einen halben Millimeter höher ist als deine Rechte.

Der Raum um uns herum ist dunkel. Das einzige Licht fällt durch das verschmutzte Kellerfenster und zeichnet schwarze Schatten über dein Gesicht, über deinen Körper. Mein Herz schlägt noch schneller, von einer Sekunde auf die nächste und ich zucke leicht zusammen, als über uns das Krachen von Schritten zu hören ist und mir plötzlich die dumpfe Musik wieder in den Sinn kommt. Fast habe ich vergessen, dass wir auf einer Party sind.

Meine trockene Zunge fährt über meine spröden Lippen und meine Kiefer pressen sich aufeinander. Meine Hand zuckt und das Zucken geht durch meinen ganzen Arm. Ist es Nervosität? Ich weiß es nicht.

Ich kann nicht sagen, was hier passiert.

Mein Atem ist schwer, zischend und ich versuche den Ausdruck in deinen Augen zu deuten. Ich glaube es ist Angst. Ich glaube du fürchtest dich vor mir. Du hast dich noch nie vor mir gefürchtet, noch nie. Aber heute ist sowieso alles anders. Seit dem ich auf dieser Party bin, seitdem ich dich gesehen habe ist alles anders. Ganz anders als sonst. Es ist ein komisches Gefühl hier zu stehen, mit dir allein in diesem kalten, dunklen Kellerraum. Ich weiß einfach nicht was ich hier mache.

„Bitte...“ Deine Stimme ist brüchig und dünn und jagt einen Pfeil durch meine Magengegend. Mein Blick hängt an deinen Lippen, ich warte auf weitere Worte, aber sie kommen nicht.

Ich schüttle den Kopf und lasse dich dabei nicht aus den Augen. Du weichst einen Schritt zurück, aber ich folge dir. Du machst noch einen Schritt, einen hastigen diesmal und stößt mit dem Rücken gegen die Wand. Ich fühle mich groß und meine Schultern werden straff.

Mein Herzschlag wird noch schneller, mein Atmen schwerer, lauter. Ein Rucken geht durch meine Hand, jetzt hebe ich sie. Deine Augen weiten sich und ich schlucke.

Meine Finger krümmen sich und dann schnellen sie hervor. Du zuckst zurück, dein Kopf schlägt gegen die Wand und wird von meiner Faust noch fester dagegen gedrückt. Ich spüre den Widerstand deiner Knochen, spüre wie deine Nase unter der Kraft meines Schlages nachgibt. Dir kommt ein Schrei über die Lippen, gefolgt von einem Wimmern und ich ziehe meine Faust zurück.

Ich kann nicht sagen was hier gerade passiert. Ich weiß nur, dass ich wütend bin. So unheimlich wütend auf dich und auf dein verdammtes, wunderschönes Gesicht. Dass ich wütend auf dich bin, weil du nicht allein warst, als ich auf diese Party kam. Weil du an einer anderen hingst und deine Hand unter ihrem T-Shirt war.

Wie konntest du nur so dumm sein? Wie konntest du nur glauben, ich würde das nicht herausfinden? Nur weil ich mir nicht sicher war, ob ich kommen kann, nur deswegen?

Wie klein, wie schwach ich mich immer bei dir gefühlt habe und wie stark ich plötzlich bin. Jetzt wo du blutest.

„Bitte“, flüsterst du wieder und Schmerzestränen stehen in deinen Augen. „Ich hasse dich“, fauche ich leise und wiederhole es lauter. Brülle es dir in dein entstelltes Gesicht und wieder schlage ich zu. Ich wusste gar nicht, dass ich so etwas kann. Aber die Wut lenkt mich und du wehrst dich nicht. Ich wüsste gerne warum du dich nicht wehrst. Hast du Angst davor? Oder weißt du nicht was du tun sollst? War dieses Gehabe von dir, diese Stärke und die Kraft, war das überhaupt echt? Jetzt sieht es nicht echt aus. Jetzt siehst du einfach nur schwach aus und mein Herz rast immer noch.

Ich hole wieder aus, schlage nochmal zu, nochmal und nochmal. Dein Gesicht ist blutbesudelt. Blut rinnt aus einer Platzwunde an deiner Stirn, tropft aus deiner Nase und klebt an deinen Lippen.

Und plötzlich ist es nicht nur meine Faust, die dich trifft. Plötzlich halte ich das Schweizer Taschenmesser in der Hand, dass du mir zu meinem Geburtstag geschenkt hast und dass ich seitdem bei mir trage. Es fährt durch deine Haut, es fährt durch dein Fleisch. Immer wieder und zuerst schreist du, aber dann nicht mehr. Du schreist nicht mehr, alles ist unheimlich still und dein Körper sackt nach vorne.

Dein Körper fällt an mir vorbei und schlägt dumpf auf dem Boden auf. Eine Blutlache hat sich zu meinen Füßen gebildet und ich starre dich mit Angst geweiteten Augen an.

Ich kann nicht sagen was hier passiert ist, aber es ist nicht gut zu Ende gegangen. Ich weiß nicht, was ich getan habe und ich weiß nicht, wie wir hier hergekommen sind.

Ein Beben geht durch meinen Körper und mein Herz schlägt immer noch schnell, mein schweres Atmen wird zu einem Keuchen und ich fühle mich nicht mehr groß, nicht mehr stark.

Was habe ich getan? Ich weiche zurück, Galle schleicht meinen Hals hinauf und ich erbreche mich neben deinen toten Körper.

Ich habe dich umgebracht, dabei wollte ich das gar nicht.

Ich kann nicht sagen was passiert ist, ich kann es nicht sagen, aber ich wünschte es wäre anders gelaufen.

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FetteEule

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Karimela Heftig, würde ich sagen - Man steckt plötzlich in der Haut eines anderen, der zutiefst verletzt zu sein scheint und gleichzeitig unglaublich wütend. Ein bisher wohl eher schwacher, leiser Mensch dreht durch; berauscht sich an seiner Wut und nimmt jemandem, der ihm offenbar viel bedeutet, das Leben. Das muss man erst einmal verdauen, genauso wie der Täter offenbar.
Ein sehr eindringlicher, ängstigender Text für meinen Geschmack.
LG
Karimela
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