Kurzgeschichte
Wer hoch sitzt, wird tief fallen

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"Wer hoch sitzt, wird tief fallen"
Veröffentlicht am 22. Juni 2013, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Matthias März wurde am 28.10.1961 in Hannover geboren und ist ebenda wohnhaft. Der Hobbyautor hat schon von Kindesbeinen an Kurzgeschichten geschrieben, wovon z. Zt. über 330 veröffentlicht sind. Hinzu kommen etwa 90 Drabbles. Überwiegend bewegt sich März in den Bereichen Humor und Satire, Drama und SF. Bereits erhältlich sind im Handel die humoristischen Kurzgeschichten-Sammlungen "Die dreiundzwanzigste Deutschstunde", "Pausenlos ...
Wer hoch sitzt, wird tief fallen

Wer hoch sitzt, wird tief fallen

Beschreibung

Wer mit Verachtung auf die blickt, die unter ihm stehen, muss damit rechnen, dass auch er abstürzen kann.

Immer diese Bettelei!

 

Angewidert ging Thomas Bertram durch die Fußgängerzone. Dieser Abschaum ekelte ihn an. Alle paar Meter wurde er angesprochen. „Eehhh, Alda, haste mal 'nen Euro?“, fragten die einen, die anderen hielten mitleidig Pappschilder in die Höhe mit dem Text „Ich habe Hunger“.

 

Thomas gab ihnen nie auch nur einen Cent, auch nicht den Straßenmusikanten aus Peru oder woher diese auch immer kamen. „Ihr sollt arbeiten und nicht betteln!“, rief er stets und guckte böse. Er konnte nicht verstehen, dass die anderen diesem Pack gegenüber so freigiebig waren. Ihm ging es gut, er hatte einen sicheren Job bei einer Bank und konnte sich alles leisten. Thomas war der Meinung, dass jeder es schaffen konnte, wenn er es nur wollte. Aber diese Leute wollten ja nicht, so war er überzeugt.

Glücklich

Missmutig stieg Thomas in seinen Mercedes und fuhr nach Hause. Er hatte zwar eine erfolgreiche Woche gehabt und seinem Institut satte Gewinne beschehrt, aber diese Kreaturen hatte ihm die gute Laune gründlich verdorben. Er würde diese Menschen am liebsten ausrotten oder zumindest aus seiner unmittelbaren Nähe vertreiben. Leider hatte er diesbezüglich nichts zu sagen, was er sehr bedauerte.

 

Zum Glück wartete zu Hause seine junge Frau auf ihn, das würde ihn wieder aufmuntern. Ramona war Mitte zwanzig und bildhübsch. Er hatte sie vor drei Jahren geheiratet, als Tochter seines Vorgesetzten war sie das Beste, was ihm passieren konnte. Hartmut, sein Schwiegervater, hatte sie ihm damals auf dem Betriebsfest vorgestellt. Beide hatten sich sofort ineinander verliebt und schon acht Monate später geheiratet.

Die Überraschung

Ramona fiel ihm um den Hals, als er das Haus betrat. „Mein Schatz, ich habe eine große Überraschung für dich!“, rief sie aus und küsste ihn innig. „Wir gehen heute Abend aus. Ich habe dir etwas Wchtiges zu sagen!“, ergänzte sie. Was mag das wohl sein, dachte Thomas. Eine Hoffnung hatte er in diesem Zusammenhang, sprach das aber nicht aus, sondern fragte: „Wohin gehen wir dann? Der Chinese um die Ecke hat gerade Betriebsferien und der Bachus ist doch vorletzte Woche abgebrannt.“ „Wir gehen dorthin, wo wir uns kennen gelernt haben. Ich habe für 20 Uhr einen Tisch im Entenfang reserviert. Du bist eingeladen!“

 

Eine Stunde später machten sich Thomas und seine Frau auf den Weg. Von Hemmingen bis nach Hannover - Herrenhausen war es nicht allzu weit. Da gerade ein Gewitter aufzog, bat Ramona um eine umsichtige Fahrweise.

 

Sie war am Nachmittag beim Frauenarzt gewesen, der ihr die glückliche Nachricht präsentierte, dass sie endlich schwanger war. Schon seit zwei Jahren wünschten sie sich ein Kind, jetzt hatte es endlich geklappt.

Der Unfall

„Nicht so schnell!“, rief sie aus, als Thomas zum Überholen ansetzte. „Dieser Idiot da vorne schleicht, als ob er in einer Tempo 30- Zone wäre und nicht auf dem Südschnellweg.“, widersprach ihr Mann und zog an dem Toyota vorbei, dessen Fahrer im Gegensatz zu Thomas seine Geschwindigkeit den Witterungsverhältnissen angepasst hatte. Es regnete in Strömen, man konnte kaum fünfzig Meter weit sehen. Das war Thomas egal, er fuhr immer gerne schnell.

 

Hätte er auf seine Frau gehört und auch den Verkehrsfunk eingeschaltet, wäre ihm das erspart geblieben, was gleich darauf geschehen sollte. Walter Wittekamp hatte einige Minuten zuvor am Seelhorster Kreuz die Orientierung verloren und fuhr nun in der falschen Fahrtrichtung auf der autobahnmäßig ausgebauten Strecke. In Höhe der Aral-Tankstelle passierte es. Die beiden Fahrzeuge stießen frontal zusammen.

Der Absturz

„Wo bin ich?“, wollte Thomas wissen, als er drei Tage später auf der Intensivstation der Medizinischen Hochschule erwachte. Hartmut stand neben seinem Bett, tränenüberströmt und mit zornigem Blick. „Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich jetzt den Stecker ziehen, du Arschloch.“, sagte dieser. Die Krankenschwester warf ihm einen bitterbösen Blick zu und sprach: „Herr Petersen. Bei allem Verständnis für Ihren Schmerz, aber das ist wohl doch etwas unangemessen. Verlassen Sie bitte augenblicklich diesen Raum!“ Nachdem er laut schimpfend aus dem Krankenzimmer gegangen war, nahm die Schwester die Hand von Thomas in die ihrige und sprach zu ihm: „Herr Bertram, Sie müssen jetzt ganz tapfer sein. Sie hatten einen schweren Unfall und ihre Frau...“

„Was ist mit Ramona?“, unterbrach er sie. „Herr Bertram, wir konnte nichts mehr für sie tun. Sie ist letzte Nacht gestorben. Die Verletzungen waren zu schwer. Es tut mir so leid für Sie, und auch für das ungeborene Kind.“

 

Für Thomas brach eine Welt zusammen. Durch seine Schuld war das Liebste, dass er auf dieser Welt hatte, gestorben. Vier Wochen später konnte er aus dem Krankenhaus entlassen werden. Er ertränkte seinen Kummer im Alkohol, um seine Sorgen herunterzuspülen. Das war natürlich genau das Verkehrte.

 

Thomas ging nicht mehr zur Arbeit, und erhielt folglich bald darauf die Kündigung. Er hatte nicht einmal die Kraft, sich arbeitslos zu melden, so fertig war er. Das Unheil nahm seinen weiteren Verlauf, sein Haus wurde einige Monate später zwangsversteigert.

 

Nun saß er auf der Straße, ohne Job und ohne Geld. Er hatte alles verloren.

 

Etwas Glück

Epilog

 

Mit zerrissener Hose und schmutzigem Hemd ging Thomas durch die Fußgängerzone und durchsuchte die Mülleimer, auf der Suche nach Pfandflaschen. Seit Tagen hatte er nichts mehr gegessen und seit Wochen kein Bett mehr gesehen. In der Schillerstraße hatte er Glück und fand einen Döner im Abfallkorb. Er war nur einmal angebissen. Hungrig verschlang er ihn. Doch noch etwas fand er. Es war ein Buch mit dem Titel: „Wer hoch sitzt wird tief fallen“

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Hörbuch

Über den Autor

Katerlisator
Matthias März wurde am 28.10.1961 in Hannover geboren und ist ebenda wohnhaft.
Der Hobbyautor hat schon von Kindesbeinen an Kurzgeschichten geschrieben, wovon z. Zt. über 330 veröffentlicht sind. Hinzu kommen etwa 90 Drabbles.

Überwiegend bewegt sich März in den Bereichen Humor und Satire, Drama und SF.

Bereits erhältlich sind im Handel die humoristischen Kurzgeschichten-Sammlungen "Die dreiundzwanzigste Deutschstunde", "Pausenlos peinliche Pannen" und "Hubert deckt auf"; sowie "Siebzehn Wege zu Yin und Yang", eine Sammlung dramatischer Kurzgeschichten, "Zeitenwandler", eine Zusammenstellung von SF-Storys und "Dem Mord auf der Spur", eine Sammlung von Kurz-Krimis. Diese Werke sind jeweils als E-Books im Handel erhältlich. Außerdem gibt es das E-Book "Unser Wilder Westen", wo der Autor als Herausgeber fungiert.

Die humoristischen Geschichten gibt es auch kompakt als Printbook unter dem Titel "Bedeutende Vertiefung aber der Reihe nach", erhältlich bei Amazon.

Der SF-Roman "Fast die gleiche Welt" ist fast fertig und wird in Kürze vollendet.

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petjula007 Ja, so kann es kommen. Man soll nie auf andere Menschen herab sehen. Man sieht sich immer zwei Mal im Leben. Nach der Wende habe ich auch die Bettler immer scheel angesehen. Bei uns in der DDR gab es solche krassen Dinge nicht und der erste Bettler, den ich sah, lebte in Braunschweig. Sehr oft war ich in den folgenden Jahren in Hamburg. Da ich ein Frühaufsteher bin, holte ich am Sonntagmorgen immer die Brötchen. Da trafen sich auch sehr viel Leute, die vom Leben nicht sonderlich verwöhnt wurden. Da zu Haus noch alles schlief, liess ich mir Zeit und trank oft einen Kaffee beim Bäcker. Da kam ich mit den Leuten dann ins Gespräch. Was ich da alles hörte, machte mich doch sehr nachdenklich und ich begann viele Menschen mit anderen Augen zu sehen. Meine Kaffeezeiten wurden immer länger, so dass meine Familie oft auf mich gewartet hat. War eine schöne Zeit.

LG
Petra
Vor langer Zeit - Antworten
kullerchen Gerade eben habe ich genau zu diesem Thema einen Kommi geschrieben - einen ganz langen sogar, in dem es über Macht, Gier und Geld ging. Es ging um Positionen in der Gesellschaft und wie sie erworben werden und was sie ausmacht.

Meine Oma sagte schon immer, wenn ich am TV die Schönen und Reichen beneidete: "Ach Kind, wer hoch oben sitzt, kann sehr tief fallen!" Ich habe es irgendwann einmal dann auch verstanden, als ich statt einer Prinzessin Ehefrau und Mutter wurde, ein Glück ohne königlichen Thron und ohne hohe Position.

So etwas, wie deinem Protagonisten passierte, wünscht man seinem ärgsten Feind nicht. Ich habe es heute nicht zum ersten mal gelesen, aber es sagt so viel aus: "Erst wenn man etwas vermisst, weiß man, wie wichtig es einem war!" Dabei geht es nicht unbedingt immer um materialistische Dinge, sondern um sehr viel mehr.

Katharina hat recht. So ein Verlust macht nicht nur klüger, sondern vor allem demütig. Aber was nutzt es, wenn man durch eigene Schuld, Überheblichkeit und Dummheit das Liebste in seinem Leben verliert?

Toll geschrieben und eine gute Aussage für die jungen Leute, die in der heutigen Zeit oft genug die Nase im Himmel tragen, ohne jedoch über ihre Nasenspitze hinausschauen zu können. (nun es gibt auch ältere Unbelehrbare!)

Auf Wiederlesen, Kullerchen!
Vor langer Zeit - Antworten
KatharinaK Leider ... - ... wird man oft erst aus Fehlern klug - in dem Fall auch noch hungrig, einsam und .... DEMÜTIG?

Sehr gut geschrieben, Kater,

liebe Grüße aus Ungarn,

Katharina
Vor langer Zeit - Antworten
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