Gedichte
Das Blatt - Eine Lebensgeschichte

Das Blatt

An einer stattlichen Eiche,

Mit festem Geäst und Stamm,

Wuchs aus feinem Blütengebilde,

Ein winziges Blättlein heran.

Umsorgt von den schützenden Zweigen,

Umspielt und gewärmt vom Licht,

Versuchte es sich zu entwickeln,

Beachtete Anderes nicht.

Der sanfte Frühling versiegte,

Das Blättchen wurde zum Blatt,

Begann zurückzugeben,

Was es empfangen hat.

Versorgte die Mutter, Geschwister,

Und teilte mit ihnen sein Licht,

Es fand seinen Platz im Leben,

Und zeigte sein schönstes Gesicht.

Und Sturmwind und Hagel und Regen,

Wollten nach dem Leben ihm trachten,

Es schaukeln, es knicken, es brechen,

Zunächst hat das keiner geschafft.

Erst als die Eiche bemerkte,

Dass ihre Zeit verrann,

Entschied sie sich schweren Herzens,

Gab auf ihre Kinder alsdann.

Das Blatt wurde schwächer und schwächer,

Verlor sein leuchtendes Kleid,

Erst rot, dann gelb, gesprenkelt,

Und schließlich braun mit der Zeit.

Es konnt’ sich am Ast nicht mehr halten,

Und fiel nach langem Leid,

Zusammen mit allen Blättern,

Verlor’n für die Ewigkeit.

Sie fielen in langem Wirbel,

Erreichten sterbend den Grund.

Das Blatt wurd’ von Schnee begraben,

Und kam vor Kälte um.