Romane & Erzählungen
Fassade eines Feierabendlächelns

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"Fassade eines Feierabendlächelns"
Veröffentlicht am 06. Juni 2013, 10 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Seit im Jahr 2012 mein Debütroman "Aoife" im AAVAA-Verlag erschien, habe ich beschlossen, mich um eine umfassende Leserschaft zu bemühen und veröffentliche inzwischen auch als Selfpublisher.
Fassade eines Feierabendlächelns

Fassade eines Feierabendlächelns

Beschreibung

Maria lebt ein ungeliebtes Leben und verbirgt ihre Unzufriedenheit hinter der Fassade eines Lächelns.

Fassade eines Feierabendlächelns

Montagmorgen. Maria erwachte mit guten Gedanken. Ein vorwitziger Sonnenstrahl kitzelte leicht ihre Nasenspitze. Ein Niesen stieg auf und entlud sich in einer winzigen Explosion. Leicht zur Seite gewandt warf sie einen Blick auf Rolf, der wie immer bis zum ersten Weckerrasseln schlief. Seine Gelassenheit, die er am Tag zur Schau stellte, übertrug sich auch auf seinen Schlaf. Nichts konnte ihn jemals aus der Ruhe bringen. Je länger sie ihn beobachtete, desto mehr wich das Positive, das sie eben noch erfüllt hatte. Die Wirklichkeit war schwieriger.
Seit nunmehr 20 Jahren waren Rolf und Maria ein Paar – 24 Jahre kannten sie sich. Er war der Glücksgriff in ihrem Leben gewesen, behauptete ihr Umfeld.

Zwei Kinder hatten sie in die Welt gesetzt, teilten sich das Haus mit seinen Eltern und verbtachtenTag für Tag mit immer gleichen Arbeiten, Vergnügungen und Verpflichtungen. Seit Monaten fragte sich Maria, ob das alles war, was sie vom Leben erwartete. Rolf liebte sie und gehörte zu ihrem Leben. Trotzdem – sie hatte im letzten Januar zum ersten Mal diesen anderen Mann getroffen, seitdem kreiste ihr Sinn um ihn wie ein Trabant um einen Himmelskörper.

Der rasselnde Wecker störte sie auf. Rolf erwachte aus seiner Traumwelt, sprang er fröhlich aus dem Bett und rief: „Los, du Schlafmütze! Allerhöchste Zeit, die Kinder zu wecken“, und er verschwand im Flur, um Jenny und Felix seinen morgendlichen Enthusiasmus angedeihen zu lassen. Genervtes Stöhnen aus beiden Zimmern. Pubertäre Anwandlungen hielten sich bei den Kindern in Grenzen – ein Grund mehr, sich glücklich zu schätzen. Was wohl aus ihr geworden wäre ohne die zwei? Maria liebte auch ihre Kinder sehr. 
Sie stand auf, schlüpfte in ihre ausgetretenen Pantoffeln und kam sich mit einem Mal genauso ausgelatscht vor. Ein Blick in den Spiegel bestätigte ihr, dass der Glanz ihrer Augen einer tiefen Resignation gewichen war. Sie ignorierte den Anblick und wandte sich entschlossen ab. Für den Moment war es egal, wie sie aussah – Rolf liebte sie.

 Die Familie war vor ihr am Frühstückstisch. Ihre Schwiegermutter ließ es sich nicht nehmen, morgens das Frühstück für alle zu machen. Lustig schwatzend saßen sie da, keiner schien Marias negative Stimmung zu spüren. „Guten Morgen, mein Kind“, säuselte die Schwiegermutter. „Hast du gut geschlafen?“ Wie Maria diese Fragerei auf die Nerven ging. Aber bloß nichts anmerken lassen.

Ihre Gedanken kreisten erneut um den anderen. Dirk hieß er und er war zu allem Überfluss auch noch einige Jahre jünger als Maria. Seit Wochen ertappte sie sich nach Paaren Ausschau zu halten, bei denen der Mann jünger war. Während die Schwiegermutter mit dem Geschirr klapperte und Rolf ihr einen sanften Abschiedskuss auf die Wange drückte, sah sie Dirk vor sich. 
 
 Er war kein Adonis Mann und sie fragte sich, wie er im Sturm ihr Herz hatte erobern können. ´War es sein  Lächeln oder der feste Händedruck, wenn er ihr einen „Guten Tag“ wünschte? Mit seiner blendenden Laune glich er Rolf, außer im Alter.
Sie stellte die Tasse in die Spülmaschine. Zeit, sich zum Einkaufen fertig zu machen. Das Mittagessen für den 6-Personen Haushalt war ihre Aufgabe. Gerne hätte sie mit der Schwiegermutter für einige Tage getauscht. Es war nicht einfach, jeden Tag eine abwechslungsreiche Mahlzeit auf den Tisch zu bringen.
Noch einmal ging Maria ins Bad. Dort verschwanden die Spuren der Resignation unter einer Make-up Schicht. Sie wollte beim Einkaufen einen guten Eindruck hinterlassen. 
 
Sie tagträumte vor sich hin, schnappte Geld, schlüssel und Handtasche, rief einen Gruß in die Kücheund zog die Tür ins Schloss. Ein tiefer, von der Sonne erfüllter Atemzug folgte. Jetzt im Park Hand in Hand mit Dirk spazieren gehen! Auf einer Bank sitzen und sich unsinnige Worte ins Ohr flüstern. Sich verliebt fühlen und Küsse wechselnd auf den Wegen schlendern. Das schien ihr so anders zu sein als der Alltag, der sie täglich ausbremste. Alltag mit Dirk -  das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Manchmal hatte sie Angst, in einem ihrer vielen Träume laut seinen Namen zu sagen. Wie gut, dass Rolf so einen tiefen Schlaf hatte. Er vertraute ihr ganz. Das war das eigentliche Problem. Nie war er eifersüchtig. Er war sich ihrer so unverschämt sicher. Suchte sie deshalb diese Herausforderung? Aber welche Herausforderung hatte sie im Sinn?

Maria lenkte das Auto auf den Supermarktparkplatz. Zum Glück tat sich vor ihrem Wagen eine Lücke auf. Den Korb und das Geld vom Sitz geschnappt, tief durchgeatmet und ab in den Laden. Bereits im Eingangsbereich kam ihr Dirk entgegen. Das offene, sympathische Lächeln überzog sein Gesicht. Er streckte ihr die Hand entgegen.
“Guten Morgen, Frau Aller! Ist das nicht ein ausgesprochen schöner Tag heute?“, fragte er und hielt ihre Hand einen Augenblick länger als nötig in der seinen. Ein warmer Schauer durchrieselte Maria, als sie in die Augen des Filialleiters schaute.
„Ja, Herr Träger, viel zu schön, um im Supermarkt zu stehen. Viel schöner wäre ein Spaziergang!“, antwortete sie kokett und blinzelte ihm zu. Wie immer schien auch er den besonderen Zauber zwischen ihnen zu spüren. Er begleitete sie durch den Markt und ließ sie mit einigem Bedauern an der Fleischtheke zurück.
„Leider habe ich zu tun“, zuckte er mit den Schultern und verschwand aus Marias Blickfeld. Ihr schien es, als habe er sich gewaltsam von ihr losreißen müssen. Sie stand vor dem Tresen und vergaß, was sie kaufen wollte.
„Bitteschön, Sie wünschen?“, fragte die Fleischverkäuferin, lauter als gewöhnlich. Maria zuckte zusammen.
„Kassler, 5 Scheiben und Suppenfleisch aus der Rippe“, hauchte sie udn räusperte sich verlegen. Sie erledigte ihre Einkäufe langsamer als nötig, um Dirk noch ein zweites Mal zu begegnen. Diese Chance bleib ihr für heute versagt. Sollte sie den Filialleiter beobachten, ob er anderen Kundinnen mit der gleichen Nonchalance begegnete? Nein, sie war etwas Besonderes für ihn. Die Uhr zeigte schon elf. Armbanduhr. Ihrer Schwiegermutter würde sie gleich erzählen, wie überfüllt der Supermarkt war.

Den Rückweg erledigte Maria schnell. Es gab ihr die Illusion, Dirk eher wiederzusehen. Trotzdem glich das Leben einem in die Länge gezogenen Gummiband. Rolf kam und fragte nach ihrem Tag. Sie war versucht, ihm von ihrer Verliebtheit und dem Filialleiter zu erzählen – schließlich hatte er gefragt, was es Neues gebe. Sie antwortete mit einem Achselzucken: 
„Das Ãœbliche. Und bei dir?“, worauf Rolf sie unter einem Schwall von belanglosen Informationen begrub.  

Auf ihrem Gesicht lag dieses gedankenverlorene Feierabend-Lächeln.
Eines Tages würde sie alles herausschreien, weil sie es nicht mehr aushielt. Sie würde vieles zerstören: Liebe, Geborgenheit, soziales Gefüge. Ein Kuss von Dirk, ein Wink nur und sie würde alles hinter sich lassen.

 

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AnjaOllmert
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