Das motorrad
Zwischen der Inselgruppe der Seychellen und den Komoren, befindet sich eine völlig unbekannte kleine Inselgruppe. Sie liegt weit abseits jeglicher Zivilisation, so wie wir sie zu verstehen und zu leben gelernt haben. Sie hat noch ihren eigenen, ursprünglichen Flair erhalten. Die Gemeinschaft der Bewohner funktioniert noch fast ohne Reibungen. Die Insulaner sind in ihrer Wesensart ursprünglich, freundlich, offen gesinnt. Sie kennen den Machthunger nicht, das hinterher Gieren von Geld, da sie ausschließlich Tauschhandel kennen. Sie gehen dem Fischfang nach. Ergänzt wird ihr Speiseplan von dem, was der Urwald zu
bieten hat. Primitive Waffen besitzen sie auch. Dazu gehört Speer, Pfeil und Bogen. Es gibt auch Süßwasser auf der Insel, so daß man sie geradezu als paradiesisch bezeichnen kann.
Eines Tages durchpflügte ein karbonverstärkter Bug die Wellen vor der Insel. Ultramodern, technisch hochgerüstet, trieb das Schiff, eher eine übergroße Yacht, schleichend in die Lagune.
Die Insulaner hatten es längst erspäht, schon als es am Horizont aufgetaucht war. So etwas hatten sie noch nicht gesehen, da ihre Inseln abseits der üblichen Schifffahrtswege lagen. Soviel ich weiß, hatten seit Menschengedenken keine Fremden mehr
diese Insel betreten. Sie riefen daher sofort ihren Dorfrat zusammen, was nun zu tun sei. Sie palaverten längere Zeit, wobei die Meinungen hin und her gingen. Die einen wollten das Riesenschiff mit den Einbäumen angreifen, um ihr Territorium zu verteidigen. Die anderen, besonneneren, rieten eher dazu abzuwarten. So wurde es denn auch einhellig beschlossen. Sie versteckten aber ihre Einbäume mit den Auslegern. Sie zogen sie in den Busch und bedeckten die Boote mit Palmwedeln. Die Boote waren ihr ganzer Reichtum, denn sie benötigten sie zum Fischfang und für Besuche zu den Nachbarinseln.
Die Yacht befand sich jetzt direkt vor dem Strand. Die starken Dieselmotoren waren
abgestellt. Allein die Fahrtströmung trieb den Torso voran, die Segel waren gerefft. Leicht schwappend ging die Yacht vor Anker. Aus dem Busch wurde sie von Hunderten von Augenpaaren aus sicherer Deckung verfolgt. Es war ein Boot, größer, als sie es sich je erträumen haben lassen. Erst jetzt, direkt vor ihren Augen, konnten sie das riesige Ausmaß erfassen. Kein Vergleich zu ihren selbstgebauten Auslegern. Auch Ruder benötigte dieses Vehikel erstaunlicher Weise nicht. Hinter Farnsträuchern wurde das seltsame Gefährt nicht aus den Augen gelassen. Es konnte nur von irgendeiner Gottheit stammen, oder aus dem Reich der Finsternis. Jedenfalls war dieser enorme Riese bestimmt nicht von dieser Welt.
Mehrere Seeleute waren hektisch dabei den Anker festzuzurren, spiegelnde, metallene Winden zu bedienen. Auf dem Aufbau winkte ein Gittergerüst und ein sich drehender Schlegel, die Radaranlage.
Das Riesenboot dümpelte in dem Wellenschlag vor dem Strand. Gleißend weiß glitzerten die Bordaufbauten der schnittigen Yacht. Bei den Inselbewohnern zeichnete sich ein untergründiges Misstrauen ab. Dieses Wahnsinnsboot war ihnen nicht geheuer. Sie schlichen weiter landeinwärts und versteckten sich tiefer im Urwald-Grün.
Die Bootsmannschaft schien nur einem Enzigen zu gehorchen. Er stieg gerade aus der Kajüte und blickte über den Bug. Er hatte offensichtlich das Kommando. „Fiert hoch“,
schallte es über das Deck. Eine Luke im Schiffsrumpf wurde geöffnet und ein Kran begann sich in Bewegung zu setzen. Die zim Dickicht verborgenen Eingeborenen verfolgten diese merkwürdigen Aktionen akribisch.
Ein starres, lebloses Monster war angeschirrt, gefesselt worden.
Vorsichtig wurde das Teil aus der Luke hoch hinaus gehievt. Das Getier wurde von dem Kran nach außen gebracht, hinüber geschwenkt und am Strand abgelassen. Müde stand es auf dem schwammigen, feuchten Sand. Ein Fremdkörper! Unruhe verbreitete sich bei den Insulanern.
Dagegen perlten die ruhigen, weißsilbrigen Wolkenlocken wie immer den Himmel entlang.
Was sollte man tun? Sie zersprangen einerseits ob des Gefühls von Entsetzen, andererseits konnte es sich auch um einen überirdischen Boten handeln. Einen Götterboten. Die Sonne strahlte von oben herab, als ob nichts gewesen wäre und schien auf ihrem Platz festgefroren.
Schließlich watete der Anführer des unheimlichen Bootes mit vorsichtigen, Storchenbeinschritten dem Strand entgegen. Direkt auf das leblose Wesen zu. Wie konnte er nur! Dieser Bursche fasste voller Todesmut das Etwas an den Hörnern. Rüttelte es. Ohne mit der Wimper zu zucken sprang der Todesmutige auf dieses lebloses glitzernde Gerüst. Es wirkte wie eine überdimensionale Steckmuschel, aber eben
irgendwie doch nicht. Es sah einfach eigenartig aus. Sicherlich aber gefährlich!
Das Ding fing plötzlich an laut zu husten, wie wenn sie sich verschluckt hätte. Das Ding schimpfte mit ohrenbetäubendem Lärm, kreischte und ratterte. Es spuckte Rauch aus, gaffte noch der Wellenlinie entlang und wurde dann in eine andere Richtung gelenkt. Direkt dem grünen Dschungel entgegen. In Richtung auf sie selbst! Die Menschen wagten nicht zu atmen und waren in den ersten Augenblicken außer Stande sich zu rühren, als das Ungehäuer sich von selbst in Bewegung setzte, ohne Füße! Aber es war schneller als ein Salamander. Wie hatte der Zauberer dieses tote Lebewesen nur erwecken können? Er musste wohl über
Zauberkräfte verfügen. Was würden nur ihre eigenen Götter dazu sagen? Noch dazu, weil kein Opfer dargebracht, oder einer Gottheit wenigstens gehuldigt wurde. Er verfügte einfach über diese Kräfte. Einfach so. Unfasslich! Das konnte nicht von einem guten Geist herrühren.
Dann ergriffen die Eingeborenen plötzlich die Flucht. In Ihren Gesichtern zeichnete sich namenloses Entsetzen ab. Zurück, zurück, in das Dickicht, zu ihren angestammten Gefilden. Da meinten sie einigermaßen sicher zu sein. Der Rückzug ging völlig lautlos von statten und niemand hätte in diesem Urwaldgrün hektisches Laufen von Menschen vermutet. Sie versammelten sich bei ihren Dorfhütten, saßen im Kreis und
diskutierten die nächsten Schritte, was denn nun zu unternehmen sei. Es musste etwas passieren! Hier hatte niemand etwas auf ihrem Inselparadies zu suchen. Außerdem hatte man ihre Götter beleidigt. Dämonische, fremde, böse, schlechte Kräfte mischten sich in ihre Welt. Die Entscheidung fiel auf dem Dorfplatz. Jeder hatte etwas zu munkeln gehabt, aber einstimmig hatten sie die nächste Vorgehensweise beschlossen. Das Monster sollte zur Strecke gebracht werden! Auch der von Zauberkräften besessene Mann, der dieses Ungetüm zu bändigen wusste, sollte sein Leben verwirkt haben. Er musste eliminiert werden, bevor er mit seinen überirdischen Kräften die Insel verseuchen konnte. Wer wusste schon, wen oder was er
noch alles zum Leben erwecken konnte. Er hatte sich angemaßt die Kräfte der Götter zu stehlen.
Sie bewaffneten sich mit Lanzen, Pfeil und Bogen, dann legten sie sich auf die Lauer, wobei sie ihre Speere und Schilder festhielten.
Die Taktik war nicht neu.Unsichbar, mit dem Laubwerk eins, verdekten sich die Eingeorenen
Der Bursche wendete das Vorderrad, machte unter Hexenkraft eine Lampe an. Das Tier hatte ein glühendes Auge! Der Gebieter kajuckelte mit diesem Drachen weiter.
Gespannte, aber entschlossene Augen, beobachteten den Mann.
Das Tier kam nun mit seinem Zirkusreiter
vorbei geflogen.
Lärmend, auf die Holzschilde schlagend, sich mit dem Getöse selber Mut machend, griffen sie mit Todesverachtung an. Der Unhold musste unter allen Umständen vernichtet werden. Das war ihr Ziel. Sie durchbohrten das Ungetüm mit ihren Lanzen, aber sie prallten ab. Der Reiter mit den Zauberkräften wurde mit einer Keule heruntergeschlagen. Er stöhnte noch auf, bis ihm ein Lianenlasso die Kehle zuschnürte. Man hatte ihn von dem Drachen getrennt. Endlich, nun war das Ding nicht mehr unbesiegbar, ohne seinen Dompteur. Der Zauberlehrling versuchte noch aufzuschreien, bevor ihm die Schlinge den Ton abwürgte. Vielleicht wollte er Hilfe holen, aber er gurgelte nur noch, bis die
umzogene Schlinge ihm endgültig jeden Laut abschnürte und mehrere Speere ihn durchbohrten. Der schreckliche Magier hatte ausgehaucht.
Dieser Teufel war besiegt, erledigt.
Nun blieb nur noch das losgelassene, führerlose, gefährliche Monster. Der Häuptling klopfte sich auf die Brust und erbot sich den Rest zu erledigen. Er schrie dem unbekannten Wesen hinterher. Es schnaufte führerlos weiter, obwohl es verwundet auf der Seite lag und stieß Rauchwolken aus. Es war also noch nicht endgültig überwältigt. Mit einem Wink wurden weitere Krieger aktiviert. Unter lautem Gebrüll gruben sich mehrere Lanzen in den Thorso, den Verteiler, und in die Reifen. Wieder und wieder sprangen die
mutigsten Krieger zu und stießen mit ihren Lanzen in das fremdartige, schnaufende, Subjekt. Der Häuptling hüpfte geschickt auf und wie ein Rodeoreiter stach er den Todesstoß in das Biest, das erschlagen nur noch wimmerte. Aber es atmete noch.
Endlich verebbte das Schnauben und das knatternde Husten. Alle miteinander zerrten an dem Zaubervehikel, das noch müde und erschöpft brabbelte. Es stank fürchterlich. Kein Wunder bei diesem Gewürm. Benzingeruch hatten die Eingeborenen freilich noch nie gerochen. Sie zogen es nun zum Strand hin, einer abgelegenen Bucht.
Dort, wo es platt gewalzt die Meeresluft atmete und weich in dem hellen Sand gebettet war, dort verschluckte sich das
Ungeheuer. Eine letzte Kraftanstrengung, dann hatte man es mit vereinten Kräften in die Wellen gestoßen. Mit Weidenruten schlug man ihm noch hinterher. Es trieb dann leblos mit seinem Hinterteil nach oben den Korallenbänken zu, zeigte noch den aufbäumenden Rücken mit seinem Thronsessel und versank dann vornüber. Der Scheinwerfer blinzelte noch in die Unterwasserwelt, bis auch er verlosch.
Die Insulaner standen still, gleich einer Prozession am Strand, sahen sich nickend an und beteten, dass dieses Wesen draußen seinen Atem endlich ausgehaucht hatte. Dann fielen sie alle in den Sand und dankten ihren Göttern, daß sie ihnen die Kraft und den Mut gegeben hatten, diesen Dämon zu
besiegen.
Auf der Jacht warteten sie vergebens auf ihren Kapitän und die Zeichnungen von den Hotelanlagen waren ja auch noch nicht vollständig.