Da saß mein Mann und machte sich in die Hose. Ich hielt ihm die Pistole an die Schläfe und zischte: „Jetzt wirst du bezahlen!“ „Nein, Tu’s nicht!“ „Eine Kugel für dem Fremdgehen mit meiner Freundin!“ „Ich war’s nicht, äh, ich habe sie nicht!“ „Eine Kugel für die letzte Vergewaltigung im Ehebett!“ „Aber, da war ich doch betrunken und...“ „Eine weitere Kugel für das Schlagen von unserer Tochter!“ „Aber da hatte ich Stress im Betrieb...“
Die gelbe Soße rann ihm aus der Hose auf dem Boden. Es stank widerlich. Mich ekelte dieser Mensch an, wie er um sein Leben wimmerte: ekelhaft und würgerregend. Dafür sollte er auch noch eine Kugel verpasst bekommen.
Es war plötzlich still geworden. Ja, mein Mann erwartete jetzt seine Todeskugeln. Jetzt war der Moment da, er sagte nichts, wir sagten nichts. Aus und vorbei war es, was einmal so schön angefangen hatte. Aber daran wollte ich mich nicht mehr erinnern. Drück ab, sagte ich mir stattdessen nur.
Ich drückte mehrmals ab – wie geplant.
Dann hörte ich unerwartet Klopfen an der Wand des Nachbarn, hatte man mich gehört? Ich hatte doch Schalldämpfer auf dem Colt.
Verdammt, ich musste mich schleunigst aus dem Staube machen.
Ich schoss in Richtung des Klopfens. Es war sinnlos, ich wusste es. Aber es tat gut.
Ein Querschläger pfiff an meinem Kopf vorbei. „Dumme Ganz, Idiotin, du, du“, schrie ich aus. „Vermasselst Dir noch die Tour mit Deinem Leichtsinn. Reiß Dich verdammt noch einmal zusammen.“ Ich machte ein Kreuz, weil ich ein sehr gläubiger Mensch bin, dass ich noch am Leben war.
Dann rannte ich auf die Straße. In der Ferne hörte man das Martinshorn. Verfickt, waren die Bullen denn so schnell? Wie hatte der Nachbar mitgekriegt, was ich vorhatte und kaltblütig ausgeführt hatte? Es würde mir ein Rätsel bleiben, dachte ich. Schnell entschloss ich mich, okay, dann soll ich sterben, von den Kugeln der Polizei, während ich einen vermeintlich Unschuldigen umballerte, jawohl.
Dafür musste ich aber noch einiges tun. Das war gar nicht so einfach, kam es mir. Die Bullen sind ja darauf trainiert, den Verrückten lebend zu schnappen, wenn er überschnappt. Wegen der Motive und Menschenrechte und dem ganzen Scheiß. Also, wie verhindern? Na klar, einen, viele, alle sogenannten Unschuldigen ermorden, die mir über den Weg liefen, genau.
Ah dort, am anderen Trottoir lief doch jemand. Ich schrie ihn an: „Halt stehen bleiben, sonst knallt es gleich!“ Ich rannte zu ihm hinüber, während ein Auto quietschend auf mich zurutschte. Ich hielt die Pistole auf den ankommenden Wagen und dieser, sobald er zum Stehen gekommen war, setzte schlagartig den Rückwärtsgang ein, um schnellstmöglich aus der Gefahrenzone zu kommen. Gut so!
Ich wendete mich wieder dem Unschuldslamm vor mir zu. Entsetzt war der Passant tatsächlich stehengeblieben und drehte sich langsam zu mir um.
„So ist’s brav!“, sage ich. Es ist mein LESER, ja Du, Du bist es, LESER.
Ich rufe Dir zu: „Auf die Knie!“
Dir kommen Schweißperlen heraus. Du blickst in die Mündung einer großkalibrigen Magnum und weißt Bescheid. Dir werden die Knie weich und automatisch sinkst du damit auf den Boden.
„So, jetzt habe ich dich endlich!“
Ich lege meine Knarre auf Deine Schläfe und beginne aufzuzählen, wofür du sterben musst...
„Hm, mal überlegen. Also...“
Na, Leser, wie fühlst Du Dich dabei? Hm? So ein eisiges, kaltes Rohr an der Schläfe zu haben. Ist doch ein kitzlig-geiles Gefühl, gell?
Aber nicht, wenn es der Psychopath Ernst meint, nicht?
Kannst Du Dir das überhaupt jetzt vorstellen? Wenn nicht, schläfst Du mir wieder beim Lesen hier ein. Aber du wirst Deinem Tod nicht entgehen, schlafend oder wachend, ha. Dir ist das doch klar!? Aber ich merke schon, Du glaubst mir nicht, Du Ratte. Denkst ich bin zu feige, und das kann doch Dir nicht passieren und überhaupt bis Du nicht zu schnappen, weil Du Dich hinter Deinen Büchern versteckst und nicht aus dem Haus gehst, lieber Dich in eine Phantasiewelt stürzt statt Dich der Realität zu stellen, ha. Aber jetzt helfen Dir Deine Krimis auch nichts mehr, Deine Unter-der-Gürtel-Linie-angesiedelten-Literatur und Dein widerlicher Schund-Ästhetizismus? Aber damit ist es jetzt vorbei. Du wirst dafür bezahlen müssen!
Ja, da habe ich ja schon einen Grund für meine erste Kugel.
Weiter, ich musste nachdenken... Hm, frage Dich, mehr aus Zerstreutheit, wie ist Dein Name?
Was höre ich: „Huber Meyer Willi!“ Allein schon dafür, für diesen Null-Acht-Fünfzig-Name gebührt dir der Tod! Ha, da habe ich ja einen guten zweiten Grund zu schießen.
Ich muss doch überlegen. Ein Schuss oder sogar zwei mag ein Mensch überleben, aber nicht eine dritte Kugel in seinem Kopf, da müsste es schon saudumm zugehen oder er saumassel haben, das Opfer. Okay. Zugegeben, ein vierter Grund wäre noch todsicherer. Verdammt, verzettele dich nicht, Mörder, eins nach dem anderen. Erst einmal den dritten Grund.
Hm, ich überlege krampfhaft, während schon die Polizeisirenen immer lauter aus allen Richtungen herankommen. Ich denke, pfeif auf den Dritten, überspringe ihn einfach, such ihn dir später aus, im Himmel oder in der Hölle, ha, ha. Ich grinse satanisch in mich hinein und denke mir: „Was bist du doch für ein lumpiger Mörder, suchst dir Motive, Gründe für dein Tun? Das hat kein postmoderner Mörder heutzutage mehr nötig. Also!“
Wenn mir dieser dritte, alles entscheidende Grund nicht einfiele, würdest Du überleben, Leser. Hm, das willst Du doch auch? Ja, Na klar! Sehe schon vor mir ein widerlich-verzerrtes Grinsen in Deiner Visage, spüre die bad vibrations Deiner hämischen Schadenfreude darüber, dass mir verdammt noch mal der dritte Grund für die finale Kugel in Deinen hohlen Dickschädel abgeht.
Hm, ich werde zornig, mir kommen die Schweißperlen aus den Poren, schon dort biegt ein grüner Bullenwagen um die Ecke auf uns zu, Leser, ja, Du könntest es überleben, es schaffen, wenn mir nicht ein dritter plausibler Grund einfällt, Dir Dein verbohrtes Hirn aus deinem Kopf herauszublasen...
Was, was, höre ich Dich da schreien, Du bist gar nicht Huber Meyer Willi. Behauptest du, ha! Hm, ich glaube dir nicht, nein. Ja, Du Feigling, jetzt habe ich Dich. Nunmehr hast Du mir den dritten Grund geliefert, die dritte Kugel hast Du verdient, weil Du Dich selbst verleugnet hast, Du, Du, Du Lügner!
Ich drücke ab, dreimal hintereinander, ganz schnell, welch eine Wohllust dies - ich atme befreiend auf, als mich die Kugeln der Gesetzeshüter treffen. Ich habe es geschafft, mir ist es gelungen, endlich habe ich einmal meinen geliebten Leser nicht gelangweilt. Es lohnt sich, dafür jetzt zu sterben, denke ich triumphierend, während ich Schmerzen in meiner Brust verspüre, Blut, das aus dem Hemdschlitz auf der Brust herausblubbert - und ach, so fühlt es sich also an, wenn man stirbt, faszinierend.
Aber dies, Leser, werde ich Dir nicht mehr vermitteln können und dies wirst Du auch niemals erfahren, wie es ist, wenn man mit seinem weichen Schädel auf den harten Trottoir aufschlägt, das Blut aus dem Mund dringt und es einem schwarz-rot vor den Augen wird, weil, weil, weil du schon längst tot bist. Tot! Ha, ha, ha..