In einer zerbrechenden Welt versucht der Widerstandskämpfer Jack Walt einen aussichtslosen Kampf gegen die beherrschende Ordnung zu führen, das Elektorat, und dessen alles kontrollierende Ministerien. Als er bei einem entscheidenden Angriff hintergangen und festgenommen wird, blieb ihm nur noch ein Weg, sich selbst und alle, die ihm etwas bedeuten zu retten. Er begibt sich gezwungenermaßen nach Liurie, einer Wasserwelt und findet dort mehr, als er nur die Wahrheit. Der Kampf um sein Leben wird zum
Kampf um das Schicksal der gesamten Menschheit. Bildquelle ,, Frozen Flowers" http://www.royaltyfreeimages.net/
Aaren setzte sich langsam auf, als er draußen auf dem Gang Schritte hörte. Er zuckte zusammen, als sich die Verletzung an seiner Seite wieder bemerkbar machte. Die Kugel die ihn gestreift hatte, hatte zwar keine ernsthafte Wunde hinterlassen, aber sie behinderte ihn trotzdem. Der Kommissar hatte es mittlerweile Aufgegeben, einen Weg aus der Zelle zu suchen. Es gab keinen. Kein Fenster, keine losen Stücke Wandverkleidung, und auch die Türscharniere waren
verstärkt. Ohne Werkzeug kam man hier nicht raus. Er wusste weder, was aus Jack geworden war. Vermutlich war er aber wohl genauso eingesperrt, wie er selbst. Und Sonea... Besonders der Blick mit dem der neue Gouverneur das Wesen bedacht hatte ihm gar nicht gefallen. Er spürte wie sich seine Hand zur Faust ballte. Ruhig bleiben, ermahnte Aaren sich selbst. Fürs erste konnte er nichts anderes tun. Die Schritte von draußen kamen näher und verstummten schließlich vor der Tür. Aaren schloss einen Moment die Augen. Es war egal was passierte. Vielleicht
hatte Cloudsworth den Befehl ihn zu töten. Etwas, das vermutlich so oder so eintreten würde, wenn er nicht fliehen konnte. Die Tür wurde geöffnet und Aufgezogen. ,,Wartet hier.“ , befahl eine Stimme. ,,Ich werde keine Hilfe brauchen.“ Aaren hörte keine Antwort, aber er erkannte die Stimme wieder. Einige Augenblicke später trat Maximilian Cloudsworth durch die Tür. Der Mann ging gezwungenermaßen geduckt, damit er überhaupt durch den Durchgang passte. Die tiefliegenden Augen musterten Aaren ohne jedes Mitgefühl oder Zweifel. Nur
Verachtung. Aber er konnte den Mann nur bedauern. ,,Ich will es verstehen.“ , setzte Cloudsworth an. Das willst du nicht, dachte Aaren. Nein… der Gouverneur hatte nur ein Ziel, ihn einschüchtern. Trotzdem erwiderte er nichts, sondern hörte einfach nur zu. ,,Sie waren einer der Besten Aaren.“ , fuhr Cloudsworth fort. ,, Ich habe sie fast so etwas wie bewundert, wussten sie das ?“ ,,Ich hoffe ihnen ist klar, das mir das gleich ist. Ich bin frei.“ , erwiderte Aaren. ,,Sie sind schwach geworden, Aaren“ ,
gab Cloudsworth zurück. ,,Sie waren einer der Besten.“ , wiederholte er, ,,Und doch haben sie alles weggeworfen. Wofür ? Ein bisschen Freiheit ?“ Er ließ sich dadurch nicht provozieren. Was wollte der Mann überhaupt? ,,Glauben sie das wirklich ?“ , fragte Aaren ruhig. ,,Loyalität erfordert wahre Stärke.“ ,,Loyalität zu was ? Zum Elektorat ? Nein Cloudsworth, sie glauben ich bin ein Verräter? Angst ist das einzige, das das Elektorat zusammen hält. Angst und Verzweiflung.“ Der Gouverneur sah ihn nur an, wie eine seltsame Kuriosität. Einen Käfer, oder dergleichen, der sich irgendwie seltsam Verhielt, den er aber
trotzdem jeden Moment zerquetschen könnte. Interessant, aber nichts weiter bemerkenswert. ,,Und ich fürchte sie nicht. Ich fürchte das Elektorat nicht. “ , erklärte Aaren ruhig. Der Gouverneur lachte. ,,Jeder fürchtet etwas.“ ,,Sie können mich foltern, sie könnten mich töten, vielleicht sogar wiederbeleben? Aber das gibt ihnen keine Kontrolle über mich, oder irgendjemanden. Angst ist keine Macht.“ ,,Zumindest nicht über sie.“ , stellte Cloudsworth fest. Aaren irritierte, das der Mann lächelte. ,,Und andere Leben ? Ich schätze, sie geben die gleiche
Antwort, wenn ich sage, dass ich Jack töten lasse.“ ,,Wieso sollten sie das tun ?“ ,,Brauche ich einen Grund ?“ , wollte der Gouverneur wissen ,, Aber es wäre sinnlos nicht ? Es wäre ihnen egal.“ ,,Jeder kann töten. Dazu braucht es nichts, als eine Waffe und ein wenig Entschlossenheit.“ Und die Entschlossenheit ließ sich notfalls aufzwingen. ,,Bedeutet ihnen das Leben anderer so wenig ?“ , fragte Cloudsworth. ,,Es würde erklären, wieso sie sich die ganze Zeit irgendwo da draußen Versteckt haben.“ Aaren zuckte kaum merklich zusammen.
Jack hatte fast dasselbe gesagt… und es hatte ihn getroffen. Nein, jedes Leben war wertvoll. Nur wer konnte von ihm verlangen, alle zu retten? Der Kommissar schüttelte die Gedanken ab. Cloudsworth schien jedoch sein kurzer innerer Konflikt nicht entgangen zu sein. ,,Oder hatten sie einen anderen Grund ? Etwas das ihnen doch etwas bedeutet?“ Aaren zögerte, bevor er eine Antwort gab. ,,Und das soll sein ?“ Er wusste selbst, dass es nicht überzeugend klang. ,,Wir haben die Kleine zu den anderen gesperrt, die , die bei ihnen war.“ , meinte der Gouverneur. ,,Wir brauchen
immer mehr, wie sie sicher wissen…“ Ruhig bleiben, ermahnte Aaren sich. Er würde ihm nicht erlauben, ihn außer Fassung zu bringen. ,,Viele sterben…“ Er spürte wie sich seien Hand erneut zur Faust ballte. ,,Ich schätze mal mehr als ein paar Tage überstehen…“ Aaren ließ ihn nicht ausreden, sondern sprang mit einem Satz auf und packte den Gouverneur, was wegen des Größenunterschieds nicht ganz einfach war, eine Hand an dessen Kehle, mit einem Tritt brachte er ihn auf die Knie, so dass sie zumindest auf gleicher Höhe waren.
Zwei Soldaten stürmten zur Zellentür herein und richteten die Waffen auf den Kommissar, aber Cloudsworth bedeutete ihnen mit einer Handbewegung sich zurückzuhalten. Sie hätten ohnehin ebenfalls den Gouverneur getroffen, sollten sie das Feuer eröffnen. Zum ersten Mal sah er so etwas wie ein Gefühl, Angst, in den Augen des Gouverneurs. Furcht war vielleicht doch Macht… ,,Es gibt nicht viele Leute, die mir etwas bedeuten, Gouverneur.“ Die Soldaten im Hintergrund sahen sich verwirrt an. ,, Deshalb will ich
ganz sicher gehen, das sie mir jetzt gut zuhören. Habe ich ihre volle Aufmerksamkeit ?“ Cloudsworth nickte, aber der kurze Moment der Angst schien vergangen zu sein. Stattdessen musterte er den Kommissar wieder berechnend, vermutlich hatte er mit dieser Reaktion sogar gerechnet. ,,Ich möchte , dass sie mir ganz genau zuhören, wenn ich folgendes sage : Wenn ihr auch nur das geringste passiert , “ , er betonte jedes Wort langsam und kalt. ,,Werde ich sie umbringen Cloudsworth.“ Der Gouverneur versuchte zurückzuweichen. Wieder war es eine schwache Spur von Angst, die in seinen
Zügen auftauchte. ,,Das ist ein Versprechen. Egal wie oder wann. Wenn sie Sonea irgendwas antun, sterben sie.“ Cloudsworth schaffte es endlich sich aus dem Griff des Kommissars zu winden und ließ eine Faust in dessen verletzte Seite krachen. Mit einem Schmerzensschrei sank Aaren zu Boden. ,,Ein wunder Punkt wie ?“ Aaren wäre in diesem Moment wieder aufgesprungen um den Mann diesmal wirklich zu töten, hätten ihn die Schmerzen nicht fast gelähmt. ,,Ich werde es nicht vergessen.“ ,,Sagen sie mir einfach was zur Hölle sie eigentlich wollen.“ , verlangte der
Kommissar. ,,Gar nichts Terrel, das ist ja der Witz an der ganzen Sache.“ Der Gouverneur drehte sich um und schlug die Zellentür wieder hinter sich zu. Aaren blieb auf dem Boden kauernd zurück. Jack schreckte hoch. Schwer atmend saß er einem Augenblick orientierungslos auf dem Boden. Was war passiert… Er hielt sich eine Hand vors Gesicht. Real… das hier war real, nicht das andere… Es dauerte eine Weile, bis ihm die verstreuten Puzzlestücke seiner
Erinnerung verrieten, was passiert war. Cloudsworth… Panisch sprang er auf, als die Erinnerung zurückkehrte. Offenbar jedoch hatte er es überstanden. Die Halluzinationen oder Wachträume, oder was immer das gewesen war, waren weg. Er fühlte sich gut. Tatsächlich sogar um einiges besser als zuvor. Jack stand vorsichtig auf. Seltsam… irgendetwas war definitiv anders. Er tastete nach der Narbe an seinem Bein. Verschwunden, dachte er, als hätte sie nie existiert. Ansonsten war er immer noch er selbst, soweit er das sagen konnte. Oder ? Jack fühlte sich ruhiger. Langsam suchte er die Zellenwände ab. Auch wenn er
bereits zuvor nach einer Fluchtmöglichkeit gesucht hatte, diesmal wurde er nicht nervös bei dem Gedanken keinen Ausweg zu haben. Ich bin vielleicht doch nicht ganz der Alte, überlegte Jack. Seine Vision hatte ihn mehr als nur erschreckt, aber er hatte es überstanden… und die richtige Entscheidung getroffen, wie er meinte. Er musste das Elektorat aufhalten, nicht für sich selbst, sondern für alle anderen. Das war ihm klar geworden. Ein Rachefeldzug hatte keinen Sinn. Vielleicht war es das, was Aaren ihm auf der Insel hatte sagen wollen. Jack nahm sich vor ihn zu fragen, vorausgesetzt, er erhielt jemals die
Gelegenheit dazu. Er saß immer noch fest, vermutlich genauso wie der Kommissar. Ein lockerer Schlag gegen eine der Stahlwände brachte kein anderes Ergebnis, als einen dumpfen Ton. Die Wand war gut und gerne drei Meter dick und ließ vermutlich nicht mal den Schall durch. Jack trat an die Tür und spähte durch das Gitterfenster nach draußen auf den Flur. Soweit er sehen konnte, war dort alles verlassen. Sie scheinen es nicht einmal für nötig zu halten, Wachen bei den Zellen abzustellen, dachte er. Ein Schuss riss ihn aus seinen Gedanken. Der Knall kam ganz aus der Nähe, war
aber weit genug weg, das er den genauen Ausganspunkt nicht abschätzen konnte. Aber irgendwo da draußen war grade eine Waffe abgefeuert worden. Weitere Schüsse folgten, einige davon offenbar von Gewehren, die anderen von Pistolen und Schnellfeuerwaffen. Jack trat näher an das Gitte rum eventuell doch etwas zu erkennen. ,,Verflucht, sie haben Charlton erwischt.“ Jack kannte den Namen. Wo hatte er ihn bloß schon gehört… Henry Charlton… Das konnte doch nicht sein, oder? ,,Lass ihn liegen, er ist tot. Wir müssen uns beeilen.“ , sagte eine zweite Stimme. Tian.
Im nächsten Moment stürzte eine Gruppe von fünf Leuten in sein Sichtfeld. Drei trugen Orange-Roten Omnisphere-Overalls und kleine In-Ohr-Headsets. Die vierte war eine Frau in Laborkleidung und die fünfte Gestalt freilich trug eine Jacke über den orangen Overall. Drei trugen einfache Pistolen, ein vierter hatte sich ein Gewehr besorgt, das er wohl einem Elektorats-Soldaten abgenommen haben musste. Tian selbst hatte, neben einem vertraut wirkenden Energieschwert, eine Maschinenpistole, die er auf das Türschloss
richtete. ,,Jack, wenn sie da drin sind, gehen sie besser von der Tür weg, wir haben keine Zeit erst das Schloss zu knacken. „ Er dachte erst gar nicht lange darüber nach, sondern warf sich zur Seite, als eine Kugelsalve den Türrahmen durchlöcherte. Einige verirrte Querschläger jagten durch die Zelle, dann wurde es wieder ruhig und die Tür schwang auf. Langsam trat Jack nach draußen. Die Tür schwang ohne Wiederstand auf. ,,Ich glaube ich war selten so froh jemanden zu sehen.“ , erklärte er. ,,Abwarten.“ , erwiderte Tian. ,,Wir sind längst nicht aus dem gröbsten raus.“
Er deutete auf einen der vier ihn begleitenden Omnisphere-Arbeiter. Drei Männer, eine Frau. ,,Seht zu, das ihr den Kommissar findet.“ Zum ersten Mal konnte Jack sich auf dem Flur umsehen. Es war ein simpler langer Gang, mit weiteren Türen, wie der zu seiner Zelle auf allen Seiten. Den Zugang bildete ein verglaster Checkpoint, mit einem Tisch, auf dem nun zwei tote Wachleute lagen, zusammen mit drei weiteren Elektorats-Soldaten und einer Gestalt im Laborkittel. Ein Mann aus der Gruppe begann, die anderen Türen zu untersuchen. ,,Wir zur Hölle… Was machen sie
hier?“ ,,Wonach sieht es denn aus ?“ , wollte Tian wissen, während er das Energieschwert Jack reichte. ,,Wir hatten einige Probleme, nach ihrer kleinen… Eskapade.“ , erklärte er und zog zeitgleich noch eine Pistole mit silberner Justitia-Gravierung unter der Jacke hervor. ,,Woher haben sie das alles ?“ ,,Glauben sie mir es war nicht einfach da ranzukommen.“ Ein weiterer Schuss hallte den Gang entlang, als eine der Türen aufgesprengt wurde. ,,Sir.“ , meinte der Mann, den Tian losgeschickt
hatte. Aaren Terrel trat, sich die verletzte Seite haltend, aus der Zelle. ,,Warum hat das so lange gedauert ?“ ,,Wie bitte ?“ ,,Nur ein Scherz.“ , erklärte der Kommissar, während Tian ihm ebenfalls seine Waffen wiedergab. Es muss wirklich schwierig gewesen sei, da ranzukommen, dachte Jack. ,,Okay, was genau geht hier vor ?“ , wollte er wissen. ,,Nun, wir brauchen ihre Hilfe.“ , sagte Tian. ,,Nach der Sache auf dem Luftdock sind die Wissenschaftler abgesprungen. Das heißt bis auf Whitehead. Irgendjemand muss das ganze
ja Koordinieren.“ Er griff zum Headset. ,,Wir haben sie.“ Jack sah sich langsam um. Die fünf wirkten nicht grade, wie erfahrene Kämpfer. ,,Wie viel Leute haben sie noch ?“ , wollte er wissen. ,,Sehr viel weniger als vorher.“ , erklärte Tian gehetzt. Natürlich. Jack brauchte sich nur kurz umzusehen. Die ganze Aktion hier wirkte bereits auf den ersten Blick schlecht koordiniert. Es war dasselbe wie auf der Erde. Zu wenige, ohne wirkliche Organisation oder Rückhalt. ,,Aber noch haben wir eine Chance…“ , meinte er. ,,Und die sieht wie aus ?“ , wollte Aaren
wissen. Jack sah zu dem Kommissar herüber. Irgendetwas hatte sich bei ihm verändert. Er schien gar nicht richtig zuzuhören, als würde er die ganze Zeit über etwas anderes nachdenken.