Kurzgeschichte
Manfred

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"Manfred"
Veröffentlicht am 08. Mai 2013, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Bisher von mir erschienen im Verlag neun9zig Liebe mbH ISBN 978-3-944907-00-0 Querfeldein ISBN 978-3-944907-02-4 Beide Bücher leider komplett ausverkauft. Noch erhältlich bei Amazon, Verlag neun9zig oder direkt bei mir: Quertextein und hinterm Komma links ISBN 978-3944907215 Kontaktaufnahme über meine Homepage: http://quertextein.jimdo.com/
Manfred

Manfred

Beschreibung

Für alle die, die die Geschichte bereits gelesen haben: Den Schluss habe ich ein klein wenig ... erweitert ;o))

Pling. Da ist er wieder. Manfred, der verrückte Vogel. Keine Ahnung, ob er wirklich Manfred heißt. Keine Ahnung, ob Vögel sich untereinander überhaupt „irgendwie beim Namen nennen“, aber dieser Buchfink, der seit Tagen in der Zeder vor meinem Bürofenster zu Gast ist und immer wieder gegen die Scheibe fliegt, sieht genauso aus, als hieße er Manfred. Pling. Immer wieder stößt der Vogel im Flug mit seinem Schnabel gegen das Glas. Scheinbar unermüdlich. Bis ich der Gardine einen leichten Stoß versetze, so dass sie in Schwingung gerät. Dann flattert er davon – nur um Augenblicke später erneut auf „seinem“ Zweig zu landen und von dort aus abermals Attacken gegen den vermeintlichen Nebenbuhler zu starten. Flog er gestern und vorgestern noch einzelne Angriffe, hat er seit heute seine Technik geändert. Er hebt ab, fliegt drei, vier enge Runden ohne Zwischenlandung und klopft dabei jedes Mal an das spiegelnde Fenster, ehe er sich wieder auf den dünnen Ast zurückzieht, der sich nur etwa zwanzig Zentimeter von der Scheibe entfernt leicht im Wind bewegt.

 

Lydia. Seit heute Morgen sitzt das weniger bunt gezeichnete Buchfinkenweibchen etwa einen knappen Meter weiter rechts auf demselben Ast wie Manfred und beobachtet dessen Manöver mit gespannter Aufmerksamkeit. Pling. Die Vogeldame wird der Grund für seine neue Anflugmethode sein, gilt es doch, ab sofort nicht nur das eigene Terrain, sondern auch den Platz in Lydias Vogelherz zu verteidigen. Pling, pling. Erfolglos, was seine Absicht angeht, den Konkurrenten aus Lydias Nähe zu vertreiben. Lernfähig ist er offensichtlich nicht, der kleine Kerl. Aber enorm hartnäckig, genauso wie sein Widersacher in der Scheibe. Verflixt nochmal, der will einfach nicht weichen. Pling … Manfred tut mir leid. Und Lydia auch. Nach einem anstrengenden Tag voller vergeblicher Luftangriffe wird Manfred abends unter verstauchtem Schnabel und Kopfschmerzen leiden. Wie soll er da noch zu anständiger Familienplanung in der Lage sein. Von Nestbau ganz zu schweigen. Mitleidig öffne ich das Fenster weit. Verschwunden ist der Feind in der Scheibe. Verschwunden sind aber auch Manfred und Lydia. Ganz still verharre ich. Lange brauche ich nicht zu warten. Aufgeregtes Gehüpfe zwischen den Zedernnadeln zeugt davon, dass die veränderte Situation nicht unbemerkt geblieben ist. Ich lege mich still auf das Sofa – mein Büro hat gleichzeitig die Funktion eines Gästezimmers – und leiste mir ein paar Minuten entspannten Vogelkinos. Die beiden Finken schnäbeln, was das Zeug hält. Manchmal scheint Manfred noch ein wenig irritiert in Richtung des nicht mehr vorhandenen Gegners zu schielen, aber offensichtlich ist er davon überzeugt, einen Sieg davongetragen zu haben.

 

Ich muss eingeschlafen sein. Natürlich bin ich eingeschlafen. Wie sonst ist es zu erklären, dass Manfred plötzlich neben mir sitzt. Auf der Kante am Kopfende des Sofas, genauer gesagt. Erstaunt sehe ich ihn an. Er scheint mir doch wahrhaftig zuzuzwinkern. Ein paar Mal kneife ich die Lider zusammen – aber Manfred ist noch da und betrachtet mich mit schiefgelegtem Kopf. Dann öffnet er den Schnabel. „Pink, pink!“, zwitschert er leise. Und noch einmal: „Pink, pink!“ Und ich verstehe ihn mühelos. Schließlich schüttelt er seine Flügel aus, trippelt ein paar Schritte nach rechts und wieder nach links und startet danach zu einer Umrundung der Deckenlampe, bevor er elegant wieder zum offenen Fenster hinausfliegt.

 

Draußen bellt ein Hund und meine Ruhepause findet ein jähes Ende. Ich recke die Arme, ehe ich mich aufsetze. Dann schüttele ich schmunzelnd den Kopf. Schon witzig, was man so zusammenträumt, wenn man tagsüber mal für ein paar Minuten wegdämmert.  Irgendwo muss doch …  Ich gehe zum Schrank und blättere in einer Sammelmappe. Da ist es. Ein buntes Fensterbild aus Papier, das meine Tochter als Kind einmal gestaltet hat. Ich schließe das Fenster und klebe die Bastelarbeit an die Scheibe, direkt hinter die Stelle des Glases, die Manfred immer wieder als Anflugsziel gedient hat. Jetzt wird er sich nicht mehr darin spiegeln, hoffe ich. Zu gerne möchte ich ihm die Illusion erhalten, seinen Widersacher ein für alle Mal verjagt zu haben. Mit den Augen suche ich die Zweige des Baumes ab. Manfred und Lydia sind nirgends zu sehen, aber sie werden schon wiederkommen, da bin ich mir sicher.

 

Als ich mich umdrehe und an meinen Schreibtisch zurückkehre, löse ich wohl einen leichten Luftzug aus, denn plötzlich schwebt etwas von der Deckenlampe herab und landet genau auf der Tastatur meines Laptops. Hübsch sieht sie aus, die kleine bunte Feder.

 

* * *

 

Wer jetzt einen gundaesken Schluss erwartet hat und enttäuscht ist, dem biete ich folgende Alternative für den letzten Absatz an (Danke, mein Freund, für die Anregung ...):

 

Als ich mich umdrehe und an meinen Schreibtisch zurückkehre, glaube ich meinen Augen nicht trauen zu dürfen. Manfred. MANFRED! Das darf nicht wahr sein … Genau auf dem Buchstaben „...“ (aus technischen Gründen ist es mir nicht möglich, eben jenen Buchstaben hier niederzuschreiben, er liegt auf der Tastatur ganz oben links. ) liegt ein kleiner schwarzweißer Kringel. Undankbares Vieh, wenn ich dich erwische … Grinsen muss ich trotzdem.

 

 

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Hörbuch

Über den Autor

Gunda



Bisher von mir erschienen im Verlag neun9zig

Liebe mbH
ISBN 978-3-944907-00-0
Querfeldein
ISBN 978-3-944907-02-4

Beide Bücher leider komplett ausverkauft.

Noch erhältlich bei Amazon, Verlag neun9zig oder direkt bei mir:
Quertextein und hinterm Komma links
ISBN 978-3944907215

Kontaktaufnahme über meine Homepage: http://quertextein.jimdo.com/

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Gunda Re: ... -
Zitat: (Original von Christina_Maverik am 14.05.2013 - 10:21 Uhr) ..so eine schöne und tierische Art "Dankeschön" zu sagen. Und wie grandios hast Du ihm bei seiner Familiengründung unter die Flügel gegriffen.. nicht nur tatkräftig sondern auch - wieder mal - in Wort und Fantasie ;-))
LG Christa


Danke, Christa,
nun warte ich darauf, dass Lydia und Manfred mir ihren Nachwuchs präsentieren :o)

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: Guter Schlusskringel, -
Zitat: (Original von baesta am 13.05.2013 - 23:54 Uhr) musste lachen.

Liebe Grüße
Bärbel


Dann hat mein alternativer Schluss ja seinen Zweck erfüllt, Bärbel. Danke fürs Lachen.

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Christina_Maverik ... - ..so eine schöne und tierische Art "Dankeschön" zu sagen. Und wie grandios hast Du ihm bei seiner Familiengründung unter die Flügel gegriffen.. nicht nur tatkräftig sondern auch - wieder mal - in Wort und Fantasie ;-))
LG Christa
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Guter Schlusskringel, - musste lachen.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
erato Re: Re: ***** -
Zitat: (Original von Gunda am 11.05.2013 - 21:49 Uhr)
Zitat: (Original von erato am 08.05.2013 - 11:09 Uhr) Nahezu identisch erlebt ......
sind wir Männer nicht auch so,
immer bemüht unser Nest vor
Eindringlingen zu schützen... :-))))

Bin hier auch mit der Natur im Einklang :-))))))))))))))))

Gezwitscherte Grüße
Thomas



DAnke, Thomas, für deinen gezwitscherten Kommentar.
Grins: Ich denke mir das sehr hübsch, wie du auf einem Ast hockst und dein Netz vor Eindringlingen beschützt ;o)

Lieben Gruß
Gunda





:-)))))))))))))))))))))))

Danke
LG Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: Ey, - Die beiden ersten Absätze sind authentisch, ja. Danach habe ich meine Fantasie ein bisschen spielen lassen :o)


Zitat: (Original von AngiePfeiffer am 11.05.2013 - 23:02 Uhr) ist das ne "wahre Geschichte"? Das ist ja cool.
Schönen Abend


Zitat: (Original von Gunda am 11.05.2013 - 21:20 Uhr)
Zitat: (Original von AngiePfeiffer am 08.05.2013 - 09:13 Uhr) das Traumpaar.
Das hast du wirklich nett geschildert.
LG
Angie


Danke, Angie. Die beiden waren auch wirklich süß. Inzwischen lassen sich beiden allerdings nicht mehr hier blicken ...

Lieben Gruß
Gunda


Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Ey, - ist das ne "wahre Geschichte"? Das ist ja cool.
Schönen Abend


Zitat: (Original von Gunda am 11.05.2013 - 21:20 Uhr)
Zitat: (Original von AngiePfeiffer am 08.05.2013 - 09:13 Uhr) das Traumpaar.
Das hast du wirklich nett geschildert.
LG
Angie


Danke, Angie. Die beiden waren auch wirklich süß. Inzwischen lassen sich beiden allerdings nicht mehr hier blicken ...

Lieben Gruß
Gunda

Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: Mögen Sie mich Manfred nennen? -
Zitat: (Original von DoktorSeltsam am 10.05.2013 - 23:13 Uhr) Was soll ich sagen? Grüner Neid besiedelt mein normalerweise zu gesunder Chianti-Hochdruck-Röte neigendes Antlitz! Klasse, richtig Klasse. Manfred - einer der schönsten Namen für Helden, abgesehen mal von Odysseus vielleicht!

Dok (Ornithologe)



Och, ich finde Gerd-Herbert eigentlich noch schöner - aber das ist wohl eher ein Name für einen Antihelden :o) Nein, mein Herr, ich werde Sie nicht Manfred nennen, ich bleibe beim respektvollen Dok ;o)) Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: -
Zitat: (Original von Luap am 09.05.2013 - 21:15 Uhr) Echt klasse, mit viel Feingefühl geschrieben. Besonders gut gefällt mir der Originalschluss... Gunda mal etwas verträumt... ;-)

Liebe Grüsse
Paul




Freut mich Paul, dass dir der Originalschluss gefällt. Ja, manchmal leiste ich mir so ein bisschen was Verträumtes ... :o)

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: Vielleicht hatte sich Manne ... -
Zitat: (Original von pekaberlin am 09.05.2013 - 14:40 Uhr) ... nur noch nicht entschieden, zwischen Lydia und dir!

Unter diesem Gesichtspunkte betrachtet, überlasse ich die Wahl des Schlusses lieber dir.
Also: Eine bunte Feder, nach eingehender Betrachtung deiner Person,
oder eine hingesch...ne Flucht.

Liebe Grüße Peter


Lach ... Also mir persönlich wäre die Feder natürlich lieber ... Manchmal ... na, du weißt schon: manchmal schlägt die Romantikerin in mir zu :o)

Lieben Gruß
Gunda
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