Kurzgeschichte
Menschen gibt's!

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"Menschen gibt's!"
Veröffentlicht am 05. Mai 2013, 6 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich denke gern über das Leben nach, manchmal starre ich einfach eine halbe Stunde ins Leere und bin dann wieder etwas schlauer. Ich mag respektvolle und tolerante Menschen und versuche auch selbst, tolerant zu sein. Ich rufe laut, wenn mir etwas gefällt, und sage meist gar nichts, wenn mir etwas nicht gefällt. Ich bin alles in allem ein Streiter für die gute Sache. Aber sollte es auf der dunklen Seite tatsächlich Kekse geben, betrachtet mich als ...
Menschen gibt's!

Menschen gibt's!

An diesem normalen Morgen nahm er seine Tasche und stieg in die überfüllte Straßenbahn. Eigentlich hatte er noch einmal durchgehen wollen, was er in der Präsentation sagen wollte, aber dafür hätte er sitzen müssen. Er ließ seinen Blick über die Personen schweifen und entdeckte einen Jugendlichen, der Musik hörend und Kaugummi kauend aus dem Fenster blickte. Missbilligend verzog er das Gesicht. Diese jungen Leute sind schon gefährlich, dachte er. Was mag diese Ausbeulung in seinem Rucksack sein? Vermutlich ein Totschläger! Entweder sie pöbeln oder sie schlagen Läden kurz und klein. Sie besprühen Gebäude und brechen die Schule ab. Und dann liegen sie uns auf der Tasche. Allerhand. Und er schob sich durch den Gang zu dem Burschen hin, zog ihm einen Stöpsel aus dem Ohr und verlangte barsch, er solle aufstehen und seine aggressiven Neigungen gefälligst nicht in der Straßenbahn ausleben. Er zog ihn von seinem Platz und setzte sich an die freigewordene Stelle. Wenn ich nichts dagegen mache, wer dann, dachte er und lächelte zufrieden vor sich hin.

 

Am Marktplatz stieg er aus und trat beinahe auf einen Obdachlosen, der nur noch ein Bein hatte und schwach einen Kaffeebecher hochhielt, in dem einige Centstücke lagen. Diese Menschen lassen sich doch die Beine extra abnehmen, um anständige Menschen um ihr sauer verdientes Geld zu erleichtern, dachte er ungehalten. Wenn sie sich nur ein bisschen anstrengen würden, könnten sie genauso erfolgreich sein wie jeder andere. Wahrscheinlich kauft er sich sowieso nur Alkohol von dem Geld. Und er beugte sich zu dem verwahrlosten Mann herunter, entriss ihm den Becher und kippte das Geld in seine flache Hand. Dann wies er den Mann an, er könne doch bitte mal damit beginnen, sich seine Lebensberechtigung zu verdienen. Wenn ich nichts dagegen mache, wer dann, dachte er und lächelte zufrieden vor sich hin.

 

Vor seinem Büro war ein Wagen aufgebaut, an dem eine blonde junge Frau Kaffee verkaufte. Als er bezahlen wollte, konnte er seinen Geldbeutel nicht finden. Da war doch vorhin, vor dem Kaufhaus, dieser Ausländer, der Prospekte verteilt hat, dachte er grimmig. Diese Fremden stehlen doch alle wie die Raben. Immer müssen sie uns bedrängen. Die sind doch kriminell. Er ging mit großen Schritten zurück zum Kaufhaus und traf den jungen Ausländer tatsächlich noch dort an. Er winkte einen Polizisten heran, erzählte ihm von seinem Verdacht, und dieser hielt den verwunderten Mann fest, sodass er ihn durchsuchen konnte. Seine Brieftasche hatte er nicht. Aber wahrscheinlich hatte er die Brieftasche schon an einen Komplizen weitergegeben. Diese Ausländer sind ja überall. Und er erstattete sofort Anzeige. Wenn ich nichts dagegen mache, wer dann, dachte er und lächelte zufrieden vor sich hin.

 

Zurück an seinem Büro wollte er von der jungen Frau seinen Kaffee entgegen nehmen. Er bezahlte ihn mit dem Geld aus dem Becher des Obdachlosen. Die Frau wollte ihm die Tasse reichen, sie war jedoch unglaublich heiß. Ihr glitt die Tasse aus den Fingern und der Kaffee schwappte auf seine Hose. Er fluchte und versuchte, den Schaden mit einigen Servietten einzudämmen. Frauen darf man einfach nichts Wichtiges tun lassen, dachte er bei sich. Die sollten daheim bleiben, wo sie hingehören. Und dann ist sie auch noch blond. Ist ja klar, dass sie selbst mit den einfachsten Dingen überfordert ist. In seiner Wut schnappte er sich die gesamte Kaffeekanne und ging mit ihr davon. Das war sein gutes Recht. Wenn ich nichts dagegen mache, wer dann, dachte er und lächelte zufrieden vor sich hin.

 

Als sein Bürotag sich nun dem Ende zuneigte und er nach Hause spazierte, bemerkte er zwei grell gekleidete junge Männer, die interessiert vor einem Schaufenster einer Modebotique standen. Schwule, dachte er angewidert, was auch sonst. Das können nur Schwule sein. Fehlt nur noch dass sie sich küssen. Und er rief ihnen lautstark zu, wie widerlich und unnatürlich das war, was sie gerade taten. Beschämt ergriffen die Beiden die Flucht. Wenn ich nichts dagegen mache, wer dann, dachte er und lächelte zufrieden vor sich hin.

Bei seinem Miethaus angekommen, entdeckte er ein Plakat, dass an der Pinnwand angeschlagen war. „Immer mehr Menschen werden aufgrund ihrer Religion das Opfer von Intoleranz und Rassismus.“ Entsetzt schüttelte er den Kopf. Menschen gibt’s, dachte er, und verschwand in seiner Wohnung.

 

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Hörbuch

Über den Autor

Luciana
Ich denke gern über das Leben nach, manchmal starre ich einfach eine halbe Stunde ins Leere und bin dann wieder etwas schlauer. Ich mag respektvolle und tolerante Menschen und versuche auch selbst, tolerant zu sein. Ich rufe laut, wenn mir etwas gefällt, und sage meist gar nichts, wenn mir etwas nicht gefällt. Ich bin alles in allem ein Streiter für die gute Sache. Aber sollte es auf der dunklen Seite tatsächlich Kekse geben, betrachtet mich als abgeworben.

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Luciana Re: -
Zitat: (Original von Milan01 am 15.06.2013 - 11:19 Uhr) Irre, was in leider vielen Menschen so im Hirn herumspukt. Gut erfasst und in eine Geschichte gepackt. Einfach toll beschrieben. Das i-tüpfelchen warn deine letzten Sätze noch. Menschen gibts.....
5 St.
Lg Milan01


Vielen Dank fürs Lesen, das Lob und den Kommentar. Und natürlich für die großzügige Bewertung. In manchen Köpfen hier auf Erden gibts Dinge die nie verschwinden werden. Vorurteilsfreie Menschen gibt es wohl nicht. Aber die Gewalt, die daraus entsteht, ist unfassbar.
Liebe Grüße von Lucy
Vor langer Zeit - Antworten
Milan01 Irre, was in leider vielen Menschen so im Hirn herumspukt. Gut erfasst und in eine Geschichte gepackt. Einfach toll beschrieben. Das i-tüpfelchen warn deine letzten Sätze noch. Menschen gibts.....
5 St.
Lg Milan01
Vor langer Zeit - Antworten
Teykna Re: Re: Immer.. -
Zitat: (Original von Luciana am 02.06.2013 - 12:44 Uhr)
Zitat: (Original von Teykna am 31.05.2013 - 17:40 Uhr) .. diese Vorurteile! Leider haben soo viele Menschen Vorurteile. ob es wegen der Klamotten, der Religion oder deren Aussehen geht..! Ich stimme Darkjuls zu; Gut auf den Punkt gebracht.

Liebe Grüße, Monique


Ja, da stimme ich dir zu. Das Schlimme ist, finde ich, dass das Fernsehen das alles noch schlimmer macht. Ich habe erst neulich wieder lernen dürfen, dass alle Menschen, die schwarz tragen, Satanisten sind und nachts auf Friedhöfen Gräber anzünden. Und weils im Fernsehen kommt ist es auch die Wahrheit. Ja ja.

Danke fürs Lesen und den Kommentar. Wie laufen deine Schreibprojekte eigentlich zur Zeit? =)
Liebe Grüße von Lucy


Hey, ja, ach.. Ich hasse das. Immer diese Vorurteile. Trägt jemand schwarz sei er ein Emo, hat jemand ein Piercing ist er ein Freak.. all dieses Zeug. Naja, das verschlimmert es wirklich!

Immerdoch, also.. Ja, ich hatte wenig Zeit wegen der Schule (Prüfungen, Arbeiten, usw). Ich versuche gerade an ''zeig keine Angst'' weiterzuschreiben und vielleicht das Ende von Eine unerwartete zu ändern, weil mir das nicht so gefällt. Ich habe auch einer meiner Lehrern diese Geschichte gezeigt und ja.. da kamen gute Sachen bei raus! :) Also, ich versuche weiter zu schreiben, ist nur ein wenig schwer gerade, wegen dem Stress und der Schreibblockkade. Aber bei dir scheint es ja auch gut zu gehen grad, richtig? :)
Liebe Grüße, Monique :)
Vor langer Zeit - Antworten
Luciana Re: Immer.. -
Zitat: (Original von Teykna am 31.05.2013 - 17:40 Uhr) .. diese Vorurteile! Leider haben soo viele Menschen Vorurteile. ob es wegen der Klamotten, der Religion oder deren Aussehen geht..! Ich stimme Darkjuls zu; Gut auf den Punkt gebracht.

Liebe Grüße, Monique


Ja, da stimme ich dir zu. Das Schlimme ist, finde ich, dass das Fernsehen das alles noch schlimmer macht. Ich habe erst neulich wieder lernen dürfen, dass alle Menschen, die schwarz tragen, Satanisten sind und nachts auf Friedhöfen Gräber anzünden. Und weils im Fernsehen kommt ist es auch die Wahrheit. Ja ja.

Danke fürs Lesen und den Kommentar. Wie laufen deine Schreibprojekte eigentlich zur Zeit? =)
Liebe Grüße von Lucy
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Luciana Re: -
Zitat: (Original von Darkjuls am 06.05.2013 - 15:49 Uhr)
Hallo Luciana, das sprichst Du die Wahrheit offen an. Der Typ ist ja voll von Vorurteilen. Leider denken doch noch Menschen wie er.

Sehr gut und auf den Punkt gebracht.

LG Marina


Mit Vorurteilen fängt es an und gipfelt in sinnloser Gewalt. Es ist schon irgendwie tragisch, dass manche nicht über alte Rollenbilder hinaus denken können.

Dankeschön =)
Liebe Grüße von Lucy
Vor langer Zeit - Antworten
Luciana Re: Klasse. -
Zitat: (Original von Brubeckfan am 06.05.2013 - 12:43 Uhr) Beim Totschläger mußte ich schon grinsen.
Ich hätte dem Herrn ja eine abschließende nette Retourkutsche gegönnt, aber solche Leute haben vielleicht immer Schwein.

Schön, Dich mal wieder zu sehen.
Viele Grüße,
Gerd


Ich hab so ne ähnliche Szene schon mal im Bus erlebt, da fand ich das eher weniger witzig. Als der gute Mann die Waffe oder was auch immer er vermutet hat als Taschenlampe enttarnt hat, hat der den armen Kerl trotzdem noch dermaßen zur Sau gemacht... Leute gibts die gibts gar nich. Aber die kommen da leider gut mit durchs Leben.

Danke, Schule und Führerschein nehmen einen doch ziemlich in Anspruch =)

Liebe Grüße von Lucy
Vor langer Zeit - Antworten
Luciana Re: Absolut ... -
Zitat: (Original von kraemerk am 06.05.2013 - 09:08 Uhr) ... wahrheitsgetreu. So ist es oft. Du hast vielen in ihr Hirn geschaut, perfekt.

Katharina


Viel zu oft, leider. Dankeschön =)
Liebe Grüße von Lucy
Vor langer Zeit - Antworten
Luciana Re: Solchen Leuten begegne ich auch häufig;) -
Zitat: (Original von Tintoletto am 06.05.2013 - 06:47 Uhr) und die fühlen sich tatsächlich noch im Recht.
PD: Seite 2: sau(b)er verdient;)
L.G. Tintoletto


Schrecklich, oder? Ich würde mir total blöd vorkommen =D
Ne ne, dass soll schon sauer heißen, im Sinne von "hart" verdient. Aber sauber würde auch gut passen...wenn der Typ selbst auch nich so ganz sauber ist.
Danke fürs Lesen und deinen Kommentar.
Liebe Grüße von Lucy
Vor langer Zeit - Antworten
Luciana Re: -
Zitat: (Original von Crawley am 06.05.2013 - 00:44 Uhr) Tja, im Sumpf der Vorurteile versinkt man ebenso leicht wie tief.
Es ist dir gelungen, die Motive des "Protagonisten" überzeugend und lebensecht darzustellen. Ich fürchte, mich dabei ertappt zu haben, seine anfänglichen Gedanken in der Straßenbahn auch schon mal gehegt zu haben.
Die hyperbolischen Reaktionen verdeutlichen hingegen, wie falsch bzw. gefährlich allein die dahinterstehenden Gedankengänge sein können.

Hat mir sehr gut gefallen.

LG
Crawley


Hallo Crawley,
ich selbst bin sicherlich auch nicht vorurteilsfrei, das muss ich mit schlechtem Gewissen zugeben. Aber ich musste Zeuge einer Situation im Bus werden, die der am Anfang beschriebenen erschreckend ähnlich war. Es gibt schon unheimliche Leute....
Vielen Dank für das Lesen und den Kommentar, und das Lob natürlich =)
Liebe Grüße von Lucy
Vor langer Zeit - Antworten
Teykna Immer.. - .. diese Vorurteile! Leider haben soo viele Menschen Vorurteile. ob es wegen der Klamotten, der Religion oder deren Aussehen geht..! Ich stimme Darkjuls zu; Gut auf den Punkt gebracht.

Liebe Grüße, Monique
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