Einleitung
Silvester entsetzte Augen von Miss Pelled zum
Dear Diary-Januar-Wettbewerb 2013
Es ist die Geschichte von Charlotte die ihr erstes Silvesterfest erlebt.
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Nach dem Charlotte die Weihnachtsfeier auf der Wache in Gera einigermaßen überstanden hatte, gingen alle wieder ihrem normalen Dienst nach. Es kehrte wieder etwas Ruhe ein. Allerdings hatte sich auch einiges auf der Wache geändert.
Charlotte sah ihre neuen Kollegen, mit völlig anderen Augen. Während der Feier wurde sie immer wieder gefragt, ob sie denn wirklich nie Weihnachten gefeiert hätte. Die Kollegen waren entsetzt und konnten es einfach nicht fassen. Viele von ihnen hatten selber schon Kinder und stellten sich vor, dass ihre Kinder Weihnachten nicht kennen würden. Es
war für sie unvorstellbar.
Charlotte dagegen, sah an deren Augen, dass diese es wirklich nicht glauben und verstehen konnten. Sie bekam so viele Reaktionen von den Kollegen, die deren Unglaube zum Ausdruck brachte. Immer wieder erzählten die Kollegen ihr, wie sie mit ihren Familien das
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Weihnachtsfest verbrachten und sie sahen immer wieder das Erstaunen in Charlottes Augen. Ihnen verging das Lachen und alle bekamen das Gefühl, dem Mädchen oft Unrecht getan zu haben.
Seit der Feier allerdings, hatte Charlotte nicht mehr ständig das Gefühl ausgelacht zu werden. Auch wenn die Kollegen immer wieder einmal in schallendes Gelächter ausbrachen, weil Charlotte irgendeinen Satz völlig verdreht aussprach, hatte sie begriffen, dass diese Lachen ein anderes war, als das von ihren Betreuern in der Schule oder der Lehrer.
Das Verhalten ihrer Kollegen ihr gegenüber hatte sich völlig verändert. Einige der Kollegen kamen auf sie zu und erklärten ihr vieles. Halfen ihr dabei ihre Sprachprobleme in den Griff zu bekommen, die sich immer wieder einmal auftraten. Charlotte konnte sich mit ihnen auf einmal, fast genauso gut unterhalten wie mit Siggi.
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Immer wieder hatte Charlotte das Gefühl, in einem Traum zu sein. Einen schönen zwar, jedoch in einem Traum. Denn seit dieser Feier, hatte sie niemand mehr versprottet oder gehänselt. Vor allem, wenn sie Worte falsch aussprach oder aber einen Begriff den die Kollegen verwandten, nicht verstanden. Lange überlegte sie hin und her, ob sie vielleicht die ganze Zeit falsch von ihren Kollegen gedacht hatte und kam zu dem Entschluss, dass sie ihnen noch eine Chance geben wollte.
Rudi, der mit Freude feststellen konnte, dass die Spannungen der letzten Wochen langsam am verschwinden waren, atmete erleichtert durch. Vor allem, dass seine „alten Hasen“ endlich begriffen hatten, dass die neue Kollegin wesentlich mehr Hilfe brauchte, als sie bis jetzt von ihnen bekam, um sich an das Leben hier und in der Wache zu gewöhnen. Er registrierte aber auch, dass Charlotte sich geändert hatte. Dass sie offener wurde und ihren Kollegen, so
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eine Chance gab auf sie zuzugehen. Endlich dachte er, fing sie an sich einzuleben.
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Die sieben Tage bis zur Silvesterfeier gingen schnell vorbei. Es gab einige kleine Einsätze, aber nichts Dramatisches. Dadurch, war die Stimmung am Silvestermorgen, mehr als nur entspannt.
Wie jedes Jahr, wurde auch zum Jahreswechsel 1975 zu 1976, auf der Wache eine kleine Feier vorbereitet. Da es nicht möglich war, zu Hause mit den Familien zu feiern, feierte man halt mit seinen Freunden auf der Wache. Auch, wenn es bei dieser Feier keinen Alkohol und keine wirkliche Party gab, saß man mit Freunden zusammen und würde auch einige Raketen abschießen, um das neue Jahr zu begrüßen. So fern ab von der Familie, wollte man wenigstens etwas Spaß mit ins neue Jahr nehmen.
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Charlotte wie auch allen anderen Kollegen halfen dem Koch, bei der Vorbereitung des Abendbrotes und deckten den Tisch. Man hatte sich darauf geeinigt, dass es Schnitzel, Bouletten und Bratkartoffeln geben sollte. Tino der Koch der Truppe, bekam bei einem Gespräch mit Charlotte heraus, dass diese genau dieses Essen liebte. Ihre Großmutter hätte dies immer für sie gekocht, da sie dies in der Schule nie bekam.
Der Weihnachtsbaum stand in diesem Jahr sogar noch im Bereitschaftsraum, weil man Charlotte schon einige Male dabei beobachtet hatte, wie sie einfach nur davor stand und ihn mit schiefgehaltenem Kopf betrachtete. Immer wieder, fast zärtlich, mit den Fingern über die Kugeln und Schleifen strich. Keiner der Kollegen brachte es übers Herz, ihn jetzt schon abzuschmücken und zu entsorgen. Zu gut waren ihnen dieser Blick Charlottes und das Leuchten ihres Gesichtes am
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Weihnachtsabend in Erinnerung. Diese kleinen Freunde, wollten sie dem Mädchen noch eine Weile gönnen.
Am frühen Morgen beim Frühstück, gab es wieder einmal eine Situation, in der ihnen klar wurde, dass diese junge Kollegen, viele Dinge die für sie normal waren, überhaupt nicht kannte. Als Rudi fragte, was man am Abend, falls er ruhig sein sollte, machen wollte.
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„Sagt mal Jungs“, fing Rudi ein Gespräch an. „Was machen wir heute Abend? Habt ihr für heute schon etwas vorbereitet oder was wollen wir machen. Irgendwie ist mir das dieses Jahr durch die Finger gerutscht.“
Denn eigentlich planten sie diese Tage immer schon Wochen vorher. Der Stress den es in der letzten Zeit hier auf der Wache durch Charlotte gab, ließ dies nicht zu.
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Siggi, wie immer einer der ersten der sich bei solchen Themen äußerte meinte. „Wir quatschen einfach etwas. Das haben wir lange nicht gemacht.“ Dann schielte er ein wenig zu der neuen Kollegin hinüber. „Charlotte, vielleicht kannst du uns ein wenig über deine Schule erzählen. Ich glaube das würde die Jungs hier alle interessieren. Du scheinst ja ganz anders als wir gelebt zu haben. Vielleicht hilft uns das ein wenig besser klar zu kommen. Miteinander.“
Wie immer, wenn man das Wort direkt an die Kollegin richtete, wollte sie sofort aufstehen. Tino der Koch hielt sie an der Schulter fest und schüttelte den Kopf. Deshalb blieb Charlotte sitzen und nickte leicht mit dem Kopf.
So oft wusste sie nicht, was sie auf solche Fragen antworten sollte, deshalb schwieg sie lieber. Dann schielte sie hoch zu dem Koch und stellte die Frage, die ihr heute schon den ganzen Tag durch den Kopf ging, ganz leise
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und kaum hörbar.
„Tino kommt heute Abend, wieder der Genosse Weihnachtsmann.“
Obwohl sich die Männer vorgenommen hatten über Charlottes Fragen nicht mehr zu lachen, prustete Tino lauthals los und konnte sich nicht mehr beruhigen. Die Kollegen schauten ihren Koch böse an und konnten nicht begreifen, dass dieser so lachte. Man hatte gesehen, dass Charlotte etwas gesagt hatte, aber es nicht verstanden, da diese die Frage viel zu leise stellte.
Tino versuchte sich ja zu beruhigen, allerdings brauchte er mehrere Minuten dazu. Als er es endlich geschafft hatte, zog er Charlotte einfach in seine Arme, obwohl sie sich dagegen sträubte. „Charlotte ich habe dich nicht ausgelacht, es klang nur so niedlich. Komm verzeih mir. Nein der Weihnachtsmann kommt erst nächstes Jahr wieder. Der kommt nur am
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24. Dezember. Kleines heute ist Silvester. Dass kennst du doch.“ Ernst sah er die Kleine an.
Charlotte schüttelte den Kopf, ganz leise nur für ihn hörbar erklärte sie. „Wir hatten sowas nicht.“ Verschämt sah sie nach unten, auf ihre Hände.
Verzweifelt suchte Tino den Blick von Rudi, weil er nicht wusste wie er es ihr erklären sollte.
„Charlotte, Silvester vertreibt man das alte Jahr und begrüßt das neue Jahr. Normalerweise, feiert man dies mit vielen Freunden im Kreise der Familie. Also mit den Eltern, den Freunden, seinen Kindern und deren Freunde. Aber da wir auf der Wache sind, dieses Jahr, feiern wir halt hier. Lass es einfach auf dich zukommen. Es wird dir genauso gefallen wie das Weihnachtsfest. Dass hat dir auch gefallen“, erklärte er ihr.
Charlotte nickte und schielte hoch zu Tino. Der
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beugte sich hinunter zu seiner Kollegin. „Bist du noch böse mit mir“, erkundigte er sich vorsichtig.
Charlotte schüttelte den Kopf also ging man wieder dazu über die Feier ein wenig vorzubereiten. Charlotte wurde diesmal mit einbezogen und half so gut sie konnte, beim Ausschmücken des Raumes. Es wurden Girlanden auf gehangen und Papierschlangen verteilt. Die Kollegen gaben sich große Mühe den Raum schön zu gestalten. Das Strahlen in Charlottes Augen zeigte ihnen, dass ihre Kollegin so etwas noch nie gesehen hatte.
Es war bereits kurz nach 22 Uhr, als Tino endlich das Essen auf den Tisch brachte und sich alle setzten. Es schmeckte wie immer hervorragend und Charlotte war am strahlen. Immer wieder sah sie sich in dem Raum um und sah die Kollegen glücklich an. Man erzählte kleine Geschichten über vergangene Silvesterfeiern. Bei vielen dieser kleinen
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Geschichten, die von Missgeschicken handelten, musste sogar Charlotte lachen. Etwas, dass den Kollegen große Freude machte, denn bis zu der Weihnachtsfeier hatten sie Charlotte nie lachen gesehen. Stets war die junge Kollegin ernst und zurückhaltend. Sie jetzt so offen zu sehen, erfüllte die Kollegen mit Freude.
Kurz vor Mitternacht, schaltete Rudi den Fernseher ein, damit man die letzten Sekunden mitzählen konnte. Jeder bekam ein Glas Sekt zum Anstoßen und man zählte die Sekunden mit.
Punkt 0 Uhr erscholl ein gemeinsames „Prosit Neujahr“ und alle stießen miteinander an. Auch Charlotte nippte an dem Sekt und schüttelte sich. Da sie bis zu dem Tag nie Alkohol getrunken hatte und gar nicht wusste, wie Sekt schmeckt. Schnell stellte sie das Glas hin und nahm sich ihre Kaffeetasse und trank lieber Kaffee. Verloren stand sie zwischen den
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Kollegen die sich in den Armen hielten und sich gegen seitig ein gesundes neues Jahr wünschten. Als es auf einmal vor der Wache knallte.
Erschrocken schnellte Charlotte herum und rannte zum Fenster. Sah in der Ferne das rote Leuchten einer Silvesterrakete und schrie an Rudi gerichtet.
„Rudi, dort wird geschossen. Einsatz für alle, dort hinten ist einer in Not!“
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Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass die Lacher nicht auf Charlottes Seite waren. Denn diese stand mit Entsetzen in den Augen und einem Verständnislosen Blick am Fenster und verstand die Welt nicht mehr.
Soweit hatten ihre Kollegen nicht gedacht. Rudi zog sein Sorgenkind in die Arme, die völlig steif
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war und verständnislos zu ihrem Vorgesetzten und späteren Ziehvater hoch sah. Er versuchte das völlig durcheinander gerade Mädchen zu beruhigen.
„Charlotte, es ist nichts passiert, beruhige dich Kleines. Die treiben nur das alte Jahr weg. Keinem ist etwas passiert.“
„Aber die Signalra …“, versuchte Charlotte zu erklären und zeigte aus dem Fenster, stellte mit Entsetzen in den Augen fest, dass immer mehr Raketen abgeschossen wurden.
„Charlie, dass sind Feuerwerkskörper. Keine Angst da ist nirgends etwas passiert.“ Rudi wandte sich an seine Jungs.
„Jungs kommt, lasst uns auch etwas knallen, damit Charlie versteht, was hier los ist. Verdammt, soweit habe ich nicht gedacht. Wer soll denn mit sowas rechnen?“
Daraufhin, gingen alle vor die Wache und
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zündeten ihre Raketen. Das Entsetzen in Charlottes Augen, blieb noch eine ganze Weile bestehen. Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis sich Charlotte entspannte und verstand, dass dies wirklich keine Signalraketen waren. Sondern einfach Raketen sind, die nur die Freude über das neue Jahr zum Ausdruck bringen sollte. Lange wurde geknallte, auch Charlotte bekam einige Wunderkerzen die sie mit fassungslosen Gesicht ansah. Zum Schluss stand sie völlig fasziniert an Rudi gelehnt der einen Arm um sie gelegt hatte und sah sich dies alles an.
„Es ist so schön“, gestand sie ihm nach einer Weile. „Aber ich habe mich vorhin so erschrocken.“
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 Das Erlebte bei dieser ersten Silvesterfeier Charlottes, wird diese nicht vergessen. Auch deshalb nicht, weil bei jeder Silvesterfeier,
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immer wieder diese ihre Reaktion auf die erste Rakete am Himmel erzählt wurde.
Allerdings hat sie bis zum heutigen Tag nie begriffen, warum Menschen so etwas machen. Aber mittlerweile gewöhnte sie sich daran. Mögen tut sie diese Knallerei immer noch nicht. Aber es liegt ja bekanntlich im Auge des Betrachters, was man mögen muss und was nicht.
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Euch allen ein gesundes Jahr 2013 …
vor allem Gesundheit.
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