Das ist der zweite Teil meiner Geschichte um Jasmin, ihre Familie und ihre ganz große Liebe...
Alexander rannte die gerade Straße entlang, immer gerade aus. Die kahle Straße bot nicht gerade die Traumlandschaft, die man sich manchmal wünschte. Dieses Leben hatte auch nicht wirklich was zu bitten.
Noch immer wütend schnaufend kam er irgendwann an das Ortsschild, jenes meinte er sei in diesem Moment dabei, dieses Kaff zu verlassen. Unter dem Namen des Ortes stand das Motto der Leute hier- „ Wenn du am Boden liegst steh auf und kämpf weiter!“
Alexander konnte es kaum fassen, noch nie zuvor hatte er begriffen, was dieser dämliche Satz aussagen sollte. Doch jetzt war es ihm binnen wenigen Sekunden sofort bewusst geworden. Er würde darauf achten, genau diesen Grundsatz der Menschen hier nicht zu verletzen. Er würde kämpfen, und als allererstes um das Leben seiner Schwester und den Zusammenhalt der Familie.
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Inzwischen war er daheim, hatte die schönsten und gemütlichsten Sachen aus dem Kleiderschrank seiner kleinen Schwester geholt. Ihre momentane Lieblingsfarbe war rot, das merkte man, da so ziemlich jedes Kleidungsstück ins rosa- violett ging. Welch ein Wahnsinn! Bei der Farbe dachte Alexander nur eins, rot wie die Liebe. Doch diesen Gedanken würde er für die Zukunft abstellen müssen, ansonsten könnte er sein privates Glück nicht finden.
Die Tasche gepackt, die Türe abgesperrt, und das Licht ausgemacht. Jetzt ging er immer geradeaus, bis die vielen Kurven begannen. Alexander hörte Musik, ein Lied, dass er schon seit längerem nicht mehr gehört hatte. Es war von Bushido, und handelte davon, was ihm wichtig war und wie er sich fühlte. „ Für immer jung“- dieser Satz gab ihm neue Kraft, die er nun auch brauchen würde. Â
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Endlich wieder im Krankenhaus erwartete ihn schon die nächste schreckliche Nachricht: Sie war ins Koma gefallen! Jasmin lag im Koma! Warum musste genau ihm das alles passieren? Als Alexander die Nachricht hörte sank er zusammen, langsam sank er in sich zusammen. Plötzlich konnte er nicht mehr anders, ihm ran eine salzig-süße Träne nach der anderen die Wangen herunter.
Er weinte nie, doch wie er jetzt so am Boden in sich zusammengeflogen saß, rannen sogar seinem Vater einige vereinzelte Tränen über die Wangen. Er stand auf, zog seinen Sohn zu sich und umarmte diesen, bis Alexander wieder Halbigs vernünftig atmen konnte.
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Stunden vergingen, Stunden das Hoffens, der Verzweiflung und des Bangens. Stunden ohne jede Perspektive. Noch nie zuvor hatte Alexander so lange an einem Krankenbett gesessen wie heute.
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Die Stunden verflogen, die Vögel am Morgen, der Regen am Abend, nichts bekam der Junge mehr mit. Nach Tagen hatte er schon keinen Kontakt mehr mit Freunden, keine Bindung zur Außenwelt. Mittlerweile schlief Alexander Nacht für Nacht in einem alten, ungemütlichem Krankenbett, nur um seiner Geliebten immer nahe zu sein. Um nicht zu verpassen, wenn sie die Augen öffnete würde er noch vieles mehr unternehmen, wenn er nur wüsste was.
Aus den anfänglichen Stunden wurde irgendwann ein Monat, dann ein zweites.
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Seine Eltern sahen ihn kaum noch, nur mehr wenn sie auch am Krankenbett saßen. Es störte ihn nicht, dass sie ihm immer wieder rieten sich endlich wieder um seine Zukunft zu kümmern. Sich eine Arbeitsstelle zu suchen, das Leben wieder in Angriff zu nehmen. So wie es im Moment lief, konnte es unmöglich eine Zukunft geben. Er ließ sich einfach nichts mehr sagen, er machte sich keine Gedanken mehr über sich selbst. Jede Stunde saß er an Jasmins Bett und las ihr aus Büchern vor, erzählte ihr Geschichten, lies sie an seinem Essen, Kaffe und an seinem Parfum riechen. Er teilte sein ganzes Leben mit ihr, zeigte ihr alles und überwand mit ihr alle schlechten Neuigkeiten.
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Der Herbst war nun ins Land gezogen, Monate vergangen und Alexanders Leben hatte sich seit jenem schicksalhaften Tag nicht mehr verändert.
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 Nun war es so weit, seine kleine Schwester hatte heute Geburtstag, ihr 17 war es. Sollte er diesen feiern? Es war so weit, er stellte ein Stück Torte auf den Nebentisch und wünschte ihr das Beste. Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor es an der Türe klopfte. Die Eltern streckten ihren Kopf um die Ecke und dann kamen sie lächelnd herein, sie hatten die ganze Familie im Gepäck, sogar Jasmins Freunde hatten sie eingeladen.
 Die kleine Feier zugunsten von Jasmin war wunderschon, aber auch der Abschluss einer Entscheidung. Ab heute wollte Alexander wieder nachhause umziehen, sich Arbeit suchen und das Beste aus der Situation machen.
Vielleicht könnte er irgendwann wieder normal leben, doch aufgeben würde er seine Schwester nie. So viel stand fest.
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Alle waren wieder gegangen, als Vanessa als letzte in Jasmins Zimmer stand. Sie hatte ihre Tasche schon im Arm und wollte gehen, doch der Anblick ihrer Schwester brach auch ihr das Herz. Sie hatte sich nie etwas anmerken lassen, doch nun war es zu viel. Sie schmiss ihre Tasche wütend in eine Ecke des Raumes und brach in Tränen aus. Sie sank nieder auf den Boden und ihr gingen unendlich viele Bilder durch den Kopf. Jeder Streit, jede Stichelei kam ihr jetzt unnötig, klein und banal vor. Sie liebte ihre große Schwester von ganzem Herzen, deshalb tat es auch umso mehr weh sie hier so hilflos liegen zu sehen. Sie stand auf, stellte an ihr Bett und tat was sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr getan hatte.
Sie bettete für Jasmin.