Die ersten paar Kapitel des ersten Buches aus meiner 'Ginwood'-Reihe. Damit es übersichtlicher wird. Viel Spaß beim Lesen. Das Foto ist übrigens von mir.
Prolog __________________________________02
1. Mitten im Wald _________________________07
2. Der wahre Weg zur Frau __________________19
3. Bewerber über Bewerber _________________33
4. Lasst die Spiele beginnen__________________35
Marja sah sich verzweifelt um, alle Bäume sahen gleich aus und sie hatte keine Ahnung wie sie nach Hause finden sollte, geschweige denn, welche Richtung sie einschlagen musste.
Da sie noch sehr jung und es außerhalb ihres Reviers sehr gefährlich war, durfte die junge Saknma ihren Stamm eigentlich noch gar nicht verlassen, doch sie hatte heute mit den anderen Jungwölfen gespielt und war vor ihnen davongerannt um sich zu verstecken und jetzt hatte sie sich verirrt.
Immer wieder drehte Marja sich verzweifelt in alle Richtungen, doch es half nichts, sie hatte keinen blassen Schimmer wo sie war.
„Mama..“, wimmernd legte sich das kleine Mädchen auf den Waldboden und wartete. Sie hätte sich besser orientieren können, wenn sie in ihrer Wolfgestalt gewesen wäre, doch sie war zu erschöpft um sich zu verwandeln. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als hier liegen zu bleiben und zu hoffen, dass ihre Mutter oder jemand anderer ihres Stammes sie finden würde.
Um sich abzulenken, sah sie sich ihre Umgebung etwas genauer an. Marja befand sich auf einer kleinen Lichtung, auf welche die späte Abendsonne schien. Rings herum wuchs tief grünes Moos und einige wunderschöne bunte Blumen. Sie strahlten dem Mädchen in kräftigen Blau- und Gelbtönen entgegen, als wollten sie ihr sagen, dass sie sich keine Sorgen machen solle. Am einen Ende der Lichtung, dass weiter von ihr entfernt war, wuchsen knorrige Eichen, die aussahen als hätten sie tausend Finger und Gesichter. Wenn sie zu Hause war, liebte Marja es den Bäumen Namen zu geben und ihre Gesichter zu suchen, doch jetzt da sie alleine war, wirkten die großen Bäume eher bedrohlich.
Gerade als sie die andere Seite der Lichtung betrachten wollte, hörte sie plötzlich Schritte auf dem mit Blätter bedeckten Waldboden. Es waren samtige und leise Schritte, wie sie nur von den Pfoten eines Wolfes stammen konnten und Marja lauschte auf.
Als sie die Stimmen hörte, welche zu ihrer Rechten ertönten, erschrak das Mädchen. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie sich in feindlichen Revieren befand.
„Ja ich komm gleich Mutter, bitte.“, es war die Stimme eines Jungen, sie konnte nicht sagen wie alt er war, doch er klang etwas genervt.
„Beeil dich.“, die Stimme einer älteren Frau ertönte, dann waren hastige Schritte zu hören, die sich aber schnell entfernten und Marja stellte erleichtert fest, dass die Wölfin wohl verschwunden war.
Kaum als sie sich wieder hingesetzt hatte, raschelte das Blätterwerk vor ihr und im nächsten Augenblick stand ein junger schwarzer Wolf vor ihr. Marja sprang erschrocken auf die Beine, und beäugte ihn misstrauisch, aber er setzte sich einfach verdutzt vor sie hin und wackelte mit den Ohren.
Hätte sie ihn nicht vorher sprechen gehört, sie wäre der festen Überzeugung gewesen, dass es sich um einen stinknormalen Wolf handle. Als sie ihm dann aber in die Augen sah, wusste sie, wie falsch sie wirklich lag. Er schaute sie aus großen intelligenten und tiefschwarzen Augen an. Sie leuchteten wie kleine Diamanten in der Dunkelheit. Wie erstarrt saß sie da und starrte ihm gebannt in die Augen.
Marja wollte gerade den Mund aufmachen um etwas zu sagen, da ertönte hinter ihr eine bekannte Stimme: „Marja!! Wo bist du?!“, Morims raue Stimme hallte durch den gesamten Wald. Sie hörte hinter sich die fliegenden Schritte des Wolfes und wandte sich um. Kaum eine Sekunde später kam das graue Wesen zwischen den Bäumen hervor und bremste erleichtert als er sie sah. Morim verwandelte sich in den jungen Krieger, als der er meistens herum rannte und sah sie vorwurfsvoll an.
„Wo warst du?“, er versuchte seine Stimme streng klingen zu lassen, doch es gelang ihm nicht.
„Ich, ich habe mich verlaufen.“
„Na dann komm, deine Mutter macht sich schon Sorgen.“, Morim nahm ihre Hand und führte sie zum Rand der Lichtung.
Marja wollte sich noch ein letztes Mal nach dem faszinierenden Wolf umsehen, doch als sie sich umdrehte, fehlte jede Spur von ihm. Eigenartig, sie hörte doch sonst jedes Geräusch, doch ihn hatte sie nicht verschwinden hören.
Morim nahm ihre Hand, zog sie auf seinen Rücken und rannte nach Hause.
„Marja! Beeil dich, sonst kommen wir noch zu spät!“, Minjinks Stimme hallte hoch zu ihr.
„Ich bin gleich da!“, genervt drehte sich die Tochter der Anführerin wieder zu dem Tisch, der in der einen Ecke ihres riesigen Raumes stand und betrachtete ihr Spiegelbild in der Wasserschüssel die darauf stand. Sie sah eine junge Frau mit weißen Locken, die ihr bis an die Hüften reichten. Ein paar einzelne Strähnen fielen ihr sanft ins Gesicht und umrahmten so ihre Augen. Diese leuchteten verführerisch schwarz aus ihrem sonst so schmalen Gesicht und betonten die dunklen Lippen, doch Marja fand sich trotzdem nicht hübsch. Bald würde es soweit sein, sie musste sich einen Mann suchen, welcher ihr Kinder schenken würde, doch die Kirimwölfin vom Stamm der Saknma war alles andere als bereit dazu.
Zwar behaupteten die anderen Wölfe im Dorf, besonders ihre Freundinnen, sie hätte die schönsten Augen, welche jemals eine Kirimwölfin besessen hätte und dadurch hätte sie sowieso kein Problem einen jungen Wolf zu finden (mal von ihrem Stand abgesehen), doch Marja wollte nicht irgendeinen Wolf. Sie wollte diesen Wolf. Keiner der anderen hatte die Augen des schwarzen Wolfes gesehen, den sie damals auf der Lichtung gesehen hatte. Sie war sich nicht einmal sicher, ob es nur ein Traum gewesen war, doch sie wollte ihn, nur ihn. Kein anderer war ihrer würdig.
Kopfschüttelnd blickte das Mädchen auf ihr Spiegelbild. Seit wann war sie so eingebildet? Ja, sie hatte sich immer gewünscht ihn wiederzusehen, doch diese Gedanken? Und außerdem...bis zum heutigen Tag war sie ihm nie wieder begegnet. Und das, obwohl sie damals noch ein kleines Mädchen gewesen war. Und heute? Heute würde sie den Weg einer Frau antreten.
Verträumt sah Marja noch eine Weile in das klare Wasser. Sie dachte an die paar Augenblicke, in denen sie ihn gesehen hatte. Womöglich war es doch nur ein schöner Traum gewesen, doch es war der schönste, den sie jemals hatte
„Marja!“
Erschrocken fuhr sie herum, als ihr Cousin durch den Vorhang, den sie vor ihr Zimmer gehängt hatte, lugte und sie angrinste. Keine Sekunde später bleckte sie auch schon die Zähne.
„Beeil dich!“, er verdrehte angesichts ihrer Reaktion nur genervt die Augen. Es brauchte keine zwei Schritte, dass er die Entfernung zu dem Tisch, neben welchem sie stand, hinter sich brachte. Etwas ungeduldig packte der breitschultrige Junge ihren Arm und zog sie Richtung Tür.
„Minjink! Lass das!“, Marja riss sich los und sah ihn wütend an. Der verträumte Blick war einem gefährlichen Blitzen gewichen, dass ihren Cousin einen Schritt zurück stolpern ließ.
„Ich komm ja schon, Mister-ich-weiß-nicht-was-warten-heißt!“, fauchte sie und raffte ihr crémefarbenes Kleid. Sie knurrte auf und stolzierte an ihm vorbei nach draußen, die nackten Füße traten dabei sicher über den dornigen Waldboden.
„Wir kommen zu spät, also beeil dich...“, seufzte Minjink. Er ging nun einen Schritt hinter ihr, anfassen tat er sie aber nicht mehr. Der Junge wusste, dass es gefährlich war, sich mit seiner Cousine anzulegen. Vor allem, wenn sie – wie jetzt – gereizt und gestresst war.
Nach einer halben Stunde hatten die beiden die kunstvoll geschmückte Höhle im inneren des GinWood trotz allem noch rechtzeitig erreicht und betraten mit dem letzten Sonnenstrahl – so wie es auch mit der Alphawölfin vereinbart worden war – den weiten Raum dahinter. Die Höhle war mit Blumen und Ästen reich geschmückt worden, außerdem waren an den Wänden einige Silvranblüten mit ihren ewigen Lichtern aufgehängt worden. Das warme Licht ließ den Raum, der nach hinten hin eine kleine Erhöhung hatte, mindestens dreimal so groß wie sonst erscheinen.
Alle Augen richteten sich auf die beiden. Sie verfolgten sie neugierig, als Marja mit Minjink zum anderen Ende des Raumes schritt. Hinter ihnen reiten sich ein paar der anderen Wölfe ein – allesamt Krieger und Wachen. Die Hälfte von ihnen ging in ihrer Wolfsgestalt, zwar als kleine Wölfe, aber dennoch mit wachsamen Blick, der Rest in der menschlichen Gestalt. Als Marja das Podium betrat, welches am anderen Ende des Raumes stand, breitete sich Stille unter den Wölfen aus. Ihre Mutter hatte alle Rudel und Stämme rufen lassen, seit sie ihren Platz als die rechtmäßige Herrin aller Kirimwölfe endgültig eingefordert hatte, herrschte Frieden, wenn er auch gespannt war.
Ein junger Fürst neben ihr hob seine Hand, da begann weiter hinten eine Gruppe von jungen Wölfen zu musizieren – und eine Reihe von tanzenden Wölfen erschien in der Mitte der Höhle. Somit war das Fest zu Ehren Marjas eröffnet. Kurz hielt diese noch den Arm ihres Cousins, dann löste sie sich aber von ihm und grinste schief.
„Ich denke, ab hier kann ich mich alleine zurechtfinden. Wir sehen uns zu Mitternacht, wenn Mutter ihre Rede bekanntgibt“, meinte sie, dann war die junge Wölfin auch schon unter die Leute gegangen. Die Saknmas erkannten die Tochter ihrer Herrin zwar – und erwiesen ihr auch den nötigen Respekt, doch der Großteil der Gäste war von anderen Rudeln, so wusste so gut wie niemand um Marjas Stand und sie konnte sich getrost durch die Menge schieben. Schnellen Schrittes ging sie zu dem großen Buffet, welches in einer Nachbarhöhle aufgestellt worden war. Die Steinplatten waren mit köstlichen Früchten und dem ein oder anderem Happen frischen rohen Fleisches gefüllt worden. Nachdem sie ihren Hunger etwas gestillt hatte, drehte sich Marja um.
Eigentlich wollte sie ihre beste Freundin Santja suchen, sie musste sich irgendwo hier zwischen den feiernden Gästen befinden, immerhin hatte sie ihrer Herrin versprochen heute hier her zu kommen. Marja brauchte jemanden, der normal mit ihr redete – und nicht ihr Cousin oder ihre Mutter war. Doch als sich die junge Wölfin umdrehte um sich wieder durch die Menge zu schieben, rannte sie geradewegs in einen jungen Krieger hinein. Mit einem erschrockenen Schrei fiel das Mädchen auf den Boden. Sie verzog das Gesicht, da sie relativ unsanft am Hintern gelandet war. Beinahe hätte sie geknurrt, doch sie unterdrückte den Drang gerade noch. Stattdessen funkelte sie den Krieger wütend an. Ihre Augen blitzten bereits gefährlich.
„Pass doch-“, Marja stockte der Atem, als sie den Jungen nun erst richtig ansah. Er war definitiv aus dem Rudel der Moren, ihrem bis vor ein paar Jahren größten Feind. Seine dunklere Haut sowie die scharfen Gesichtszüge zeugten deutlich davon. Außerdem trug der das Zeichen seines Stammes neben dem ihrer aller Alphawölfin um den Hals. Gut, es war ja auch ein Fest für alle Stämme, selbst die Moren waren eingeladen worden, damit sie sehen konnten, wer in Zukunft den Thron besteigen würden, dennoch, der Junge kam ihr merklich vertraut vor – auch wenn sie ihn noch nie gesehen hatte – außerdem machte er ihr Angst.
Der Krieger selbst war nicht umgefallen, auch er sah sie kurz wütend an, doch bevor sie es richtig realisieren konnte, war der Ausdruck aus seinen Augen bereits verschwunden. Nun stand der junge Wolf vor ihr, ein freches Grinsen hatte sich in seine Züge geschlichen, als er das Mädchen vor sich musterte. Er machte nicht die Anstalten ihr aufzuhelfen, geschweige denn sich zu entschuldigen.
Wut stieg in Marja hoch. Was erlaubte sich dieser kleine Bastard eigentlich?! Sie, die Tochter der Alphawölfin – nicht irgendeiner Alphawölfin, nein der Herrin der gesamten Kirimwölfe – wie konnte er es wagen, sie Marja, die rechtmäßige Thronfolgern, so frech anzugrinsen. Sie dachte keine Sekunde daran, dass er vielleicht nicht wusste, wer sie war. Stattdessen bleckte sie ihre Zähne. Was fiel diesem eingebildeten Schnösel eigentlich ein, wer glaubte er, dass er war, dass er sie so dumm angrinsen konnte.
Das Grinsen im Gesicht des Kriegers wurde breiter, er machte noch immer keine Antstalten ihr aufzuhelfen. Marjas Knurren schien ihn zu belustigen – und zu faszinieren. Zu ihrem Zorn stellte das Mädchen fest, dass sich neben dem frechen Blitzen in seinen Augen nun auch noch ein Ausdruck, der faszinierter Bewunderung glich, schlich. Angesichts dieser Frechheit in seinen tiefschwarzen Augen, wurde ihr Knurren lauter. Wieso beschlich sie noch immer dieses Gefühl, dass ihr diese Augen vertraut waren?
Noch eine Weile stand der junge Wolf nur still lachend vor ihr, dann veränderte sich etwas in seinen Augen. Er öffnete den Mund, dabei entblößte er eine Reihe schöner spitzer Zähne, wie sie jeder der Wölfe hatte, und sah sie lachend an.
„Tut mir Leid, ich war unachtsam und habe dich nicht gesehen, verehrte Lady“, er machte einen spöttischen Knicks, sah sie aber weiterhin leicht fasziniert an.
Am liebsten wäre sie ihm an die Gurgel gegangen, hätte ihm den Kopf abgerissen, ihm die Zähne und Krallen ins Fleisch gerammt, oder zumindest laut los geschrien. Doch stattdessen rappelte sich Marja hoch, strich ihr Kleid zurecht und sah ihn mit hoch erhobenen Kopf an.
„Schon gut“, meinte sie seltsam ruhig. Der junge Wolf zog kurz verdutzt die Augenbrauen hoch, er schien eine andere Reaktion erwartet zu haben, dann grinste er aber wieder. Diesmal war seine leichte Verbeugung tatsächlich ehrlich gemeint.
„Ich bin Floor, meine Schönheit“, seine Stimme war noch immer leicht spöttisch, doch schon viel sanfter als vorhin. Die letzten Worte überhörte Marja einfach und sah ihn nun ihrerseits fragend an, dann seufzte sie aber.
„Freut mich. Ich bin Marja“, sie hatte keine Ahnung, warum sie sich vorstellte, doch seltsamer Weise hatte sie das Bedürfnis dazu. Der junge Krieger verwirrte sie ziemlich
„Ich hoffe es stört dich nicht, dass ich ein Moren bin“, wieder diese sanfte Stimme, Marja hätte schwören können, dass sie sie kannte.
„Nein...keine Sorge“, flüsterte sie, doch sie war sich nicht sicher, ob sie es ernst meinte. All die Warnungen ihrer Mutter fielen ihr wieder ein. Immer wieder schärfte ihr diese ein, dass sie sich keinem Moren nähern sollte, egal ob Frieden zwischen den beiden Rudeln herrschte oder nicht. Ihrer Mutter zufolge waren sie hinterlistig und gefährlich. Kopfschüttelnd vertrieb sie die Gedanken und sah Floor lächelnd an.
„Ich habe Durst. Sollen wir uns was zu Trinken holen?“, meinte dieser leise. Seine warmen Augen sahen sie fragend an. Zustimmend nickte die junge Wölfin. Der Junge hatte sie völlig in seinen Bann gezogen, nur wusste sie nicht weshalb.
Der Krieger schien dies zu bemerken, denn er schmunzelte wieder etwas, dann schüttelte er aber kurz den Kopf und führte sie zu einem kleinen Brunnen, welcher den Wölfen als Wasserspender diente.
„Hier bitte sehr“, Floor reichte ihr einen kleinen steinernen Kelch mit Wasser. Er sah ihr dabei tief in die Augen, die Belustigung war aus seinem Blick verschwunden, stattdessen sah sie nur noch Bewunderung.
Für einen Moment sah sie sich wieder auf der Lichtung, der schwarze Wolf vor ihr, wie er mit den Ohren wackelte und sie mit diesem Funkeln in seinen wunderschönen tiefschwarzen Augen ansah.
„Möchtest du ein bisschen an die frische Luft mit mir?“, Marja riss sich Gewaltsam in die Gegenwart zurück, doch als sie ihre Umgebung wieder wahrnahm, war Floor verschwunden, einfach weg, wie vom Erdboden verschluckt.
Erschrocken schrie Marja auf, als jemand ihre Hand berührte. Erst jetzt bekam sie mit, dass sie nach wie vor wie verlassen vor dem Brunnen stand, den Kelch in der Hand.
„Marja?“, die Stimme ihres Cousins drang zu ihr durch. Marja drehte sich zu ihm um. Er sah sie besorgt an.
„Was?!“, eigentlich sollte es eine normale Frage sein, dennoch kam sie als wütendes Fauchen über ihre Lippen. Wie jedes mal, wenn sie kurz davor war ihre Beherrschung zu verlieren, wich der Krieger einen Schritt zurück.
„Du warst wie erstarrt. Alles in Ordnung?“, seine Stimme klang dennoch fest. Er hatte sich also wirklich Sorgen um sie gemacht. Kurz überlegte Marja, ob sie es ihm sagen konnte. Sie dachte an die schwarzen Augen und an Floor – konnte es sein, war er der junge Wolf von damals?
Dann aber fielen ihr die Warnungen ihrer Familie vor den Moren wieder ein und so beschloss sie, die Ereignisse lieber für sich zu behalten. Stattdessen schüttelte sie nur den Kopf.
„Tut mir leid. Ich war in Gedanken...“, murmelte sie – ihre Stimme war bereits um vieles ruhiger geworden. Minjink sah noch einen Moment auf seine Cousine, er schien sich eine eigene Geschichte zusammenzureimen, dann nickte er und deutete zur Haupthöhle.
„Komm, wir müssen gehen. Deine Mutter möchte ihre Rede beginnen. In wenigen Augenblicken ist es Mitternacht“, meinte er grinsend. Als sich Marjas Gesicht wieder verfinsterte, nahm der Krieger ihre Hand, er würde sie schon zum Podium bringen, ob sie dies wollte oder nicht.
„Ach komm, lächle mal etwas“, witzelte er noch, dann gingen die beiden los. Marja trat ihm zur Antwort nur gegen das Schienbein, doch zu ihrer Enttäuschung verzog er noch nicht einmal das Gesicht.
Diesmal kamen die beiden jedoch von einer anderen Richtung, sie waren nicht, wie auch all die anderen Gäste durch den großen Eingang vorne in die Höhle getreten, nein, weiter hinten gab es noch einen zweiten Durchgang. Es war ein schmaler Tunnel, der hinter dem Brunnen in den Felsen drang und direkt vor dem Podium in die große Höhle mündete. Dadurch dass er nicht groß war, konnten ihn die Krieger leicht verstecken, wenn er nicht gebraucht wurde, so bemerkte keiner, wie die beiden die Höhle betraten.
„Da bist du ja meine Kleine!“, eine helle Stimme ertönte neben ihnen. Marjas Gesicht verzog sich zu einen leichten Lächeln, als sie zu ihrer Mutter sah, sie neigte leicht den Kopf.
„Mutter.“
Diese nahm ihre Hand, dann schritt sie mit hoch erhobenen Kopf auf das Podium – all die Krieger, welche die beiden begleiteten waren nun in ihrer Wolfsgestalt – zwei von ihnen sogar als die riesigen Wölfe, als diese sie die Wälder durchstreiften. Einer von ihnen, Marja erkannte den braunen Wolf als Morim wieder, zwinkerte ihr leicht zu.
Kaum dass sie neben ihrer Mutter zum Stehen gekommen war, legten sich die beiden großen Wölfe in einem Halbkreis um sie, der Rest saß aufmerksam rund um das Podium. Ein paar Fürsten und Minjink standen noch in ihrer menschlichen Gestalt hinter ihnen. Alles in allem sahen sie so doch sehr Ehrfurcht erregend aus. In der Höhle hatte sich leises Gemurmel erhoben, einige der Wölfe hatten Marja vorhin schon gesichtet, doch dass sie zur Herrscherfamilie gehörte, dass hatte keiner von ihnen bedacht.
Mit einer einzigen Geste der Alphafehe Furial verstummte die Menge jedoch. Sie ließ ihre Hand noch für einen Moment erhoben, dann senkte sie ihn wieder. In gespannter Erwartung sahen nun alle auf sie. Einen Moment wartete Furial noch, dann erhob sie ihre Stimme und füllte damit den ganzen Raum.
„Volk der Kirimwölfe! Lange herrschte Krieg zwischen unseren Rudeln. Das verlassen des eigenen Reviers war tödlich, kam man in feindliche Gebiete, so wurde man zerfleischt. Doch wir sind eins! Wir sind ein Volk, eine Rasse, eine Wesensart, dazu bestimmt auch als ein Bündnis zu leben!“, kurz hielt sie inne und sah sich um. Einige Wölfe hatten grimmig das Gesicht verzogen – hauptsächlich Moren, andere aber jubelten ihr entgegen. Die Zeiten des Krieges waren vorbei, dank ihr. Wieder hob Furial eine Hand – und die Menge schwieg.
„Es hat mich viel Zeit und Anstrengung gekostet, doch nun sind wir an unserem Ziel! Wir sind eines, ein Volk – ja noch immer in Rudel und Stämme geteilt, doch stehen sie in Freundschaft zu einander!“, wieder erhoben sich die einzelnen jubelnden Stimmen junger Wölfe, „aus diesem Grund habe ich dieses Fest veranstaltet! Zu Ehren meiner Tochter, zu Ehren unseres Friedens!“, der Jubel wurde lauter, doch Furial gebot ihm wieder Einhalt.
„Mein Volk, meine Wölfe. Wie ihr wisst, ist meine Tochter nun alt genug, die Pfade einer Frau zu durchwandeln. Sie ist prächtig herangewachsen und ich kann mit Stolz sagen, dass sie eine schöne, wie auch starke junge Wölfin geworden ist! Dennoch...“, nun legte sich Stille über die Menge, was nun wohl kommen würde?
„Dennoch“, begann Furial von neuem „meine Tochter braucht einen Begleiter. Gerne würde ich sie als meine Nachführerin ernennen, doch ohne einen Begleiter kann sie sich nicht dem geforderten Kampf stellen!“, schwoll ihre Stimme nun an. Aller Augen waren auf Furial gerichtet. Gab es bereits einen Auserwählten? Oder hatten die Fürsten und Rudelführer vielleicht doch die Chance ihre Söhne vorzustellen? Furial jedoch ließ ihre Hände sinken, sie selbst schien alles gesagt zu haben, was zu sagen sei.
Keiner der unten versammelten rührte sich, sie warteten alle noch auf einen weiteren Satz. So verstrichen einige Sekunden, ein Minute, zwei Minuten. Auf dem Podium herrschte Stille. Langsam breitete sich wieder Unruhe zwischen den Gästen aus, doch dann trat jemand anderer vor die Menge.
Der Kirimlord Sabul höchstpersönlich. Die Unruhe wich Staunen. Einige traten ein paar Schritte zurück, andere neigten ehrfürchtig ihre Häupter, keiner sprach mehr ein Wort.
„Wie meine Gefährtin dies bereits sagte, wir suchen einen Begleiter für unsere Tochter“, ein Blick von ihm reichte und der aufkeimende Jubel wurde erstickt, „daher richte ich meine Worte nun an jeden Wolf von hohem Stande in diesem Raum. Jeder der denkt, sein Sohn – oder auch er selbst – sei der Prüfung gewachsen, könnte den Kampf bestehen, ist erwünscht!“, seine raue Stimme hallte durch die Höhle. Man sah, wie einige junge Wölfe erwartungsvoll den Kopf hoben. So einfach war es also?
„Denkt aber nicht, dass es einfach wird. Die Prüfung ist hart, der Kampf kann tödlich sein, nur der Stärkste unter euch, derjenige der wirklichen Charakter, wirklichen Mut, wirkliche Stärke zeigt, der kann gewinnen“, seine Worte schienen einigen jungen Kriegern den Wind unter den Segeln wieder genommen zu haben.
Kurz ließ er seine Blicke durch die Menge schweifen, dann hob er seine Hand und deutete zum Höhlenausgang. Alle Blicke folgten der Hand des Lords. Sie blickten in den Schein des Mondes, welcher hoch oben am Himmel thronte.
„Morgen, wenn die Sonnen den Zenit erreichen, erwarten wir euch am Kalumsbaum, dort könnt ihr euch eurem Schicksal stellen. Der Gefährte wird von uns erwählt, zur Sonnenwende des Basul!“, den letzten Satz hatte er feierlich in die Menge gerufen, dann trat er zurück.
Die Wölfe, welche sich um sie herum postiert hatten, stimmten ein freudiges Heulen an, in welches viele der Gäste einfielen. Marja war einen Schritt zurückgetreten und sah ihre Eltern an. Hatte einer der beiden sie auch gefragt, ob sie das wollte? Wütend folgte sie ihnen, niemals würde sie sich irgendeinem Halbstarken dort unten fügen.
Als das Heulkonzert zu Ende war, hatte Marja das Fest bereits verlassen. Sie saß auf dem dicken Ast eines Baumes und starrte zum Mond. Ihre Füße baumelten leicht in der Luft und sie dachte nach.
„Da bist du ja! Ich habe dich überall gesucht!“, die weiche Stimme ihrer besten Freundin Santja drang an Marjas Ohren. Verwirrt schüttelte sie den Kopf und kehrte wieder in die Realität zurück. Sie sah sich kurz um, dann fiel ihr ein, dass die Stimme von unten gekommen war.
Mit in die Hüften gestemmten Armen stand die Wölfin mit den kurzen zotteligen grauen Haaren neben dem Stamm des Baumes. Marja hätte beinahe zu lachen begonnen. Ihre beste Freundin sah einfach zu lustig aus, wenn man sie von hier oben betrachtete, wie ein kleines Dreijähriges Kind, dass etwas zu Essen wollte.
„Komm runter!“, verlangte sie leicht beleidigt, doch Marja schüttelte nur den Kopf. Stattdessen klopfte sie mit der Hand leicht neben sich auf den Ast.
„Der ist stark genug für zwei!“, rief sie zu Santja nach unten. Diese verdrehte kurz die Augen, dann sprang sie aber mit einem elegant anmutenden Sprung auf den Baum. Während dem Sprung verwandelte sich das Mädchen in einen riesigen Wolf, in etwa fünfmal so groß, wie die Wölfe, welche wir von Bildern kennen. Die Krallen gruben sich tief in die Rinde des Baumes, bis dieser zu bluten anfing, dann sprang sie weiter.
Als sie neben Marja landete, hatte sich das zottelige Wesen wieder in eine junge Frau verwandelt, die ihre kurzen Haare lachend schüttelte. Grinsend sah sie auf ihre beste Freundin.
„Was machst du hier?“
Marja sah wieder weg von Santja und auf den Mond, er war bereits ein gutes Stück gewandert. Nun stand er nicht mehr am Zenit sondern war beinahe hinter den hohen Bergen im Norden des GinWoods verschwunden. Eine Weile saß sie nur stumm da, dann drehte sie sich aber doch zu der Wölfin neben sich um.
„Ich will selbst entscheiden, wer an meiner Seite wandern wird...“, meinte sie trotzig. Santja, die einzige, der Marja jemals alles erzählt hatte, sah sie fragend an.
„Du suchst ihn doch nicht noch immer? Marja du bist-“
„Ich habe ihn heute gesehen...“, unterbrach Marja ihre Freundin und somit auch deren Gedanken. Verdutzt starrte sie auf die weißen Locken ihrer Herrin.
„Was?! Und das sagst du mir erst jetzt?!“, für einen Moment war sie leicht sauer auf ihre beste Freundin. Sie hätte ihn ihr vorstellen können, doch dann begriff sie, was Marja ihr damit eigentlich hatte sagen wollen. „Er ist also wieder einfach so verschwunden?“, fragte sie trotz allem leise und vorsichtig nach.
Marja funkelte sie kurz an, dann nickte sie aber, den Blick auf den untergehenden Mond gerichtet. Sie baumelte mit den Füßen, wie ein kleines Mädchen, während sie auf ihrer Lippe herum biss.
„Wieso macht er das immer?“, fragte sie leicht verzweifelt. Wobei 'immer' war nicht unbedingt das richtige Wort, immerhin hatte sie ihn erst zweimal gesehen.
„Weißt du denn wie er heißt?“, fragte Santja , einfach um irgendwas zu sagen, sie wollte ihre beste Freundin aufheitern, doch wusste sie nicht wie. Marja sah kurz zu ihr rüber, für den Bruchteil einer Sekunde waren ihre Augen hell und leuchtend gewesen, doch dann sah sie wieder traurig zum Mond.
„Ja Floor...aber mehr habe ich auch nicht erfahren...“, meinte sie mürrich.
„Immerhin schon was“
„Na und? Was soll mir das jetzt bringen?“, fragte Marja bissig und knurrte dann leise. „Außerdem weiß er jetzt wohl, wer ich bin...somit kann ich es eh schon vergessen...“, murrte sie leise.
„Ach was! Vielleicht kommt er morgen!“, Santja boxte ihr spielerisch in die Seite, sie wollte Marja wieder lachen sehen – und zu ihrer Verwunderung tat sie dies auch, Marja grinste nun.
„Ja...damit könnte ich ihn wiederfinden, vielleicht hast du ja recht!“, ihre Stimme war nun wieder frech und fröhlich. Das Glitzern war in die Augen der Wölfin zurückgekehrt. Erleichtert, dass Marja den Kopf nicht mehr hängen ließ, grinste Santja nun auch. Die Wölfin deutete auf den Mond, der schon fast nicht mehr zu sehen war.
„Siehst du, du wirst keinen Halbstarken nehmen müssen, es melden sich bestimmt auch ein paar gute Wölfe“, lachte sie – und auf Marjas wütenden Blick hin fügte sie schnell hinzu, „und auch der einzige, der es dir recht machen kann, wird sich melden!“
Marja verdrehte die Augen, konnte ihre beste Freundin eigentlich auch mal eine Sekunde lang ernst bleiben und nicht gleich immer alles nur mit Humor sehen? Hin und wieder konnte so eine Eigenschaft echt nerven.
„Man wird sehen...“, meinte sie, stand auf – und ließ sich vom Baum fallen.
Weich und sicher landete Marja auf ihren Händen und Füßen, rappelte sich hoch und warf ihre Haare über die Schultern. Sie legte den Kopf in den Nacken und sah zu Santja hoch.
„Ich geh ins Bett...habe in den letzten Wochen kaum geschlafen!“
Keine Sekunde später war auch die graue Wölfin neben ihr.
„Dann lass uns mal gehen!“, grinste sie. Leicht neckend gingen die beiden Mädchen davon um sich in ihre Baumhöhlen zu legen.
Blinzelnd öffnete Marja die Augen. Das Sonnelicht kitzelte ihre Nase, als es durch den dünnen Vorhang aus Blättern ins innere ihres Raumes schien. Seufzend sah sie sich um. Es war bereits ziemlich spät, kurz vor Mittag würde sie schätzen. Der Raum war hell erleuchtet.
Marja setzte sich auf und stieg aus dem Bett. Langsam ging sie zu der Wasserschüssel und kippte sich etwas Wasser ins Gesicht um munter zu werden. Die junge Wölfin schüttelte ihren Kopf und sah sich dann wieder – wie auch sonst jeden Morgen – ihr Spiegelbild an. Die weißen Locken standen in alle Richtungen.
Seufzend wollte sie einen Kamm nehmen, doch noch bevor Marja ihn erlangen konnte, trat eine ältere Wölfin durch den dünnen Vorhang, welcher ihren Raum abgrenzte und verneigte sich ehrfürchtig. Es war Sulanta, ihre persönliche Dienerin.
„Meine Herrin, lasst mich das machen. Ihre Mutter wartet bereits...“, meinte sie eilig und kam zu Marja herüber.
Diese verdrehte nur die Augen, ließ Sulanta aber machen. Oft störten sie die strengen Regeln und Riten ihres Rudels. Als Tochter der Alphawölfin hatte sie diesem Bild zu entsprechen. Sie musste stark sein, hübsch, hatte Manieren zu lernen, durfte niemals nachgeben einem anderen gegenüber. Auf der anderen Seite aber hatte sie die anderen für sich arbeiten zu lassen, durfte den Palast alleine nicht verlassen und musste für alles um die Erlaubnis der Herrin – ihrer Mutter – anfragen. Manchmal könnte sie durchdrehen in diesem Irrenhaus.
„Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Marja, sie sehen blass aus“, die Stimme Sulantas holte Marja wieder in die Gegenwart zurück, doch sie schüttelte nur den Kopf.
„Ja. Ich habe nur zu lang geschlafen.“
„Dann ist es ja gut. Kommen sie. Ziehen sie sich an und dann sollten wir in den Thronsaal.“
„Weshalb?“, Marja warf Sulanta einen verwirrten Blick über die Schultern hinweg zu.
„Nun, haben sie die Rede gestern schon wieder vergessen? Ihre Mutter möchte heute noch die ersten Bewerber begrüßen. Das wird aber schlecht gehen ohne Sie, meine Herrin.“
Seufzend drehte sich Marja um. Sulanta hatte ihre Haare mit einer Spange in ihrem Nacken zusammengehalten.
„Wieso?“, fragte sie leise.
„Weil für jeden einmal der große Tag kommt...“, Sulanta lächelte sie aufmunternd an. Gleichzeitig gab sie ihr ein feines beiges Hemd und dazu eine noch feinere dunkle Hose, welche bis an den Boden reichte, wo die Hosenbeine sanft auseinander fielen. Marja lächelte wieder etwas. Zumindest musste sie heute nicht wieder ein Kleid tragen, sie mochte es nicht gerne, mit Hosen konnte man sich einfach besser bewegen.
Noch einmal sah sie auf die Wasseroberfläche – sie dachte kurz an Floors Augen. Ob er wohl auch kommen würde? Ach was, sie wusste doch nicht einmal, ob er aus einer Standesfamilie kam – und außerdem, er war ein Moren. Lieber würde ihre Mutter das Volk der Kirimwölfe untergehen lassen, als ihre Tochter mit einem Moren zu verbünden, da war sich Marja sicher. Seufzend wandte sie ihren Blick wieder von der Wasseroberfläche ab, lächelte Sulanta freundlich an – und schnappte sich die Kleider um sich diese anzuziehen.
Es waren keine zehn Minuten vergangen, als Marja von hinten in den Thronsaal trat. Sulanta und einer ihrer Wächter folgten ihr. Während Sulanta ihre menschliche Gestalt hatte, trabte Siskin als Wolf neben ihr her. Furial erblickte ihre Tochter und winkte sie zu sich.
Sie saß auf einem steineren Block, welcher edle hölzenere Arm- und Rückenlehnen hatte. Vor ihr lag ein großer weiß-grauer Wolf. Marja erkannte ihn als ihren Cousin Minjink wieder. Kurz verzog der Wolf sein Gesicht zu einem kleinen Lächeln, dann sah er wieder starr gerade aus.
Marja neigte den Kopf und gesellte sich neben ihre Mutter. Sie selbst setzte sich auf einen etwas kleineren Steinblock – ebenfalls reichlich mit Holz verziert, so dass daraus ein bequemer Stuhl wurde – zu Furials rechter Seite. Sulanta stellte sich in den Schatten hinter sie, während sich Siskin, sowie Minjink bei ihrer Mutter, vor sie legte.
Kaum dass es sich die beiden gemütlich gemacht hatte, nickte Furial den Wachen, welche vor dem Eingang des Thronsaals saßen zu. Die Männer und Frauen schritten beiseite, neigten den Kopf kurz ehrfürchtig in Furials Richtung, dann machten sie den Eingang zu der großen Höhle frei.
Draußen richtete sich im selben Moment ein großer Bote der Herrin auf und sah in die Gesichter von denjenigen Standesfamilien, welche bereits vor Orte waren.
„Die Herrin empfängt sie nun!“, seine Stimme schallte durch das Tal, dann trat auch er beiseite.
Einer nach dem anderen kamen sie herein, nur jeweils einer, so wie es den Sitten entsprach. Marja hatte bereits nach dem Dritten die Übersicht verloren. Da gab es einen Krunbuthol vom Stamme der Solbin. Er war ein schlanker, flinker Wolf, der sich alle paar Sekunden umsah. Die Knochenkette um seinen Hals wippte beim Gehen auf und ab und ließ Marja schmunzeln, der nächste war ein gewisser Parsthil, der mit seinem Vater angereist war. Dieser Krieger war kleiner und plumper als der erste, er war aus dem Rudel der Kolth, die für ihre Knochenbrechenden Kräfte bekannt waren. Doch war sein Blick dumm, wie Marja fand, Intelligenz schien dem Herren sichtlich zu fehlen. Auch der dritte machte wenig Eindruck, wieder ein Kolth, ein Throth diesmal, doch auch er wirkte weder leichtfüßig noch recht warmherzig. Dann gab es da noch diesen unglaublich großen und unglaublich muskulösen Drondul aus dem Stammen der Noram. Er schwebte beinahe, wenn er ging und hatte einen hölzernen Stab bei sich, mit dem konnte man sich doch wenigstens noch zum Reden einlassen. Beim nächsten Jungen wäre Marja beinahe der Mund aufgeklappt. Lorithrin, einer der Fürstensohne aus dem Rudel der Saknman, ihrem Rudel, trat ein. Der breitschultrige junge Wolf sah sie lächelnd an, er wusste wohl, dass Marja die ganze Sache kaum gefiel, doch sein Glück versuchen – das konnte ihr sonst so guter Freund doch mal, oder musste es wohl eher. Ihrem wütenden Blick begegnete er nur mit einer leicht gequälten Grimasse.
Er wusste es als einer der wenigen, dass sie auf jemanden wartete, dass keiner eine Chance bei ihr hatte. Sofort tauchten wieder diese schwarzen Augen vor Marjas Gesicht auf, Floors Augen. Sie waren geheimnisvoll, verschlossen, ließen einem keinen Einblick auf seine Gefühle. Und doch vertraute sie dem Krieger der Moren. Wieso, wusste sie nicht, doch er schien etwas an sich zu haben, dass sie sich geborgen fühlen ließ. Wenn er doch nur durch diese Tür spazieren könnte. Es müsste keine Kämpfe mehr geben, Marja hätte sich auf Anhieb für ihn entschieden. Aber da war ja noch ihre Mutter...die wäre ganz sicher nicht begeistert.
Kopfschüttelnd zwang Marja die Gedanken zu verschwinden und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder voller Freue und Enthusiasmus auf die Wölfe, welche durch die Tür schritten. Floor würde sowieso nicht kommen. So wie er sich verhalten hatte, war er womöglich nicht mal ein Wolf von Stand...Seufzend sah sie wieder hinunter. Da kamen sie herein, Saknman, Noram, Kkloth, Kuhln, Solbin, Thuris und noch viele andere Wölfe von vielen anderen Rudeln, sie wollten einfach nicht enden – bis schließlich ein relativ großer und dunkler Wolf durch die Tür schritt.
Sofort saß ihre Mutter hellwach und mit aufmerksamen Blick auf ihrem Thron. Sie beobachtete jede kleine Bewegung des Jungen, die Zähne bereits gebleckt. Der Junge fühlte sich angesichts der feindlichen Haltung im Raum sichtlich unwohl, dennoch schritt er weiter vor.
„Swou Vomithrin vom Rudel der Moren“, sprach einer der Boten in monotonem Singsang als der junge Krieger schließlich vor den zwei Thronen stand. Furial wollte schon aufbegehren, doch Marja warf ihr einen funkelten Blick zu und nickte dem Jungen freundlich zu. Dieser lächelte leicht und neigte dann den Kopf.
„Herrin. Ich möchte hiermit im Namen meines Vaters, der aufgrund einer Krankheit leider verhindert ist, ihrer ehrwürdigen Tochter Marja mein Bündnis anbieten“, flüsterte er leise. Seine Stimme erinnert Marja in gewisser Weise an Floor und sie beugte sich weiter nach vorne.
„Ab-“, ihre Mutter brach ab, als sie den Blick ihres Mannes, der eben in den Thronsaal kam, empfing. Ihre Miene wurde steinern und sie sah den Jungen an.
„Trage zu deiner Herrin, dass du an den Kämpfen teilnehmen kannst, sie sich jedoch keine List zu erlauben braucht“, sagte sie so nur – und schickte den verdutzten Krieger hinaus.
Marja wollte sich beschweren, dass sie nicht so unfreundlich sein sollte, als ihre Mutter plötzlich zu strahlen anfing, zumindest ihre Augen. Nach ein paar Sekunden hatte sie ihre Gefühle jedoch schon wieder versteckt. Sichtlich irritiert sah nun auch ihre Tochter wieder nach vorne – sie selbst hätte beinahe aufgestöhnt.
Auch diesen Krieger kannte sie, es war Swnud. Ein ziemlich arroganter junger Wolf aus dem Rudel der Kuhln. Nur leider war er einer der stärksten jungen Krieger und ihre Mutter liebte den Jungen, wie Marja wusste. Tatsächlich, als er den Raum mit hoch erhobenen Kopf wieder verließ, zwinkerte Furial ihrer Tochter zu.
„Nein!“, schrie sie auf.
Santja zuckte zurück und sah Marja dann fragend an. Sie und ihre beste Freundin hatten sich auf einem Hügel nahe des Dorfes niedergelassen.
„Was Nein?“, fragte sie schließlich leise.
„Ich will nicht...und schon gar nicht ihn...“, murrte Marja beleidigt. Sie sah wütend zu der untergehenden Sonne.
„Du musst dich schon etwas besser erklären meine Liebe, ich kann nämlich nicht Gedanken lesen“, für ihre Worte empfing Santja nur einen wütenden Blick. Schließlich gab Marja aber doch nach.
„Swnud... Du weißt schon, dieser abgeschleckte Krieger der Kuhln, am besten nur dumm und wild drauf los kämpfen, denn es gibt nichts wichtigeres im Leben...“, knurrte die Wölfin auf.
Santja kicherte leise. Oh ja, sie kannte den Krieger und Marja hatte mit ihrer Beschreibung recht. Ja gut, er war stark, sehr stark, aber das war es auch schon wieder. Bis auf ein gutes Strategiedenken im Kampf besaß der Wolf kein bisschen Grips.
„Deine Mutter wird ihn niemals erwählen. Der ist doch strohdumm...“, meinte sie aufmunternd.
„Sie liebt ihn...“
Erschrocken drehten sich die beiden um – und blickten in das müde Gesicht Lorithrins.
„Sag mal verstoßt es eigentlich gegen die Regeln, wenn ich mich zu dir geselle?“, fragte ihr Freund grinsend. Gerade wich er noch ihrem wütenden Tritt aus.
„Lorithrin, halt den Mund oder ich reiß dir die Kehle raus...“, knurrte Marja leise. „Aber du hast recht...Mutter liebt Swnud leider wirklich“, fügte sie nach einer Weile mürrisch hinzu.
Die beiden anderen nickten. Da keinem mehr etwas einfiel, was sie sagen sollten, beobachteten sie nur still die untergehenden Sonnen. Bald würde das lila Licht in ein bläuliches übergehen, bis die Nacht schließlich tiefschwarz sein würde.
„Es tut mir leid. Ich konnte mich dem Willen meines Vaters nicht widersetzen“, meinte Lorithrin schließlich leise. Einen Moment blickte Marja ihn wütend an, dann lehnte sie sich an seine Brust.
„Schon okay...trotzdem, die Entscheidung wird katastrophal sein...“
Der Mond stand hoch am Himmel in dieser Nacht, er war beinahe rund. Einzelne Wolken bedeckten ihn und hüllten das Land so in ein mystisches Licht. Etwas davon schien auch durch das dichte Blätterdach und ließ die Blätter weißlich schimmern. Hier standen die Bäume dichter als im Karimaltal, doch war es hier noch immer lichter als hinter den Hügeln im Norden. Dort wurde der GinWood wirklich beinahe undurchdringbar.
Im Licht des Mondes schritt ein großer schwarzen Wolf durch die Nacht. Er setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, während seine Augen durch die Nacht blitzten. Dies war seine Tageszeit, hier fühlte er sich wohl. Langsam und genussvoll atmete er ein – und ließ die Luft dann laut schnaufend wieder aus seinem Körper entweichen.
Sonst gab das Tier aber keine Geräusche von sich, die Pfoten, welche über den Waldboden glitten, waren lautlos. Lange hatte er geübt, jeden Tag trainiert, bis es ihm als kleiner Jungwolf schon möglich gewesen war lautlos durch den Wald zu schleichen. Heute sahen ihn aber trotzdem einige der anderen Rudelmitglieder. Ein dunkelgrauer Wolf und ein etwas bräunlicher sehr viel kleinerer, dafür aber umso flinker, wanderten neben ihm her.
Nach einer Weile hatte die kleine Gruppe eine dunkle Höhle am Fuße eines großen Felsens erreicht. Hier waren die Bäume bereits so dicht, dass kaum noch Licht den Waldboden erreichte. Die zwei kleineren Wölfe legten sich vor der Höhle auf den Boden und sahen ihrem schwarzen Gefährten nach, als dieser in die Dunkelheit hinter ihnen schritt.
„Du bist spät...“, die raue Stimme kam aus der hinteren Ecke des Raumes. Sofort blieb der Junge stehen, es war wohl doch unklug gewesen, dass er sich bereits wieder zurückverwandelt hatte. Demütig neigte er den Kopf, er ließ sich auf die Knie fallen und verweilte so.
„Es tut mir leid, der Weg war länger als ich dachte, Mutter“, meinte er leise. Er wagte es nicht in dem dunklen Raum nach den Augen seiner Mutter zu suchen, sonst würde sie wahrscheinlich durchdrehen. So wartete er und hoffte einfach, dass sie sich wieder beruhigen würde.
Ein lautes Knurren war zu hören – beinahe zeitgleich kam ein leises Wimmern vom Höhleneingang her zu ihnen, die beiden Wölfe dort dürften es langsam mit der Angst zu tun bekommen – dann verstummte die Wölfin aber. Für einen Moment war es still.
„Hab keine Angst mein Junge. Du brauchst mich nicht fürchten, nicht, solange du nicht vorhast mich zu verraten“, eine weiche Hand strich über die Schulter des Jungen, so dass dieser heftig zusammenzuckte. Sie schaffte es immer wieder, dass sie sich lautlos an ihn heranschlich. Erschrocken schrie ihr Sohn auf, blieb aber auf den Knien. Erst als sie vor ihn trat und wieder lächelte, erhob er sich und schritt zu ihr.
„Keine Sorge, unser Blut ist zu dick, als dass ich es verraten könnte“, meinte er, dabei zog sich ein böses Lächeln um seine Lippen. Er wollte, dass sie es endlich sagte, denn er sehnte sich so sehr danach. So sehr wollte er den Plan endlich in die Tat umsetzen – und somit seinen Vater rächen, der dieser Verräterin einer Wölfin zum Opfer gefallen war.
Seine Mutter aber lächelte nur stumm und führte ihn tiefer in die Höhle hinein. Gemeinsam gingen sie durch die Finsternis. Außer ihrem leisen Schnaufen war nichts zu hören, selbst wenn die Schritte der beiden hier eigentlich hätten widerhallen müssen.
„Du sehnst dich danach, habe ich recht?“, die Stimme durchschnitt die Stille wie ein Messer. Beinahe wäre der Junge wieder zusammengezuckt, so nickte er aber nur – er wusste, dass sie ihn sah.
„Nun, etwas wirst du dich noch gedulden müssen. Ich habe meine Meinung geändert.“
„Was?!“, abrupt blieb der Wolf stehen. Wie sie hatte ihre Meinung geändert?!
„Oh, keine Sorge, wir werden unsere Rache bekommen, du wirst deine Rache bekommen, doch habe ich eine bessere Idee, hör mir zu.“
Das bedrohliche Knurren, welches von dem jungen ausgegangen war, verstummte wieder. Gespannt lauschte er. Was konnte besser sein, als endlich Gerechtigkeit zu haben.
„Wir werden ihr das nehmen, was ihr am wichtigsten ist, bevor wir sie vernichten“, meinte seine Mutter schlicht. Zuerst begriff er nicht, doch dann blitzten seine Augen in der Dunkelheit. Ihre Tochter, das war es also, was sie meinte. Für einen Moment tauchten die faszinierenden Augen einer jungen Wölfin vor ihm auf, lange weiße Locken, welche dem Mädchen über die Schultern fielen, doch der Krieger verdrängte die Gedanken.
Ja, er wusste, was er zu tun hatte.
Mit den ersten Sonnenstrahlen erhob sich Marja wieder. In der letzten Woche hatte sie nicht viel geschlafen – schon gar nicht gestern. Ihr war schlecht gewesen angesichts der Tatsache, dass der Wettkampf um ihre Hand heute beginnen würde. Alleine der Gedanke daran reichte aus, dass sich ihr Magen auch jetzt wieder schmerzhaft zusammenzog.
Seufzend nahm sie leichte Hosen mit sich und wanderte dann in den verzweigten Gängen zu einer kleinen Wasserquelle. Ein leichtes Grinsen legte sich über Marjas Züge. Sie war heute nicht warm, sondern schön kühl. So entkleidete sich die Wölfin und trat ins Wasser um es sich bequem zu machen. Sie ließ sich nieder und lehnte sich an. Dann schloss sie ihre Augen und döste vor sich hin.
Etwa eine Stunde später stieg sie als Wolf wieder aus dem Wasser und schüttelte sich das Wasser aus dem Fell. Sulanta war bereits zu ihr getreten, sie hatte ein wollig weiches Tuch in den Händen, in welches sie Marja einwickelte, kaum dass diese wieder in ihrer menschlichen Gestalt war.
„Habt ihr gut geschlafen?“
Das Mädchen nickte einfach mal, sie zog sich rasch an, da ihr nun doch etwas kalt war.
„Das freut mich, eure Eltern erwarten euch bereits. Kommt“, Sulante verneigte sich kurz, dann nahm sie das Tuch weg und führte die wieder anständig gekleidete Marja nach oben zu den Gemächern ihrer Eltern.
Als sie ihre Herrin dort abgeliefert hatte, verneigte sich die Dienerin und verließ die Räume wieder.
„Ihr wolltet mich sehen?“, fragte Marja.
„Nun ja, wir wollten in Ruhe mit dir speisen, bevor der Wettkampf beginnt“, begann ihr Vaters, die hochgezogenen Augenbrauen seiner Tochter ließen ihn aber aufseufzen. „Außerdem wollten wir mit dir noch einmal durchgehen, was heute zu machen ist“, fügte er schließlich hinzu.
Resigniert seufzte die junge Wölfin auf. Hätte sie doch niemals gefragt. Sie hätte es schon noch früh genug erfahren. In der letzten Woche hatte sie genug über ihre Pflichten gehört. Sie und ihre Eltern hatten darüber diskutiert welcher der Krieger überhaupt würdig waren um bei den Spielen teilzunehmen. Naja, eigentlich hatten ihre Eltern diskutiert, während Marja mehr oder weniger desinteressiert zugehört hatte. Wenn es schon ein Haufen von Vollpfosten war, dann sollte doch auch jeder die Chance haben, oder? Hin und wieder hatte sie sich aber dem Willen ihrer Mutter widersetzt. Es sollte wirklich jeder die Chance haben, also auch der Jungwolf aus dem Rudel der Moren. Mit sehr viel Überzeugungskraft war es Marja schließlich auch gelungen ihre Eltern, vor allem ihre Mutter, dazu zu überreden dem Wolf eine Chance zu geben.
Und nun sollte sie sich schon wieder dieser endlosen Leier an Regeln und Sitten, Pflichten und Erwartungen ergeben? Wie wenig Lust sie dazu doch hatte, doch so wie es aussah hatte sie sowieso keine Wahl. Marja nickte nur und folgte ihnen. Je mehr sie mitspielte, desto schneller war es vorbei. Ihre Eltern lächelten und führten sie hinunter.
Einige Stunden waren sie damit beschäftigt ihrer Tochter noch einmal die letzten Vorschriften einzubläuen, dann begaben sie sich auf die Westwiese des Dorfes. Hier fanden immer alle Kämpfe und Prüfungen statt, welche Jungwölfe durchschreiten musste, so würde hier auch die Auswahl getroffen werden, wer das Bündnis mit Marja eingehen durfte. Langsam schritt die junge Wölfin hinter ihren Eltern durch die Sonne. Sie trug heute weiß-gräuliche Hosen und eine schlichte Bluse, Ihre Haare wurden von der Spange zusammengehalten, der Rest fiel über ihre Schultern.
Als sie sich umsah, stellte sie fest, dass es tatsächlich um einiges weniger Wölfe waren. Der Moren war aber noch unter ihnen, wie ihr mit Genugtuung auffiel. Auch Lorithrin wartete auf der Wiese auf die Anweisungen seiner Alphafehe.
Kaum eine halbe Stunde war es dann auch so weit. Furial eröffnete den Wettkampf um Marjas Hand feierlich. Die erste Aufgabe wurde an die jungen Krieger auch gleich gestellt. Noch lange bevor es zu den traditionellen Kämpfen kommen würde, mussten sie sich auch noch in vielen weiteren Dingen beweisen. Den Anfang machte die einfache Jagd. Den ganzen Tag – und auch die halbe Nacht lang war der Wald erfüllt von dem Geheule der Wölfe.
Sichtlich gelangweilt betrachtete Marja immer wieder die Beutetiere, welche man ihre brachte – zumindest waren genügend Wölfe in dem Dorf, alleine hätte sie all das Fleisch niemals aufessen können, mal davon abgesehen, dass sie es sowieso nicht gerne aus. Am nächsten Abend wurden die zweiten Spiele bekannt gegeben, wer bis dahin kein Fleisch nach Hause gebracht hatte, wurde von den anderen Disziplinen ausgeschlossen.
„Und hat es wenigstens geschmeckt? Zumindest ein kleiner Teil davon?“, Lorithrin sah seine Freundin grinsend an. Er selbst hatte nur einen kleinen Hasen gebracht, den er im Anschluss selbst mit nach Hause genommen hatte. Marja hatte er noch ein paar Beeren in die Hand gegeben. Durchgeschwitzt von den letzten beiden Tagen ging er neben ihr her.
„Die Beeren ja, das Fleisch habe ich nicht angefasst...“, meinte Marja ruhig. Es stahl sich sogar ein kleines Lächeln in ihre Züge.
„Aber bitte, ich brauche Ablenkung, also lass uns über etwas anderes reden“, meinte sie flehend. Lorithrin lachte kurz auf. Der Wolf konnte sie nur zu gut verstehen. Er selbst konnte diese Spiele selbst nicht leiden, sein Vater hatte aber darauf bestanden, das Lorithrin dem Wettkampf beiwohnte – wie es auch der ausdrückliche Wunsch Furials gewesen war.
„Denkst wohl, du kannst sie für dich alleine haben oder?“, ein tiefes Knurren ertönte neben ihnen. Erschrocken riss Marja den Kopf herum. Sie hatte sich wieder einmal nicht gut genug auf ihre Umgebung konzentriert. Zu ihrem Entsetzen stand niemand anderes im Schatten der Bäume als Swnud höchstpersönlich. Der breitschultrige Wolf kam nun mit gefährlichem Blick auf Lorithrin zu, der bereits seine Zähne bleckte.
„Wir sind Freunde, also kann ich mit ihr unterhalten...“, gab er wütend zurück.
„Nicht, wenn ich was dagegen habe“, Swnud knurrte drohend. Lorithrin ließ einen Fuß langsam zurückfallen, breit dazu sich zu verwandeln. Er beobachtete den Kuhln vor sich genau.
„Was hast du für ein Prob-“, noch während er sprach, sprang Swnud los. Marja schrie auf. Sie wollte sich schon vor Lorithrin werfen, doch in dem Moment sprang ein dunkler Schatten von links auf sie zu.
Es ging zu schnell, als dass sie es wahrnehmen konnte. Ein lautes Wimmern ertönte, dann waren die Schergen ihrer Eltern schon bei ihnen. Lorithrin kauerte auf der Seite, er hatte es nicht geschafft sich zu verwandeln und hatte er große Bisswunde davongetragen. Neben ihm lag ein beinaher schwarzer Wolf. Er war eng zusammengekauert und wimmerte. Neben diesem rappelte sich ein bräunlicher gerade auf. Es gab ein zucken und Swnud stand wieder vor ihnen. Als er die Schergen sah, neigte er schnell den Kopf.
„Was ist geschehen?“, verlangten sie zu wissen. Ihre Augen waren auf die erschrockene Marja gerichtet. Bevor diese Antworten konnte, ging ein scharfe Zischen durch die Krieger. Der dunkle Wolf hatte sich auch wieder in einen Jungen verwandelt – zu Marjas Überraschung war es der Moren, Swou. „Dieses Pack hier wollte die edle Dame angreifen“, log Swnud schnell und stieß mit dem Fuß gegen den Jungen. Dieser wimmerte wieder auf, er wollte protestieren, doch die Schergen hatten ihn bereits umstellt. Eiskalte Blicke aus ihren Augen trafen ihn.
„Das wirst du bereuen. Wir bringen ihn am besten zu unserer Herrin!“
„Stop!“, schrie Marja, als sie ihn grob auf die Beine zerrten. Alle Augen wandten sich zu ihr. Doch nicht sie, sondern Lorithrin ergriff das Wort.
„Swnud wollte mich angreifen, da ist er dazwischen gesprungen. Nach allem, was ich sagen kann, hat er uns hier geholfen und keinen Kampf angezettelt“, er sprach leise, aber dennoch bestimmt.
Verwirrt sahen die Schergen zwischen den vier hin und her. Sie wussten wohl nicht mehr, wem sie nun trauen sollten. Dann wurde ihr Blick aber finster. Sie sahen zu Swnud. Dieser wich einen Schritt zurück, sah dann aber nekisch zu Lorithrin.
„Es tut mir leid, da habe ich die Situation wohl falsch eingeschätzt“, meinte er leise.
„Vorwärts. Das wirst du Furial erklären können“, knurrte der Krieger, welcher Swou noch in der Hand hielt, es war Minjink. Er ließ den Moren los und packte stattdessen Swnud. Grob schob er ihn vor sich.
„Marja!“, kurz bevor sie verschwanden, drehte sich ihr Cousin noch einmal um. „Ihr solltet den Jungen zu einer Heilerin bringen. Furial will die Bewerber morgen wieder alle sehen“, mit diesen Worten verschwand er.