Kurzgeschichte
Das schwarze Schaf

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"Das schwarze Schaf"
Veröffentlicht am 19. April 2013, 6 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Das schwarze Schaf

Das schwarze Schaf

Meine Mutter starrte mich an: „Du hast schon wieder deine Jacke verloren?“ Es war dieser aufgebrachte, resignierende Blick, den ich schon gar nicht mehr anders von den Menschen um mich herum kannte. Seufzend drehte sie um, um sich weiter um das Essen zu kümmern. „Wenn du deine Sachen nicht magst, dann sag das doch einfach, dann kaufen wir sie erst gar nicht.“ Sie seufzte. „Ist dir eigentlich klar, wie viel Geld du mich kostest?“ Ich schwieg. Was sollte ich auch sagen… Ich werde mich bessern? Das würde sie mir eh nicht glauben. Ich wußte auch nicht, wieso mir das immer wieder passiert. Mal vergaß ich meine Klamotten, mal das, was ich gerade tun wollte, und sehr oft vergaß ich, daß ich noch etwas für die Schule machen wollte. Dabei MOCHTE ich meine Sachen, mir machte das Lernen Spaß und vor allem wollte ich meine Mutter nicht traurig sehen. Ich sah zu Boden, schämte mich. „Tut mir leid…“ murmelte ich leise. Meine Mutter würdigte der flachen Entschuldigung keines Kommentares und rührte weiter in den Topf, in dem sie gerade eine Soße zubereitete. Ich konnte es ihr nicht übelnehmen, diesen Satz hatte sie einfach schon zu oft von mir gehört. „Heute hatte ich wieder einen Anruf von deiner Lehrerin. Kannst du dir vorstellen, um was es ging?“ Natürlich wußte ich, um was es ging. Wir hatten in der Pause fangen gespielt und als ich dran war und Jemanden anticken wollte, ist er einfach gestürzt und hatte hinterher der Lehrerin gesagt, dass ich ihn mit Absicht umgestoßen hatte. Aber das war gar nicht wahr. Er hatte sich einfach fallen lassen. Die Lehrerin hatte ihm jedoch sofort geglaubt. Und während Sie mit mir geschimpft hatte, stand der Junge daneben und grinste mich an. Ich wäre da gerne hingelaufen und hätte ihm an liebsten dieses falsche Grinsen mit meiner Faust aus dem Gesicht gewischt. Das war alles einfach nicht fair! Aber ich wollte nicht noch mehr Ärger bekommen, also hab ich nur da gestanden und geschwiegen. „Na, ich denke, du weißt ganz genau, über welche Situation deine Lehrerin mit mir sprechen wollte. Und? Kannst du mir dazu etwas sagen?“ Ich suchte nach den richtigen Worten, um meine Mutter nicht noch mehr zu verärgern. „Ich war nicht schuld, der Andere wollte mich einfach in die Pfanne hauen.“ Langsam drehte sie sich zu mir um, schaute mich an und verschränkte die Arme, als wollte sie diese sicherheitshalber an ihrem Körper fixieren. „Soso, man wollte dich also in die Pfanne hauen….“ Und zog dabei jedes einzelne Wort in die Länge „und wie erklärst du dir dann, dass dich 6 Klassenkameraden dabei gesehen haben, wie du auf diesen Jungen zugerannt bist und ihn zu Boden gestoßen hast?“ Ein leichtes Zischen lag in ihrer Stimme. Ich wußte, dass sie sich darum bemühte, ruhig zu bleiben – auch wenn dieser Versuch nicht wirklich erfolgreich zu sein schien. „Ich wollte ihn wirklich nicht schubsen. Wir haben nur fangen gespielt“ flüsterte ich, da mir klar war, dass sie mir eh nicht glauben würde. Nach einem kurzen Moment des Schweigens schüttelte sie langsam den Kopf. „Geh in dein Zimmer und mach deine Hausaufgaben. Ich rufe dich, wenn das Essen fertig ist.“ Mit hängenden Schultern drehte ich mich um und ging in mein Zimmer.

 

Sie hatte das Gefühl, weinen zu müssen. Wie sollte sie das alles nur alleine schaffen. Ihre Hand ist schon oft genug ausgerutscht. Sie wollte das gar nicht – sie liebte ihren Sohn – aber manchmal wuchs ihr einfach alles über den Kopf. Sie wußte, dass das keine Entschuldigung war, aber sie war alleine, die Kosten wuchsen ihr über den Kopf, und sie hatte nur einen kleinen Job, der sie beide über die Runden bringen musste. Sachen gingen verloren, wurden vergessen oder gingen beim Spielen schnell kaputt. Sie musste ständig wachsam sein. Sobald es ruhig war wurde sie nervös und musste nachschauen, was der Junge gerade tat. Teilweise war es eine Qual, ihn zum Aufstehen zu bewegen oder dass er Mal pünktlich aus dem Haus kam. Und dann kam der Stress in der Schule noch dazu, der ihr große Sorgen bereitete. Was sollte sie nur tun? Sie wusste es nicht. Langsam setzte sie sich in der kleinen Küche auf einen Stuhl, stützte ihre Ellenbogen auf den Küchentisch und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. Wieso musste es immer so schwierig sein. Wieso konnte es nicht einmal einen Tag ohne Probleme geben…. Was ihr Sohn noch nicht wusste war, dass es demnächst eine Konferenz in der Schule geben würde, in der entschieden wird, ob er nicht besser auf eine andere Schule gehen sollte. Er wurde schon von der letzten Klassenfahrt ausgeschlossen, weil sich kein Lehrer dazu Bereit erklärt hatte, für ihn die Verantwortung zu übernehmen. Langsam nahm sie ihre Arme wieder runter. Wimmern bringt nichts. Sie musste weiter machen. Es musste irgendwie gehen. Sie stand auf. Das Essen war fertig. Sie deckte den Tisch und rief ihren Sohn zum Essen.

 

Schweigend saßen wir zusammen und aßen. Ich sagte lieber kein Wort, um keinen Anlass dazu zu geben, wieder das vorherige Thema hochkommen zu lassen. Aber trotz all meiner Bemühungen brachte meine Mutter das Thema wieder zur Sprache. „Willst du dich bei dem Jungen entschuldigen?“ Ich war sprachlos, warum sollte ich mich entschuldigen, wenn ich doch gar nichts getan hatte. „Nein“ antwortete ich definitiv. Meine Mutter blickte mich an: „Doch, du wirst dich entschuldigen. Am besten vor der ganzen Klasse.“ Ich konnte es nicht fassen. „Warum, ich hab nichts getan!“ Meine Mutter schaute mir eindringlich in die Augen: “Das ist mir egal. Du entschuldigst dich.“ Wieder schwiegen wir. „Ich werde mich bessern“ murmelte ich. „Nein, das wirst du nicht…“ Meine Mutter wirkte müde. Ich wollte das nicht. „Doch ich werde mich bessern.“ Ich versprach es ihr. Und wiederum verneinte sie es. Ich schwieg und stocherte nur noch in meinem Essen herum. Nach einer Weile sah sie mich wieder an „Und was gedenkst du jetzt zu tun?“ Ich schaute ihr lange in die Augen. „Da ich mich nicht bessern kann, kann ich nur noch für mich beten!“

 

Jennifer Deinert

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Jenn83

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Jenn83 Re: Das schwarze Schaf - Zitat: (Original von rainergoecht am 19.04.2013 - 18:04 Uhr) das Ganze ist eine Schilderung von Mobbing in der Schule. So etwas ist für andere immer einfach zu sagen, der war es , oder Frage : wer war das? Antwort der da. Also immer derselbe. Die Verantwortlichen stellen sich schnell auf die Stufe derjenigen, die dieses Gerücht verbreiten, weil es auch bequemer ist.Der Gemobbte hat auch nachher keine Chance gegen diese Mauer anzugehen. Bei Gewalt wird dann schnell behauptet, der macht das immer so. Es ist ein Teufelkreis, dem sich der Geschädigte stellen muss, ob es ihm gefällt oder nicht. Läuft er einmal weg, geschieht das immer wieder, weil das ebenso bequem ist, wie die umgdrehte Seite des Mobbings.
LG Rainer

Lieber Rainer,
Das Thema Mobbing wird hier ebenfalls angesprochen. Schön, dass du das bemerkt hast ;-)
Allerdings sollte hier eher das Unbewußte Mobbing von Seiten der Lehrer dargestellt werden. Wenn ein Schüler immer wieder auffällig ist, von Natur aus über Tische und Bänke geht (sehr lebendig ist), dann hat man irgendwann "Scheuklappen" auf und schaut sofort immer auf das Kind. Das ist in der Natur des Menschen. Der Klassenkamerad hat das Kind natürlich absichtlich beschuldigt...

Liebe Grüße,
Jenn
Vor langer Zeit - Antworten
rainergoecht Das schwarze Schaf - das Ganze ist eine Schilderung von Mobbing in der Schule. So etwas ist für andere immer einfach zu sagen, der war es , oder Frage : wer war das? Antwort der da. Also immer derselbe. Die Verantwortlichen stellen sich schnell auf die Stufe derjenigen, die dieses Gerücht verbreiten, weil es auch bequemer ist.Der Gemobbte hat auch nachher keine Chance gegen diese Mauer anzugehen. Bei Gewalt wird dann schnell behauptet, der macht das immer so. Es ist ein Teufelkreis, dem sich der Geschädigte stellen muss, ob es ihm gefällt oder nicht. Läuft er einmal weg, geschieht das immer wieder, weil das ebenso bequem ist, wie die umgdrehte Seite des Mobbings.
LG Rainer
Vor langer Zeit - Antworten
Jenn83 Re: ich sehe hier -
Zitat: (Original von Corine am 19.04.2013 - 17:37 Uhr) hier eine Mutter, die sich von ihrer Umgebung unter Druck setzen lässt und diesen Druck an ihre Tochter weiter gibt. Erst wenn die Mutter einsieht, dass die Tochter wichtiger ist, als die Umgebung, dann wird der Weg zu einander möglich sein.
Kinder sind in dieser Kette aus gegenseitger Unterdrückung leider immer die schwächsten Glieder!


Liebe Corine,

vielen Dank fürs Lesen und deinen Kommi ;-)

du hast die Situation gut erfasst. Ich frage mich, wie die Geschichte ausgegangen wäre, wenn die Mutter keine Geldnöte gehabt hätte, nicht von ihrem Alltag gefrustet gewesen wäre und die Schule weniger Druck aufgebaut hätte... Wie wäre die Geschichte wohl ausgegangen, wenn mehr Hilfe von außen gekommen oder man verständnisvoller in der Gesellschaft gewesen wäre....

Manchmal frage ich mich, ob eine Kleinigkeit die gesamte Situation ändern könnte ;-)

Liebe Grüße,
Jenn
Vor langer Zeit - Antworten
Jenn83 Re: Du hast die Situation gut geschildert -
Zitat: (Original von Boris am 19.04.2013 - 17:28 Uhr) vielleicht ist es ein Anfang, Deine Dikfrepanzen zwischen Dir und Deiner Mutter aufzuarbeiten.
Sie ist sicher in ihren Denk - und Lebensstrukturen gefangen.

LG Jürgen


Lieber Jürgen,

für mich ist es ein guter Weg, mich mit den früheren Schwierigkeiten auseinanderzusetzen ;-)
Was meine Mutter betrifft hat sie seit langem einen anderen Weg gefunden, um sich mit diesem Thema NICHT auseinandersetzen zu müssen.

Liebe Grüße,
Jenn
Vor langer Zeit - Antworten
Jenn83 Re: Außenseiter -
Zitat: (Original von Zeitenwind am 19.04.2013 - 15:02 Uhr) Ich denke, dass ich auch beide Seiten verstehen kann. Das allerdings musste ich erst lernen. Zum Einen dadurch, dass ich eine Frau geheiratet habe, die bereits mit 3Monaten ihren Eltern weggenommen wurde und von da an von einer Pflegefamilie zur nächsten gereicht wurde. Bis sie mit zwei Jahren ins Heim gekommen ist. An allem war sie immer schuld und hat sich daraufhin zum Außenseiter entwickelt. Diese Schuldanerkenntnisse sind kaum mehr wieder raus zu bekommen. Bis heute sind Überreste davon erhalten geblieben. Die andere Seite sehe ich heute bei meinen Kindern. Ich weiß ja, wenn sie Mist gebaut haben, abe zuerst mal versuche ich die Sache so zu klären, dass die anderen sich entschuldigen müssen, dann kläre ich das mit meinen Kindern.
Aber es kann auch so vieles falsch sein, was man tut ...

Gruß vom Trollbär


Vielen Dank für dein Kommi ;-)

Leider ist es so, dass wir in unserer Kindheit stark geprägt werden. Und es ist sehr schwer, ein Verhaltensmuster zu ändern, wenn es einmal fest verankert ist. Wenn man zu häufig einen Mißerfolg erlebt hat (z.B. dass man einem nicht glaubt, auch wenn man die Wahrheit spricht), dann entsteht eine Erwartungshaltung, die sich auf das Verhalten und das Denken in späteren Situationen auswirkt. Das kann eine "erlernte Hilflosigkeit" sein (egal, was ich tue, es wird eh nichts bringen), oder es kann dazu führen, dass du dich von selbst in der Rolle des Schuldigen siehst, der alles falsch macht, egal was er auch anfasst.
Man kann so ein Verhaltensmuster löschen oder ändern, aber das braucht viel Zeit, große Anstrengung, viel Reflexion und viele ähnliche Situationen, die anders (mit einem Erfolg) enden (siehe auch "operante Konditionierung").

Was dein Verhalten mit deinen Kindern betrifft, finde ich dein Verhalten gut ;-) Allerdings kommt es natürlich immer auf die individuelle Situation an ;-)
Auf alle Fälle sollte man sich stets vor Augen führen, dass Eltern eben auch nur Menschen sind, Fehler machen können und aus Diesen lernen, in diesem neuen "Job" der Erziehung zurechtzukommen ;-)

Liebe Grüße,
Jenn
Vor langer Zeit - Antworten
Boris Du hast die Situation gut geschildert - vielleicht ist es ein Anfang, Deine Dikfrepanzen zwischen Dir und Deiner Mutter aufzuarbeiten.
Sie ist sicher in ihren Denk - und Lebensstrukturen gefangen.

LG Jürgen
Vor langer Zeit - Antworten
Zeitenwind Außenseiter - Ich denke, dass ich auch beide Seiten verstehen kann. Das allerdings musste ich erst lernen. Zum Einen dadurch, dass ich eine Frau geheiratet habe, die bereits mit 3Monaten ihren Eltern weggenommen wurde und von da an von einer Pflegefamilie zur nächsten gereicht wurde. Bis sie mit zwei Jahren ins Heim gekommen ist. An allem war sie immer schuld und hat sich daraufhin zum Außenseiter entwickelt. Diese Schuldanerkenntnisse sind kaum mehr wieder raus zu bekommen. Bis heute sind Überreste davon erhalten geblieben. Die andere Seite sehe ich heute bei meinen Kindern. Ich weiß ja, wenn sie Mist gebaut haben, abe zuerst mal versuche ich die Sache so zu klären, dass die anderen sich entschuldigen müssen, dann kläre ich das mit meinen Kindern.
Aber es kann auch so vieles falsch sein, was man tut ...

Gruß vom Trollbär
Vor langer Zeit - Antworten
Jenn83 Re: Ein Text -
Zitat: (Original von Kleibi2013 am 19.04.2013 - 10:00 Uhr) der mich sehr nachdenklich stimmt , besonders da ich finde er spiegelt unsere Welt gut wi(e)der.: wir stellen uns leicht auf die Seite derer (des geschubsten Jungen), denen wir, warum und auf welche Art auch immer, mehr Einfluß zusprechen und damit auch ein Scheibchen Glanz für uns.Okay,ich bemühe mich, nicht so zu sein aber,klappt das immer? nicht wirklich.
Und die Mutter: ich kenne beide Seiten, kenne die Eltern die ehr den anderen glauben, oder mit Sprüchen kamen wie "Hast du denn wirklich keinen Schuld/nicht auch Schuld?"
Man wollte damals wie heute angepasst sein dazu gehören und da ist es immer leichter mit dem Strom zu schwimmen..
iich kenne auch das, irgendwann glauben, dass die anderen Recht haben und man selbst halt "schlecht "ist..
Und ich kenne auch dieses Zögern, wenn das eigene Kind beschuldigt wird, den Wunsch dem Kind einfach beizustehen was ja nichtt nur Elternpflicht sondern auch naja "Elten angeboren". Liebe, st, und dann.. wie gesagt die Sache nicht auffallen zu wollen angepasst zu sein.
Zuerst wollte ich, da ich es wegen der fehlenden Einschübe oder Absätze zum Beispiel bei wörtlicher Rede sehr anstrengend fand, den Text gar nicht lesen. Dann habe ich den Flash rausgenommen. Es wurde leichter und ich bin froh ihn gefunden und gelesen zu haben..
LG
Birgit


Liebe Birgit,

Danke, dass du mich auf die fehlenden Einschübe aufmerksam gemacht hast. Das ist mir beim Schreiben gar nicht aufgefallen ;-)

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man in unserer Gesellschaft weder Verständnis für das Kind, noch für die Eltern hat. Das Kind wird einfach als anstrengend gesehen, welches sich an keine Regeln halten will, und den Eltern wird vorgeworfen, das Kind nicht richtig erzogen zu haben. Das Kind selbst versteht oft die Welt nicht mehr und entwickelt eine "Scheiß-Egal Haltung", da es ja eh nichts richtig machen kann, egal wie sehr es sich bemüht, oder es zieht sich zurück, um ja nicht gesehen zu werden. Die Eltern widerum sehen nur die Probleme, die sie in ihrem Alltag haben, die das Kind auch noch verstärkt. Oft sehen diese irgendwann nur noch die negativen Seiten des Kindes und vergessen, dass das Kind auch gute Eigenschaften besitzt.

Liebe Grüße,
Jenn
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