Geht das GlĂĽck der anderen ĂĽber dein eigenes?
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Die Autofahrt war lange. Zu lange. Der Franzose plapperte in seinem schwulen Akzent vor sich hin, und meine Mutter hörte ihm lächelnd zu. Ich betrachtete die beiden, fragte mich ob es so falsch war sie für ihr Glück zu bestrafen. War es nicht. Sie zerstörten mein Leben, meine Mutter vielleicht ohne es zu wissen, obwohl ich es ihr gesagt hatte, aber der Franzose machte es mit voller Absicht. Da war ich mir sicher. Als wir da waren staunte ich. Es war eigentlich wunderschön. Wenn ich hier in den Ferien gewesen wäre, hätte ich es genossen. So lief ich aber schnurstracks in das Haus und suchte mir das grösste Zimmer aus. Meine Mutter wollte wohl
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etwas einwenden, sagte aber nichts. Der Franzose stellte mir meine Schachteln in das Zimmer und nach und nach kamen auch die Möbel in das Zimmer. Ich schloss mich ein und packte aus. Ein paar Bilder von meinen Freunden, einschliesslich Jake, schmückten meinen Schreibtisch. Schnell startete ich meinen Laptop auf und schrieb:
Ich: Amy, bist du on?
Amy: NatĂĽrlich, SĂĽsse. Wie war die Fahrt?
Ich: Wie wohl!
Amy: Was machst du gerade?
Ich: Ich richte mein Zimmer ein. Habe mich eingeschlossen.
Amy: Schon Freunde gefunden?
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Ich: Ich bin gerade erst angekommen, also nein. Tut mir leid, es klopft gerade.
Ich stand seufzend auf, stellte mich an die Türe und rief in bösem Ton: "WAS IST?"
Meine Mutter rief in Französisch zurück: "Es ist Besuch hier! Komm raus."
Ich ging zurĂĽck zu meinem Laptop und schrieb: Ist nur meine Mutter.
Amy antwortete: Du solltest vielleicht auf sie hören?
Ich: Nie im Leben! Sie hat mein leben zerstört.
Amy: Sie ist deine Mutter!
Ich: Ich dachte du unterstĂĽtzt mich?
Amy: NatĂĽrlich. Aber du bekommst echt
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Ă„rger.
Ich: Mir egal!
Meine Mutter rief: "Savannah! Komm aus dem Zimmer und begrĂĽsse unsere Nachbarn!"
Ich schrie: "NEIN!"
Es wurde an meiner TĂĽr gerammelt, und gleich darauf kam der Franzose hineingestĂĽrzt. Er zog mich an den Haaren nach draussen und die Treppe hinunter. Dort standen schon eine alte Frau und ein jĂĽngerer Mann. Die Frau sagte freundlich: "Bonjour."
Ich grĂĽsste mĂĽrrisch: "Bonjour."
Meine Mutter stiess mir fest in die Seite: "Sei nett."
Ich schüttelte unauffällig den Kopf und
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sagte halblaut: "Nein."
Der Mann lächelte und stellte sich vor: "Ich bin Alain. Schön euch kennen zu lernen."
Ich sah ihn ausdruckslos an, meine Mutter lächelte schwach: "Es tut mir leid, sie ist nicht sehr zufrieden mit dem Umzug."
Ich war froh Französisch gelernt zu haben, sonst wäre ich jetzt wirklich erledigt. Alain fragte mich: "Gefällt es dir in meiner Heimat denn nicht?"
Ich schĂĽttelte den Kopf: "Nein."
Er kicherte leicht: "Das wird schon noch. Spätestens wenn du die Jungs kennen lernst."
Er zwinkerte mir zu, und ich zog die
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Augen zusammen: "Ihr seid doch alle schwul."
Alain seufzte: "Wir sprechen uns ein andermal. Wenn du etwas heruntergekommen bist."
Er nickte meiner Mutter noch zu und ging, die alte Frau folgte ihm. Meine Mutter schickte mich mit böser Miene auf mein Zimmer, und ich schrieb: Bin wieder da.
Amy: Schön. Aber ich muss jetzt los. Treffe mich noch mit Natascha.
Ich: Natascha? Wirklich?
Amy: Es ist wegen einem Schulprojekt.
Ich: Na dann. Bye.
Amy: Wir können später noch skypen.
Ich: Ja.
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Meine Mutter kam leise in mein Zimmer: Mach den PC aus und geh ein wenig nach draussen."
Ich klappte ihn mürrisch zu und lief an ihr vorbei. Sie seufzte, sah mir traurig nach. Ich bedachte sie mit einem bösen Blick. Dann ging ich durch die Türe und schlug sie hinter mir zu. Die Stadt war eigentlich hübsch, schön für eine morgendliche Jogging-Runde. Einige Jugendliche kamen an mir vorbei, grüssten höflich. Ein Junge grinste mich breit an und ich fragte: "Was ist?"
Er lächelte: "Habe dich noch nie hier gesehen."
Ich zuckte mit den Schultern: "Nicht
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weiter verwunderlich."
"Bist du die die im Haus nahe der Kirche wohnt? Neben Alain?"
"Ja. Kennst du ihn?"
"Er ist mein Onkel. Wirst ihn wohl schon kennen gelernt haben. Er stellt..."
"...sich jedem vor. Das dachte ich mir schon."
Er lächelte: "Soll ich dir das Dorf zeigen? Es gibt einige schöne Orte."
"Wieso nicht. Ja, gerne."
Er packte mich bei der Hand und zog mich durch einige schmale Gassen. Es war komisch mit einem fremden Jungen Hand in Hand zu laufen, aber fĂĽr ihn schien es
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selbstverständlich zu sein. Er stellte sich vor: "Ich bin Nathan."
Ich kicherte leise: "HĂĽbscher Name."
Er grinste: "Wie heisst du denn?"
"Savannah."
Er seufzte theatralisch: "Leider kein so schöner Name wie meiner. Schade."
Wieder kicherte ich, fragte mich gleich darauf was das eigentlich sollte. Nathan zeigte auf einen grossen Baum: "Der älteste Baum hier."
"Wie alt ist er?"
"Weiss ich nicht. Das kann ich mir nicht merken." Er zog mich weiter, und ich folgte ihm durch die Stadt.
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Als ich spät abends wieder nach Hause kam, schimpfte meiner Mutter lautstark mit mir. Ich sagte: "Du wolltest doch dass ich hinaus gehe und Freunde finde. Und jetzt ist es dir wieder nicht recht!" Ich sah sie erwartungsvoll an, aber sie blieb still. Genervt betrat ich mein Zimmer, schloss hinter mir ab. Ich schmiss meinen Laptop an und schrieb: Amy? Amy schrieb nicht zurĂĽck. Ich seufzte, beantwortete einige Freundschaftsanfragen. Es waren grösstenteils Leute aus der Stadt. Â
Jemand namens Nicole schrieb: Hallo. Ich bin Nicole. Ich bin ab morgen in deiner Klasse.
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Eine Weile chattete ich mit dieser Nicole, stellte fest dass sie wirklich nett war. Sie versprach mir morgen die Schule zu zeigen. Dann schloss ich ab und legte mich in mein Bett.
Was fĂĽr ein Tag.