Was wärst du für deine grösste Liebe zu tun bereit?
Ungesehen hatte sich Varmir durch die Menschenmenge geschoben, welche sich jubelnd über die Verkündung des Königs freute. Leicht schmunzelnd hatte ihm einer seiner Brüder nachgesehen, sagte jedoch nichts.
Hrindol hielt Varmir keuchend am Arm fest. Die beiden waren, kaum dass sie den Festsaal verlassen hatten, durch die dunklen Gänge gerannt. Nun standen sie an einer kleinen Holztür, welche hinaus führte, dort wo der Berg die Stadt Suas'Koor einrahmte.
"Warte...Varmir...wir...", begann der Junge, doch sein Prinz unterbrach ihn.
"Nein! Ich bin nicht bereit, dass ich mir mein Leben von meinem Vater vorschreiben lasse!", die Worte waren als leises Knurren über Varmirs Lippen gekommen, viel schärfer, als er beabsichtigt hatte. Entschuldigend lächelte er seinen einzigen wirklichen Freund an, als dieser einen Schritt zurück wich.
"Trotzdem...er meint es doch nur gut...", Hrindol sah ziemlich kleinlaut zu Varmir auf.
"Gut? Dass ich nicht lache! Hrindol hast - ", weiter kam Varmir nicht, denn laute Schritte waren zu hören. Sein Vater hatte den Wachen wohl befohlen nach ihm zu suchen. Erschrocken sahen sich die beiden Jungen an.
"Wo werden wir hingehen?", fragte Hrindol?
"Ich bleibe heute erst mal im Wald, du bleibst hier, tust so, als hättest du mich gesucht", beschloss Varmir schnell. Sein bester Freund wollte ihm widersprechen, doch der Junge war schon aus der kleinen Tür geklettert. Kaum, dass sie hinter ihm ins Schloss fiel, kamen die Wachen um die Ecke.
Varmir drückte sich an die Außenmauer des Palastes. Er hielt angespannt die Luft an und sah über seine Schulter zu dem kleinen Mauervorsprung, durch welchen er gerade gekommen war. Hoffentlich hatten sie ihn nicht gesehen. Und Hrindol, er konnte nur hoffen, dass dieser eine gute Ausrede parat hatte.
Eine Weile verharrte er dort ohne sich groß zu bewegen. Die Aufregung im Palast war groß. Er konnte hektische Schritte hören, verzweifelte Rufe und der Geruch von ängstlichen Bediensteten wehte zu ihm hoch. Sie mussten sich fürchten vor der Reaktion des Königs, wenn sie seinen Sohn nicht fanden. Aber nein...er würde nicht hinunter kommen.
Seufzend stand der Junge auf. Varmir hatte lange genug gewartet, er war sich sicher, dass keiner auf die Idee kommen würde, er hätte auf diese Weise den Palast verlassen, zumindest noch nicht. Langsam schlich er an der Wand entlang. Er wusste, dass sein bester Freund die Schergen und seine Familie, wie auch alle Bediensteten ablenken würde, doch sollte er sich trotzdem beeilen, denn wer weiß, wie lange sie dem Jungen glaubten.
Er wollte weg von hier. Noch nie hatte es ihn lange am Hof gehalten, denn die Praktiken seines Vaters widersprachen dem Jungen zu tiefst. Doch nun...sein Vater würde eine Frau für ihn suchen, das hieß dann wohl auch, dass sein Training zu Ende war. Den Gang zum Manne hatte sich der Junge anders vorgestellt. Er wollte weder ein reicher Adeliger dieses Landes werden, noch wollte er den Weg eines Kriegers einschlagen, doch andere Aussichten gab es wohl nicht.
Mühsam verdrängte er die düsteren Gedanken und hielt auf die Felsen zu. Es gab hier eine kleine Höhle, welche in den Berg führte, weiter unten, dort wo schon wieder Bäume wuchsen, brach sie wieder hervor und führte in den Wald. Diesen Weg würde er einschlagen, auch wenn die anderen ihn sehr bald durchschauen würden, doch er kannte sich im Wald besser aus, als jeder andere im Palast.
Die Stimmen, welche hinter ihm durch den Palast hallten, blendete Varmir aus, stattdessen richtete er seinen Blick auf den kleinen Spalt im Felsen. Es waren nur ein paar Schritte noch, etwa hundert Meter. Doch wenn jemand von den hohen Wehrgängen herübersehen würde, dann sähen sie ihn leicht, denn diese hundert Meter waren ohne Deckung - und dann würde man wohlmöglich unten schon auf ihn warten.
Noch einmal versicherte sich der Junge, ob man ihn beobachtete, doch er konnte selbst mit den gestärkten Sinnen niemanden entdecken. So lief der Junge hastig und geduckt zu dem Spalt und zwängte sich dann in die Höhle. Drinnen ließ er sich erst mal auf die Knie nieder und atmete tief durch. Er schloss die Augen, da zog sich ein Lächeln über sein Gesicht. Geschafft.
Grinsend erhob sich Varmir wieder und machte sich an den Abstieg. Der Junge fuhr dabei mit einer Hand über den rauen Stein. Die Höhle war ziemlich schmal und auch nicht sehr hoch, dennoch konnte er noch darin stehen. Da er den dunklen Wald und die Natur gewohnt war, hatte er keine Schwierigkeiten beim Abstieg. Es dauerte auch nicht lange und er konnte das gedämpfte Licht des Mondes erkennen, welches in die Höhle drang.
Seine Freiheit. Ja, er würde frei sein. Glücklich trat der Junge in die Nacht hinaus - da erstarrte er.
Der König wachte verschlafen in seinem königlichen Bette auf und sah sich um. Sein Berater hatte ihn wach gerüttelt. Er seufzte: "Wieso störst du mich?"
Der Berater verneigte sich tief: "Ich wollte euch mitteilen dass die beiden Prinzessinen verschwunden sind."
Der König setzte sich ruckartig auf und brüllte: "Wie? Wo sind die beiden hin?"
Der Berater wich ein Stück zurück: "Wir wissen es nicht. Die Wachen sind schon auf der Suche, haben jedoch keine Hinweise gefunden wo sie sich aufhalten könnten." Schnell lief er aus dem Raum, liess den König alleine in seinem vergoldetem Bett zurück. Er rieb sich über die Stirn, stand mühsam auf. Er wusste nicht was er mit seiner Tochter machen sollte.
Währenddessen in der Hütte bei Madge;
"Wirklich eine ausserordentlich hübsche Familie", Madga streichelte den beiden Mädchen über die hoch sitzenden Wangenknochen und lächelte warm.
Phye fragte: "Nun, ich habe schon oft gesehen dass die magischen Künste hilfreich sind, und ich wäre sehr dankbar..."
Madge nickte enthusiastisch: "Natürlich, natürlich. Es ist mir eine Ehre."
Sie verbeugte sich und Phye seufzte: "Ich habe doch gesagt, du musst mich nicht so behandeln. Während den Lektionen machst du das doch auch nicht."
"Aber dort bin ich eure Lehrerin. Nun bin ich nur eine alte Magd, die von den Gaben der Prinzessin lebt." Sie fügte hinzu: "Nun, setzt euch an den Tisch, wir werden beginnen." Sie straffte ihren Rücken, nahm einen kleinen runden Gegenstand vom Tisch der wie ein gewöhnlicher Stein aussah und legte ihn vor Deranta. Deranta sah Madge scheu an und betrachtete den Stein genauer, es war ein Feuerstein. Madge fragte: "Kennst du noch eine andere Methode, Feuer zu machen?"
Sie rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her, raffte ihr Kleid etwas zusammen und lächelte: "Mit Magie?"
Die Wachen streiften durch das Dorf, durchsuchten jeden Winkel. Kamen wieder nicht darauf in der Hütte zu suchen. Die beiden Prinzessinnen waren unauffindbar. Gerade als sie die Hoffnung aufgegeben hatten, berichtete eine junge Frau sie hätte die beiden Prinzessinnen eine der Hütten nahe am Dorfrand betreten sehen. Die Wachen eilten zu den Hütten, klopften stürmisch an die Türen.
Phye stöhnte, packte Deranta am Arm und eilte hinter Madge her. Sie stemmte eine versteckte Luke im Boden auf, und die beiden Prinzessinnen liessen sich in das kalte Loch hinunter. Madge machte die Türe zu, versteckte sie unter einem alten Teppich und machte die Türe auf. Sie stützte sich auf ihren Stock und fragte: "Was kann ich für die Herren tun?"
Die Wache fragte barsch: "Wir haben den Hinweis erhalten die beiden Prinzessinnen hielten sich hier auf. Wir werden das Haus durchsuchen müssen."
Die Frau trat zurück, liess die Wachen ein: "Wie ihr wünscht." Sie wusste, die Wachen würden ihre beiden Schützlinge nicht finden können. Kurz nachdem die Wachen eingetreten waren, gingen sie wieder: "Tut mir leid, aber das musste sein."
Madge nickte geknickt, als die Wachen gegangen waren sagte sie zu den beiden Königstöchtern: "Ihr solltet gehen, Prinzessin, und eure Schwester ebenfalls."
Phye nickte: "Danke, Madge. Auf Wiedersehen." Die beiden Prinzessinnen warteten bis die Wachen weg waren, schlichen sich dann zurück in das Schloss.
Dort erwartete sie ein erboster König: "Phye wo warst du? Und Deranta, so etwas..."
Phye unterbrach: "Vater, es ist nicht ihre Schuld. Ich habe sie mit in die Stadt genommen. Sie sollte sich etwa amüsieren."
Der König bebte: "Wieso schleichst du dich immer unerlaubt aus dem Schloss?"
"Weil ich mich nicht erlaubt hinausschleichen kann. Ihr würdet es niemals zulassen."
"Da hast du recht."
"Ich verstehe es wenn ihr mich bestraft, aber Deranta kann nichts dafür."
"Deranta, du kannst gehen." Der König winkte sie fort, sie nickte und eilte aus dem Saal, jedoch nicht ohne ihrer Schwester einen dankenden Blick zuzuwerfen. Der König sagte: "Du wirstTag und Nacht unter Beobachtung stehen."
Phye nickte: "Natürlich."
"Kein Fest wonach du mich fragen willst?" Der König sah seine Tochter fragend an, diese lächelte nur. Er seufzte: "Ich werde ebenfalls auf diesem fest heute Abend sein. Wir werden zusammen hin gehen. Und zusammen heimkehren." Er sagte die letzten Worte in so drohendem Ton, dass Phye nur nickte, den König alleine zurückliess.