Kapitel 5 Bar
Jack folgte seinem neuen Gefährten hastig über die verlassene Straße. Seit sie den Ulan-Komplex hinter sich gelassen hatten, hatte der Mann die Führung übernommen um sie an einen Ort zu bringen, wo sie hoffentlich reden konnten.
Jack war sich nicht ganz sicher, ob er Cooper trauen konnte, hatte aber wohl keine Wahl. Wenn der Mann die Wahrheit sagte, dann hatte er ihm bereits geholfen. Und irgendwo musste vertrauen
ja Anfangen. Trotzdem hielt er immer noch den Griff der Energieklinge umklammert, die er unter seiner Jacke versteckt hielt. Auch um seine noch immer nicht besänftigte Wut ein wenig zu zügeln.
Er wollte die Verantwortlichen. Ob Kommission oder Ministerrat, ganz egal….
Sein Begleiter sah sich mehrmals nervös um, bevor er auf eine Glastür zuhielt, die zu einem etwas heruntergekommenen Haus gehörte. Ein Schild, das kaum noch zu lesen war wies es als Kneipe aus, aber irgendwie bezweifelte er, das noch jemand hier lebte.
,,Veritas filia temporis“ stand in klar
erkennbaren Buchstaben den Türrahmen geschnitzt. Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit.
,, Das ist also tatsächlich die Antwort.“
Cooper sah kurz auf. ,, Hmm… oh ja. Ich weiß gar nicht mehr wer auf die Idee kam, das als erster als Erkennungszeichen vorzuschlagen. “
,, Als erster ?“
,, Na glauben sie wirklich, es gäbe nur Abundius und mich ?“ , fragte Cooper
,, Heißt er eigentlich wirklich so ?“
Die Frage lies Cooper kurz innehalten. ,, Zumindest im Moment. Ich glaube manchmal, er weiß selbst nicht mehr, wie er wirklich heißt.“ , meinte Cooper, als er die Tür aufstieß und ins Innere
trat.
Auf einigen verschlissenen Sitzbänken und an einer heruntergekommenen Theke saßen mindestens zehn weitere Personen, , die alle sofort aufsahen, als Cooper den Raum betrat.
Zwei zogen ohne zu zögern Pistolen, die sie auf die Neuankömmlinge gerichtet hielten.
,, Sie wissen wies abläuft.“ , meinte einer, ein etwas korpulenter , kräftiger Mann mit Glatze, der neben einem schmutzigen Hemd und ausgebleichten Hosen einen kleinen Tablett-Computer trug.
,, Natürlich Ian.“ Cooper legte die Hand
auf das Tablett, das nächsten Moment grün wurde.
,, Willkommen zurück.“ , meinte der als Ian angesprochene. ,,Und der da ?“
,, Ist in Ordnung. Der gehört zu Abundius.“
,, Hand ausstrecken.“ Jack tat was der Mann sagte. Ein kurzer Stich in den Zeigefinder ließ ihn zusammenzucken.
,, Was zum…“
,, Gut, wir haben jetzt ihre Fingerabdrücke und DNA , damit wir wissen, dass sie es sind, wenn sie hier auftauchen.“ Der Mann mit dem Tablett-Rechner drehte sich um und setzte sich wieder an die Bar zu den anderen. ,, Und… ich hoffe für sie, das
der Chef ihnen wirklich vertraut.“
Jack sah sich langsam um. Es gab eine kleine Hintertür im Rückbereich des Raums.
An der Theke, von der sich jeder offenbar frei bediente, saßen neben Ian noch vier weitere Personen. Zwei Männer in Anzügen, die Jack kaum beachteten. Einer hatte einen Aktenkoffer dabei, der andere trank lediglich einen Whiskey und brummte ab und zu ein paar Worte, die der andere mit Nicken oder Kopfschütteln bedachte. Weiterhin eine Frau mit roten Haaren, die sich mit einem anderen Mann mit asiatischem aussehen unterhielt, der wie Jack feststellte wohl zum
Elektorats-Militär gehören musste. Die Uniformjacke wies ihn als einen Unteroffizier aus.
An den Tischen wiederum saßen noch mehr Leute, ein paar davon definitiv ebenfalls Militär-Angehörige, andere offenbar zivil… und eine einsame Gestalt die seine Aufmerksamkeit besonders auf sich zog. Der Mann hatte an den Schläfen bereits ergraute braune Haare, trug einen etwas seltsam anmutenden Schnauzbart und einen Mantel, der fast bis auf den Boden fiel. Darunter waren klar die griffe von zwei Pistolen zu erkennen. Was Jack aber beinahe zu spät auffiel war die kleine silberne Anstecknadel an der linken
Brust. Er konnte es auf diese Entfernung nicht erkennen, aber er wusste, dass die kleine Brosche eine Justitia-Figur zeigte. Das Symbol der Kommission und das hieß….
Der Mann war ein Kommissar!
,, Denk nicht mal dran Junge.“ , meinte die Gestalt ruhig. ,, Deine Hand wäre gebrochen, bevor du auch nur nah genug wärst.“
Jack hatte gar nicht bemerkt, wie seine Finger nach dem Griff des Energieschwerts tastete, als er ein paar Schritte von der Sitzecke des Mannes entfernt stehen blieb.
,, Wollen sie da jetzt rumstehen, oder können wir uns unterhalten ?“ , fragte
der Kommissar. ,, Keine Angst, ich bin aus dem gleichen Grund wie alle anderen hier.“ Jack zögerte noch kurz, setzte sich dann aber langsam dem Mann gegenüber.
Dieser machte eine winkende Handbewegung in Richtung Bar und einer der Anzugträger nickte kurz, bevor er zwei Gläser mit Bier holte und zu ihnen brachte.
,, Danke Jeffrey. Sie sind also der Neue?“
Jack nahm langsam eines der Gläser, während er versuchte den Mann einzuschätzen. Ein Kommissar hier… anders als gedacht machte ihn der Gedanke nicht nur besorgt… sondern wütend. Das war einer der
Verantwortlichen. Oder zumindest jemand, der ihnen so nahe kam, wie das nur möglich war ohne im Ministerium zu sein.
,, Das könnte man so sagen.“
,, Dann heiße ich sie mal willkommen. Ich bin übrigens Falk.“ Falk streckte ihm die Hand hin. Seine Augen, die unter buschigen Brauen fast verschwanden blitzten, als warte er auf etwas Wichtiges.
,, Jack Walt.“ Er schüttelte die Hand wiederwillig. Aber… vielleicht war der Mann doch ganz in Ordnung. ,, Und wenn ich fragen darf… was…“
,, Einen Kommissar in eine Runde wie diese hier treibt ?“ , fragte
Falk.
,, So in etwa.“ Jack verlor einen Teil seiner Wut. Stattdessen trieb ihn nun echte Neugier.
,, Das gleiche wie sie schätze ich. Wir haben beide das wahre Gesicht des Elektorats gesehen mein Freund.“
,, Und was haben sie gesehen , wenn ich fragen darf ?“
Falk musterte ihn kurz, als würde er abwägen, ob er ihm trauen konnte.
,, Es braucht viel, um die Loyalität eines Kommissars zu erschüttern. Vor allem auf Mentalblockern.“ Mentalblocker waren der allgemeine Begriff für die Substanzen, die die Kommissare nahmen um ihre Urteilskraft zu schärfen, wie es
Offiziell hieß. In Wirklichkeit war es nur eine Droge, die sämtliche Gefühle ausschaltete und diese Männer normalerweise in kalte, lebende Maschinen verwandelte. Genau so kalt wie der Ulan, den Jack unter dem Komplex gefunden hatte….
,, Nehmen sie keine mehr?“
Falk lächelte nur traurig. ,, Wissen sie wie das ist, wenn man plötzlich damit aufhört ? Es ist als würde man durch Watte laufen. Es ist keine wirkliche Sucht… aber die meisten Kommissare haben gute Gründe dafür, keine Gefühle mehr haben zu wollen. Viele die Aussteigen begehen einfach Selbstmord. “ Er lehnte sich zurück. Während er
weitersprach. ,, Den ersten Anstoß gaben die internen Ermittlungen. Nach der Sache auf Liurie… wurde ein Kommissar, ein Kollege von mir des Verrats bezeichnet. Das kommt nicht oft vor.“
,, Wer ?“
,, Sein Name war Aaren Terrell. War während der ganzen Sache auf Liurie stationiert glaube ich.
Man kann wohl davon ausgehen, dass er tot ist. Jeder verdammte Soldat und jeder Polizist hat die Anweisung ihn beim Auffinden sofort zu töten. Ist vermutlich schon geschehen, wenn er nicht irgendwo weit weg ist. “
,, Aber das war nicht alles oder
?“
,, Seit einiger Zeit gibt es in der Kommission interne Säuberungen. Kommissare, die ihre Blocker nicht nehme oder auch nur die geringsten Auffälligkeiten zeigen…“
Falk machte eine eindeutige Handbewegung über den Hals.
,, Nicht, das sie es öffentlich machen würden, aber in einer Organisation wo jeder zielgerichtet und logisch denkt… fällt so etwas einfach auf. Ich glaube ja, der Ministerrat will uns einfach alle ersetzen… durch irgendwas, dem er mehr vertraut. “
,, Da könnten sie sogar recht haben.“
,, Nun vor ein paar Monaten Besuchte
mich ein Mann, der sich nur als Abundius vorstellte. Ich denke sie haben ähnliches erlebt wie? Und so bin ich schließlich hier gelandet. So viel eben zu meiner Lebensgeschichte. Und ihre ?“
Jack zuckte die Achseln. ,, Vielleicht nicht ganz so spannend.“
,, Nun, ich höre definitiv zu. “
Jack zögerte kurz. ,, Ich bin in einem Heim für… Sozialweisen aufgewachsen.“
,, Autsch. Das Elektorat nimmt gerne Kinder von… wie soll ich sagen… Abweichlerin in Beschlag. Aber das wissen sie vermutlich selbst? “ , meinte Falk.
,, Ich weiß nicht, ich kann nur hoffen,
dass ich nicht deshalb da war.“
,, Keine guten Erinnerungen ?“
,, Nur wenige. Es ist nicht wirklich so, dass man viel Wert auf uns gelegt hätte. “ , meinte er. Aber die Wahrheit war, dass er sich allgemein nur an wenig erinnern konnte… Bis auf die Flammen.
,, Und dann sind sie beim Elektorats-Militär gelandet um von dort wegzukommen ?“
,, Über Umwege.“ Jack sah einen Moment ins Leere. ,, Über Umwege.“
,, Ich weiß das ich das vermutlich bereuen werde , aber ich fragte trotzdem. Was ist passiert?“
,, Es… nun es gab ein Feuer. Ich bin grade noch so rausgekommen. Die
meisten anderen Kinder… hatten damals nicht so viel Glück.“
,, Das tut mir leid.“
,, Ich kannte die meisten nicht einmal mit Namen.“ So wie er die Ulanen nicht mit Namen gekannt hatte… ,, Es spielt keine Rolle mehr. Es ist lange her.“
,, Sicher ?“
,, So gesehen war das ganze vielleicht ein Glücksfall. Nach dem Brand hat es nicht mehr wirklich jemanden gekümmert wohin ich gehe. Ich habe mich eine Weile auf der Straße rumgeschlagen, bin nie lange an einem Ort geblieben. Immer aufpassen, das einen keine Polizeistreife findet, sie
verstehen?“
Falk nickte. In einer Gesellschaft die angeblich vollkommen Gerecht war…. konnte es keine Obdachlosen geben. Dafür musste man Sorgen.
,, Nun, ein paar Jahre später habe ich dann Arbeit gefunden. Meist Gelegenheitsjobs. Kisten schleppen, einmal eine Einstellung als Wachmann für eine Pharmafirma. Damals habe ich es auch endlich geschafft mir eine Wohnung leisten zu können… und bin das erste Mal von der Erde weg.
Aber auf Dauer war das nichts. Wirklich verändert hat sich alles erst vor ein paar Monaten, als das Elektorat anfing, mehr Leute einzuziehen. Ich weiß nicht, ob sie
schon wussten, was auf Liurie auf sie zukommt, oder ob es einen anderen Grund hatte, aber ich habe mir Gedacht… was kann ich schon verlieren? Tja… und den Rest der Geschichte können sie sich denken. Eines Tages steht ein Kerl mit einem Aktenkoffer vor mir, der sich als Abundius vorstellt. Ist er heute eigentlich nicht hier?“
Falk nickte in Richtung der Tür, die ihm schon vorher aufgefallen war.
,, Der Chef ist immer am Planen, während wir… tja, wir sind die Unverbesserlichen. „
,, Und wie ist Abundisu so ?“
,, Soll ich ehrlich sein ? Ich glaube er ist ein manipulativer Bastard. Aber einer
von der Sorte, die wir brauchen. „
,, Sie trauen ihm nicht ?“
,, Das habe ich nicht gesagt. Wenn ich jemanden zutraue, das Elektorat wirklich jemals zu stürzen, dann ihm. Ich frage mich nur manchmal… wie weit er gehen will. Die meisten von uns sind einfach nur Augen und Ohren aber… wir sind durchaus bereit zu Kämpfen.“
,, Was hindert euch daran ?“
,, Wir sind zu wenige. Mit dem Elektorat können wir es niemals im direkten Konflikt aufnehmen. Wir warten also auf günstige Gelegenheiten… und solange rekrutieren wir weiter und sammeln Informationen, wo es geht.“
In diesem Moment öffnete sich die Tür
und eine einzige Gestalt betrat den Raum. Sofort wurde es fast totenstill.
Jack drehte sich zu der Gestalt um, genau wie alle anderen Anwesenden. Abundius schien sich seit ihrem Treffen auf Vineta nicht sehr verändert zu haben. Nur die dunklen Ringe um die Augen wirkten tiefer.
,, Schön sie hier zu sehen.“ , meinte er lediglich, als er quer durch den Raum ging zu dem Tisch an dem Jack und der Kommissar saßen, dem Abundius kurz zunickte. ,, Falk.“
Der Mann stand langsam auf und Machte ihm Platz, so dass Jack nun Abundius gegenübersaß. Einen Moment musterte ihn der Mann nur schweigend. Dann
schließlich sagte er : ,, Ich schätze sie haben einige Fragen.“
Jack nickte nur. ,, Das können sie glauben.“
,, Und ich schätze… sie haben gesehen, was sie sehen mussten wie ?“
,, Ich weiß nicht , was ich gesehen habe.“ , erwiderte er. ,, Das müssen sie mir vielleicht sagen.“
,, Und ich weiß nicht wie viele ihrer Fragen ich beantworten kann, aber ich werde es versuchen.“ ,entgegnete Abundius. ,, Also, fangen wir an. Es gibt viel zu tun, wenn wir hier fertig sind. Das heißt… wenn sie sich dazu entscheiden uns zu helfen? “
,, Ich habe eine Wahl
?“
,, Ich kann niemanden gebrauchen der nicht voll hinter mir steht Mr.Walt. Das ist keine Drohung, aber etwas, das ihnen klar sein sollte: Sie verlassen diesen Ort nur auf zwei Arten. Als mein Vertrauter… oder in einem Leichensack. Also, stellen sie ihre Fragen und dann sehen wir weiter.“