Romane & Erzählungen
In einem anderen Land - Hommage E. Hemingway III.

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"In einem anderen Land - Hommage E. Hemingway III."
Veröffentlicht am 12. April 2013, 6 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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In einem anderen Land - Hommage E. Hemingway III.

In einem anderen Land - Hommage E. Hemingway III.

Wo der Schuster die schlechtesten Schuhe trägt

 

 

Das Wetter war uns günstig mittlerweile. Andere Umstände weniger. Die von Menschen verbrochenen nämlich. Denn plötzlich hatte sich alles um 100 Prozent verteuert. Die Folge: dass wir uns nunmehr keinen Kaffee mehr leisten konnten. Trotz des Regens! Ich kriegte mich schier nicht mehr ein. Waren wir auf einem anderen Planeten gelandet? Meine Begleiterin klärte mich auf, das hier war die Schweiz. Schweiz, Schweiz: Namen, nichts als Namen! Dann begann ich nachzudenken. Es gab Länder, die waren erheblich reicher als andere. Cool. Vielmehr Mist. Was sollte ich davon halten? Meine Gefährtin, das erste Mal, dass sie sich mir gegenüber überlegen fühlte, schmunzelte immerfort.

 

Ich kriegte diesen Namen „Schweiz“ nicht aus dem Kopf. Musste es solche Unterschiede auf unserem Planeten geben? Da stank zum Himmel, Kuhmist. Die „Schweiz“, was immer das sein sollte und hinter sich vereinte, war eine andere Welt. Interessant.

Meine Begleiterin klärte mich auf. „Hier gehen die Uhren anders, aber richtig!!“ Mir dämmerte allmählich, wie die Zusammenhänge waren, du Hornochse.

„Entweder, Du bist als Schweizer geboren, oder du stellst es besonders clever an und kannst dir die Schweiz leisten.“ Besonders clever anstellen – diese Formulierung stiftete viel Unruhe in mir. Was hieß dies?, verdamm mich. Was sollte übrigens dieser Belehrungston: sie lächelte immerfort so undurchdringlich wissend. Meine Nervosität machte einen Satz nach oben.

 

„Der Herr gab uns Wein, aber kein Brot!“ Hohe Priesterin des Orakels von Delphi hatte sich geoutet. Die Augen waren unnatürlich geweidet und sahen in der Ferne apokalyptische Reiter aufmarschieren. Mir verschlug es den Appetit. Doch der Hunger war stärker. Ein fahler Geschmack blieb zurück. Zu allem Ãœberdruss, der „Istanbul“-Wirt gab kein Wechselgeld heraus. Sei so üblich hier in Genf. Widerlegen konnten wir ihn nicht mangels Vergleichsmöglichkeit, hatten wir doch schließlich nirgendwo hier etwas gekauft. Ich kochte: um zwei Euro geprellt. Daheim hätte ich dafür einen Döner gekriegt. Zu schwach zum Protestieren. (Zuhause führte mein erster Weg zum Dönerimbiss. Ich freute mich wie ein Kind über das Preisschild. 2 Euro ein Döner. Doch gekauft habe ich mir keinen. Seitdem übrigens noch nicht. Kann mir das einer erklären? Als ich übrigen nach Hause ging, kam ich an einem anderen Imbiss vorbei. Dem musste ich noch einen bezahlen. Er würde lange darauf warten müssen. Da ist mir political correctness oder wie das hieß schnurzegal. Gerechtigkeit muss sein!)

 

Schlagartig erinnerte mich das teure Pflaster hier an New York. Penner, Obdachlose, Alkoholiker drückten sich die Nase platt vor den dicken Scheiben der Pubs, in denen feixende Herrchen mit schwarzen Schlips auf weißem Hemden und schwarzen Hosen zähneweiß funkelnden. Hier beobachtete ich sie in den feinen Restaurants und auf den Straßen auf den Cafestühlen. Ich fühlte mich nicht existent durch ihre Blicke, die durch mich hindurchgingen. Ich drängte darauf, schnellstens zu verschwinden. Über die Grenze nach dem anderen, billigeren Ramsch-Euro-Land.

 

Meine Partnerin brauchte kaum etwas zu essen. Das konnte nur mit dem Teufel zugehen! Ich wurde vom Hunger geplagt, getrieben und spähte wie ein Habicht nach billigen Preisschildern aus, wohingegen sie sich ausschließlich an den Sehenswürdigkeiten gütlich hielt. Dabei unterdrückte ständig der dunkle Schatten eines Mitleidsblicks mich Schwächling und Getriebenen, der gleich einem schwebendem Greifvogel, über allem seine Kreise ziehend, nach einem schwachen Mäuschen Ausschau hielt - gleichzeitig aber der Mittelpunkt in einem Zielfernrohr war.

Doch konnte ich nicht anders, als Preisvergleiche herzustellen. Getrieben wie eine Raubkatze, schlich ich um jedes Restaurant, Cafe und Essenslokal, Ausschau haltend nach leichter Beute. Sie dagegen entzückte sich, zu ihrem Glück, stumm an anderen Dingen. Selbst auf einen billigen Döner verzichtete sich ungerührt. Ich begann sie aus den  Augenwinkeln heraus zu beobachten: biss sie nicht die Zähne zusammen wie ich? Als wären wir in einem stinknormalen Urlaub, lief sie entzückt angelockt von einer Schaufensteranlage zur anderen. Ich hasste das freudige Augenglänzen eines unschuldigen Kindes. Wie stark diese Frau sein konnte! Wie jämmerlich schwach ich war!

 

Den Todesstoß versetzte sie mir am Tage unserer Abreise aus diesem überteuerten Land. „Mir ist aufgefallen, dass du in letzter Zeit weniger coole Sprüche loslässt!“ Wir waren dabei, bald die imaginäre Grenze zu überqueren. Ich machte einen verhaltenen Schluck von dem lauen Getreidekaffee aus der Frischhalteflasche.

Mir fiel dazu nichts ein. Es war richtig. Einfach stimmte es. Schlichtweg. Jetzt eben auch!

Mein Blick fiel in den Spiegel auf der Sonnenschutzblende einige Zentimeter über mir. Angewidert verzog ich den Mund darin.

Karikaturisten hätten die wahrste Freunde an diesem Bild gehabt.

Die Karikatur eines üblen Spottgesichtes im Spiegel war ich.

Das verbarg sich also hinter dem Namen „Schweiz“.

 

Buch erhältlich unter:

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