Romane & Erzählungen
Spuren des Lebens

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"Spuren des Lebens"
Veröffentlicht am 11. April 2013, 10 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Spuren des Lebens

Spuren des Lebens

Weggeworfen

Ich ging den Pfad entlang. Mein Gefühl sagte mir, dass er mich an einen besseren Ort führen würde. Die Nacht lag schwarz und kalt über den Feldern und Hügeln. Einmal noch blickte ich zurück. Ich sah das Haus, in dem ich 3 Jahre lang gewohnt hatte. Aber ich empfand nichts- Nichts außer Hass und Angst.

Mein Lebenslauf ist nicht gerade einer, mit dem man sich als 15-jährige bei einem Praktikum bewerben könnte. Meine leiblichen Eltern, Ralf und Annette, sind reich. Sie haben ihre eigene Kaffeerösterei. Ich zweifle bis

heute an der Tatsache, dass die Menschen so viel Kaffee kaufen. Ralf und Annette waren mit mir restlos überfordert. Sie hatten nichts als ihre Firma im Kopf, das war der Mittelpunkt ihres Lebens. Ich erinnere mich nicht besonders an diese Zeit. Vielleicht liegt das daran, dass sie zu meinem 5. Geburtstag zu Ende ging. Das war der 21.September. Dieser Tag war grau und neblig. Ich war sehr zeitig wach, weil ich seit Wochen die Tage bis zu meinem Geburtstag gezählt hatte. Ich suchte mir meine schönste Hose und eine rosa Bluse aus meinem Kleiderschrank. Dann betrachtete ich mich im Spiegel. Ein Lächeln hing auf meinen Lippen. Annette

kam in mein Zimmer. Aber anstatt mir zu gratulieren, sagte sie nur kühl: „Wir müssen los.“  Ich verstand das nicht. Sie ging mit mir zu unserem Auto und setzte mich in den Kindersitz. Sie selbst schaltete das Navigationsgerät ein und fuhr los. Sie redete kein Wort. Die ganzen 3 Stunden nicht. Ich ließ mir das gefallen. Vielleicht wollte sie mich überraschen. Ich sah aus dem Fenster. Wir fuhren durch eine große Stadt. Die Häuser waren so groß, dass ich sie gar nicht auf einmal sehen konnte. Mir schien es, als reichten sie bis in den Himmel. Es war gewaltig. Alles war grau, ich schaute nach hinten, links aus dem Fenster, rechts aus dem Fenster.

Ich weiß noch heute wie meine kleinen Augen das einfach nicht begreifen wollten. Ich wollte nicht begreifen, dass das Grün einfach weg war. Und das Blau des Himmels sich langsam an diese triste Gegend anglich. Plötzlich hielt das Auto an. Wir standen vor einem dieser großen, grauen Häuser. „Steig aus!“ sagte Annette in einem rauen Ton. Sie klingelte und als sich die Tür öffnete traten wir ein. Wir nahmen den Fahrstuhl und fuhren ganz nach oben. Oben angekommen klopften wir an einer Tür und traten herein. Angst machte sich in mir breit. Ich wollte nicht hier sein. Eine Frau setzte sich an einen Tisch. Annette setzte sich zu ihr und ich blieb stehen.

Die Frau war älter als Annette und war grau angezogen; grauer Rock, grauer Pullover, graue Schuhe. Sie begrüßte uns und fing an irgendein Blatt Papier auszufüllen. Sie stellte Fragen und schrieb. Irgendwann war sie fertig. Annette bedankte sich bei ihr, ich stand da und wusste nicht was ich machen sollte. Annette ging zur Tür hinaus. Ich sah ihr hinterher, wollte irgendetwas sagen, aber die Wörter blieben mir im Hals stecken. Tränen schossen mir aus den Augen. Ich sah die graue Frau an, wir waren nun allein. Sie nahm mich in den Arm. Es war das erste Mal, dass mich jemand in den Arm nahm. Wärme machte sich in mir breit. Es war schön

zu spüren, dass da jemand war. Jemand, der mich mochte. Ich wusste nicht wer diese Frau war, aber das war mir für einen Moment egal. Ich genoss den Moment der Geborgenheit.  Aber was passierte jetzt?

An einem anderen Ort

Ich erinnere mich sehr gut an die Worte, die meiner Verzweiflung und der warmen Umarmung der  fremden Frau folgten. „Na komm, Kleines.“ sagte sie. Das war alles. Sie sagte dann ich solle ihr folgen. Und ich tat das. Ich schaute mich in dem Haus um. Es gab nichts an dem ich mich hätte festhalten können, nichts das mir verraten hätte wo ich mich befinde. Es gab nichts, was mir Hoffnung verlieh. Die fremde Frau war die einzige an die ich mich klammern konnte. Meine eigene Mutter hatte mich allein gelassen. Und ich hatte das Gefühl dass das für immer war.
Und dann fuhren wir wieder mit dem Auto. Und wieder sah ich aus dem Fenster und erkannte große, graue Häuser. Häuser die bis in den Himmel reichten. Häuser, in denen Menschen übereinander wohnten, weil die Welt nicht genug Platz hergibt. Es dauerte lange bis ich etwas anderes zu Gesicht bekam. Als wir die Stadt verließen schloss sich ein Wald an, der größer war als alles was ich bisher gesehen hatte. Die Bäume waren so groß, dass ich nicht begreifen wollte wie Gott so etwas erschaffen konnte, wie Dinge so groß und doch gleichzeitig beruhigend sein konnten. Die grauen Häuser hatten in mir ein Gefühl der Bedrohlichkeit ausgelöst, aber die Bäume, welche dieselbe Größe erreichten, waren schön. Ja, sie waren wunderschön. Und ich hoffte, dass das ein gutes Zeichen war.
Als das Auto anhielt standen wir auf einem gepflasterten Hof. Es war so einer, den ich immer in meinen Bilderbüchern bewundert hatte. Einer mit vier Seiten und Wald drum herum. Ich stieg aus dem Auto aus und die Frau ging mit mir zu einer Tür. Wir klingelten und die Tür wurde von einer Frau geöffnet, die aussah wie eine der Bäuerinnen aus meinen Bilderbüchern. Ich sah sie an, und sie sah mich an. Sie lächelte und das gefiel mir sofort. Annette hatte das nie getan. Sie hat mich nie angelächelt und mich auch nie in den Arm genommen, wie es die fremde Bäuerin jetzt tat. Ich fühlte wieder diese Wärme in mir drin. Sie breitete sich in mir aus und machte mich glücklich. Als wir uns aus der Umarmung lösten sagte sie zu mir: „Ich bin Mona und du darfst jetzt bei mir wohnen, wenn du möchtest.“
Ich betrat das Haus. Es zeigte sich ein großer Raum, ländlich eingerichtet, alles war in Rot, Weiß und Braun gehalten. Es sah gemütlich aus, aber doch ein wenig leer. Sie führte mich eine Treppe hoch, einen Gang entlang und dann in einen etwas kleineren Raum. Sie bat mich mit einer einladenden Geste hinein zu gehen. Links neben der Tür stand eine hölzerne Kommode und auf ihr befand sich eine Vase mit Rosen, daneben Bilder von traumhaften Landschaften. Eins davon fiel mir sofort auf. Auf ihm war Sand zu sehen, umgeben von sanften Wellen. Ich war noch nie am Meer gewesen, sondern hatte immer nur davon geträumt. Gegenüber von der Kommode stand ein Bett mit frischem Bettzeug. Ein Plüschhase saß auf dem Kopfkissen und sah mich mit seinen großen Knopfaugen an. Über dem Bett hing eine Fotografie von einem Mädchen, die in einer Blumenwiese lag und den Sommer genoss. Sie sah glücklich aus und ich beneidete sie sofort. Annette hatten meine Blumen nie gefallen. Immer wenn ich ihr welche gepflückt hatte hat sie sie am Abend weggeschmissen. Mich hatte das immer sehr verletzt, aber gesagt habe ich nie etwas zu ihr. Neben dem Bett stand ein Schreibtisch. Er sah noch unbenutzt aus, aber auf ihm lagen allerhand Stifte, Kreiden, Farben und Blätter. Es sah aus als würden sie nur so darauf warten benutzt zu werden.
Mona führte zeigte mir dann noch das ganze Haus. Es war groß und gemütlich. Ich fühlte mich hier wohl, konnte mir aber nicht vorstellen hier für immer zu wohnen. Plötzlich stellte ich fest dass die fremde Frau, die mich hier her gebracht hatte verschwunden war. Sie war genauso verschwunden, wie es Annette vor einigen Stunden war. Ich setzte mich mit Mona an einen kleinen Tisch, auf dem sie Brot, Eier, Käse, Wurst, Salat und Tee serviert hatte. Es sah köstlich aus und mir fiel erst jetzt auf wie viel Hunger ich doch hatte. „Guten Appetit!“ sagte Mona freundlich und lächelte mich dabei an. Ich nahm mir eine Scheibe Brot und legte eine Scheibe Käse darauf. Dazu nahm ich mir noch ein Ei und eine Tasse Tee. Es schmeckte so gut, dass ich gleich noch zu einer zweiten Scheibe Brot griff. Es war noch etwas warm und ich ließ mir jeden Bissen auf der Zunge zergehen. Mona lächelte als sie sah wie sehr es mir schmeckte. Als wir fertig waren half ich ihr noch den Tisch abzuräumen und das Geschirr aufzuwaschen. Sie bedankte sich mit einem weiteren Lächeln. „Du bist doch sicherlich müde, oder?“ fragte sie mich. Ich bejahte und daraufhin begleitete sie mich in mein Zimmer, reichte mir einen frischen Schlafanzug und half mir beim Umziehen. Ich legte mich in mein Bett und sie setzte sich auf die Bettkante. Als ich die Augen schloss spürte ich ihre Hand auf meiner Stirn, wie sie mich sanft streichelte. Ich fühlte mich so sicher wie lange nicht. Ich spürte dass mir nichts passieren konnte, dass ich hier gut aufgehoben bin. Mit diesem Gefühl glitt ich in das Reich der Träume.

Geborgenheit

Ich hörte den Wind pfeifen als ich meine Augen öffnete. Für einen Moment wusste ich nicht wo ich mich befand, doch dann kehrten meine Erinnerungen zurück. Ich stand auf und ging zum Fenster, welches einen Spalt offen stand. Ich sah eine große Birke, sie stand direkt vor dem Fenster und wiegte sich im Wind.
Nachdenklich öffnete ich die Tür und ging zur Küche, in welcher ich gestern schon zu Abend gegessen hatte. Ich sah Mona wie sie Brötchen in den Ofen schob. Es roch herrlich. Ich begriff es immer noch nicht richtig. Vor einem Tag lag ich noch bei Annette zuhause im Bett jetzt war ich hier, bei einer Frau, die ich kaum kannte, bei der ich mich aber ausgesprochen wohl fühlte. Sie war so herzlich, so lieb. Sie hatte nicht diese Gleichgültigkeit an sich, an die ich mich bei Annette erinnern konnte. „Hast du Hunger?“ fragte mich Mona. Ich bejahte und gleich darauf saßen wir zusammen am reichlich gedeckten Frühstückstisch.
Nach dem Essen beschlossen wir, uns die Umgebung anzusehen. Mona wollte mir alles zeigen. Sie suchte mir etwas zum Anziehen heraus und dann gingen wir vor die Tür. Das Wetter war herrlich. Es war nicht besonders warm, aber die Sonne schien und man konnte ganz leicht den Wind auf der Haut spüren. Sie nahm mich an die Hand und so liefen wir ein Stück durch den Wald. Mona fing an, Dinge über den Wald zu erzählen. Sie erzählte mir, dass hier Tiere wohnen, und dass man leise sein muss, um sie nicht zu erschrecken. Von ihr erfuhr ich Dinge über die Welt und das Leben, Dinge, von denen ich glaubte, dass sie wichtig waren.

Vertrauen

(2 Jahre später)
Es waren nun schon 2 Jahre, die ich mit Mona zusammen lebte. Wir verstanden uns so gut, dass ich nur noch ganz selten an Annette und Ralf denken musste, oder an jenem Tag vor 2 Jahren, an dem sich mein Leben von einem Augenblick auf den anderen komplett verändert hatte.
Auf dem Hof, auf dem wir lebten, waren wir nun nicht mehr allein. In der Wohnung neben uns lebte ein Vater mit seinem Sohn. Er hieß Johannes und war 7 Jahre alt, also genauso alt wie ich. Wir verstanden uns super, vom ersten Tag an. Wir kannten uns nun seit 7 Monaten.
Es war Nachmittag, ich hatte gerade mit Mona ein Stück Kuchen gegessen und sah aus dem Fenster. Die Sonne schien und ich wollte nach draußen gehen. Ich fragte Mona, ob ich mit Johannes spielen gehen dürfe. Sie erlaubte es mir. Daraufhin ging ich nach draußen und klingelte an der anderen Wohnungstür. Johannes öffnete mir und kam gleich mit nach draußen. Wir liefen nebeneinander durch den Wald, bis wir zu einem Felsen kamen. Wir kletterten bis ganz nach oben und setzen uns hin. So saßen wir eine ganze Weile. „Warum lebst du hier mit Mona allein?“ fragte er plötzlich. Ich schwieg und schaute auf den Boden. Er legte seinen Arm um meine Schulter. Und dann begann ich zu erzählen. Ich erzählte ihm von Annette und Ralf, von jenem Tag im September, von Mona. Und ich erzählte ihm auch, dass sie jetzt meine Mama war, und dass ich keine andere haben wöllte. Mir lief eine Träne über die Wange. Er ließ mich nicht los, hielt mich fest in seinem Arm. Und so saßen wir da bis die Sonne unterging. Der Himmel färbte sich rötlich und die Sonne verschwand am Horizont.  Ich fühlte mich wohl bei Johannes, auch wenn wir nichts sagten. Er tat immer das Richtige und ich war froh, einen Freund wie ihn zu haben.

 

 

 

 

 

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Betty145

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Betty145 Re: - Vielen Dank, das ist ein guter Ratschlag!
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lachmal  Das hast Du sehr gut geschrieben

Du schreibst aus der Siecht einer 5 jährigen
aber ich klaube wenn du aus der Siecht einer 10 schreibst
es Realistik-er ist nur ein Rat

habe es gerne gelesen, ist auch gut geschrieben .

LG lachmal

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