Romane & Erzählungen
In einem anderen Land - Hommage an E. Hemingway I. - Auto, Mucke-Fuck und Regen

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"In einem anderen Land - Hommage an E. Hemingway I. - Auto, Mucke-Fuck und Regen"
Veröffentlicht am 11. April 2013, 10 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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In einem anderen Land - Hommage an E. Hemingway I. - Auto, Mucke-Fuck und Regen

In einem anderen Land - Hommage an E. Hemingway I. - Auto, Mucke-Fuck und Regen

Auto, Muck-Fuck und Regen

Einer dieser verregneten, trüben Tage. Irgendwo tief in den französischen Alpen. Hohe Berge. Wolkenumhangen. Nebel und Regen. Inmitten einer verfallen wirkenden Stadt.

Ich öffnete den Autoschlag zu meiner Seite. Entgeistert starrten wir auf den stürmisch herab prasselnden Regen. Schauer zogen über die Straßenfläche hinweg wie Vorhänge, die auf- und zugezogen wurden. Dicke Pfützen hatten sich in dem unebenen Straßenbelag gebildet. In der Regengosse sturmflutete das Wasser entlang des Bürgersteigs hinab. Aus der Kanalisation röchelte und gluckerte es.

Nach unten hinaus ins Freie hielt ich die Hand und kommentierte stumm mit einem bitteren Lächeln die Reaktion: lustig zersplitterten Regentropfen auf der Hand.

Schnecke beugte sich vor, als könne sie es nicht fassen: „Sauwetter!“

„Das kannst Du laut sagen!“

„Geh Du da hinaus!“, scherzte ich. „Und hol Kaffee für uns.“

Ein wenig amuster und amüsierter Blick traf mich.

„Sagte der Liebhaber zur Geliebten“, kommentierte sie diese Aussage ironisierend. Ich versuchte diesen Kommentar wiederum zu entkräftigen gleichfalls mittels einer ironisierenden Aussage eines Romans, den wir beide immerfort miteinander schrieben.

„Die Geliebte sagte das zum Geliebten und…“

Auf diese Art und Weise wollte ich meine Aussage ins Reich der Romanze verneinen. Meine Begleiterin und ich kommentierten unser Verhalten und Situationen, in die wir gerieten, eben mittels des Formulierens eines fiktiven Romans. Wir waren die Protagonisten und die zwei Verliebten, von denen gerade einer dem anderen etwas zugeraunt hatte.

Ihr Blick hellte sich auf.

„Äh, in diesem Fall konnte dies niemanden zugemutet werden.“

Besonders gerne mochten wir es, unsere Helden recht unwürdig daherreden zu lassen. Im Falle hier, nicht wie es sich in einem gediegenen Roman gehörte, „Wie-Bitte“ oder „Nun“  zu sagen, sondern ein umgangssprachliches, wenig schönes Wort oder unschönen Ausdruck aus der Slangsprache verwenden zu lassen. Gossensprache nannte man dies auch, und wir saßen schließlich auch mitten drinnen in der Gosse, voilà!

Heldenartig mich gebärdend entgegnete ich: „Ihm war kein Weg zu weit, kein Berg zu hoch, kein Hindernis zu umständlich, um seiner Geliebten die Dornen aus den Rosen zu reißen oder wie immer das heißt, Moment, die Kohlen aus dem Feuer, glaube ich, zu klauben…“

„Angesichts Deiner nassen Kleider kaum. Also lass es lieber bleiben!“

Das klang sehr ernüchtert, so dass ich mich unversehens wieder auf die Füße gestellt fühlte. Wen wundert es, wenn man den nackten Tatsachen ins Augen schauen musste.

„Du meinst, die Polsterung des Beifahrersitzes wird pitschnass sein und das ist nicht gut für das Auto.“ „Genau, ich will keine Sauerei haben heute. Sauerei haben wir schon genug.“

Das entsprach der Wahrheit und klang deshalb sehr überzeugend. Das war alles kein Spaß mehr. Hierunter, unter diesem Schimpfwort „Sauerei“ war natürlich der Regen und seine Auswirkung zu verstehen, der, wenn er nicht ins Auto drang, so doch eine schwül-feuchte Atmosphäre darin produzierte. Das Wenigste waren die grau und feucht beschlagenen Heck- und Frontscheiben. Schlimmer war das unablässig trommelnde Regengeräusch, welches auf Dauer depressiv machte.

Wir lachten und kicherten aber grundlos. Zumute war uns dazu überhaupt nicht. Albern und infantil, nennt man das.

Zu warten, dass sich in der nächsten Viertelstunde ein Umschwung einstellte, wäre hirnverbohrt gewesen. Ich erwog unausgesprochen ein baldiges Suchen der Weite. Ich schwieg, weil Drängen wollte ich nicht. Zum einen waren meine Glieder wie steif gefroren, klamm und leicht unterkühlt. Ein Teil davon war noch gar nicht aufgewacht. Wir hatten wieder einmal unser Zelt mehr abgerissen, denn abgebaut, nicht gefrühstückt und sehnten uns nach einem heißen Kaffe in einem trockenen, gemütlichen Alt-Stil-Cafè à la Francais. Eines davon, ein ganz schnuckeligen, hatte uns gerade zugewinkt, als wir daran vorbeigefahren waren, jedoch in dessen Nähe keine Parkmöglichkeit fanden.

Das waren die Faktoren: trübes Regenwetter und Noch-nicht-Gefrühstückt-Haben, ein Gemisch, das man Trübsinn nennt, so dass wir nur an eins dachten: Kaffee. Und der Wunsch danach hielt uns immer noch hier fest, wartend.

Vor uns lag der Weg zum Glück. Keine Hundertmeter lang. Aber nicht einmal einen Schirm hatten wir. Die schüttenden Kübel Wasser von oben herab hätten jedes Gestell eh sofort zerstört. So gesehen war der Weg vom Parkplatz bis zum nächsten Cafè kein Katzensprung mehr.

Was tun?

Je länger wir warteten, umso abgefuckter fühlten wir uns.

Und das im Urlaub!

 

Wir hatten uns nicht gekämpft durch Regen und Nebel. Es erschien wie ein Kampf um Leben und Langeweile. Wieso fällt mir diese Redewendung hierzu ein? Egal. Das Leben hatten wir verloren, schien mir. Dafür saßen wir mit unserer Langeweile in dieser  Blechkiste statt im edlen, stilvollen Etablissement und quälten uns weiterhin: mithilfe vielem Mucke-Fuck, allerdings selbstgebrauten. Wir machten uns nämlich den „Kaffee“ einfachhalber im Kistenwagen. Gratulation – zwar, unser Gesöff schmeckte immer schaler, je länger es in der Thermosflasche vergor, das ja, aber wir waren nicht nass geworden. Ich wenigstens tat so, als könnten wir jubilieren, dass wir es geschafft hatten, dem Regen getrotzt, indem wir uns sich ihm nicht ausgesetzt und uns selbst ein Lebenselixier gebraut hatten. Trotzdem, es gab einfach nichts gegen einen frisch aufgebrühten Echten, in einem anständigen, schicken Cafè. Aber der Weg dorthin war uns versperrt gewesen. Dafür mussten wir nun büßen: schaler, kalter Chicorée-Kaffee. Kann sich einer etwas Beschisseneres vorstellen?

 

Wie hieß nochmals diese Stadt, fragte ich Schnecke, als wir wieder on the road waren und die braune Kloake hinunterwürgten: Sankt Claude oder so ähnlich. Miststadt, dass es erst dort regnen musste, als wir einen Kaffee am nötigsten hatten. Von Heiligkeit alles andere als die Rede.

Gibt es eine einzige Stadt bei uns, die den Namen eines Heiligen ziert? Glaube nicht. Wie ließ sich nur das in Einklang bringen, was du über dieses Land weißt? Die hatte einmal eine richtige Revolution, keine samtene wie wir. Mit Kopf kürzer machen und so. Nonnen fielen darunter, mit der Begründung: „Weil ihr solch hirnverbrannte Rituale zelebriert.“ Und dann nennen sie eine Stadt nach einem Heiligen. Die spinnen, die Franzosen.

Ich war richtiggehend stinkig auf dieses St. Claude. Dabei konnte sie nichts dafür, dass gerade hier der Himmel seine Schleusen öffnete. Oder doch? Nomen est Omen? Hat dieser Ort einen besonderen Draht zum Himmel wegen seines Namens? Lächerlicher Gedanke. Aber irgendetwas oder irgendwer musste als Prügelknabe herhalten.

Die Reise ging wenigstens weiter. Sehe es so, sagte ich mir, säßen wir dort in einem Cafè, tränken wir zwar frischen Kaffee, aber wären nicht hier, wo wir jetzt waren, ein Stück weiter weg von dieser vermalefixten Heiligen Stadt und weiter voran um diese runde Welt, diese verkorkste.

(Ãœbrigens, den Vogel schoss noch lange nicht dieses Land ab. Ach, was war ich da noch so etwas von unwissend und ahnungslos!)

 

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