Romane & Erzählungen
In einem anderen Land - Hommage an E. Hemingway II

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"In einem anderen Land - Hommage an E. Hemingway II"
Veröffentlicht am 11. April 2013, 6 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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In einem anderen Land - Hommage an E. Hemingway II

In einem anderen Land - Hommage an E. Hemingway II

Auf dem Zeltplatz

 

Nachts im Zelt, das wir unter größten Mühen im strömenden Regen aufgebaut hatten, trommelte derselbe auf uns herab wie sämtliche afrikanische Bongos. Als ich meine Reisegefährtin umschlingen wollte, sagte sie: „Nicht so stürmisch!“ „Entschuldigung, bei dem Wetter!“ Sie ließ nicht locker. „Wir sind schon nass bis unter die Haut!“ „Dann ist es eh schon egal!“ Sie kicherte darüber, ganz Vollweib, das weich wird, wenn man aufs Ganze geht. Dann machte ich es auf die sanfte Tour. Geht auch. So konnten wir wenigstens bald einschlafen unter lautem Getrommle.

 

Meine Partnerin gesteht mir, dass sie froh sei, mit mir, einem männlichen Reisegefährten, unterwegs zu sein. „Bei den vielen Männern auf diesem Zeltplatz hier.“ Sie ergänzt und schränkt ihre Aussage folgendermaßen ein: „Wie sind zwar nicht der Hit auf diesem Zeltplatz...“ Ich sage: „Du vielleicht nicht...“

Alles an uns war nass: die Kleider, das Zelt und das Auto. Dass mittlerweile die Sonne herausgekrochen war, ließ die Dinge widerwärtig an unserem Körpern haftend, klebrig und stockig anfühlen. Niemand wurde von diesem Anblick magnetisch angezogen. Der Abstand, wir zu ihnen und umgekehrt, war nachvollziehbar.

Dann erzählt sie mir von ihrem letzten Trip.

Stell Dir vor, du bist allein, in einem fremden Land, auf einem Zeltplatz, fern von Heimat und Muttersprache. Überall herum sind fremde Menschen mit fremden Zungen etwas sprechend, was du nicht verstehst. Selbst wenn Du um Hilfe schreist, musst du befürchten, werden sie dich nicht verstehen. Werden gar denken, es handele sich um Schreie der Lust und sie werden kopfschüttelnd über diese schamlosen Ausländerin sich abwenden.

Der Gedanke schnürt dir die Kehle zu.

Mutterseelenallein bist du zwar nicht, eine Freundin begleitet dich. Aber oje, sie scheint die Situation zu verkennen, nimmt es auf die leichte Schulter, vielleicht, weil sie naiv ist.

Deine Kehle schnürt sich noch ein Jota weiter zu.

Also, das ist die Lage: zwei Frauen, in einem kleinen Zelt, umgeben von vielen jungen Männern! Von fast nur jungen Männern. Die anderen in der verschwindenden Minderheit können zudem deine Sprache nicht verstehen. Du bist Ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Die imaginäre Schlinge um deinen Hals zieht sich nunmehr schmerzhaft zu. Schon ringst du nach Atem.

Jetzt liegst du im Zelt. Der Mond spendet Licht. Unter diesen Umständen ist es selbst für ungeübte Mörder, Verbrecher und Vergewaltiger ein Leichtes, sich unerkannt über den Zeltplatz anzuschleichen, von einem Baumstamm und zum anderen springend.

Über dem Zelthimmel huschen die sich wiegenden Baumwipfeln sowie das Geäst wie bei einem hektischen Schattenspiel. Verdammt, das ist kein Spiel. Obwohl die Blätter obendrein ein unterhaltsames, bei näherem Hinhören allerdings schauriges Klangspiel vollführen.

Was, wenn jetzt einige dieser Kerle mit scharfen Messern unsere Zelte aufschlitzten, zur Mitternachtszeit,  wenn wir längst selig schlummern, vielmehr gerne schlafen wollen, wie jetzt… Da, ein Schatten, die unverkennbare Gestalt eines Menschenkopfes ist über den Zelthimmel gehuscht. Er hat sich bestimmt jetzt geduckt, in den Füßen eingeknickt, wie das Indianer machen, wenn sie sich kleinstellen, aber immer noch sprungbereit sein wollen. Nur noch eine Frage von Sekunden, wer zuerst aufspringt. Das aber kann lebensentscheidend sein und manchmal, wie hier, ist Angriff die beste Verteidigung.

„Ich sprang aus dem Zelt, öffnete den Schlag unseres Autos und klemmte mich angstschlotternd hinter das Steuer, bereit jederzeit verbissen auf die Hube zu drücken, sollten die Vergewaltiger über mich herfallen. Ich sag Dir, ich hatte selten solche Angst in meinem Leben!“

Ich unterdrückte ein Gähnen, um nicht unhöflich zu erscheinen.

„Wie lange warst Du in der Blechkisten eingesperrt?“ Ich implizierte schlicht, dass sie sich in ihrer Torheit auch noch selbst eingesperrt hatte.

„Bis die Angst wieder verflogen war... Natürlich die ganze Nacht!“

Ich musste mich beherrschen, um nicht aufzulachen.

„Bist du wenigstens darüber eingeschlafen?“ Ein bisschen Ironie schadete nicht. Wer so dumm war, verdiente nichts besseres.

„Wo denkst Du hin?“

Schnecke, das will ich dir lieber nicht auf die Nase binden, denke ich amüsiert und verstecke mein Schmunzeln hinter einer zum Mund geführten Tasse.

„Und Deine Begleiterin, selig geschlafen wie ein Murmeltier unterdessen?“

„Ja“, kleinlaut.

Ich hätte wirklich nur voll herausprusten mögen, egal, die vorgehaltene Tasse dabei zersprang. Wer sich so standhaft weigerte, die Sprache seines Urlauslandes selbst nur oberflächlich zu lernen, verdiente es so.

 

Buch erhältlich unter:

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