Was wärst du für deine grösste Liebe zu tun bereit?
Phye Arynn hiess die älteste Tochter des Königs Jlítum's. Er herrschte über das Königreich Lavandia, und da sie eine bedeutende Persönlichkeit war, wurde ihr einiges beigebracht. König Jlítum hatte schon früh angeordnet dass man ihr das Sticken, Weben, Lesen und Schreiben beibrachte. Aber ihre erste Mutter, diese die sie zur Welt gebracht hatte, wusste dass anderes ebenfalls wichtig war. Schon früh hatte sich die Prinzessin für die magischen Künste begeistert, und ihre Mutter hatte sie zu einer alten Frau, welche nahe am Dorfrand hauste, geschickt, um sie zu unterrichten. Phye Arynn's Mutter wusste dass ihre Zeit bald kommen würde, hatte ihre Lieblingstochter darauf vorbereitet, indem sie sie zu der alten Magd schickte. Dank der alten Frau beherrschte Phye schon früh die Magie des Feuers, und nun auch ein wenig die des Wassers, obwohl die Zauberei eigentlich nur den Männern vorbehalten war.
Schon früh hatte die Königstochter angefangen die fremden Wesen kennen zu lernen. Die Tiere mochten die Prinzessin, welche nun schon 15 Jahre alt war. Sie liebte die Natur, behandelte die Wesen mit Respekt. Selbst die Drachen, welche sonst nur in den Lüften verweilten, flogen herab und umgarnten die Tochter Jlítum's mit ihren Farben. Früh hatte Phye Arynn gelernt zu reiten, ob zu Pferd oder zu Drache.
Ihr wurde Gehorsam beigebracht, welche sie genug zeigte, um nicht in Schwierigkeiten zu kommen, denn sie war ein gescheites Mädchen. Trotz allem war sie verträumt, konnte stundenlang auf den Wiesen des Landes sein, was ihr doch nicht erlaubt war.
Ausserdem tanzte Phye Arynn gerne, bei allen Festlichkeiten der Stadt war sie zu sehen, und von den Menschen wurde sie ebenso gemocht wie von den Tieren, denn sie hatte ein reines und offenes Herz. Ein offenes Ohr für Leidende, denen sie half wo sie nur konnte, und eine Menge Willenskraft, womit sie jeden zu schlagen vermochte, der ihr im Wege stand.
Phye war gross, was für das Volk Lavandia's, welches hauptsächlich aus Elben bestand, wovon Phye ebenfalls eine war, nicht ungewöhnlich war. Ihre Beine waren dünn, ihr Oberkörper ebenfalls schmal, aber wohlgeformt. Sie hatte lange braune Haare, welche kräftig, aber leicht zu bändigen waren. Diese formte sie meist zu kunstvollen Frisuren, die sie von ihren ersten Mutter erlernt hatte. Ihre Haut war bleich, obwohl sie sich oft in der Sonne befand, und trotz ihrer dünnen Figur war sie kräftig, was man ihr nicht zutraute.
"Phye, Papa sucht dich schon überall. Du sollst in den grossen Saal kommen." Phye's kleine Schwester Deranta lief vorsichtig über die Wiese, den Blick auf den Boden geheftet, um ja nicht in einen der Tier-Fladen zu treten, die überall herumlagen.
Phye nickte und kletterte von dem niedrigen Zaun herunter: "Warte, kleines. Ich komme zu dir." Die beiden Mädchen liefen Hand in Hand von der grossen grünen Wiese, wo die Tiere sie umringten, zu den Burgmauern. Die Wachen sagten schon lange nichts mehr darüber, dass Phye sich ausserhalb der Mauern aufhielt. Die beiden liefen geschwind durch die langen Flure und Gänge, bis sie bei einer grossen Eichentüre ankamen, welche ein feines Schnitzmuster verzierte. Die Wachen stiessen die grossen Türen auf, Phye strich sich das Kleid glatt und trat ein. König Jlítum sass auf seinem Thron und sah auf: "Phye Arynn, ich habe dir doch verboten du darfst dich nicht bei den wilden Tieren auf der Wiese aufhalten."
Phye senkte den Kopf: "Tut mir leid, Jlítum."
König Jlítum's Kopf bewegte sich ruckartig zuerst auf die eine Seite, und dann auf die andere: "Immer diese Entschuldigungen! Das ist wirklich unglaublich, wie du das immer aushältst. Du solltest dich mit anderen Tätigkeiten beschäftigen."
"Natürlich, Jlítum."
"Natürlich, dies höre ich wieder und wieder von meiner Tochter, aber etwas ändern tut sie nicht daran."
"Heute Abend ist ein Fest in der Stadt. Ich wollte fragen ob ich dieses wohl besuchen könnte."
"Ich erlaube es dir. Aber wenn ich dich noch einmal auf den Wiesen sehe, wird das aufhören."
"Natürlich, Jlítum." Phye trat zurück und trat durch die grosse Türe.
Sie grinste verschmitzt und Deranta fragte: "Darf ich auch mit zu dem Fest?"
Phye nahm ihre Hand und die beiden liefen in den westlichen Turm, wo die Zimmer Deranta's und Phye's lag: "Natürlich. Wenn ich darf, darfst du auch." Sie stiess einen Raum auf, wo die Kleider beider Prinzessinen hingen und sagte: "Dann suchen wir uns eines aus. Aber ich werde nicht lange verweilen."
"Wo gehst du hin?"
"Zu Madge."
"Wer ist Madge?"
"Du merkst dir den Namen immernoch nicht? Madge ist die ältere Frau, zu der Mama mich mitgenommen hat."
"Darf ich auch mitkommen?"
"Nein, tut mir leid. Vielleicht ein ander Mal."
"Na gut."
Phye hielt ein langärmliges blaues Kleid vor Deranta: "Dieses würde hübsch aussehen."
"Welches ziehst du an? Dieses hier?" Deranta hielt ein schulterfreies rötliches Kleid hoch und sah ihre Schwester fragend an.
Phye nickte: "Ja. Kannst du zusehen dass mir niemand nachläuft?"
Deranta antwortete: "Natürlich."
"Danke."
Wolken zogen auf in Suas'Anoor, doch noch regnete es nicht. Im Schloss von Suas'Koor war ein großes Fest angekündigt worden. Varmir SoGuhlrim, der jüngste Sohn König Sothrins würde heute Abend nach langer Zeit wieder nach Hause kommen. Zwar hatte er, ebenso wie seine Brüder Soruthin, der Thronfolger, Virodrin und Sirthur, sowie seine ältere Schwester Varinaruja ein Recht darauf im Hause des Königs zu leben, doch war er schon vor einigen Jahren zu seinem Meister Frokrin Salruhn in den Wald gezogen.
Dieser unterrichtete den Jungen in der Magie der Elemente, damit der junge Magius sich und seine Kräfte lernte zu beherrschen. Nicht immer hatte er es damit einfach. Denn Varmir war ein sehr verschlossener Junge. Er redete kaum mit anderen - selbst die Gesellschaft Frokrins, welchen er oft als seinen einzigen Freund ansah, mied er oft. Stattdessen ging der Junge lieber seinen eigenen Sachen nach. Er war dabei aber weder unintelligent noch schwach, doch bevor er lernte und trainierte, strich er eben lieber in den Wäldern um Frokrins Hütte oder suchte sich andere Herausforderungen. Nicht selten beschimpften ihn die Bürger Suas'Anoor deshalb als arrogant, doch Frokrin wusste es besser, mochte Varmir einen nämlich, so konnte er zumal auch sehr herzlich werden - sein schwarzer Humor jedoch blieb. Dennoch, er gehorchte seinem Meister, den Varmir wusste, dass er auf den Mann angewiesen war. Ohne ihn würde er weder die Magie des Wassers, noch die der Erde beherrschen. Zudem hätte er wohl wenig Ahnung von der wahren Bedeutung seiner Wesensart, des Magius.
Klar, in einem Reich, welches von Magius beherrscht wurde, legte man jedem Bürger nahe, was diese Wesen waren, doch hatte sich Suas'Anoor so sehr in die dunklen Künste verstrickt, dass nur noch wenige den wahren Wert der Magius kannten. Jemand wie Frorin zum Beispiel.
Die Vorbereitungen in der Stadt waren in vollem Gange, denn unter den Prinzen, mit Ausnahme des Thronfolgers, war Varmir der Liebling des Volkes, trotz seiner meist kühlen und distanzierten Art. Die Mädchen steckten sich in die schönsten Kleider, immerhin ging dass Gerücht um, dass der König wieder einmal eine Frau für seinen Jüngsten suchten. Die Jungs suchten nach Geschichten, welchen den Prinzen beeindrucken könnten, wie schön wäre es doch seine Anerkennung zu haben. Unter all diesem Trubel viel es ihnen gar nicht auf, wie sich eben dieser Prinz mitten durch sie hindurch zum Schloss schlich.
Er trug, wie fast jeden Tag - es sei denn er hielt sich bei seinem Vater im Schloss auf - eine weite grüne Robe. Diese sollte ihn mit seiner Magie verbinden, doch viel praktischer war, dass sie seinen muskolösen Körper gut versteckte, so dass er beinahe überall ungesehen hinkam. Die silberschwarzen Haare, die Varmir wie alle Mitglieder der Königsfamlilie Hüftlang turg, waren auch heute wieder zu einem Zopf gebunden, er hatte sie unter die Robe und seinen Umhang gepackt, so dass er dadurch nicht verraten wurde. Den kleinen Kopfschmuck, welcher einer schlichten aus Holz geschnittenen Krone glich, trug der Junge heute in der Hand. Die goldgrünen Augen suchten die Umgebung ab, die rechte Hand - an der durch einen Unfall zwei Finger fehlten, hatte er tief unter dem Umhang vergraben.
So schaffte Varmir es bis zu den Toren des Palastes, dort wurden sowohl seine markanten Gesichtszüge, wie auch seine Gestallt an sich erkannt. Sofort verneigten sich die Wachen und öffneten das Tor. "Prinz Varmir! Schön sie wieder zu Hause zu sehen!", sprachen sie beinahe aus einem Munde.
Dieser nickte ihnen nur kurz zu - schon war er durch den offenen Spalt geschlüpft, bevor sich das Tor ganz öffnen konnte. Drinnen angekommen eilte er schnell über den großen Platz auf den Eingang des richtigen Palastes zu.
"Varmir!", die erfreute Stimme seines großen Bruders Virodrin ertönnte rechts von ihm. Als er seinen Kopf drehte, blickte er in das fröhliche Gesicht des Kriegers.
"Virodrin!", er stoppte und ging stattdessen zu dem schwarzhaarigen Mann. Dieser nahm den gut einen Kopf kleineren Jungen fest in die Arme.
"Sieh mal einer an, du bist noch immer nicht kräftiger geworden!", scherzte er.
"Ist auch schön dich zu sehen", meinte Varmir leicht beleidigt. Ja gut, sein Bruder hatte wahrscheinlich doppelt so breite Schultern und dreifach so viele Muskeln wie er, doch ihn schwach zu nennen, das war nicht fair.
"Ach, jetzt sei nicht so! Du bist früh dran", meinte Virodrin, er hatte den Arm um die Schultern des jungen Prinzen gelegt und war mit ihm Richtung Eingang gegangen.
"Wir konnten schneller reiten, als erwartet", kurz sah sich Varmir um, "Vater hat doch nicht vor, mir schon wieder eine Frau suchen zu wollen...oder?", fragte er dann leicht entgeistert.
"Du kennst unseren Vater. Nädchsten Monat steht deine Mannesreife an - und noch immer keine Frau in Sicht!", grinste Virodrin, noch bevor Varmir etwas erwidern konnte, fügte er hinzu, "sei nicht so streng zu unserem König."
"Wenn du meinst...", murrte er.
"Ja, das meine ich. Und jetzt beeil dich. Er wird schon auf dich warten. Deine Ankunft hat sicherlich bereits die Runden gemacht!", damit gab Virodrin ihm einen Klaps auf den Hinterkopf und bog in den rechten Gang neben der Haupttreppe ab - also Richtung Waffenkammer.
Varmir nickte, dann sah er zur Treppe. Er schluckte. Was würde sein Vater wohl sagen? Sie hatten sich ja schon eine Zeit lang nicht mehr gesehen. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen, stieg er die Treppe hoch.