Beschreibung
Nur eine kleine 'Szene', die mich bewegt und beschäftigt hat.
Das kleine Mädchen sitzt da, allein. Nicht einmal fünf Jahre alt. Ein altes Fotoalbum neben ihr. Streicht mit ihren kleinen Fingern über alte Fotos, fragt sich wer die Leute sind. Endeckt ein Foto einer Frau, ist öfters im Album zu finden. Scheint wichtig zu sein. Das Mädchen nimmt das Foto heraus, ein Portrait. Das Papier ist älter, verknittert, nass geworden. Eine Ecke weggebrannt, als hätte Jemand versucht es loszuwerden, sich davon zu befreien. Wiegt es hin und her in ihren Händen, fährt die Gesichtszüge nach. Die Kleine meint die Frau zu kennen. Dreht das Foto um, Zahlen auf der Rückseite. Ein Datum, kommt dem Mädchen bekannt vor. Dahinter ein Kreuz, versteht die Bedeutung nicht. Die Mutter betritt den Raum, fragt was die Kleine da tut. Das Kind will wissen, wer die Frau sei. Meine Schwester, sagt sie. Ihr Gesichtsausdruck ist seltsam. Sie versucht etwa zu verbergen, scheint zu gleichgültig. Wo ist sie jetzt, fragt das Mädchen. Im Himmel, ist die Antwort. Bemüht, keine Miene zu verziehen. Setzt sich auf einen Stuhl, bettet die Hände im Schoß, aber sie zittern dennoch. Aber, wie ist sie dahin gekommen? Ist nicht wichtig, nichts ist wichtig. Die Augen der Mutter werden traurig. Sie wirkt nachdenklich. Scheint in Gedanken versunken.
Mama? Warum steht auf dem Foto mein Geburtstag? Schweigen. Mama? Sie scheint am Rande der Tränen. Schatz, vergiss das einfach. Ist nicht wichtig.
Ich will das aber wissen! Das kleine Mädchen ist zu neugierig, zu stur. Verschränkt die Arme vor der Brust und stampft mit einem Fuß auf den Boden. Das ist zu viel. Die Mutter steht auf, ballt die Fäuste. Tränen färben ihr T-Shirt ein. Sie ist wütend. Kann sich nicht beherrschen, fängt an zu schreien. Wieso seid ihr Kinder nur immer so dumm? Wieso müsst ihr alles wissen? Reicht es nicht, dass du Schuld bist? Gott, verdammt, das ist nicht dein Geburtstag! Das ist ihr Todestag! Wärst du nicht gewesen, würde sie noch leben! An deiner Stelle sollte sie hier sein! Du hast sie aus dem Leben gerissen!
Sie sinkt in sich zusammen, schlingt die Arme um die Knie, beginnt zu schluchzen. Das Mädchen ist wie versteinert. Steht da, sagt nichts, kann nicht denken. Hört nur immer wieder die Worte. Es ist ihre Schuld. Sie sollte an ihrer Stelle hier sein. Einen Moment später entschuldigt sich die Mutter immer wieder, sagt, sie hätte es nicht so gemeint, sie sei außer sich gewesen, hätte nicht darauf geachtet, was sie sagt. Zu spät. Das Mädchen sollte die Worte nie vergessen.