Daniel Frost hatte nicht vor gehabt, nach Metis zurück zu kehren. Dem großen Fehlschlag der Menschheit. Die dritte und gleichzeitig ambitionierteste Kolonie außerhalb des Sonnensystems war innerhalb weniger Jahre zum Desaster geworden und zu seinem eigenen Alptraum. Um sein Leben zu retten beschließt er jedoch eine Expedition zu der vergessenen Welt zu begleiten. Nichts ahnend, dass es ein Einmalticket Richtung Hölle sein würde. Denn die Menschheit ist nicht länger die Spitze der Evolution.
Eine grünliche Kugel schwebte inmitten der Dunkelheit, umgeben nur von ein paar einzelnen Sternen und einer bläulich glühenden Sonne. Metis und die anderen Planeten, die sich um den Stern des Systems drehten,der wiederum seine äonenlange Reise um das Zentrum der Galaxie vollführte, wie sie es vermutlich seit Milliarden von Jahren taten, während Imperien aufstiegen und fielen und ganze Zivilisationen und Kulturen sich im Dunst der Geschichte verloren. … und auch weiterhin tun würden, bis die letzte Zivilisation sich im Staub auflöste.
Das All über Metis verzerrte sich, , Sterne schienen schlagartig ihre Position um mehrere Grad zu verändern, als etwas mit Gewalt die Realität auseinanderriss und wieder zusammenfügte.
Die Starchaser fiel zurück in den Normalraum und schwebte bewegungslos im Orbit des Planeten.
,, Das war… schlimm.“ Er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war. Es schein ihm wie eine Ewigkeit.
,, Ach kommen sie, das waren dreißig Minuten.“ , meinte Weiß.
Daniel antwortete tastete unter seiner Kleidung nach seinem Notizbuch, als er aus dem Fenstern sah. Vor ihnen lag es also… Metis. Er hatte nicht vorgehabt, noch einmal hierherzukommen. An seien Abreise von hier konnte er sich nur Bruchstückhaft und mit der Ungenauigkeit eines Kindes erinnern.
Es schien lange her, aber nicht lange genug. Trotzdem hatte der Planet unter ihnen etwas Faszinierendes und das wollte er mit ein paar schnellen Bleistiftstrichen festhalten.
,, Was machen sie da ?“ , wollte Samuel wissen.
,, Etwas Zeichnen.“ , gab er knapp zurück. ,, Ich denke, ich führe Tagebuch.“
,, Also.“ , fragte Samuel. ,, wann können wir runter ? Bevor irgendjemand von den Wissenschaftlern auch nur einen Fuß da raussetzt, will ich mich erst mal umsehen.“
,, Es gibt da unten keine Tiere, oder etwas, das Gefährlich wäre. Von dem… bekannten… einmal abgesehen.“ , meinte Daniel.
,, Davon, überzeuge ich mich erst einmal selbst.“
,, Dann gedulden sie sich aber trotzdem, bis ich einen Landeplatz für sie gefunden habe.“ , erwiderte Weiß. ,, Da unten ist alles ein riesiger Wald.“
,, Schon klar Ruby.“
,, Was ist mit der Kolonie ?“ , fragte Daniel.
,, Was soll damit sein ? Nach zehn Jahren ist da unten sicher nichts mehr viel übrig.“ , stellte Samuel fest.
,, Vielleicht nicht, aber möglicherweise gibt es noch ein Lichtung. Oder…“
,, Sie glauben, das da unten noch jemand sein könnte ?“ , fragte Weiß.
,, Ich hoffe es… vielleicht. Ich meine, wir hatten seit Jahren keinen Kontakt mit der Kolonie und einige sind hier geblieben, also…“ Er zuckte die Schultern. Es war wohl wirklich unwahrscheinlich.
,, NA ja, es kann nicht schaden.
Ruby Weiß wendete sich an einen der anderen Mitarbeiter auf der Brücke. ,, Scannen sie mal die Position der ehemaligen E.D-Kolonie, vielleicht finden sie ja was. Möglichst eine Lichtung groß genug für ein Orbitalshuttle.“
Der Mann begann sofort damit, auf einer Schalttafel, die eine Momentaufnahme des Planeten zeigte, einige Einstellungen vorzunehmen.
,, Na bitte, sieht aus, als gäbe es da unten tatsächlich eine freie Fläche… und so wie es aussieht, ein paar Gebäude, aber von hier oben lässt sich das schlecht beurteilen, die Bäume verdecken alles.“
,, Dann gehen wir runter.“ , sagte Samuel. ,, Ich rufe das restliche Sicherheitsteam in den Hangar und los geht’s.“
,, Ich komme mit.“ , sagte Daniel. Bei dem Gedanken dort unten zu sein war ihm zwar nicht grade wohl, aber er wollte es hinter sich bringen.
,, Sicher ? Das Beste wäre, sie blieben hier. Zumindest fürs erste.“
,, Ich bin dabei.“ , sagte er entschieden.
,, Also gut, in einer halben Stunde am Hangar, und… ziehen sie sich warm an, die Temperatur da unten ist nicht grade angenehm.“ , meinte Samuel und macht sich auf den Weg.
,, Minus vier grad um genau zu sein.“ , ergänzte Weiß.
,, Als ob ich das nicht wüsste.“ Eine halbe Stunde… etwas wenig zeit, aber es würde reichen müssen.
,, Also, sie sind hier aufgewachsen ?“ , wollte Weiß wissen.
,, So ziemlich, na ja… halb. Nachdem hier alles dichtgemacht wurde dann natürlich auf der Erde.“
,, Ich weiß nicht, ich stelle mir das komisch vor. Ich meine von der kleinen Kolonie zur Sprawl-City.“
,, Ich war noch ein Kind… und nun, wie sie schon sagten, ich bin der Freak.“
,, Das war nicht böse gemeint, aber es hat mich interessiert.“
,, Na ja und jetzt… bin ich wieder hier. Ich hoffe einfach, nicht auch noch hier sterben zu müssen.“ , meinte Daniel. ,, Aber vermutlich sollte ich Samuel nicht warten lassen.“
,, Der hat Geduld.“ , erwiderte Weiß. ,, Hat mal drei Tage auf einem Bergkamm ausgehaart.“
,, Klingt nach einer guten Geschichte.“
,, Eigentlich nicht, es endete damit, dass er seinem Auftraggeber eine Kugel in den Kopf verpasst hat.“
Genau eine halbe Stunde später stand Daniel in der Hangarbucht des Schiffs, eine schwere Jacke über den Schultern und einen kleinen Rucksack in der Hand. Er hatte nicht viel mitgenommen, wollte aber auch nicht komplett ohne Ausrüstung auftauchen.
Neben Samuel, der eine gepolsterte, schusssichere Weste trug und sei Waffenarsenal um eine leichte Maschinenpistole erweitert hatte, befanden sich drei weitere Personen im Hangar. Die vier standen vor einem Shuttle und waren grade damit beschäftigt, einige Kisten im Innenraum des Transportschiffs zu verstauen.
Zwei Männer, in dunklen Anoraks mit E.D Logo, die ebenfalls mit Maschinenpistolen bewaffnet waren und ein dritter, der selbst Samuel um einen Kopf überragte und Daniel abfällig musterte. Sobald er ihn bemerkte.
,, Der da, ernsthaft ?“ , fragte er spöttisch. ,, Samuel, sie sind der Boss, aber wenn der Mitkommt… wenn einer draufgeht, wird uns das vom Gehalt abgezogen.“
,, Was wollen sie damit sagen ?“ , fragte Daniel.
,, Ich will damit sagen, dass sie nicht hier zu suchen haben.“ , erklärte er. ,, Wenn sie über ne Wurzel stolpern und sich das Genick brechen, is das leider auch mein Problem.“
,, Das ist Daniel Frost, Thomas, keine Sorge, ich schätze er kommt klar. Oder Daniel ?“ Samuel sah ihn fragend an, als würde er auf etwas warten.
,, Sicher.“ , erwiderte er nur.
,, Na klar… geht aber auf ihre Kappe.“
Daniel hatte langsam genug davon sich beleidigen zu lassen. Normalerweise störte es ihn nicht, was andere von ihm dachten, aber der bullige Mann, der sich Thomas nannte, schien nicht locker zu lassen.
,, Ich hoffe , das überzeugt sie.“ , meinte er. Daniel wusste nicht, ob es funktionieren würde. Bis zu dem Moment, an dem er das Gefühl hatte, sich plötzlich selbst zu beobachten. Im nächsten Moment hoben die Füße des Mannes einen guten halben Meter vom Boden ab.
Thomas ließ einen überraschten Aufschrei hören und zappelte, wie ein Fisch an der Angel.
,, Ok, Ok… Daniel, das ist genug der Show, lassen sie ihn runter.“
Einen Moment fürchtete Daniel, es nicht zu können. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich selbst zu zwingen, die seltsame Verbindung zu seinen…. Fähigkeiten… wieder zu kappen und die Kontrolle zurückzugewinnen. Ein kleines Blutrinnsal lief ihm aus der Nase. Er achtete nicht wirklich darauf.
,, Und ?“
Thomas erwiderte nichts, sondern sah ihn nur weiterhin fassungslos an, genau wie die beiden E.D-Männer. Er fragte sich kurz, ob das komplette Sicherheitsteam um Samuel von Earth Development gestellt wurde, oder ob der Mann ein paar eigene Leute an Bord geholt hatte. Homas schien so gar nicht in das Bild passen zu wollen, das er von einer seriösen Sicherheitstruppe hatte.
,, Können wir jetzt vielleicht los ?“ , fragte Samuel. ,, Und mit ihnen ist alles in Ordnung ?“ , wollte er von Daniel wissen.
,, Soweit schon.“ , erwiderte er und wischte sich das Blut ab. ,, Das hört gleich wieder auf.“
Einige Minuten später löste sich ein kleines Shuttle von der Starchaser. Das Schiff wirkte im Vergleich zu dem kleinen Transporter noch riesiger, als es ohnehin war und wieder fragte sich Daniel, ob E.D sich nicht zu viel von dieser Expedition versprach.
Oder… was er sich hiervon versprach… Es schien doch unwahrscheinlich, dass sie viel finden würden.
Die Wissenschaftler auf der Erde hatten Jahre gehabt.
Das Shuttle beschleunigte unmerklich und ein kleiner Ruck ging durch das innere, als sie das künstliche Schwerkraftfeld des Schiffs Verliesen.
,, Also, unser erster Schritt wird sein, die Landezone zu sichern, danach verteilen wir uns in einem Radius von zwei Kilometern. Sie und Thomas gehen nach Norden“ Samuel deutete auf einend er E-D-Securities. ,, Sie dagegen bleiben mit dem Piloten beim Shuttle und passen auf.“ , wendete er sich an den zweiten. ,, Ich und Daniel sehen und an, was von der Kolonie übrig ist. Mit etwas Glück reicht es um ein paar Leute dauerhaft auf dem Planeten unterzubringen.
Funkkontakt alle fünf Minuten, wenn sie sich länger nicht melden können, erwarte ich vorher eine Warnung. Haben das alle Verstanden?“
Daniel nickte und auch die übrigen taten es ihm gleich.
,, Gut. Wenn alles nach Plan läuft, sind wir in zwei Stunden zurück.“ Er warf einen Blick aus dem kleinen Seitenfenster. Die Starchaser lag mittlerweile schon weit zurück und der Planet
,, Sieht aus, als würden wir gleich die Atmosphäre erreichen. Kann also etwas turbulent werden.“ , informierte sie der Pilot.
Wenige Augenblicke später wurden sie auch schon durchgeschüttelt, als das Shuttle die ersten Luftschichten erreichte.
Daniel versuchte nicht darüber nachzudenken, wie hoch die Außentemperaturen während des rasanten Sinkflugs werden mussten. Das ganze Schiffsäußere glühte mittlerweile vermutlich schon.
Im nächsten Moment befanden sie sich auch schon innerhalb der Wolkendecke und der Flug wurde merklich ruhiger.
Daniel begann sich seltsam zu fühlen, während sie weiter durch die Wolkendecke sanken. Anfangs konnte er es noch abschütteln. Aber langsam wurde es stärker. Kopfschmerzen, dachte er anfangs. Daran hatte er sich mittlerweile fast gewöhnt. Aber das hier war anders.
Er hatte das Gefühl halb neben sich zu stehen, ähnlich dem, was er im Hangar oder bei der Flucht von der Erde erlebt hatte. Nur seltsamer. Als wäre das nicht mehr ganz er.
Daniel versuchte aufzustehen.
,, Alles in Ordnung ?“
Flüstern… das war es, was ihm keine Ruhe ließ. Wie ein riesiger Schemen, der sich plötzlich Dunkelheit Bewegte. Welche Dunkelheit ? Es war hell…
,, Nein es ist dunkel, die Welt ist finster…kein…“ Erst da wurde ihm klar, das er sprach.
,, Daniel ?“ Jemand wedelte mit einer Hand vor seinem Gesicht herum. .. Hören sie mich überhaupt?“
In der Dunkelheit hatte sich ein Auge geöffnet. Es suchte… nach was? Nach dem einzigen, was es interessieren konnte. Ihm. Daniel fühlte sich, als würde ein Berg auf ihm liegen. Auf seinem Verstand.
,, Verdammt was ist mit dem los ?“
,, Keine Ahnung, bringen sie uns runter schnell.“
,, Nein… auf keinen Fall….“ Daniel wusste nicht was er tat, er war sich nicht einmal mehr sicher, wo er war, aber er wusste eins. Dort unten wollte er nicht sein, durfte er nicht sein….
Auf keinen Fall.
Im nächsten Moment erstarrte das ganze Shuttle in der Luft.
,, Was zur Hölle ?“ , fluchte der Pilot.
,, Nicht… nach unten.“ Was immer ihn beobachtete, das Auge schloss sich. Der Druck auf seinen Geist ließ nach. Daniel verlor die Konzentration und das Shuttle sackte mehrere hundert Meter in die Tiefe, bevor der Pilot die Kontrolle darüber zurück gewann.
,, Was zur Hölle ?“ , wiederholte er ungläubig.
,, Okay… das war was, das selbst mich kurz unruhig gemacht hat.“ , meinte Samuel in die anschließende Stille hinein. ,, Was ist passiert ?“ , wollte er von Daniel wissen. ,, Alles wieder in Ordnung bei ihnen ?
Daniel kam noch dazu zu nicken, bevor er nach vorne kippte und alles um ihn herum schwarz wurde.