Heute habe ich mich endlich entschlossen diese Geschichte aufzuschreiben. Niemals habe ich jemanden davon erzählt und ich werde es auch nicht tun – zumindest nicht von Angesicht zu Angesicht. Dennoch beschleicht mich das Gefühl dass es wichtig ist, diese Ereignisse vor dem Vergessen zu bewahren. Vielleicht findet jemand irgendwann diese Zeilen und wird sie lesen. Also will ich mich beeilen, denn es fällt mir mit den Jahren immer schwerer die richtigen Worte zu finden.
Es war im Sommer 2010 – und ich war damals noch sehr jung. Aber trotz meiner besten Jahre und der Aussicht auf eine sorgenfreie Zukunft, hatten mich der Mut und die Kraft verlassen am Leben festzuhalten. Nach einer Odyssee von einem Psychiater zum Nächsten – leider vermochte niemand von ihnen mir diese Last von den Schultern zu nehmen, beschloss ich also meiner Familie zu folgen.
Es ist schon eigenartig wie nur wenige Stunden die Sichtweise eines Menschen verändern können – im Guten wie im Bösen. Ich vermag nicht einmal zu erklären warum es mich in diesem Sommer nach Bethel an den Silver-Lake zog. Möglicherweise waren es Erinnerungen und Schwärmereien meiner Eltern, die damals als Hippies in Woodstock bei dem größten Festival der Musikgeschichte dabei waren. Vielleicht folgte ich auch der unheimlichen Stimme, die mir ständig ins Gewissen redete – oder es waren die Bilder vom Tod meines Mannes und meiner kleinen Tochter, die mich seither verfolgten. Obwohl der Unfall mittlerweile drei Jahre zurück lag, fühlte ich mich gerade in diesem Sommer einsamer als jemals zuvor. Ich hatte nicht nur die Menschen, die ich am meisten liebte verloren, sondern auch meine Zukunft.
Ich sprang.
Schwarzes Wasser schlug über meinem Kopf zusammen. Eigenartigerweise ruderte ich wild mit den Armen, obwohl diese Stimme immer wieder flüsterte, wie zwecklos das sei und dass ich es verdient hätte zu sterben. Hinter meinen Augenlidern zuckten grelle Blitze auf. Niemals hätte ich gedacht, dass sich mein Körper solange dagegen sträubt, diese widerliche Brühe einzuatmen. Meine Lunge begann zu brennen. Ein Strahl Luftblasen löste sich von meinen Lippen als ich nach oben sah. Der Vollmond schien Millionen von Meilen entfernt und langsam legte sich ein dunkler Vorhang aus Vergessen vor meine Augen. "So fühlt sich also sterben an", dachte ich.
Mit einem Schrei der Verzweiflung entleerte sich meine Lunge als mich jemand am Handgelenk ergriff. Trübes, modriges Wasser stürzte in meine Kehle und das Letzte was ich sah, war das Gesicht eines Engels … oder des attraktivsten Teufels den ich mir jemals vorstellen konnte.
*
„Atmen Sie!“ Eine Stimme, sie war rau aber wunderschön, zog mich aus der verführerischen Dunkelheit. Jemand beugte mich nach vorn. Wasser stürzte über meine Lippen. Ich hustete und meine Lunge überflutender Sauerstoff brachte mich ins Leben zurück.
Die Hände, die mich geschüttelt hatten, wurden sanfter. Ich spürte feste Muskeln unter dünnem Stoff. Als ich mich an seinen Körper lehnte, roch ich einen leicht stechenden aber nicht unangenehmen Duft, so als hätte diese Person einen weiten Weg ohne Rast hinter sich gebracht. Es war merkwürdig, sich in den Armen eines Fremden so sicher zu fühlen. Ich schloss die Augen und ließ mich einfach nur festhalten.
Als er mir auf die Beine half, sah ich das erste Mal sein Gesicht. Es war der teuflische Engel, den ich im Wasser gesehen hatte. Nur diesmal verschwamm er nicht hinter trüben Wellen. Ich konnte ihn deutlicher sehen und wusste immer noch nicht, ob er dem Himmel oder der Hölle entsprungen war. Sein Gesicht war das eines jungen Mannes. Das Licht des Mondes betonte seine vollkommenen Gesichtszüge. Bartstoppeln ließen darauf schließen, dass er längere Zeit keinen Rasierer benutzt hatte. Seine Wangenknochen waren hoch, das Kinn fest. Schmale, dunkle Brauen verliehen ihm ein fast feminines Aussehen und sein braunes Haar musste dringend geschnitten werden. Trauer flimmerte in seinen Augen. Diese Augen waren es, die meine Aufmerksamkeit am stärksten auf sich zogen. Ich konnte ihre Farbe nicht bestimmen. Aber in ihnen war etwas Wildes, etwas das nicht unbedingt einem guten Samariter gehörte. Sie funkelten so gefährlich wie ein Sturm kurz bevor er ausbricht. Wenn dieser Mann jemals gelächelt hatte, dann lag es weit zurück.
„Danke“, brachte ich unbeholfen hervor. „Sie haben mir das Leben gerettet.“ Ich war erstaunt über meine Worte – hatte ich mir doch gerade noch den Tod gewünscht. Unverschämt vertraut, schmiegte ich mich an seinen harten Körper.
„Keine Ursache“, flüsterte er und betonte jedes Wort sehr genau, als würde ihm das Sprechen schwer fallen. „Es ist mein Job, den Menschen zu helfen.“
Ich unterdrückte ein Zittern und lächelte ihn an. Doch kein Lächeln auf seinem, wie in Marmor gemeißeltem Gesicht erwiderte es. Er runzelte nur etwas die Stirn, so dass er sehr besorgt aussah. Dann zog er sein Hemd aus und legte es mir vorsichtig um die Schultern. „Wie konnten Sie das nur tun“, murmelte er. Seine Stimme war so traurig, dass sie beinahe zerbrach.
Beschämt sah ich ihn an. In meinen Augen glänzten die wenigen Tränen, die ich noch nicht geweint hatte. Und plötzlich schien es mir, als habe dieser Fremde die Macht mich von der Stimme in meinem Kopf zu befreien, denn sie schwieg in seiner Gegenwart.
Ich senkte meinen Blick. Ungewollt blieb er auf seinem Oberkörper haften. Bei jedem Atemzug hob sich sein Brustkorb und mit ihm eine furchtbare Narbe über seinem rechten Brustmuskel. Vier grauenhaften Striemen waren das Letzte was ich sah, denn ein schmerzhaftes Ziehen nahm meinen Körper in Besitz und entfesselte eine Welt undurchdringbaren Nebels.
*** *** ***
Lichter und geisterhafte Gestalten suchten mich in meinen Fieberträumen heim. Hin und wieder drangen auch andere Dinge kurz zu mir hindurch, wurden meiner Wahrnehmung jedoch nur Augenblicke später wieder entzogen: Eine Hand, die meine Wangen streichelte. Eine tiefe Stimme, die beruhigend auf mich einsprach. Manchmal sah ich auch ein Gesicht – ein überirdisch schönes Gesicht war es, mit sanften Augen, die mich besorgt anblickten.
„Halten Sie durch“, flüsterte er mit hypnotisierender Stimme.
Irgendwann verschwanden die Träume vom Tod und ich flog, in den Armen des Fremden, wie mir undeutlich bewusst wurde. Ich hörte mein Herz laut in meiner Brust pochen. Das Feuer in meinen Kopf loderte zwar heftig weiter, aber es gelang mir, es an den Rand meines Bewusstseins zu drängen und schlug die Augen auf.
Er saß immer noch neben mir. „Willkommen zurück“, sagte er und endlich war ein Lächeln auf seinem Gesicht zu sehen.
Als ich mich aufrichtete, erschrak ich. Anscheinend hatte John Doe*, wie ich ihn nannte, beschlossen dass ich es ohne Jeans und Pulli bequemer haben würde. Meine Bekleidungsstücke hingen über einem Seil, das quer durch den Raum spannte und waren bereits getrocknet. Was mir eine ungefähre Vorstellung über die Zeit meines Aufenthaltes hier offenbarte.
„Wo bin ich“, wollte ich wissen.
„An einem sicheren Ort“, antworte er herausfordernd ruhig. „Bleiben Sie sich noch einen Moment liegen. Das Wasser des Silver-Lake ist um diese Jahreszeit sehr bakterienbelastet. Sie können von Glück reden, dass sie sich nicht den Tod geholt haben.“ Er presste mir die Hand auf meine Brust um mich am Aufstehen zu hindern. Seine Handfläche, nur durch den dünnen Stoff eines Herrenhemdes das ich trug, auf mir zu spüren, irritierte mich. Ich gab dem Druck nach.
" Den Tod geholt haben – sehr witzig ", dachte ich und sah mich um. Zu meiner Rechten erkannte ich eine solide Holzwand, die wohl einmal tapeziert gewesen war. Allerdings hafteten nur noch Reste an ihr. Mein Blick glitt auf ein Fenster. Vor den zerschlagenen Scheiben flatterten schwere Gardinenfetzten und ließen nur spärliches Licht hinein. Mittlerweile war es Tag. Hitze, erfüllt vom Zirpen unzähliger Heuschrecken hatte das Land wieder fest im Griff. Nur wenige Möbelstücke, befanden sich im Raum. Es war offensichtlich, dass John Doe diesen Ort, den die ehemaligen Besitzer vor langer Zeit Ratten und Spinnen überlassen hatten, als provisorisches Zuhause nutzte. An einer Wand stapelten sich von Holzwürmern durchlöcherte Kisten. Sie bildeten eine Art Verschlag. Wahrscheinlich befand sich dahinter sein Nachtlager, nachdem ich das einzige Bett für mich beanspruchte.
Als er sich erhob, bemerkte ich zum ersten Mal wie riesig er war. Sein Anblick verschlug mir die Sprache. Ich hatte Angst davor, was passieren könnte wenn ich noch länger in seiner Gegenwart bliebe und versuchte mich auf eine flackernde Öllampe, in der Ecke des Zimmers konzentrieren. Allerdings war es unmöglich diesen Mann in zerrissener Jeans zu ignorieren. Seine Bauchmuskeln waren ziemlich gut trainiert und auf seinen breiten Schultern glitzerten Schweißperlen. Hitze stieg mir ins Gesicht als ich mir vorstellte in seinen Armen zu versinken. Eine skrupellose Anziehungskraft zwang mich ihn anzustarren. Ich starrte wie ein kleines Mädchen, das plötzlich ihrem Lieblingsfilmstar gegenübersteht. Er lächelte mich auf eine Art und Weise an, die vermuten ließ, dass er meine Gedanken erriet. Im Zwielicht dieses Zimmers konnte er ja unmöglich erkennen wie rot meine Wangen glühten.
„Wer sind Sie“, brachte ich ängstlich hervor.
Sein Blick wirkte mit einem Mal leer, als würde er sich an etwas Tragisches aus seiner Vergangenheit erinnern.
„Sie können gehen, sobald sie sich stark genug fühlen. Aber seien Sie vorsichtig. Es ist noch nicht vorbei.“ Er holte tief Luft und fügte mit leiser Stimme hinzu: „Noch nicht.“ Dann verschwand er im Nebenzimmer.
Ich wollte nicht gehen, denn ich fühlte mich schwach. Aber nicht aus dem Grund den er wohl annahm.
Ein Wasserhahn wurde aufgedreht und ich versank im Kissen. Dieser Mann hatte etwas an sich, dass mir keine Ruhe ließ. Etwas sagte mir, dass ich nicht nur einen Landstreicher vor mir hatte. Da war Stolz, Hass und Furcht. John Doe war ein Mann der gelitten hatte, der die Kontrolle verloren hatte und sich für diese Schwäche verachtete.
Als das Rauschen des Wassers im Bad aufgehörte galt mein erster Gedanken ihm und dem Bild, das er abgeben musste, wenn er nass und nackt aus der Dusche stieg. Meine Bemühungen dieses Bild zu verdrängen waren vergeblich: Breite Schultern, ein flacher Bauch und wellige braune Haare, die seinen Nacken umspielten. John Doe war purer Sex. " Verdammte Scheiße ", war mein zweiter Gedanke.
Ich schob mich an der Wand hoch und zog mir die Decke bis zum Kinn als er den Raum betrat. Mit einer Eleganz, von der ich glaubte, sie sei nur Tieren vorbehalten, näherte er sich mir. Zweifel überkamen mich. Vielleicht war es besser sich ruhig zu verhalten und gleichzeitig vorbereitet zu sein.
„Was wollen Sie von mir“, drohte ich.
Er zog seinen Kopf in den Nacken und gab einen kurzen gequälten Laut von sich. Mir fiel auf, dass seine Augen ungewöhnlich hell blitzten. "Wie bei einem Wolf", dachte ich, "oder einem Tiger auf der Lauer." Ich hatte natürlich von den grausamen Morden in dieser Gegend gehört. Für einen Augenblick fragte ich mich, ob ein einziger, ausreichend starker und wahnsinniger Mann für diese Blutbäder verantwortlich sein konnte. Doch dann erinnerte ich mich daran wie behutsam er mich gehalten hatte und mir wurde klar das mein Verdacht schlimmer als wahnsinnig war.
Ich war gebannt von seinen Augen. Ihre ruhige Oberfläche bedeckte unsagbare emotionale Abgründe: John Doe hatte Schlimmes erlebt. Er war bestimmt Vieles – aber er war kein Killer.
Er reichte mir ein Glas Wasser. „Trinken Sie etwas. Fieber hat Ihnen ziemlich zugesetzt.“ Erst jetzt bemerkte ich meine spröden Lippen und verspürte Durst. Dankbar nahm ich seinen Ratschlag an.
Er nickte lächelnd als ich ihm das Glas zurückgab. „Ich … es … ich …“, begann ich zu stottern. Warum wollte ich mich eigentlich für mein Handeln rechtfertigen. John Doe drehte mir einfach den Rücken zu und ging zum Tisch, als hätte er meine Worte nicht gehört.
Nachdem er das Glas abgestellt hatte, setzte er sich zu mir. Er strich eine Strähne aus meiner Stirn, sah mir in die Augen und flüsterte. „Ich weiß was Sie verloren haben.“ Leise seufzend senke er für einen Moment den Blick um mich danach umso intensiver anzusehen. „Aber Sie haben noch eine Zukunft. Versprechen Sie mir das nie wieder zu tun.“
Ganz plötzlich berührte er meine Lippen. Mehr aus Überraschung öffnete ich den Mund. Und er küsste mich fester.
Ich legte meinen Arm um ihn, meine andere Hand blieb auf seinem Nacken liegen wo ich kleine Härchen spürte. Jedes Mal wenn ich einatmete, strömte pure Aufregung in meinen Körper.
„Geh!“, hauchte er auf meine Lippen, hielt mich aber gleichzeitig fest. Ich bewegte mich nicht, aus Angst mich sonst so schamlos wie eine rollige Katze an ihm zu reiben. Ich hatte jeden Grund mich zu fragen, wann ich mir solch eine Schamlosigkeit angeeignet hatte.
Er schien meine Gedanken zu spüren und schlang seine Arme um meine Taille. Als er mich an seinen Körper presste, hatte ich das Gefühl, dass er sich selbst nicht recht über den Weg traute. Also legte ich meine Hände auf seine Schultern und zog ihn weiter auf das Bett. Er hätte auf der Stelle das Zimmer verlassen können – aber er tat es nicht.
Wahrscheinlich hatten wir verschiedene Gründe. Er suchte, ich vermied die Konfrontation. Wir waren beide am Ende unseres bisherigen Lebens angelangt und brauchten Wärme.
Jeder Zentimeter seines Körpers war so muskulös wie er aussah. Und als er sich das Shirt über den Kopf zerrte, wusste ich nicht, wo ich ihn zuerst berühren sollte. Meine Hände strichen rastlos über seine Brust, seine kräftigen Arme und seine Bauchmuskeln.
Blitzschnell lag er neben mir, schob er mir das Hemd hoch.
Mein Atem stockte. Mit jeder kleinsten Bewegung seiner Fingerspitzen, jeder Berührung seiner Zunge verlor ich ein bisschen mehr im Jetzt und Hier.
Das Ächzen der alten Liege kam mir ebenso fremd vor, wie das Säuseln des Sommerwindes, der sich in den Ecken und Winkeln der alten Blockhütte verfing. Aber das alles entfernte sich, nur nicht seine flackernden Augen, sein feuchtes Haar, seine Hand auf meinen Körper und seine Haut, die einen unwiderstehlichen Duft von starker Männlichkeit und leidenschaftlichem Anspruch verbreiteten.
Ich war fasziniert von der Art wie sich seine Muskeln abzeichneten, wenn er sich bewegte. Er schob sich langsam, fast so als hätte er Angst mir weh zu tun, über mich. Sein Atem schlug mir ins Gesicht. Meine Hände fassten an seine Hüfte, die ebenso warm war, wie seine Lenden. Sanft schmiegte er sich an meinen Bauch und ich spürte seine Erregung. Meine Finger vergruben in seinen Nacken. Als er sich fordernd zwischen meine Schenkel drängte umschloss ich ihn mit meinen Beinen und schrie auf als er in mich eindrang, sich tief in meinen Körper bohrte. Langsam bewegte er sich in mir. Immer wieder zog er sich zurück um dann wieder in mich einzudringen. Jedes Mal ein wenig schneller. Es war noch nie zuvor erlebte Gier die mich Erschauern ließ, die danach schrie ihn zu spüren. Ich wollte ihn. Seine männliche Brust zuckte unter meinen Fingern im Takt unseres Liebespieles. Seine Augen waren fest auf meine gerichtet und ich hatte nicht vor, ihn jemals wieder loszulassen. Er fasste nach meinen Handgelenken. Mit einer Kraft, der ich nicht gewachsen sein wollte, drückte er meine Arme gegen die Matratze. Er bewegte seine Zunge über meine Haut, leckte mir über Hals und Lippen. Unwillkürlich bäumte ich mich auf, als sich Gänsehaut von meinem Nacken aus, über meinen durchgedrückten Rücken, auf meinem ganzen Körper ausbreitete.
Seine Bewegungen wurden wilder, leidenschaftlicher, unregelmäßiger und seine Pupillen flackerten.
Als ich meine Arme aus seinem Griff befreite und ihn von mir drückte keuchte er erregt. Ich setzte mich auf seine Lenden, spürte ihn auf andere Weise, sah ihn auf andere Weise. Er ließ sich fallen. Gab sich meinem Rhythmus mit einer Leidenschaft hin, als wäre dies sein letzter Tag als Mensch. Ich beugte mich zu ihm herab und meine Zunge streifte über seine Lippen, um sie mit sanfter Gewalt zu öffnen.
Während eine meiner Hände meinen Körper stützte, grub sich die Andere in sein weiches Haar. Außerstande Rechts und Links zuzuordnen, da ich nicht in der Lage war meinen Blick von ihm zu lösen, wurde es immer schwieriger, sich an einen gleichmäßigen Rhythmus zu halten. Sein leidenschaftliches Stöhnen vermischte sich mit der Hitze dieses Sommertages.
Das bekannte Gefühl eine Spirale hinauf zu gleiten, die Kontrolle zu verlieren erfüllte mich mit ungeahnter Stärke. Als er meine leise Verzweiflung hörte, schob er seine Hand zwischen uns und streichelte mich. Unwillkürlich bäumte ich mich auf und sah wie auch er sich unter mir streckte. Jeder Muskel seinen atemberaubenden Körpers spannte sich.
Erschöpft blieben wir nebeneinander liegen und versanken in eine süße Schläfrigkeit, die unserer Ektase gefolgt war. Er schloss mich in seine Arme. Noch lange Zeit spürte ich seinen Atem in meinem Nacken, genoss die Umarmung und seine heiße Haut an meinem Körper.
Ich kannte ihn keinesfalls besser als vorher. Aber ich hätte ihm mein Leben anvertraut.
***
Abendwind auf meiner Haut und der Gesang von Zikaden weckte mich. Ich fühlte mich lebendiger als jemals zuvor. " Was für ein Traum ", schoss es mir durch den Kopf. Gerade als ich mich wieder in die Decke kuscheln wollte hörte ich ein leises Seufzen. Ich blinzelte mir den Schlaf aus den Augen und traute meinen Wahrnehmungen nicht.
John Doe stand reglos am Fenster und betrachtete den aufgehenden Mond. Vollends in seinen Gedanken versunken war dieser Mann so überwältigend wie ein gefallener Engel und hätte er in diesem Moment plötzlich Schwingen ausgebreitet, wäre ich nicht verwundert gewesen. Unfähig meine Augen von ihm zu wenden beobachtete ich das Licht- und Schattenspiel in seinem braunen Haar. Der Wind schien es zu kämmen, denn lange Strähnen vibrierten sanft in seinem Nacken.
Er hatte bemerkt, dass ich wach geworden war und drehte sich um. In warmen Rosttönen umschmeichelte Zwielicht die Bewegung seines Körpers. Er zitterte leicht, wirkte erregt- aber in einer anderen Weise als zuvor. Mit jedem Atemzug hob und senkte sich seine breite Brust. Ich glaubte sogar sein Herz darunter schlagen zu hören.
John Doe lächelte mich an und flüsterte. „Bald ist es vorbei.“ Tief verborgen in seinen Augen entflammte wieder etwas Wildes und den Klang seiner rauchigen Stimme werde ich nie vergessen. Vor meinen fassungslosen Augen sprang er mit einem geschmeidigen Satz aus dem Fenster und verschwand im mondlichtüberfluteten Wald ohne auch nur ein Geräusch zu hinterlassen.
Ich blieb die ganze Nacht, darauf hoffend, dass mein Engel zurückkehren würde. Aber ich sah ihn niemals wieder.
Am nächsten Morgen begann es zu Regnen. Das Wasser wusch die Heuschreckenplage aus den durstenden Feldern und bescherte den Farmern eine gute Ernte. Noch heute erzählt man sich in Bethel von jener Sommernacht vor dreißig Jahren, als mit dem Gesang eines einsamen Wolfes am Silver-Lake der Tod verschwand.
Bald sollte ich auch John Doe`s geheimnisvolle Worte verstehen. Er hatte nicht nur mein Leben gerettet, sondern mir auch eine neue Zukunft gegeben, denn im kommenden Frühjahr schenkte ich einem Sohn das Leben. All die folgenden Jahre mit ihm haben den Schmerz über den Verlust meiner Familie gemildert. Heute ist er schon lange erwachsen und führt ein eigenes Leben. Aber in regelmäßigen Abständen besucht er mich hier in Bethel. Er kümmert sich um das Haus, überprüft die Stromleitungen. Natürlich flackert mein Licht nie, es gibt keine kalten Stellen im Haus und ich habe auch keine Ratten auf dem Dachboden oder im Keller, denn seit dem Sommer des Wolfes gibt es kein Ungeziefer mehr in der Gegend.
Und immer wenn ich ihn beschwöre sich keine Sorgen um mich zu machen, lächelt er wie einst John Doe und flüstert es sei sein Job, den Menschen zu helfen.
Ich glaube … manche Dinge ändern sich nie.