Kurzgeschichte
Die Welt will betrogen werden

Martin kam aus dem Kindergarten, polterte die Treppe hinauf, Schnur stracks in die Küche. Ein Griff genügte, um aus dem Unterschrank das Fläschchen mit dem Spülmittel zu entnehmen. Er schaute auf das Kleingedruckte und schrie entsetzt: "Mama, Mama das darfst du nicht benutzen da sind, da sind giftige Stoffe drin. Unsere Kindergärtnerin hat uns genau gezeigt, wie das Wort aussieht.", der kleine Junge konnte sich gar nicht mehr beruhigen, "hast du das nicht gewusst? Tante Helga sagt darauf muss man achten, sonst stirbt die ganze Natur."
Die junge Frau nahm das Fläschchen und warf es

in den Mülleimer. In Gedanken grollte sie dieser Tante Helga, wie konnte sie ihrem kleinen süßen Fratz so einen Floh ins Ohr setzen ihm so viel Angst einjagen.

Das war nun schon über zwanzig Jahre her. Ihr kleiner Sonnenschein ist herangewachsen und hat Chemie studiert, er weiß nun was all diese Inhaltsstoffe bedeuten und noch vieles mehr. Nein, er spricht nicht mit ihr, sie hat ja keine Ahnung. "Mama, mach dir keine Sorgen, das baut sich alles ab, sonst dürften wir das nicht in den Handel bringen. Ich sage dir schon, wenn etwas nicht in Ordnung ist." "Junge, und diese Sachen aus China, die schönen, billigen Plastik

Spielsachen, bunte Schuhe, leuchtende Kugeln und das ach so ansprechende Obst." "Ach Mutter, du musst es ja nicht kaufen."

"Martin, wach auf, im Fernseher war zu sehen wie sie Elektroschrott illegal nach Gana verschiffen, auch wir Deutschen. Kinder suchen darin nach etwas Brauchbaren für ein paar Cent, und ihr kleiner Körper wird vergiftet durch krebserregende Stoffe, die darin enthalten sind."
"Jetzt ist aber gut, da sind ganz andere dafür zuständig, da haben wir keinen Einfluss, wir können da leider nichts

tun."

Er nimmt seine Mutter in den Arm, gibt ihr einen liebevollen Kuss auf die Wange, schaut sie mit seinen großen Augen an und sagt, "Mama, ich habe Hunger."