Krimis & Thriller
Der Tod der Kritikerin - Teil XIV.

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"Der Tod der Kritikerin - Teil XIV."
Veröffentlicht am 01. April 2013, 12 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
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Der Tod der Kritikerin - Teil XIV.

Der Tod der Kritikerin - Teil XIV.

Kommissars Traum

 

 

Aber plötzlich sacke ich innerlich zusammen. Ich habe einfach keinen Plan mehr. Bin ausgepowert, ausgelaufen, futsch, fix und foxi, Ende.

So sitzen wir zunächst einmal nur so da, er hinter seinen riesigen modernen Schreibtisch, ich davor, na, ich hänge wohl mehr in dem Lehnsessel. Meine Arme baumeln links und rechts von der Lehne bis nahe dem Boden herab. So fühle ich mich auch. Hoffnungs-, aussichts-, ergebnislos. Nichts mehr zu machen!

Der Kommissar fährt mit seinem Oberköper nach vorne und legt sich breitarmig auf den Tisch und so sich abstützend schaut er sorgenvoll schräg aus dem Fenster und ins Leere. Ein dicker Brummer poltert unten an der Straße entlang vorbei.

Ziemlich laut hier, stelle ich fest. Ich würde mir am liebsten die Ohren zuhalten wollen.

„Was sollen wir nur machen?“, murmelt er. Vielleicht auch: „Was können wir nur machen!“

Ich schaue auf.

Ich bin ganz gerührt, dass er in der ersten Person Plural spricht und nicht im Singular.

Meine Freude wird jedoch sofort wieder eingetrübt, als zwei dicke Querfalten seine hohe Stirne in zwei Hälften spaltet. Er scheint am Ende seine Lateins zu sein.

Liegen vor ihm ein unüberwindlich erscheinender Berg Akten, zu erledigende Notizen, Berichte, Protokolle, Briefe, Mitteilungen, Memos, etc. pp, die ihn erdrücken scheinen? – weit gefehlt!. Fast leergefegt ist dieser, außer Telefon, Fax, Computer, das Nötigste eben – so dass ich schließe: Die Ursache des Schwächelns dieses Ermittlers scheint direkt auf mich zurückzuführen sein.

Ich senke traurig meinen Kopf.

Ihm muss es so ergehen wie einem Polizisten, zu dem ein Mann kommt, um sich selbst anzuzeigen wegen Mordes, den er begehen wird. Was bleibt dem Polizisten übrig, solange der Mord nicht begangen sein wird, diesen Mann wieder nach Hause zu schicken?

Kein Beweis für einen Mord, kein Mörder. Ich versetze mich in dessen Lage und begreife: Wer würde da nicht Verrücktwerden?

Mich schmerzt mein Herz bei diesem Anblick eines verzweifelten Ordnungsmenschen, aber helfen werde ich nicht imstande sein. Von meiner Tat werde ich ihn nicht überzeugen können und die Gerichtsmedizin ist wohl von Ertrinken oder möglicherweise Selbstverbrennung durch heiße Wassereinstrahlung ausgegangen. Diese herbeigeführt zu haben, kann sowohl von einem Fremden genauso gut wie von ihr selbst gemacht worden sein. Eine klassische Pattsituation.

Mein Mitgefühl hilft diesem entmutigten Menschen auch nicht, abgesehen davon, müsste ich selbst noch mehr mit mir empfinden, der ich gerne Mörder sein würde, aber es nicht sein darf.

 

Aber mit einem Mal, als ob dieser Leerlauf hier nicht stattgefunden hat, richtet sich mein Gegenüber auf. Es ist eine eigenartige Bewegung, denn wie eine Puppe, die aufgezogen wird, versetzt sich der Oberkörper in gerade Position und der Mund prustet ein geradezu mechanisches Lachen heraus, als wäre er der allergrößte Weckfresser.

Glaubt man es, aber der Kommissar legt plötzlich ein Geständnis ab, womit ich mitnichten gerechnet habe. Er bekennt, selbst einmal Schriftsteller habe werden wollen.

„Halt!“ Sagt er, hebt den Zeigefinger. „Allerdings, dies vor der Zeit meiner Karriere als Polizist.“

Hat man da noch Worte? Traut man da seinen Ohren noch? Muss man sich da nicht veräppelt fühlen.

Ich kann es einfach nicht fassen.

Ich erblicke wässrige, mit schwimmenden Kaulquappen-Köpfen blinkende Augen. Im teigigen, breitflächigen Mondgesicht selbst spielt viel Lächeln und Schmunzeln, als er diese Irrung, Wirrung und glücklicherweise nur vorübergehende Periode seines Lebens bekennt, so würde er dies heute sagen wollen.

Bekenntnisse, man lasse sich dieses Wort im Mund zergehen.

Nur Geistes-, Macht- oder sonstige Bekanntheitsgrößen der Menschheit haben am Ende eines erfüllten, ihrer Spezies zum Wohl- oder Missfallen absolvierten Lebens festgestellt, es werde Zeit, endlich seine Bekenntnisse niederzulegen. Befindet sich der Kommissar gleichfalls in diesem Stadium seines Lebens? Und wenn, worin bestehen seine außergewöhnlichen Dienste für uns Menschen?

Nun, er selbst ist wenigstens bestens drauf und dran und tut so, als ob er sich in einer solchen Lage befinde. Soviel er vermeintlich Kurioses über sich erzählt, schüttelt er erheitert darüber nicht minder oft den Kopf, murmelnd: „„törichter Bubenstreich“, „Jugendsünde“, „infantiles Verhalten““ – womit er wohl seine Ambitionen hinsichtlich Schriftstellerei betitelt.

In den blassblonden Kopfhaaren schimmern ein paar graue Haare.

Rührig, anrührig.

Sein flaumiges Backenbärtchen weist Sprossen von zwei- bis drei Zentimeter auf.

Was nimmt ihn so mit, dass er sich nicht rasiert hat?

 

Für mich ist des Erzählers gemütliche Heiterkeit verderblich. Denn, was will er mir denn sagen? Ich spüre nur eine Antwort: hätten Sie sich nicht so stark aufs Schriftstellerdasein versteift, wäre etwas Gescheites aus ihnen geworden. Anders haben sie es nicht einmal zu einem richtigen Mörder gebracht, weil ihnen die Anerkennung eines richtigen Mordes abgeht. Damit zählen sie zu den Gescheiterten und halbseidigen Halbbürgern.

Welch vernichtendes Urteil!

Dieser Ruf erfüllt schrill den Raum bis zur Decke hinauf: Es besteht eine notwendige Verbindung zwischen: Schriftsteller und Mörder-ohne-Anerkennung!

Hätte ich jetzt eine Knarre gehabt, hätte ich gnadenlos abgedrückt.

„Wirklich? Geschrieben haben Sie einmal. Hm. Bestimmt einen Krimi?“ Ich muss nicht solch Erdrückendes und Demütigendes über mich ergehen lassen, nein. Da schieße ich lieber zurück.

Während all dem macht der Kommissar etwas höchst Merkwürdiges und völlig Unvorhergesehenes: lachend öffnet er den Waffenhalfter an seiner Hüfte, entnimmt seine Waffe und legt sie vor meiner Nase auf den Schreibtisch. Ich brauche nur die Hand auszustrecken, schon kann ich sie ergreifen. Wer weiß, vielleicht eine Falle?

Ignoriere diese Provokation erst einmal.

„Ja, das passte wohl zu einem angehenden Kommissar. Haha. Einen Krimi zu schreiben, bereits im zartesten Alter. Haha.“ Ich müsste mich schwer darüber wundern, dass er meinen Witz verstanden hat. Ich gönne mir jedoch keine Zeit und luchse unbewusst auf sein irriges Tun: was kommt als Nächstes?

Er zieht eine Schublade seines Sekretärs heraus.

Als er sich wieder gefangen hat, bringt er es auf den Punkt: „Nein, keinen Krimi. Die „Segnungen“ oder den „Fluch“ der Jugend, je nachdem, habe ich in meinem Erst- und Letztling verarbeitet.“

Diese Aussage unterstreicht er damit, dass er die Lade hinter der hineingelegten Pistole nachdrücklich schließt.

„Ach, eine unglückliche Liebesbeziehung!“, heuchele ich.

„Nun, nicht direkt. Unglücklich verliebt war ich noch nie richtig in meinem Leben.“ Lachen.

„Natürlich!“

Welch totale Schmeichelei, fantastisch. Denn eben, doch nicht bei so einem lebenstüchtigen Menschen wie einem erfolgreichen Kommissar wie er, per se und nicht anders denkbar, geht der niemals der „Liebe“ auf dem Leim, welcher selbst Mörder von Pseudo-Mördern so traumwandlerisch sicher zu unterscheiden weiß.

Er erfasst meine spitze Bemerkung überhaupt nicht. Er redet einfach weiter, als sei er am Stammtisch. So viel Ignoranz und Mangel an Spürsinn hätte ich ihm nicht zugetraut. Kann das sein, dass es ihm am Ende wirklich so ernst gewesen war um die Schriftstellerei?

Dass die Knarre in einer Schublade des Sekretärs und nicht am Gürtel um die Hüften des Kommissars ruht, ist gut, sehr gut, sehr gut sogar, mehr als ich erhofft habe.

Ich lasse ihn weiter- und weiterreden, ich weiß gar nicht, was, frage nach, versuche seine Gefühle zu erfassen, um sie dann anzusprechen und sich ihm sein Rucksäckchen vom Buckel reden zu lassen. Gleichzeitig, mein Herz macht dauernd freudige Sprünge, bin ich eisern bestrebt, nach außen totales Pokerface aufzusetzen. Nur nicht mir meine Freude ansehen lassen, raspele ich dies Mantra insistierend herunter.

Tue so, als sei nichts geschehen; als geschehe nichts.

Versteif dich nur nicht auf die sich dir bietende Chance, tilg den Gedanken daran aus deinem Kopf, lass ihn gar nicht in dich hinein, damit du umso instinktiver, zügiger, unbesonnener, unbelasteter, kurzum kaltblütiger zuzupacken, sobald die Gelegenheit da ist.

Aber an diese deine Chance denke jetzt nicht. Sei lieber ganz und gar auf den Kommissar fixiert, auf seine bizarren Vorstellungen, Gefühle und Empfindungen, lass ihn dir nicht aus den Fingern flutschen, diesen schmierig-öligen Fisch, verdammt! Bleib am Ball…

Wie nennen dies die Amerikaner wieder, dieses Spiel, diese Taktik, diesen Kampf: Kopf-Kampf oder so ähnlich genannt, nur hier verdeutscht.

Genau - es ist jetzt ultrawichtig – nicht den Kopf zu verlieren!

 

Buch erhältlich unter:

http://www.pentzw.homepage.t-online.de/literatur.html

 

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