Wugi die kleine Waldfee / Langeweile
Hallo. Ich bin Wugi, die kleine Waldfee und heute möchte ich euch mal von einem Tag erzählen, an dem mir mal so richtig langweilig war.
Kennt ihr das auch, wenn man überhaupt nicht weiß, was man den ganzen Tag machen soll?
Es ist nicht mehr richtig Winter, für eine anständige Schneeballschlacht und auch noch nicht Frühjahr, so dass man von Blüte zu Blüte hüpfen kann und alle Winterschläfer ausgeschlafen haben und mit einem spielen?
„Mir ist langweilig“, nörgelte ich vor meiner Mutti rum. „Können wir nicht machen, dass es Frühling ist? Wir können doch zaubern“, schlug ich vor.
Meine Mutter lachte. „Ach, Wugi“, meinte sie. „Das könnten wir schon, aber die Natur braucht ihre Ruhe.“ Dann erzählte sie noch, wie wichtig die Jahreszeiten sind und alles seine Zeit hat und braucht. „Und ehe du dich versiehst, ist es Frühling und bald darauf Sommer. Dann breitest du deine Flügelchen aus und flatterst bis hinauf zum Regenbogen.“
Ich wollte mich aber nicht versehen, sondern gleich was erleben. „Ich
besuch mal die Haselmaus“, teilte ich meiner Mutter mit und flatterte davon.
„Aber bleib nicht zu lang“, rief sie mir hinterher. „Vor Einbruch der Dunkelheit musst du zurück sein.“
Das ist noch so etwas doofes an dieser Jahreszeit. Es wird ziemlich früh dunkel.
Die Haselmaus schien beschäftigt zu sein. „Was machst du da?“, wollte ich wissen, während ich ihre kleine Höhle unter dem Baumstumpf betrat. „Ich sortiere meine Haselnüsse“, antwortete sie.
„Dann ist dir also auch langweilig“, stellte ich fest.
Die Haselmaus überlegte kurz. „Nö“, meinte sie. „Wieso, wie kommst du denn darauf?“
„Naja“, antwortete ich. „Wenn man schon Haselnüsse sortiert, muss einem ja tierisch langweilig sein.“ Jetzt war sie fast etwas verärgert. „Das ist eine wichtige Arbeit“, erklärte sie. „Ich muss die, die ich zuerst gesammelt habe nach vorne und die die ich zuletzt gesammelt habe nach hinten legen. Und die schlechten muss ich aussortieren, damit sie die anderen nicht anstecken. Und dann muss ich noch... . Aber, wieso erzähl ich dir das alles? Eine kleine Fee versteht davon
sowieso nichts. Was willst du eigentlich?“
„Mir ist langweilig“, maulte ich. „Aha“, sagte die Haselmaus. „Und was hab ich damit zu tun? Du siehst doch, dass ich noch ne Menge Arbeit habe.“
Mich interessierten ihre Haselnüsse und die ganze Sortiererei aber nicht. Also schlug ich vor, dass wir etwas spielen könnten.
„Aha“, sagte die Haselmaus erneut. „Was spielen. Einfach so. Und die ganze Arbeit bleibt liegen.“
„Wir könnten Schlittschuh laufen“, schlug ich vor. „Der Weiher ist nicht zugefroren“, kam die Antwort.
„Schlitten fahren?“
„Zu wenig Schnee.“
„Schwimmen gehen?“
„Zu kalt.“
„Eis essen, Leute ärgern, Luftschlösser bauen... .Irgendwas !“, schrie ich sie jetzt schon fast an.
Die Haselmaus überlegte kurz. „Nun, eine kleine Pause könnte nicht schaden“, meinte sie. „Wir könnten Fangen spielen.“ Dann warf sie ihre Nuss, die sie gerade in den Händen hielt auf den Haufen mit den anderen Nüssen und flitzte so schnell sie ihre kleinen Füße trugen davon.
„Hey, das ist unfair“, rief ich hinterher. „Du musst erst sagen, fang mich doch.“ „Fang mich doch“, hörte
ich sie von Weitem piepsen. Ich breitete meine Flügel aus und flatterte ihr nach.
Sie hatte bereits einen ziemlichen Vorsprung. Ich sah unter Blättern, unter Pilzen und in Erdlöchern, ob sie sich irgendwo versteckt hätte. Schließlich fand ich sie hinter dieser alten verfallenen Mauer, die quer durch unsern Wald verläuft. Ich schlich mich an und tippte ihr auf die Schulter. „Hab dich“, rief ich triumphierend.
„Hm“, sagte die Haselmaus nachdenklich. „Weißt du eigentlich, wer diese Mauer hier gebaut hat?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Nö“,
antwortete ich. „Die war schon immer da.“
„Aber wieso baut man eine Mauer mitten durch den Wald?“, wollte sie wissen.
„Du kennst doch die Menschen“, sagte ich. „Bei denen macht selten etwas einen Sinn, was sie machen.“
„Aber eine Mauer, mitten durch den Wald? Das muss einen Grund haben. Und weißt du was? Diesem Grund gehen wir jetzt auf den Grund. Wir lösen das Rätsel der geheimnisvollen Mauer!“, tat sie ganz geheimnisvoll.
Ein Rätsel lösen. Ich war begeistert und natürlich sofort dabei.
Da hörten wir im Unterholz etwas
rascheln. Es war der Fuchs. Der Fuchs ist eines der klügsten Tiere hier im Wald, also fragten wir ihn, was es mit dieser Mauer auf sich hat.
„Das kann ich euch sagen“, sagte er. „Die Mauer ist dafür da, damit ich mich auf die Lauer legen kann. Ich springe drüber, ducke mich und warte bis eine Ente vorbeikommt.“ Ich unterbrach ihn. „Eine Ente im Wald!“, bemerkte ich.
„Naja. Oder was anderes leckeres halt“, entgegnete er. Ich war nicht sehr überzeugt. Wieso sollten die Menschen dem Fuchs eine Mauer bauen, die ihm das Jagen erleichtert, wo er doch selbst von ihnen gejagt
wurde.
„Wenn ihr mir nicht glaubt, geht doch zur Eule. Die weiß doch immer alles“, riet er uns.
Das war ein guter Rat und wir machten uns auch gleich auf den Weg.
Zum Glück war die Eule schon wach, obwohl es noch hell war. Wir fragten sie also, was es mit dieser Mauer auf sich hat, die mitten durch den Wald verlief. „Das wisst ihr nicht?“, fragte sie ungläubig. Wir schüttelten den Kopf. „Kommt mal etwas näher“, sagte sie. Wir traten ein paar Schritte näher. „Die hat der Teufel persönlich gebaut“, flüsterte sie geheimnisvoll.
Uns blieb vor Staunen der Mund offen stehen. „Eines Tages wollte der Teufel mit Gott einen Handel abschließen. Er wollte einen Teil der Erde. Also schlug Gott ihm vor, dass er das Land haben kann, um das er von Sonnenuntergang bis zum ersten Hahnenschrei eine Mauer ziehen kann. Der Teufel wollte Gott hereinlegen, und rief alle Dämonen der Unterwelt, um ihm zu helfen. Doch schon wenige Stunden nachdem sie mit dem Bau der Mauer begonnen hatten, weckten sie mit ihrem Lärm einen Hahn, der auch gleich zu krähen begann. Der Teufel hatte also verloren und konnte sein Werk nicht
vollenden. Voller Zorn zerstörte er seine soeben errichtete Mauer und nur ein paar Reste blieben übrig. Und in Vollmondnächten, so wie wir sie heute haben werden, kann man ihn fürchterlich fluchen hören, wenn man sich in der Nähe der Teufelsmauer aufhält.“
Mit großen, ernsten Augen sah uns die Eule an. Die Haselmaus und ich sahen uns gegenseitig an und dann konnten wir nicht anders. Wir stießen gleichzeitig einen spitzen, gellenden Schrei aus.
Auf einmal lachte die Eule so sehr, dass sie sich kaum auf dem Ast halten konnte.
„Das ist gemein“, protestierte ich, während die Haselmaus noch immer vor Angst zitterte. „Wieso lachst du uns aus, wenn wir Angst haben?“
„Aber Kinder“, lachte sie noch immer. „Ich lach euch doch nicht aus. Es ist doch nur eine Geschichte, die sich die Menschen erzählten, weil auch sie nicht wussten, woher diese Mauer stammte. Eine Sage, versteht ihr? In Wirklichkeit ist diese Mauer tausende von Jahren alt. Die Menschen, die sie damals gebaut hatten, kleideten sich anders, sahen anders aus und hatten eine andere Sprache. Und sie nannten sich die Römer. Und diese Mauer war nichts
anderes als die Grenze zu ihrem Reich. In ihrer Sprache hieß Grenze Limes. Und so wird sie auch heute wieder genannt.“
Es war schon spät und die Sonne ging bald unter. Also verabschiedeten wir uns schnell, damit wir zuhause sein würden, bevor der Vollmond über der Teufelsmauer stand. Man kann ja nie wissen.
So, Kinder. Das war also eine Geschichte, wie ein langweiliger Tag dann doch noch ganz aufregend wurde. Und wenn euch mal langweilig ist, besucht doch auch mal die Haselmaus, oder mich, oder einen
eurer Freunde oder Freundinnen. Und ihr werdet sehen, aus einem langweiligen Tag kann ein kleines Abenteuer werden.
Biss bald, servus, eure Wugi.