Ein vergessener alter Laden mit Büchern und Ramsch wird überfallen. Unter den fragwürdigen Kleinodien befindet sich eine Spieluhr.
Ich hoffe, ich kann unterhalten und die Leser in den Bann ziehen.
(wegen neuer Abonnenten wieder eingestellt. 25.01.2020)
Copyright Text: G.v.Tetzeli Copyright Cover: Monika Heisig
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An diesem kleinen Laden, links in einer modrigen Straße, die direkt nach Soho führte, würde fast ein Jeder an dem winzigen Schaufenster vorbeigehen. Die Scheibe war schon etwas milchig geworden und wies einen Jahre alten Staubfilm auf. Das matte Fenster versprach historische, vergilbte Atlanten, veralteten Ramsch.
So klein das Schaufenster war, so klein der Laden selbst. Hinter dem Tresen verrichtete ein Alter, schon mit krummen Rücken, sein Tagwerk. Er war gerade mit verschiedenen, fahrigen Eintragungen beschäftigt, wahrscheinlich Angelegenheiten der Buchhaltung, obwohl die nur mickrig sein
konnten. In einem dicken Folianten, der vor ihm aufgeschlagen war, kritzelte er gewichtig.
Die vorsintflutlichen Feder war mindestens so alt, wie er selbst.
Eine Biedermeier Lampe erhellte die Szene nur mäßig, denn sie hatte wenig Watt. Außerdem war es Winter und schon Spätnachmittag, also insgesamt schon dunkel, zumal die schmale Gasse sowieso nicht viel Licht zuließ. Der ganze Stolz des Männchens war eine alte Waage, die neben ihm auf dem Ladentisch stand. Eine, die noch mit einzelnen Gewichten ausmaß.
Zu seinen von Skurrilitäten nicht gerade arm ausgestatteten, von Büchern gestopften Laden, war als Besonderheit noch eine Spieluhr zu zählen, die er über die Maßen
liebte. Sie war eigentlich sein Ein und Alles.
Sein Lebensinhalt, wenn man so sagen möchte. Wenn man sie aufzog, tanzte eine Ballerina im Kreise. Sie drehte sich nicht nur um sich selbst, sondern zog auch auf einer goldenen Scheibe ihre Kreise. So trudelte sie in erstarrter Anmut. Die Arme waren hoch gereckt, über ihrem Kopf zu einem Oval geformt, ihre Tanzschritte, musste man sich einfach dazu denken, während eine hübsche Melodie dazu klimperte. Die Spieluhr musste uralt sein und vielleicht gehörte sie überhaupt zu den ersten Instrumenten dieser Art, die je hergestellt worden waren.
Ansonsten fand man eigentlich alle möglichen Kuriositäten und Plunder. Wenn man eine Nase dafür hatte, so konnte man unter
Umständen sogar etwas von Wert ergattern.
Der Buchhändler, dessen Name, soviel ich herausbekommen habe, Josuah Häckli war, hatte die liebliche Ballett-Tänzerin gerade in Gang gesetzt, als das Glöckchen am Türrahmen bimmelte und ein Mann in den Laden hereingepoltert kam.
Der Mann, mit einem Strumpf maskiert, fuchtelte energisch mit einem Revolver herum. In der anderen Hand schwenkte er eine größere Arzttasche aus Leder, wie sie früher üblich war und die der alte Mann mit Namen Häckli ihm bestimmt gerne abgekauft hätte. Sie war aus dunklem Leder und würde in diese triste Umgebung sicherlich gut hinein passen.
Die Stimme des Unholds klang schnarrend und wild entschlossen. Er mochte ca. 1,80 Meter groß sein, wirkte aber trotzdem irgendwie untersetzt und kräftig. Sein schwarzer Rollkragen Pulli und seine schwarze Hose ließen ihn wie die personifizierte Gestalt des schwarzen Mannes erscheinen. Darüber trug er einen weiten Mantel.
„Geld her, oder es kracht“, böllerte er los und ließ seinen schweren Revolver drohend tanzen.
Der Buchhändler tauchte langsam mit seinem Kopf hinter dem Tresen hervor, wo er sich vor Schreck geduckt und Schutz gesucht hatte.
„Mach die Kasse auf“, wurde befohlen.
Der alte Mann tastete sich entlang des
Tresens, während er immer wieder verstört in die endlos erscheinende, großkalibrige Mündung des Revolvers blickte.
Häckli ging zögerlich zu der alten Kasse am Ende des Ladentisches. Sie hatte einzelne Tippfelder, wie bei einer Schreibmaschine und darüber ein Sichtfenster, in dem die eingetippten Zahlen auf Plättchen hochfuhren. Im Großen und Ganzen war das Ding ein Monstrum, schwer und solide gebaut. Sie sah wie ein Schmuckstück aus, denn seine mattierte, glänzende Metalloberfläche war reich ziseliert und ornamentiert. Josuah tippte 0.00 ein, die Plättchen fuhren hoch und Häckli betätigte die riesige Kurbel auf der rechten Seite, die einen Schwengel aus Holz hatte. Die Schublade fuhr
mit Getöse heraus, das mit einem lauten Klingeln begleitet wurde. Die Schublade bestand aus mehreren Fächern und enthielt nur ein paar Münzen, ein paar wenige Scheine, die lediglich als Wechselgeld gedacht waren. Einnahmen waren an diesem heutigen Tag noch nicht zu verzeichnen.
Der Räuber musterte die armselige Beute.
„Ist das alles?“, fuhr er den Händler wutschnaubend an.
Der alte Mann, zittrig, weiß wie die Wand, schielte zur Balletttänzerin herüber, als ob sie ihm helfen könnte. Sie aber drehte nur gelassen ihre Kreise weiter, wenn sie auch deutlich langsamer wurde, weil sich die Aufzugsfeder im Inneren des Gehäuses zunehmend entspannte.
Der Ganove griff über den Tresen raffte das kümmerliche Geld aus der Kasse zusammen und stopfte es in seine Arzttasche.
„Wo ist der Rest?“
Häckli sagte verzweifelt, dass er nicht mehr habe. Josuah sah sich in dem Raum gehetzt um in der Hoffnung fündig zu werden, obwohl er natürlich genau wusste, dass dies wirklich alles an Barschaft war, die er besaß.
Und dann zeigte er auf seine Buchführung, wobei er ihm den offenen Folianten zudrehte. Der Maskierte fuhr mit dem Pistolenlauf die Zahlenkolonnen entlang. Tatsächlich konnte das Hutzelmännchen nicht mehr Barschaft haben, musste der schwarze Mann zu seinem Bedauern feststellen.
Jeden Gewinn hatte dieser Idiot in neue,
hirnrissige Investitionen herein gesteckt. Plunder-Ankauf!
Der Verbrecher konnte es nicht fassen und sah sich zum ersten Mal in dem schummrigen Raum um. So viel Geld für so alten Scheißdreck hatte der Olle rausgeschmissen. Unfassbar!
„Was kann ich ihnen denn Wertvolles anbieten?“
Josuah rang verzweifelt die Hände. Er hoffte dem Menschen ein Angebot machen zu können. Er sollte irgendwie zufrieden gestellt werden, damit er schnellstens aus seinem Blick verschwand. Da war ihm die Servilität Wurst. "Lass' es nur vorbei sein", war sein einziger Gedanke.
„Hast du noch ein Hinterzimmer?“, schnarrte
der Unhold. „Ja.“
„Los gehen wir“, wedelte der Mann mit dem Revolver.
Sie gingen beide nach hinten. Das winzige Büro war von der gleichen Modrigkeit, von dem gleichen Chaos und derselben Unordnung, wie der vordere Raum .
Der Mann sah sich gründlich um. Er durchstöberte veraltete Aktenschränke, riss Schubladen aus dem Schreibtisch heraus, aber er fand nichts von Wert.
Dann straffte sich die Strumpfmaske, als er den Tresor in der Ecke entdeckt hatte. Häckli lächelte den Räuber an, wie eine magnetische Fangschrecke. Er wollte so gerne Hass entwickeln, das ihm nicht gelang und andererseits beutelte ihn die Angst, so
dass ihm dieses falsche Grinsen im Gesicht gefror. Es zeigte keine Wirkung.
„Los, mach auf, alter Kacker!"
Der Ton war unmissverständlich und Joshua Häckli beeilte sich einen großen Schlüsselbund hervor zu kramen. Er schloss auf und mit einem schmatzenden Ruck öffnete er die schwere Türe. Der Tresor enthielt nur altes Geschreibsel, das in Wirklichkeit aus dem 15. und 16. Jahrhundert stammte und einen erheblichen Wert darstellte. Der Eindringling fledderte wütend durch die Aufzeichnungen und schmiss die Blätter durch den Raum. Für ihn stellten die vergilbten Papierrollen keinen Wert dar.
Es war einfach Papierschrott, allenfalls für Beschleuniger eines Lagerfeuers zu
gebrauchen.
Dann nahm sich der zornige Mann wieder zusammen. Er atmete durch, die Enttäuschung hinter sich lassend.
„Also gut, gehen wir wieder nach vorne."
Häckli gehorchte. Der gemeine Kerl hatte sich in aller Ruhe auf den Tresen gelehnt und spielte ostentativ mit dem Revolver herum.
„Also gut, Ich gebe Dir noch eine Chance“, so lächelte der Unbekannte diabolisch durch die Strumpfmaske. Ihm war eine spaßige Idee gekommen. Er konnte diesen Trottel ruhig noch ein wenig zappeln lassen. So schnell würde sowieso niemand in diesen verlotterten Laden kommen.
Er hatte also genügend Zeit für seine Spielchen. Wenn schon der Gewinn mau war,
dann wenigstens widerliche macht genießen, sich an der Todesfurcht weiden.
Behutsam legte er seine Tasche samt dem erbeutetem Inhalt auf die altmodische Waage, deren eine Schüssel geräuschvoll sich zu Boden neigte. Jetzt sah Josuah auch, dass der Maskierte schwarze Handschuhe trug.
Im Hintergrund war die Musik der Spieluhr inzwischen verstummt. Die Balletttänzerin mit ihren hocherhobenen Armen war erstarrt und wartete auf den Schlussapplaus. Dabei blieb sie in ihrer Pose anmutig, wie zuvor.
Josuah Häckli liebte diesen Augenblick, weil ihn das immer davon träumen ließ, dass die Zeit stehen blieb. Er meinte sogar es in seinem Inneren zu wissen. Er war sich irgendwie sicher. Und das war auch der
Grund, dass er in seinem Laden seit Jahrzehnten keine Veränderung mehr durchgeführt hatte. Eine geradezu mystische Angst, dass die Balletttänzerin vielleicht nicht mehr tanzen würde, hatte ihn davon abgehalten Veränderungen durchzuführen. Veränderung bedeutete voranschreiten des Zeitgefüges. Das konnte er nicht zulassen! Josuah Häckli war überzeugt, dass diese Spieluhr mit der anmutigen Balletttänzerin auch auf seine eigene Zeit Einfluss haben musste. Anders konnte es gar nicht sein. Wäre er sonst so alt geworden, wenn es nicht immer wieder einen Zeit Stop für ihn gegeben hätte, während draußen, das heißt genau genommen außerhalb seines Ladens, sich die Veränderungen unaufhaltsam
ausbreiteten und in immer schnelleren, teuflischen Eruptionen dahin rasten? Man sehe sich nur all dieses neumodische Zeugs an, das die Welt angeblich so fortschrittlich machte. Kommunikation ohne Grenzen. Es bewirkte nur eine Beschleunigung der Zeit. Computer, Handy, Autos, Hektik! Josuah sah es doch, dass keiner mehr Zeit hatte. Sie alle gingen nicht, sie liefen, hasteten. Sie schwärmten in den Untergrund, wie Maulwürfe. Sie erklommen Hochhäuser, die nicht hoch genug sein konnten. Ja, diese Toren! Sie dachten alles nur in einer Drei Dimensionalität, statt dass sie der wertvollen Zeit Tribut zollten. Aber wie behandelten die Zeit? Sie war ihnen Wurst!
Alle, alle jagten nur irgendeinem Mammon
nach. Geld, Macht, Gier beflügelte sie und das möglichst schnell! Denn sie nahmen sich nur wenig Zeit. Sie hatten keine Zeit mehr für die Schönheiten des Lebens, keine Zeit zum Nachdenken und Genießen. Keinen Sinn für die Faszination der Dinge. Kein Bewusstsein für die Natur. Und Häckli war sich sicher, dass sie die Schönheit und Anmut dieser, unserer Welt gar nicht mehr erfassen konnten, weil die Zeit sie andauernd drängte.
Vor all diesem hatte ihn die Ballerina auf seiner Spieluhr bewahrt.
Jetzt stand die Ballerina wieder still und die Zeit schien angehalten worden zu sein. Er würde erst wieder älter werden, wenn er sie wieder aufzog. Diese Ruhe der Ballerina war gewissermaßen eine wohltuende Auszeit für
Häckli. Er musste sie immer wieder aufziehen, denn er war nicht so vermessen ein ewiges Leben haben zu wollen. Nun stand sie still. Eine böse Vorahnung! Er wollte keine Veränderung seines Ladens, keine Veränderung durch Abriss des baufälligen Hauses miterleben müssen. Denn er war sich im Klaren darüber, dass es einmal so kommen musste. Ein Glück, dass er seine Schutzheilige, seine Ballerina hatte.
„Na, was machen wir denn nun, Meister", grollte der Unhold.
"Dein Leben ist doch was wert, oder nich'."
Josuah schwitzte und dachte nach.
Er kletterte um den Tresen herum und zog schnell den Schlüssel von dem
Spielautomaten ab, mit dem er die Elfen gleiche, kleine Ballerina in Gang setzen konnte. Es war ihm wichtig, dass die Zeit stehen blieb. Dann war er nicht so erwundbar.
Der Schlüssel glitt in seine ausgebeulte, alte Hosentasche. Dem Eindringling war dies nicht entgangen. Er schielte misstrauisch herüber.
„Na, was ist nun, du Memme!“ Der Revolver hatte wieder seinen Auftritt.
„Was meinst du wie viel dich dein Leben kostet?“
„Weis nich“, zitterte Josuah.
„Na, ich will mal nicht so sein“, meinte der Mann generös.
„Zeig mal, was unter deinem miesem Scheißdreck was wert ist.“
„Schauen sie hier“, wusste der Alte.
Er eilte zu dem Stövchen, das er an der Wand sein Plätzchen gefunden hatte. Häckli sah unbeholfen aus und vor allem harmlos, als er sich den Weg durch den überfüllten Laden bahnte. Der Maskierte sah ab und an zu der Ladentüre, aber natürlich rührte sich nichts, wie er vermutet hatte. Es drohte keine Gefahr. Er konnte das Spielchen treiben, solange es ihm gefiel.
„Also, was ist, alter Scheißkerl?“
Der Scheißkerl zog einen uralten, riesigen Buchordner aus dem Regal.
„Es ist eine Erstausgabe.“
Josuah stammelte die Worte nur.
Der Eindringling lachte hingegen durch seine Maske.
„Verarschen kann ich mich selber“, so knurrte
der Unhold hinterrücks durch die Strumpfseide.
„Moos, Alter, etwas, das man umsetzen kann, das brauche ich! Du bist schon zu alt, du kapierst einfach gar nichts. Und was ist mit dieser Scheißspieluhr, auf die du dauernd hingaffst?“
Der alte Mann wirkte irgendwie irritiert, aber dennoch fleißig bemüht den Anforderungen gerecht zu werden. Er beeilte sich dem Fremden gegenüber eine gute Figur zu machen und stieg sogar auf eine betagte Leiter hoch, zog ein großes Buch aus seinem Repertoire heraus und hastete wieder zu dem Vermummten, ohne auf die Frage nach der Spieluhr einzugehen.
„Das ist ein einzigartiges Stück“,
versicherte er.
„Schauen sie nur auf den Buchrücken. Es ist von 1742! Alle diese Abbildungen sind Tausende von Dollars wert. Bestimmt! Sind alles Stiche. Gefärbt, von Hand! Damals hat man noch für so was Zeit gehabt.“
„Also, was ist der Schmöker wert, deiner Meinung nach?“
„Also bestimmt 2000 Dollar! Verlag Velhagen und Klasing! Damals eben.“
„Viel zu schwer! Unbrauchbar.“
Der Maskierte hatte ein neues Objekt erfasst. Joshua kletterte wieder herauf, um das Buch zurück zu stellen, dann stieg er wieder mühsam herunter und eilte dem Schweinehund entgegen.
„Und was ist das?“
„Eine Kristallvase! Sie ist aus Muranoglas, dem schönsten Glas, das man sich zu der Zeit nur erträumen konnte. 16. Jahrhundert! Unbezahlbar!“
„Pah! Dieses Dings geht mir in der Tasche eh nur kaputt!“
Der Dieb wandte sich verächtlich ab. Das Zeug war zu nichts nutze. Irgendwie musste seine Beute zumindest vernünftig loszuschlagen sein. Irgendetwas, das attraktiv war. Irgendetwas, das sich zu Geld machen ließ. Schließlich sah er ein, dass in diesem Laden offensichtlich nicht mehr zu holen war. Einfach eine verdammte Pleite.
Häckli sah wieder zu der Elfentänzerin hin, die wie immer ihre Arme erhoben und ihren Kopf
schief gelegt hatte. Es konnte ihm nichts passieren, solange sie still stand. Die Zeit würde angehalten werden.
Der Eindringling hatte ihn bei dem Kragen gepackt und ihn brutal an sich gerissen. Der Revolverlauf zeigte auf seine Stirn.
„Nein, nein“, japste Josuah, während er sich in seinem Anzug, wie in einem Mehlsack herum geschüttelt fühlte und wies mit der Hand auf das Objekt.
„Das da vorne ist ein Sekretär aus der Biedermeierzeit. Walnussholz!“ Er fügte es sogar stolz hinzu.
Der Dieb schüttelte ihn wieder.
„Verlauster Esel! Meinst du vielleicht ich bin Möbelpacker, Arschloch!
Und was ist dem Schund da?“
Der Einbrecher beutelte Josuah nochmals eindringlichst und zeigte auf die Spieluhr.
Häckli begann zu weinen.
„Nur nicht dieses Eine Stück nicht!“
„Egal, her mit dem Schlüssel. Ich habe genau gesehen, wie du ihn verramscht hast.“
Die eine Handfläche zeigte nach oben, die andere hatte den Revolver im Griff, den er jetzt in ein Nasenloch von Josuah reinbohrte.
„Bitte nicht“, quengelte der Alte in Todesangst. Offene, weit gespreizte Augen fixierten den Lauf.
„Also, was ist? Ist der Plunder etwas wert?“
„Diese Spieluhr ist unbezahlbar!“
„Drück dich deutlicher aus! Was ist sie wert? Und zwar In Dollar!“
„Ich weiß es nicht, aber ich denke, dass
irgendwelche Leute schon etwas zahlen würden."
Häckli gluckste nur noch, weil es ihm den Kragen zuschnürte.
Der Eindringling ließ ihn wieder los und Josuah fiel wie ein Sack Zement zu Boden.
„Sie hat ein Geheimfach! Sie müssen aber wirklich vorsichtig sein!“
"Schlüssel! Also gib ihn endlich her!“
Josuah kramte in seiner Hosentasche. Häckli hatte sich selbst aufgegeben.
Wenn er sie jetzt aufzieht, dann ist es vorbei. Dann läuft die Zeit weiter. Dann konnte auch der Revolver losgehen. Er lehnte sich erschöpft zurück und breitete sich auf sein Ende vor, während er dem Vermummten den Schlüssel aushändigte. Der Verbrecher riss
ihn förmlich aus seiner Hand.
„Nicht den Sockel berühren!“
„Warum denn nicht?“
Häckli schwieg verkrampft.
Das maskierte Gesicht schien zu grinsen. Er nahm nun die Spielzeuguhr in die Hand und drehte sie in seinen behandschuhten Fingern.
„Nein!“
Josuah saß japsend am Boden. Die Zeit würde weiter laufen, sobald der Gangster die Spieluhr aufgezogen hatte. Josuah hatte entsetzliche Angst und musste schlucken. Der schwarze Mann würde die Spieluhr kaputt machen und dann wäre es um isein eignenes Leben geschehen.
Der Verbrecher grinste nur und er sabberte
etwas.
„Geht es uns auch wirklich gut?“
Eine rein rhetorische Frage, die an Blasphemie grenzte. Ja, der Kerl hatte sichtlich seinen Spaß.
„Tun sie es nicht!“
Der maskierte Räuber nahm nun seine Handschuhe ab, damit er besser die Ornamente des Sockels ertasten konnte. Nachdem der alte Mann dauernd dahin geschielt hatte, interessierte ihn die Spieldose um so mehr. Vielleicht barg sie ein Geheimnis, welches dieser alte Schweinehund ihm verschwiegen hatte. Irgend etwas musste an diesem Ding dran sein. Vielleicht ein außerordentlicher Diamant?
„Wie macht man das auf,
Drecksack?“
Josuah schwieg hartnäckig.
„Verdammte Scheiße!“
Der Fremde drehte die Spieluhr in seiner Hand und nahm keine Rücksicht auf die filigranen, nach oben gestreckten Hände der Tänzerin. Schließlich steckte er den Schlüssel ein, zog ihn in aller Hast auf. Die Balletttänzerin fing sich prompt wieder an zu drehen. Das Musiklaufwerk begann zu spielen.
Er hatte natürlich sichtlich nichts übrig für die blöde Melodie. Auch die Anmut der Tänzerin war ihm völlig Wurst. Er wollte die Spieluhr schon hasserfüllt auf den Boden schmettern, doch da hielt er wieder inne.
Der Alte hatte doch so herum gegurkst. Sollte diese Spieluhr ein Geheimfach haben? Womöglich einen Schatz beherbergen?
Die Neugier siegte und er begann wieder am Sockel herumzutasten. Da fiel ihm ein versenkter Knopf im Sockel der Spieluhr auf. Er war völlig zwischen der Goldziselierung verborgen und sah gar nicht wie ein Knopf aus.
Er drückte daran herum.
„AHA!“
Eine kleine Schublade sprang heraus.
„Na, also! Wusste ich doch, dass du gequirlte Drecksau mir nicht alles gesagt hast!“
„Bitte, bitte nicht!“
Der Andere grinste hinter seiner Maske. Vielleicht könnte sich dieser Überfall doch
noch als erquicklich erweisen. Er fummelte weiter. Die kleine Schublade könnte vielleicht etwas Geheimnisvoloes, jedenfalls etwas Wertvolles beherbergen. Er fuhr mit den Fingern in die Schublade, um sie auch wirklich genau zu untersuchen. Da schnitt er sich an einem Dorn in der Tiefe der Schublade, der vorher nicht erkennbar gewesen war.
Ihm wurde schummrig Er fühlte sich, wie in ein Korsett gespannt, wie wenn er im Mittelalter quer geschlossen wäre.
Dann versagten ihm die Beine.
Er fiel krachend zu Boden, während sich Schaum vor seinem Mund bildete.
Er starb augenblicklich, ohne auch nur ein Wort sagen zu können.
Das Gift der Borgia hatte die Zeit überdauert und seine Schuldigkeit getan.
Der alte Mann mit Namen Josuah Häckli hatte sich wieder aufgerappelt, nachdem er den schnellen Tod mit großen Augen beobachtet hatte, ging auf ihn zu und nahm ihm die tanzende Balletttänzerin aus der erstarrten, verkrampften Hand. Sie hatte den Todessturz glücklicher Weise unbeschadet überlebt. Er stellte sie auf den Tresen, schloss vorsichtig wieder die Geheimschublade, sah glücklich zu, wie sie sich drehte, wie die Musik dazu krächzte und schnaufte zufrieden auf.
Er hatte nicht einmal einen Blick für die
Leiche übrig.
Erst Nach einer Weile der Muße fand sein Blick doch noch den maskierten Leichnam, wie er so unbeholfen da lag.
„Du wolltest mir Zeit stehlen! Aber sie gehört mir!“
Die Ballerina schwang immer noch kokett um sich, drehte sich im Kreise und sah in die Welt und die Zeit hinaus.
welpenweste Das freut mich! Danke! |
welpenweste Dieses Buch ist eine Geschichte, die ich schon 1999 als Idee entwickelt habe. Eigentlich sollte da etwas Größeres entstehen, aber ich finde es gerade in dieser Kürze gelungen. Günter |
CHM3663 Du weißt, wie begeistert ich bisher alles von Dir gelesen habe, aber das ist jetzt für mich Deine allerschönste, berührendste Geschichte. Damit bringst Du Deine Leser tatsächlich in diesen wunderbaren kleinen Laden, in dem die Zeit still steht, und läßt sie spüren, was in unserer Zeit heute so schrecklich fehlt. Das geht wirklich ans Herz, ist aber gleichzeitig auch richtig spannend, weil man mit fiebert und auf das Happy End hofft. Ich wünschte mir nur, auch in der Realität würden Geschichten wie diese immer so ausgehen... Dankeschön und LG, Chrissie |
welpenweste Danke Dir, lieber Erato! |